Long-COVID sorgt für mehr Hausarztbesuche

Patienten mit relativ milden Coronaverläufen besuchen in den Wochen nach der Infektion vermehrt ihre Hausärzte. Hauptgründe sind Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Angstzustände. Eine Coronaimpfung scheint die Beschwerden deutlich zu lindern. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Long-COVID-Beschwerden machen vielen Betroffenen zu schaffen, vor allem solchen mit schweren Infektionen und langen Klinikaufenthalten, wobei ein Teil der persistierenden oder neu auftretenden Symptome auf die Schwere der Infektion sowie Dauer und Intensität der Behandlung zurückgeführt wird. Darüber hinaus deuten Untersuchungen aber auch auf COVID-spezifische Langzeitfolgen wie Verlust des Geruchs- und Geschmacksinns sowie thrombembolische Probleme, und diese werden auch bei milderen Verläufen beobachtet. Eine britische Datenbankanalyse spricht nun dafür, dass ambulant behandelte COVID-19-Patienten in den Wochen und Monaten nach der Infektion vermehrt einen Hausarzt wegen Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Ängsten und Depressionen aufsuchen – und zwar häufiger als in den Monaten vor der Infektion, häufiger als Nichtinfizierte in der Pandemie und häufiger als Patienten nach einer überstandenen Influenza. Basis der Untersuchung sind Angaben aus der britischen Hausarztdatenbank „Clinical Practice Research Datalink“ (CPRD) mit knapp 1400 teilnehmende Praxen. Sie erfasst demografische Angaben, Diagnosen und Verschreibungen. Ein Team um Dr. Hannah Whittaker vom Imperial College in London konnte in der Datenbank rund 456.000 Patienten mit einer COVID-19-Diagnose zwischen August 2020 und Februar 2021 identifizieren, knapp 10% wurden stationär, die übrigen ambulant behandelt. Von den stationär Behandelten starben etwa 10%, von den ambulanten Patienten 1% während einer Nachbeobachtungsdauer von maximal neun Monaten. Die Forscher um Whittaker schauten nun, wie häufig und aus welchen Gründen die Patienten mindestens vier Wochen nach der überstandenen Infektion einen Hausarzt aufsuchten. Die Angaben verglichen sie bei den jeweiligen Patienten mit dem Vorjahreszeitraum. Zusätzlich schauten sie als Negativkontrolle bei 38.000 Patienten mit Coronaverdacht, aber negativem Test nach den folgenden Hausarztbesuchen sowie bei einer historischen Kohorte von etwa 22.000 ambulant behandelten Influenzakranken, die sich zwischen August 2018 und Februar 2019 infiziert hatten. 16-fach erhöhtes Thrombembolierisiko Wie erwartet, waren die hospitalisierten COVID-19-Kranken älter, dicker und häufiger Raucher als die ambulant versorgten. Mindestens vier Wochen nach der SARS-CoV-2-Infektion klagten 2,7% der hospitalisierten Patienten bei ihren Hausärzten neu über Gelenkschmerzen, ähnlich viele über Atemnot, 1,4% über persistierenden Husten – Patienten mit solchen Symptomen schon vor der Infektion wurden bei der Analyse ausgeschlossen. Relativ betrachtet traten bei ihnen Übelkeit fünffach, Delirium, Fatigue, Palpitationen und Insomnie zwei- bis dreifach häufiger auf als in den zwölf Monaten vor der Infektion. 3,5% der hospitalisierten Patienten entwickelten anschließend eine venöse Thrombembolie, 2,5% einen Diabetes und 1,8% eine Hypertonie. Die Thrombembolie-Inzidenz war nach der Erkrankung rund 16-fach höher als zuvor, andere Probleme wie Herz- und Niereninsuffizienz, Leberschäden und Schlaganfälle traten nach der Infektion zwei- bis dreifach häufiger auf als im Jahr davor. Zudem vervielfachte sich der Bedarf an Schmerzmitteln und Bronchodilatatoren, auch mussten die Betroffenen etwa doppelt so oft erneut in eine Klinik wie vor der Infektion. Doch auch die ambulant versorgten Patienten waren nach mindestens vier Wochen oft nicht fit: Neu traten bei ihnen ebenfalls Gelenkschmerzen (bei 2,5%) sowie Bauch- und Kopfschmerzen (je 1%) als Hauptgründe für den Arztbesuch auf, ebenfalls bei je rund 1% wurden Angststörungen, Depressionen und Asthma neu diagnostiziert. Relativ betrachtet hatten sie Riech-und Schmeckdefizite fünffach häufiger als zuvor, Muskelschmerzen, Fatigue, Palpitationen und Schlaflosigkeit wurden 40–80% öfter diagnostiziert. Thrombembolien traten rund dreifach häufiger auf, für diverse Endorganschäden zeigte sich nur eine leicht erhöhte Inzidenz. Schmerzmittel wurden etwas, aber nicht viel häufiger als zuvor verordnet, Klinikaufenthalte und Arztbesuche nahmen nach der Infektion um 15–20% zu. Viele waren also auch noch Monate nach einer ambulant behandelten Infektion gesundheitlich beeinträchtigt, aber erwartungsgemäß deutlich weniger als stationär versorgte COVID-Patienten. Dafür spricht auch, dass die Inanspruchnahme des Gesundheitswesens nach der Infektion insgesamt nicht signifikant höher war als bei Nichtinfizierten, wenngleich die Gründe oft andere waren: So traten die genannten Probleme bei ambulant behandelten COVID-19-Patienten nicht nur häufiger auf als vor der Infektion, sondern auch häufiger als bei den Nichtinfizierten in der Pandemie. Im Gegensatz dazu sahen Ärzte bei den Negativkontrollen andere Probleme häufiger, meist Erkältungssymptome. Insgesamt fanden die Forscher bei 8,5% der ambulant behandelten COVID-19-Patienten typische Post-COVID-Symptome. Seltener Spätfolgen nach Influenza Interessant ist auch der Vergleich mit der Influenzakohorte: Viele der Post-COVID-Probleme traten ebenfalls Monate nach einer Influenzainfektion auf, aber deutlicher seltener und zumeist war der Unterschied zum Zeitraum vor der Infektion nicht signifikant. Danach scheinen die Symptome von Long-COVID also spezifisch mit einer SARS-CoV-2-Infektion einherzugehen und nicht generell mit einer ausgeprägten Virusinfektion. Diese Schlussfolgerung ist jedoch mit Vorsicht zu interpretieren, möglicherweise verlief die Influenza bei den meisten ambulant behandelten Patienten schwächer als COVID-19. Die Analyse von Whittaker und Mitarbeitern liefert auch zwei gute Nachrichten: Erstens gingen die meisten der Post-COVID-Beschwerden mit der Zeit deutlich zurück, ebenso sank der Schmerzmittelbedarf. Am längsten persistierten Bauch- und Kopfschmerzen sowie Ängste und Depressionen. Zweitens sahen die Studienautoren nach einer Coronaimpfung von Genesenen ebenfalls einen deutlichen Rückgang der Beschwerden, und zwar selbst dann, wenn sie Patienten mit ähnlichem Abstand zur Infektion verglichen. Dies könnte also ein weiteres Argument sein, Genesene rechtzeitig zu impfen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Welche Langzeitfolgen hat COVID-19 sowohl für hospitalisierte als auch ambulant behandelte Patienten? Antwort: Long-COVID ist bei hospitalisierten Patienten keine Seltenheit, tritt aber auch bei rund 9% der ambulant Behandelten auf. Hausärzte werden meist aufgrund von Gelenk- und Muskelschmerzen aufgesucht, auch Ängste und Depressionen machen den Genesenen vermehrt zu schaffen. Bedeutung: Viele ambulant behandelte COVID-Patienten zeigen ebenfalls Langzeitfolgen, eine Coronaimpfung scheint diese zu lindern. Einschränkung: Erfasst wurden nur Patienten, die mit ihren Beschwerden einen Hausarzt aufsuchten, die Dunkelziffer könnte deutlich höher liegen.

Springer Medizin

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