Diabetestechnologie für alle?

Eine verbesserte Stoffwechseleinstellung und höhere Lebensqualität – Diabetestechnologien sollen den Alltag der Patienten erleichtern. Dass CGM, AID & Co. bei Typ-1-Diabetes helfen, ist belegt. Bei Typ-2 gestaltet sich die Sache komplizierter. Diabetestechnologien wie kontinuierliche Glukosemessung (CGM), Insulinpumpen-Systeme und automatische Insulin-Dosierungs(AID)-Systeme werden von Patienten mit Typ-1-Diabetes zunehmend genutzt. Die Pädiatrie nehme dabei eine Vorreiterrolle ein, konstatierte Dr. Julian Ziegler, Universitätsklinikum Tübingen. Laut Datenerhebungen von 2022 verwenden 67 % der jungen Patienten Pumpensysteme, 86 % ein CGM und 24 % ein AID. Die Erwachsenen hinken dieser Entwicklung mit 43 % Pumpen-, 71 % CGM- und 10 % AID-Nutzung noch hinterher. Durch die Anwendung von CGM-Systemen werden schwere Hypoglykämien und Ketoazidosen im Verlauf deutlich reduziert, so der Referent weiter. Auch der HbA1c verbessere sich: „Zwar nicht in dem Ausmaß, in dem man es sich vielleicht wünscht“, betonte Ziegler, aber der Effekt sei in klinischen Studien nachgewiesen worden. Es gebe zwar verschiedene CGM-Systeme, allerdings stünde für junge Kinder unter vier Jahren nur eine eingeschränkte Auswahl an Sensoren zur Verfügung. In Tübingen nutzen fast alle betroffenen Kinder ein CGM-System. „Bei uns ist nicht die Frage, wer bekommt den Sensor, sondern wann bekommt er den Sensor“, so Ziegler. Meist starte man damit bereits im Rahmen der Manifestation. Nicht jedes System ist für jedes Alter verfügbar Neben einer verbesserten Stoffwechseleinstellung wirken sich AID-Systeme positiv auf die Lebensqualität von Kindern und Eltern aus. Insbesondere verbessere sich der nächtliche Verlauf. Nach Etablierung vereinfache sich die Handhabung, was dazu führt, dass die jungen Patienten früher selbstständig werden. Aber: „Auch hier gibt es eine Problematik für unsere sehr kleinen Patienten“, so Ziegler. Für Kinder zwischen einem und sechs Jahren seien nur zwei Systeme verfügbar, für diejenigen mit Diabetesmanifestationen im ersten Lebensjahr gebe es kein zugelassenes System. Darüber hinaus wiesen manche Systeme Limitationen bezüglich des Gewichts auf. In Tübingen biete man AID-Systeme „sehr forciert“ an, aber man „stülpe sie niemandem über“, erläuterte Ziegler. „Viele Patienten, vor allem die, die schon länger einen Diabetes haben, möchten ihr Regime nicht wechseln.“ Prinzipiell profitieren (fast) alle Patienten von Diabetestechnologien, resümierte der Experte. Die Auswahl der Systeme soll von den Betroffenen zusammen mit ihrem Diabetologen erfolgen. Der Zugang zu CGM- und AID-Systemen müsse allen Menschen mit Diabetes offenstehen. Besonderheiten des Typ-2-Diabetes Der Typ-2-Diabetes unterscheidet sich in verschiedenen Punkten vom Typ-1. Während bei letzterem ein absoluter Insulinmangel vorliege, der mit einer bedarfsgerechten Substitution behoben wird, sei die Pathophysiologie des Typ-2-Diabetes multifaktoriell, erläuterte Dr. Andreas Reichel, Helios Klinikum Freital. Es handele sich, je nach Subtyp und Krankheitsstadium, um eine Kombination aus Insulinresistenz und Insulinsekretionsstörung und die Therapie erfolge subtyp- und stadiengerecht. Die Insulintherapie weise Besonderheiten auf wie die Autoregulation durch die Insulineigensekretion und eine veränderliche Insulinsensitivität durch Insulinresistenz bei Hyperglykämie. „Das heißt, wir müssen in der Technologie auf diese Bereiche Rücksicht nehmen“, betonte Reichel. Empfehlung der Redaktion DDG 2024 Diabetes-Kongress 2024 8. - 11. Mai 2024 | Berlin Sport oder Spritze bei Adipositas und Diabetes mellitus? Auf dem Kongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) lieferten Fachleute im „Battle of Experts“ Argumente für ihre jeweilige Position. Thematisiert wurden außerdem der Notfall Erstmanifestation von Typ-1-Diabetes bei Kindern und der Einsatz von Diabetestechnologien. Die komplette Berichterstattung lesen Sie in unserem Kongress-Dossier. Studien legen nahe, dass die Hospitalisierungsraten von Patienten mit CGM-Nutzung nach zwölf und 24 Monaten sinken. Bei Personen mit basaler Insulintherapie und CGM-System erreicht eine größere Anzahl den gewünschten HbA1c im Vergleich zu solchen mit Glukosestreifenmessung. Der Algorithmus von AID-Systemen basiert auf der Grundlage einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung, erläuterte Reichel. „Ich kenne keinen Algorithmus, der speziell für Typ-2-Diabetiker entwickelt wurde.“ Darüber hinaus gebe es bei Menschen mit Typ-2-Diabetes zusätzliche Einflüsse der komplexen Therapie durch z.B. SGLT2-Inhibitoren, Inkretine und duale Agonisten. Einer Studie zufolge sind AID-Systeme trotzdem bei Typ-2-Diabetes geeignet, da sich der Anteil der Zeit im Zielbereich im Vergleich zur Standardinsulintherapie verbesserte [1]. Selbst bei Kindern sei das Ergebnis der AID-Kurve besser. Reichels Fazit: „Wenn man schlecht eingestellte Typ-2-Diabetiker mit einem AID versorgt, wird es etwas besser.“ Kein „one system fits all“ Insulinpens beinhalten verschiedene Stufen, die von einer herkömmlichen Insulinabgabe über zusätzliche Tracking-Funktionen bis hin zu Smart-Pens, die Insulinmengen vorschlagen, reichen. „Wir kommen hier aber, glaube ich, in dieselben Problematiken wie mit dem AID-System“, so Reichel. Die Berechnung hinter den Smart-Pens sei so anspruchsvoll, dass sich die Frage stelle, ob die Anwendung bei Typ-2-Diabetes überhaupt möglich ist. Zumindest aber die Tracking-Funktion und Auswertung seien sehr hilfreich. Zusammenfassend sollten Diabetestechnologien Menschen mit Typ-2-Diabetes dabei helfen, Defizite auszugleichen, resümierte Reichel. Es gebe dabei kein „one system fits all“. Am erfolgreichsten seien Technologien, die durch den Bedarf getriggert werden, nicht durch das Angebot. basierend auf: „Diabetestechnologie für alle Menschen mit Diabetes“. 58. Kongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Berlin, 8.-11.5.2024

Live-Webinar "Urologie und Sexualmedizin in der Praxis"

Springer Medizin

Diabetestechnologie für alle?

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft

Live-Webinar "Urologie und Sexualmedizin in der Praxis"

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft