Toasted-Skin-Syndrom: Wenn es der Haut zu warm wird

Die Ursachen für das Erythema ab igne haben sich im Laufe der Jahrhunderte geändert. Damit einher ging, dass sich auch die umgangssprachliche Bezeichnung für die in der Regel gutartige Hautveränderung gewandelt hat. Es war einmal eine Frau, die hatte Beine, auf denen sich ein rötliches Spinnennetz abzeichnete ... Was klingt wie der Anfang eines Grimm’schen Märchens, war in der Zeit der Gebrüder Grimm auch nicht so ungewöhnlich. Denn damals, als die Menschen noch auf Holz(kohle)öfen kochten und die gute Stube mit offenem Feuer beheizten, trat das Toasted-Skin-Syndrom, wie die Hautveränderung auch genannt wird, vor allem bei Frauen und älteren Personen auf; Menschen, die sich oft nah an Hitzequellen oder offenen Feuerstellen aufhielten. Eine der frühesten dokumentierten Beschreibungen des Erythemas ab igne (EAI), so der medizinisch etablierte Begriff, stammt aus dem Jahr 1842: In einer medizinischen Vorlesung über Hautkrankheiten wurden die fleckige Hauterscheinung an den Beinen einer Frau, die viel vor einem Holzkohleofen stehen musste, als „ephileis ignealis“ (feurige Sommersprosse) beschrieben. Erythema ab igne selbst bedeutet „Rötung aus dem Feuer“. Erythema ab igne ist keine Verbrennung Ausgelöst wird die Hautveränderung durch zu viel Hitze – und zwar Temperaturen zwischen 43 und 47 °C, bei denen es für gewöhnlich noch nicht zu Verbrennungen kommt. Die genaue Pathophysiologie ist bislang unbekannt. Es wird vermutet, dass durch längere Wärmeexposition oder Exposition von Infrarotstrahlung der dermale Gefäßplexus geschädigt wird, wodurch Melanin und Hämosiderin in der Dermis abgelagert werden. Daraus entwickeln sich mit der Zeit die typische Hyperpigmentierung, Hyperkeratosen und -elastosen. Die histopathologischen Befunde können von epidermalen Verdickungen und Hyperpigmentierungen bis hin zu Nekrosen reichen. Typisch sind auch perivaskuläre Infiltrate. 43–47 °C ist der thermische Schwellenwert, bei dem ein Erythema ab igne entsteht. Anfang des 20. Jahrhunderts prägte der deutsche Dermatologe Dr. Abraham Buschke den Begriff „Hitze-Melanose“. Er hatte das netzartig rötlich-violett marmorierte Hautmuster bei mehreren Personen beobachtet, die in der Nähe von oder an Torföfen arbeiteten. Mit zunehmendem Feuerschutz und der Modernisierung der Herde traten Erythemata ab igne seltener und an anderen Stellen auf; zum Beispiel an den Oberschenkeln älterer Damen. Die Ursache für „Granny‘s tartan“ (Omas Schottenrock), so der liebevolle Spitzname für das Syndrom: die gerade im Winter beliebte Heizdecke. Toasted-Skin-Syndrom häufig am Bauch Allerdings war und ist ein Dauerbrenner bei den Ursachen für das Toasted-Skin-Syndrom – nicht nur im übertragenen Sinne – die Wärmflasche. Trotz aller Empfehlungen wird diese oft zu heiß befüllt. Und wenn sie an Stellen verwendet wird, an denen die Hitze gut und schnell durch die Epidermis dringen kann, entwickeln die Personen das typische Hautmuster – klassischerweise am Bauch. Eine solche abdominale kalorische Hyperpigmentierung kann auf ein nicht ausreichendes Schmerzmanagement bei Menstruationsbeschwerden oder starken Bauchschmerzen zum Beispiel aufgrund einer Pankreatitis oder eines Morbus Crohn hinweisen. Auch wird immer wieder über EAI am Bauch von Kindern und Jugendlichen mit Anorexia nervosa berichtet. Sie versuchen, mit einer zu warmen Wärmflasche entweder das Hungergefühl zu unterdrücken oder der gestörten Wärmeregulation entgegenzuwirken. Das Erythema ab igne kann verwechselt werden mit: Livedo racemosa: Dabei handelt es sich um eine Vaskulopathie, bei der kleine oder mittelgroße Gefäße verschließen. Bei einer idiopathischen Livedo racemosa ist nur die Haut betroffen und zeigt sich als blitzförmige, livide Verfärbungen. Die syndromale Form kann sich auch in anderen Organen manifestieren. Livedo reticularis (Cutis marmorata) ist eine Gefäßerkrankung der Extremitäten, die mit netzförmigen rötlich bis blauen Farbveränderung an den betroffenen Extremitäten einhergeht. Ursache der primären/idiopathischen Form ist eine spastische Dysregulation der Endstrombahn der Haut bei Kälteexposition. Die sekundäre Form tritt u. a. bei Atheroembolie, systemischen Lupus erythematodes/Vaskulitiden auf. Cullen-Zeichen: ein Hämoperitoneum, das sich als schwach blau-grünliche Verfärbungen um den Bauchnabel zeigt. Es tritt unter anderem auf bei penetrierenden oder stumpfen Bauchtraumata, Verletzungen bei Bauchoperationen, Ruptur eines Aortenaneurysmas oder Ovars. Zusammen mit anderen Anzeichen weist es auf eine schwer nekrotisierende Pankreatitis hin. Das Grey-Turner-Zeichen ist eine blau-rot-violette oder grün-braune Hautveränderung in den Flanken. Es entsteht durch Hämoglobinabbau im Gewebe. Wie das Cullen-Zeichen ist es einer von mehreren Hinweisen auf akute hämorrhagische und nekrotisierende Pankreatitis. Auch das Fox-Zeichen ist ein Hautzeichen bei akuter hämorrhagischer und nekrotisierender Pankreatitis. Es ist gekennzeichnet von braun-grünliche Ekchymosen in der Leistenregion. Caput-medusae-Zeichen sind dilatierte oberflächliche Venen im Bereich des Bauchnabels. Es kann bei chronischen Lebererkrankungen auftreten. Auch sollte eine Vaskulitis oder ein Angiosarkom anamnestisch und differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Hautveränderung wiederentfacht Darüber hinaus hat das Erythema ab igne seit Kurzem eine Renaissance. Der Grund dafür sind die COVID-19-Pandemie und, dass dadurch viele Personen im Home Office gearbeitet haben. Ein Blick in PubMed verrät, dass sich seitdem Berichte über Personen mit einem Toasted-Skin-Syndrom ventral an den Oberschenkeln häufen. Diese haben allerdings keine Heizdecken verwendet. Auslöser bei ihnen ist der Laptop. Wird längere Zeit mit dem Gerät auf dem Schoß gearbeitet, kann die Hitze des Akkus sich gewissermaßen „einbrennen“. Derzeit noch als Einzelfall beschrieben wird ein Patient, bei dem ein Erythema ab igne im Gesicht um die Augen aufgetreten ist. Wobei die Autoren der Kasuistik schreiben, dass ein faziales EAI bei Menschen, die in Bäckereien oder in (Groß-)Küchen arbeiten, nicht unbedingt ungewöhnlich sei. Doch der junge Mann war weder Bäcker noch Koch, sondern hatte seine VR-Brille intensiv – bis zu fünf Stunden am Tag – genutzt (J Eur Acad Dermatol Venerol 2022;36(11):e932-3). Zudem hat der technische Fortschritt weitere neue Hitzequellen hervorgebracht, die bereits als Ursache für EAI beschrieben wurden: Heizlüfter: Dann ist das Erythema ad igne vor allem anterior und posterior am Unterschenkel zu sehen. Autositzheizungen können zu einer Hautveränderung am dorsalen Oberschenkel führen. Mit einem sogenannten Saunagürtel kann eine EAI um den mittleren Rumpf entstehen. Therapie des Toasted-Skin-Syndroms eher nicht erforderlich In der Regel ist ein Erythema ab igne gutartig und asymptomatisch und bildet sich, wenn die Hitzequelle entfernt wird, von selbst zurück. Sollte das nicht ausreichen, ist es möglich, dass eine Chronifizierung besteht. Dann kann die Hautverfärbung mit einer topischen Retinoid-Therapie gemildert werden. Sollte eine dysplastische Veränderung vorliegen, ist womöglich eine Therapie mit 5-Fluorouracil indiziert. Hält die Hitze- oder Infrarotexposition an und wird die Patientin oder der Patient mit der Hautveränderung nicht vorstellig, besteht die Gefahr, dass die Pigmentierung dauerhaft bestehen bleibt oder sogar – in seltenen Fällen – zu einem kutanen Plattenepithel-, Basalzell- oder Merkelzellkarzinom fortschreitet. Quelle: Ärzte Zeitung

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