Skip to main content
Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 3/2023

06.07.2023 | Originalarbeit

Strafbarkeit des Sexkaufs nach § 232a Abs. 6 StGB – ein gesetzgeberischer Fehlschlag?

verfasst von: Prof. Dr. Tillmann Bartsch, Nora Labarta Greven, Robert Küster

Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie | Ausgabe 3/2023

Einloggen, um Zugang zu erhalten

Zusammenfassung

Im Jahr 2016 hat der Gesetzgeber mit § 232a Abs. 6 StGB eine Vorschrift geschaffen, die unter bestimmten Umständen die Vornahme sexueller Handlungen gegen Entgelt mit Menschen, die Opfer eines Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung geworden sind, strafbewehrt verbietet. Diese sog. Freierstrafbarkeit wurde in der Literatur schon vor ihrem Inkrafttreten viel kritisiert. Im Rahmen einer empirischen Studie konnte das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. nun überprüfen, ob die Ziele, die der Gesetzgeber mit Einführung der Freierstrafbarkeit verbunden hat, erreicht wurden. Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass der Gesetzgeber über den – im Jahr 2021 sogar noch einmal erweiterten – Freierstraftatbestand noch einmal nachdenken sollte.
Fußnoten
1
Die Begriffe Freierstrafbarkeit und Kronzeugenregelung werden hier als feststehende Wendung eingestuft, daher nicht gegendert.
 
2
Im Folgenden wird für Personen, die im Sinne dieses Beitrags Sex kaufen, vorwiegend der Begriff „Freier*in“ verwendet, weil der Gebrauch des Begriffs „Prostitutionskund*in“ im Fall des Verkehrs mit Opfern von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung unangemessen erscheint. Wenn der Begriff „Kund*innen“ verwendet wird, wird er daher in Anführungszeichen gesetzt.
 
3
Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels und zur Änderung des Bundeszentralregisters sowie des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 11.10.2016, BGBl. I 2226.
 
4
BT-Drs. 18/9095 35 f.; So explizit Art. 18 Abs. 4 Richtlinie 2011/36/EU: „Um Menschenhandel dadurch, dass der Nachfrage entgegengewirkt wird, wirksamer zu verhüten und zu bekämpfen, erwägen die Mitgliedstaaten die Einleitung von Maßnahmen, mit denen die Inanspruchnahme von Diensten, die Gegenstand einer Ausbeutung im Sinne des Artikels 2 sind, in dem Wissen, dass die betreffende Person Opfer einer Straftat nach Artikel 2 ist, als strafbare Handlung eingestuft wird.“
 
5
Eingeführt wurde die Kronzeugenregelung als § 232a Abs. 6 S. 2 StGB. Da sich die Evaluationsstudie auf den damals geltenden § 232a Abs. 6 S. 2 StGB bezog, wird im Folgenden § 232a Abs. 6 S. 2 StGB zitiert. Dieser entspricht § 232a Abs. 6 S. 3 StGB in der heutigen Fassung.
 
6
Damit kann man auch dem möglichen Einwand begegnet werden, dass in unserer Studie nur deshalb nicht mehr einschlägige Fälle gefunden wurden, weil Fallgestaltungen, die den Straftatbestand nach § 232a Abs. 6 S. 1 StGB erfüllen, von Polizei und Staatsanwaltschaften bei der statistischen Erfassung den konkurrierenden Sexualstraftaten zugeordnet werden und deshalb in unserem Sample nicht enthalten sind.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Bartsch T, Labarta Greven N, Schierholt J, Treskow L, Küster R, Deyerling L, Zietlow B (2022) Evaluierung der Strafvorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels (§§ 232 bis 233a StGB). Nomos, Baden-BadenCrossRef Bartsch T, Labarta Greven N, Schierholt J, Treskow L, Küster R, Deyerling L, Zietlow B (2022) Evaluierung der Strafvorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels (§§ 232 bis 233a StGB). Nomos, Baden-BadenCrossRef
Zurück zum Zitat Böhret C, Konzendorf G (2000) Moderner Staat – moderne Verwaltung: Leitfaden zur Gesetzesfolgenabschätzung Berlin Böhret C, Konzendorf G (2000) Moderner Staat – moderne Verwaltung: Leitfaden zur Gesetzesfolgenabschätzung Berlin
Zurück zum Zitat Bürger S (2017) Die Neuregelung des Menschenhandels. Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und Schaffung eines stimmigen Gesamtkonzepts? Z Int Strafrechtsdog 12:169–181 Bürger S (2017) Die Neuregelung des Menschenhandels. Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und Schaffung eines stimmigen Gesamtkonzepts? Z Int Strafrechtsdog 12:169–181
Zurück zum Zitat Eisenberg U, Kölbel R (2017) Kriminologie, 7. Aufl. Mohr Siebeck, Tübingen Eisenberg U, Kölbel R (2017) Kriminologie, 7. Aufl. Mohr Siebeck, Tübingen
Zurück zum Zitat Erb V, Schäfer J (2019) Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. C.H.Beck, München (zit.: Bearbeiter*in, in: MüKo-StGB 2021) Erb V, Schäfer J (2019) Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. C.H.Beck, München (zit.: Bearbeiter*in, in: MüKo-StGB 2021)
Zurück zum Zitat von Feuerbach A (1847) Lehrbuch dem gemeinen in Deutschland Peinlichen rechts, 14. Aufl. Giessen von Feuerbach A (1847) Lehrbuch dem gemeinen in Deutschland Peinlichen rechts, 14. Aufl. Giessen
Zurück zum Zitat Fischer T (2023) Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 70. Aufl. C.H.Beck, München Fischer T (2023) Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 70. Aufl. C.H.Beck, München
Zurück zum Zitat Kindhäuser U, Neumann U, Paeffgen H‑U, Saliger F (Hrsg) (2023) Nomos Kommentar Strafgesetzbuch Bd. 4. Nomos, Baden-Baden (zit.: Bearbeiter*in, in NK-StGB 2023) Kindhäuser U, Neumann U, Paeffgen H‑U, Saliger F (Hrsg) (2023) Nomos Kommentar Strafgesetzbuch Bd. 4. Nomos, Baden-Baden (zit.: Bearbeiter*in, in NK-StGB 2023)
Zurück zum Zitat Kreuzer A (2016a) Prostitutionsgesetzgebung und Opferschutz. Z Rechtspolit 49:148–151 Kreuzer A (2016a) Prostitutionsgesetzgebung und Opferschutz. Z Rechtspolit 49:148–151
Zurück zum Zitat Meier B‑D (2019) Strafrechtliche Sanktionen, 5. Aufl. Springer, HeidelbergCrossRef Meier B‑D (2019) Strafrechtliche Sanktionen, 5. Aufl. Springer, HeidelbergCrossRef
Zurück zum Zitat Ofosu-Ayeh O (2020a) Die Strafbarkeit des Menschenhandels und seiner Ausbeutungsformen: §§ 232-232b StGB. Reform durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels vom 11. Oktober 2016. Nomos, Baden-Baden.CrossRef Ofosu-Ayeh O (2020a) Die Strafbarkeit des Menschenhandels und seiner Ausbeutungsformen: §§ 232-232b StGB. Reform durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels vom 11. Oktober 2016. Nomos, Baden-Baden.CrossRef
Zurück zum Zitat Ofosu-Ayeh O (2020b) § 232a Abs. 6 StGB: Die Umsetzung der Freierstrafbarkeit. Z Jur Stud 13:109–112 Ofosu-Ayeh O (2020b) § 232a Abs. 6 StGB: Die Umsetzung der Freierstrafbarkeit. Z Jur Stud 13:109–112
Zurück zum Zitat Schönke A, Schröder H (2019) Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Aufl. C.H.Beck, München (zit.: Bearbeiter*in, in: Schönke/Schröder 2019) Schönke A, Schröder H (2019) Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Aufl. C.H.Beck, München (zit.: Bearbeiter*in, in: Schönke/Schröder 2019)
Zurück zum Zitat Ziekow J, Debus AG, Piekser A (2018) Erstellung eines Leitfadens zur Durchführung von ex-post Gesetzesevaluationen unter besonderer Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Folgen Ziekow J, Debus AG, Piekser A (2018) Erstellung eines Leitfadens zur Durchführung von ex-post Gesetzesevaluationen unter besonderer Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Folgen
Metadaten
Titel
Strafbarkeit des Sexkaufs nach § 232a Abs. 6 StGB – ein gesetzgeberischer Fehlschlag?
verfasst von
Prof. Dr. Tillmann Bartsch
Nora Labarta Greven
Robert Küster
Publikationsdatum
06.07.2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie / Ausgabe 3/2023
Print ISSN: 1862-7072
Elektronische ISSN: 1862-7080
DOI
https://doi.org/10.1007/s11757-023-00785-5

Weitere Artikel der Ausgabe 3/2023

Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 3/2023 Zur Ausgabe

Kongresskalender

Kongresskalender

Darf man die Behandlung eines Neonazis ablehnen?

08.05.2024 Gesellschaft Nachrichten

In einer Leseranfrage in der Zeitschrift Journal of the American Academy of Dermatology möchte ein anonymer Dermatologe bzw. eine anonyme Dermatologin wissen, ob er oder sie einen Patienten behandeln muss, der eine rassistische Tätowierung trägt.

Wartezeit nicht kürzer, aber Arbeit flexibler

Psychotherapie Medizin aktuell

Fünf Jahren nach der Neugestaltung der Psychotherapie-Richtlinie wurden jetzt die Effekte der vorgenommenen Änderungen ausgewertet. Das Hauptziel der Novellierung war eine kürzere Wartezeit auf Therapieplätze. Dieses Ziel wurde nicht erreicht, es gab jedoch positive Auswirkungen auf andere Bereiche.

Chirurginnen und Chirurgen sind stark suizidgefährdet

07.05.2024 Suizid Nachrichten

Der belastende Arbeitsalltag wirkt sich negativ auf die psychische Gesundheit der Angehörigen ärztlicher Berufsgruppen aus. Chirurginnen und Chirurgen bilden da keine Ausnahme, im Gegenteil.

Ein Drittel der jungen Ärztinnen und Ärzte erwägt abzuwandern

07.05.2024 Klinik aktuell Nachrichten

Extreme Arbeitsverdichtung und kaum Supervision: Dr. Andrea Martini, Sprecherin des Bündnisses Junge Ärztinnen und Ärzte (BJÄ) über den Frust des ärztlichen Nachwuchses und die Vorteile des Rucksack-Modells.

Update Psychiatrie

Bestellen Sie unseren Fach-Newsletter und bleiben Sie gut informiert.