Die 46-jährige gebürtige Thailänderin wurde wegen eines Verwirrtheitszustandes und fehlender Sprachproduktion, die sich innerhalb weniger Stunden eingestellt hatte, stationär aufgenommen. Bei der klinisch-neurologischen Aufnahmeuntersuchung zeigte sie sich verlangsamt und befolgte keine Aufforderungen. Neben einer Mydriasis beidseits war ein Blickrichtungsnystagmus nach links, eine „skew deviation“ sowie eine Dysarthrie nachweisbar. Noch in der Notaufnahme bot die Patientin eine erstmalige Grand-mal-Serie. Für einen Alkoholabusus ergab sich nach Rücksprache mit dem deutschen Ehemann und dem behandelnden Hausarzt kein Anhalt. Drei Monate zuvor war bei ihr ein Nasopharynxkarzinom diagnostiziert und mit Radiatio und Chemotherapie behandelt worden. Vier Wochen vor der stationären Aufnahme war ihr wegen persistierender Dysphagie ein Portkatheter angelegt worden. Eine Ganzkörperpositronenemissionstomographie hatte keinen Anhalt für eine Metastasierung ergeben. Ein Diabetes mellitus lag bei der Patientin nicht vor. Bei der Bestimmung der Serumroutinelaborparameter waren folgende Werte deutlich erhöht: Blutglukose 274 mg/dl, Gamma-Glutamyltransferase 304 U/l, Lipase 124 U/l sowie Serumlaktat 9,6 mmol/l (Normwert <2,2). Die Blutgasanalyse zeigte eine metabolische Azidose mit respiratorischer Kompensation: pH 7,47, pCO2 22,6 mm Hg, pO2 102 mm Hg, BE‑6, HCO3-16,2. Bei unauffälliger Schädel-Computertomographie(CT) sowie unauffälliger Darstellung der zerebralen Arterien und Venen in der CT-Angiographie erfolgte anschließend eine Liquoruntersuchung, die Normalwerte für Zellzahl, Liquoreiweiß und Liquorglukose zeigte. Hingegen war das Liquorlaktat mit 8,2 mmol/l (Normwert <2,4 mmol/l) deutlich erhöht. Die ergänzende Bestimmung von Thiaminpyrophosphat zeigte eine deutliche Erniedrigung auf 16 µg/l (Normwert: 40–100). Der Vitamin-B12-Spiegel war mit 1361 pg/ml normal, Folsäure mit 3 ng/ml leicht erniedrigt. Die gesamte Serumdiagnostik und Liquorserologie mit Erregerdiagnostik, paraneoplastische Antikörper, Neuropil-Antikörper, Lues, HIV sowie ein Drogenscreening war unauffällig. Nebenbefundlich zeigte sich eine isolierte, intrathekale IgG-Synthese von 28 %. Im drei Tage nach Aufnahme abgeleiteten EEG zeigten sich intermittierende Theta-Dysrhythmien beidseits. Im Schädel-MRT fanden sich neben den für eine Wernicke-Enzephalopathie (WE) typischen in T2- und FLAIR-Wichtung hyperintensen Veränderungen im medialen Anteil des Thalamus, in den Corpora mamillare, periaquäduktal und um den 4. Ventrikel auch ausgedehnte kortikale Signalanhebungen überwiegend im Frontallappen beidseits (Abb. 1). Unter parenteraler Thiaminsubstitution mit 200 mg/Tag kam es innerhalb von drei Tagen zu einer klinischen Besserung der Patientin, sodass wieder eine einfache Kommunikation möglich war. Nach einer Woche wurde die Thiamingabe auf 50 mg/Woche als Dauertherapie umgestellt. Die Patientin war mithilfe von 2 Personen stehfähig. Darüber hinaus bot sie jedoch ein deutliches hirnorganisches Psychosyndrom mit Desorientiertheit und wechselnder Kooperationsfähigkeit. Eine formale neuropsychologische Testung der Patientin war auch im Verlauf aufgrund einer vorbestehenden Sprachbarriere (Muttersprache thailändisch) nicht möglich. Zwei Wochen nach der stationären Aufnahme wurde die Patientin in eine Abteilung für Frührehabilitation verlegt. Interkurrent entwickelte die Patientin 10 Tage später eine akute Cholezystitis mit Gallenblasenempyem. Dieser Befund erklärt retrospektiv die erhöhten Transaminasen. Nach laparoskopischer Cholezystektomie erfolgte die Weiterführung der Rehabilitation, aus der sie 7 Wochen später rollatormobil, jedoch weiterhin unscharf orientiert und wesensverändert entlassen wurde.
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