Die primär sklerosierende Cholangitis ist eine seltene Erkrankung der Gallengänge mit schleichendem Beginn und sehr unterschiedlichen klinischen Verläufen [
8,
29]. Zur medikamentösen Standardtherapie kommt nach wie vor Ursodeoxycholsäure (UDC) zum Einsatz [
24]. Hierdurch wird der Gallefluss gefördert und die erhöhten Leberwerte, insbesondere die alkalische Phosphatase (AP) und die Gamma-Glutamyltransferase (GGT) gesenkt. Eine Effektivität hinsichtlich des Langzeitüberlebens konnte nicht prospektiv nachgewiesen werden. Möglicherweise profitieren laut Subgruppenanalysen aber Patienten mit gutem laborchemischem Ansprechen [
16]. Auch hinsichtlich des cholestatisch bedingten Juckreizes kann durch UDC eine Besserung erzielt werden. Andere Medikamente, wie z. B. Colestyramin und Colestipol, haben diesbezüglich eine ähnliche, jedoch nicht so effiziente Wirkung im Vergleich zu UDC [
11]. Einen großen Stellenwert nimmt die endoskopisch interventionelle Therapie dominanter Gallenwegsstrikturen ein, die bei konsequenter Durchführung das Langzeitüberleben der Patienten verbessert [
22]. Im Verlauf kommt es dennoch bei den meisten Patienten zu rezidivierenden, z. T. schweren Entzündungsschüben in den Gallenwegen mit rezidivierenden Septitiden. Durch Entzündung und Cholestase entstehen dann die Wegbereiter für die chirurgischen Krankheitsbilder: In der Gallenblase kann es neben der akuten Cholezystitis zur Ausbildung von Gallensteinen und chronischer Cholezystitis kommen mit Entstehung von präkanzerösen Gallenblasenpolyen und Porzellangallenblase [
28]. Ähnlich kann es im gesamten biliären Gangsystem zu dysplastischen Veränderungen kommen, den BilIN, bei denen eine Adenom-Karzinom-Sequenz beschrieben ist [
14]. Diese Vorläuferläsionen des invasiven Gallengangskarzinoms können genau wie das CCC selbst zur Obstruktion an unterschiedlichen Stellen des abführenden Gallenwegsystems führen. Während bei allen tumorösen Prozessen eine operative Resektion evaluiert werden muss, so kann die fortschreitende biliäre Leberzirrhose eine Lebertransplantation notwendig machen (s. unten). Die Analyse der demographischen und krankheitsspezifischen Daten zeigte, dass unsere Patientengruppe aus drei Jahrzehnten diesbezüglich vergleichbar ist mit größeren Patientenkollektiven aus der Literatur [
29]. Auch bei uns zeigten sich eine leichte männliche Dominanz und ein recht junges Alter bei PSC-Erstdiagnose. Auch die Entstehung eines CCC zeigte ein PSC-typisches Altersspektrum, welches deutlich unter dem Alter bei Entstehung eines sporadischen CCC lag. Auffälligkeiten der Gallenblase zählen zum charakteristischen Spektrum der PSC, wie Said et al. eindrucksvoll dokumentieren konnten. In einer konsekutiven Serie aus 286 Patienten mit PSC, welche an der Karolinska-Universität zwischen 1970 und 2005 untersucht wurden, fanden sich bei 41 % der Patienten eine oder mehrere Auffälligkeiten: Während Gallensteine und eine Cholezystitis jeweils bei einem Viertel der Patienten nachgewiesen werden konnten, so zeigte sich Letztere häufiger bei Patienten mit extrahepatischer PSC-Beteiligung als bei Patienten, welche lediglich die intrahepatischen Gallengänge affektiert hatten (30 % vs. 9 %). In dieser Studie wurde eine Raumforderung der Gallenblasenwand von im Mittel 21 mm bei 6 % der Patienten nachgewiesen, wohingegen 56 % der Patienten mit Gallenblasenkarzinom eine solche aufwiesen [
23]. Präkanzerosen wie eine Porzellangallenblase oder Polypen waren mit 5 Patienten vereinzelt der Grund zur Operation. Wenngleich in der Literatur von einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Gallenblasenkarzinoms bei PSC-Patienten berichtet wird, konnten wir diese Entität in unserer Kohorte nur bei einem Patienten beobachten. Bei diesem Patienten erfolgte die Cholezystektomie aufgrund sonographisch nachgewiesener Polypen. In der histopathologischen Aufarbeitung ergab sich das Vorliegen eines Adenokarzinoms der Gallenblase; daher folgte aus Radikalitätsgründen eine Bisegmentektomie. Es sei erwähnt, dass bildmorphologische Adenome der Gallenblase einer Beobachtung oder ggf. Resektion bedürfen. In einer Fallkontrollstudie von Sagwand et al. wurden Häufigkeit, Risikofaktoren und das Outcome von Gallenblasenpolypen bei Patienten mit PSC untersucht. Insgesamt 363 Patienten mit der etablierten Diagnose einer PSC und bildmorphologisch nachgewiesenen Polypen wurden mit PSC-Patienten ohne Gallenblasenpolypen verglichen. Die Häufigkeit der Gallenblasenpolypen betrug bei PSC-Patienten 10,6 % und war damit deutlich häufiger als in der normalen Bevölkerung, wo man diese nur selten antrifft. Von 16 Patienten mit Gallenblasenpolypen, welche sich einer Cholezystektomie unterzogen, hatten 4 Patienten eine „High-grade“-Dysplasie in ihrer Läsion und 6 Patienten ein invasives Adenokarzinom. Von den 6 Patienten mit invasivem Karzinom hatten 4 Patienten Läsionen, welche im maximalen Durchmesser größer als 10 mm waren. Zwei der Adenokarzinome waren allerdings mit 4 und 7 mm winzig, sodass die Autoren eine Cholezystektomie unabhängig von der Größe der Gallenblasenpolypen empfehlen [
28]. Grundsätzlich gilt das laparoskopische Verfahren auch bei PSC-Patienten als Standard. Historisch gesehen zählte auch die chirurgische Entlastung des Gallenwegsystems bei Striktur mit z. B. biliodigestiver Drainage zu den Optionen, den Symptomen der fortschreitenden PSC zu begegnen. Mit dem Aufkommen und der steten Verbesserung der endoskopischen Therapie und im Hinblick auf die Morbidität in Assoziation mit der Chirurgie bei fortgeschrittener Lebererkrankung, ist diese Therapieoption in den letzten Jahren nur noch in wenigen Einzelfällen notwendig geworden. Die Lebertransplantation stellt die einzige definitive Therapie der PSC dar, wenngleich eine Rekurrenz der PSC beschrieben wird [
9]. Auch wenn die klinischen Verläufe sehr unterschiedlich sind, so beträgt die Zeit von der Erstdiagnose bis zum Versterben bzw. zur Lebertransplantation wie in unserem Kollektiv oft nur wenige Jahre [
27]. Obwohl für die Lebertransplantation ein Überlebensvorteil für Patienten bereits mit einem MELD-Score von >15 nachgewiesen werden konnte, muss bedingt durch den eklatanten Spenderorganmangel in Deutschland der MELD für Patienten für eine Leberallokation meist erheblich höher sein [
19]. Für PSC-Patienten, bei denen das Fortschreiten der Erkrankung ja absehbar ist, ist die Lebertransplantation prognostisch gesehen auch schon vor einem weitgehenden Leberversagen sinnvoll, da die oftmals jungen Patienten eine geringe perioperative Morbidität zeigen. Unter bestimmten Umständen ist es PSC-Patienten möglich, zusätzliche MELD-Punkte angerechnet zu bekommen. Wiederholte Cholangitiden mit mehr als zwei Episoden einer Bakteriämie oder mehr als einer Episode einer Sepsis wären ein Grund für eine sog. „standard exception“ (SE; [
6]). Schwerster therapierefraktärer Juckreiz kann ein Grund für eine „non-standard exception“ sein. Ein lokalisiertes CCC <3 cm im Durchmesser ohne Nachweis von intra- bzw. extrahepatischer Metastasierung qualifiziert im Rahmen von Studien ebenfalls für eine SE. Trotz dieser Optionen sind Wartezeiten oft lang. Als Alternative zum MELD-Score bietet sich in Einzelfällen eine Leberlebendspende an, welche sich als prognostisch besonders gut erwiesen hat [
13]. In unserer Kohorte waren lediglich 2 Patienten mit einem cholangiozellulären Karzinom transplantiert worden. In beiden Fällen handelte es sich um einen Zufallsbefund nach histopathologischer Aufarbeitung der explantierten Lebern. Alle Patienten wurden bei progredientem Leberversagen transplantiert. Insgesamt ist die Auswahl der PSC-Patienten für eine Lebertransplantation aufgrund der schlechten Vorhersehbarkeit des Krankheitsverlaufs und der Dynamik der Karzinogenese extrem erschwert. Das MELD-System fördert im Zusammenhang mit der Organknappheit die Transplantation im meist weit fortgeschrittenen Krankheitsstadium. Es bleibt zu hoffen, dass zukünftig bessere prospektive Scores die Vorhersage von Krankheitsverläufen individuell erleichtern, sodass auf dieser Basis eine Lebertransplantation zeitlich besser geplant werden kann. Die fehlende Vorhersagbarkeit einer Karzinomentwicklung in der PSC stellt eine besondere Herausforderung dar: Das PSC-assoziierte Gallengangskarzinom zeigt im Vergleich zu den ohnehin sehr aggressiven sporadischen CCC noch einmal eine besonders schlechte Prognose. Da das Auftreten eines Gallenblasenkarzinoms wie in unserer Kohorte mit etwa 10–20 % deutlich erhöht ist im Vergleich zur Normalbevölkerung, ist ein Screening unabdingbar. Neben einer regelmäßigen Bildgebung mit Ultraschall und MRT, um raumfordernde Prozesse der Leber und Gallenwege zu identifizieren, wird eine regelmäßige ERCP mit Biopsieentnahme insbesondere bei Patienten mit morphologischen Auffälligkeiten der distaleren Gallengangsabschnitte empfohlen. Die Sensitivität und Spezifität dieser Untersuchung und auch diejenige der aktuellen Biomarkerstrategien sind relativ niedrig, sodass zuverlässige Frühdiagnosemöglichkeiten nicht existieren. Wenn ein invasives Karzinom erst einmal nachgewiesen ist, so ist dieses nur in wenigen Fällen operabel. Neben den 2 transplantierten Patienten wurden 5 Patienten aufgrund eines CCC reseziert. Bei anderen Patienten musste die Operation aufgrund eines fortgeschrittenen Tumorstadiums nach einer explorativen Laparotomie beendet werden mit letztlich fataler Konsequenz. Auch nach Resektion bleibt die Prognose infaust, wie das reduzierte Überleben in der resezierten Gruppe deutlich macht. Es stellte sich die Frage, ob die Notwendigkeit einer größeren PSC-assoziierten abdominellen Operation (z. B. LTX bei Zirrhose und LR bei CCC) auf eine besondere klinische Subgruppe hinweist. Im Weiteren verglichen wir daher die operierten und nichtoperierten Patienten. Die operierten litten häufiger an einer CED, insbesondere an CU, als mögliches Zeichen einer aggressiveren Entität und in der Literatur finden sich vermehrt Hinweise für diesen Zusammenhang. Es existiert die Hypothese, dass die CED in Assoziation mit PSC einen klinisch eigenständigen Erkrankungskomplex darstellt [
10]. Durch die Heterogenität der überwiegend retrospektiven Analysen sind die Zusammenhänge hier noch nicht endgültig geklärt. Es scheinen in der klinischen Ausprägung der Erkrankungskomponenten zudem örtliche Unterschiede zu bestehen [
3,
21]. Eines der Kerncharakteristika der Kombination PSC-CED ist allerdings, dass dieser Krankheitskomplex mit einem erhöhten Risiko für Malignität vergesellschaftet ist [
15,
25]. In Übereinstimmung mit der Literatur konnte in unserem Gesamtkollektiv ein besonders hoher Anteil an CU-Patienten identifiziert werden, der in 94 % der operierten kulminierte [
18]. Angenommen, in der operierten Kohorte handelt es sich um eine phänotypisch aggressivere Form der PSC, so lässt sich dies in unserem Kollektiv auch an einer höheren Rate an CCC sowie Doppelkarzinomen (CCC und CRC) belegen. Auch das CRC ist in ersterer Gruppe häufiger vertreten als in der Kohorte der Nichtoperierten, wenngleich sich hierfür keine statistische Signifikanz errechnen ließ. Die Assoziation zwischen Immunsuppression und Karzinomrisiko bei Patienten mit CED ist in der Literatur beschrieben, wenngleich noch viele Unklarheiten bezüglich der Ätiopathogenese bestehen. Das erhöhte Malignomrisiko in Bezug auf Immunsuppression bei diesen Patienten äußerst sich nach derzeitigem Kenntnisstand insbesondere auf nichtgastrointestinale Tumorerkrankungen wie Lymphom oder Leukämie sowie auf Hautkrebs und Urothelkarzinom [
4]. Zusammengefasst scheint hier unter den Operierten eine besonders hohe Rate des vorbeschriebenen Phänotyps aus PSC und CED vorzuliegen, was noch einmal die deutlichere klinische Belastung in dieser Patientenpopulation begründet.
Einschränkend sei zu der obigen Studie zu erwähnen, dass es sich um retrospektiv erhobene Daten von Patienten handelt, welche über einen sehr langen Zeitraum monozentrisch behandelt wurden. Die Seltenheit der PSC bedingt dabei das Fehlen von Erfahrungen aus prospektiv randomisierten Studien. Durch die Unizentrizität lässt sich zudem ein Selektionsbias nicht vollständig vermeiden. Letztlich haben sich über die vergangenen drei Dekaden auch Gastroenterologie/Endoskopie, Viszeralchirurgie sowie auch das perioperative Management verbessert und sich auch das medizinische Leitlinienwerk entsprechend weiterentwickelt, sodass sich die Therapiestandards über den Untersuchungszeitraum gewandelt haben.