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2018 | Buch | 4. Auflage

Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 1

Grundlagen, Diagnostik, Verfahren und Rahmenbedingungen psychologischer Therapie

herausgegeben von: Jürgen Margraf, Silvia Schneider

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Das Standardwerk der Verhaltenstherapie für Ausbildung und Beruf.

In dieser komplett überarbeiteten Neuauflage werden die Grundlagen, die Diagnostik und die Rahmenbedingungen der Verhaltenstherapie praxisrelevant und übersichtlich dargestellt.

Der stringente Aufbau der einzelnen Kapitel dient der schnellen Orientierung im Text. Im Mittelpunkt stehen neben der Theorie die praktischen Voraussetzungen und die klare Darstellung des Verfahrens, inklusive der Anwendungsbereiche und seiner Grenzen. Darüber hinaus werden Wirkmechanismen und Effektivität diskutiert, weiterführende Literatur schließt jedes Kapitel ab.

Das Lehrbuch richtet sich vor allem an Studenten, Ausbildungskandidaten, Praktiker und Forscher aus den Bereichen Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie sowie deren Nachbardisziplinen.

Besonderen Wert legen Herausgeber und Autoren auf das konkrete therapeutische Vorgehen sowie die Verankerung der Therapieverfahren in der klinischen Grundlagenforschung. Um dem faszinierenden Gebiet der Verhaltenstherapie und ihrer Grundlagen gerecht zu werden, geht die Neuauflage deutlich über eine bloße Aktualisierung hinaus. Ziel ist ein praxisrelevantes Lehrbuch, das erfahrene Therapeutinnen und Therapeuten ebenso wie Anfänger mit Genuss und Gewinn lesen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Grundlagen

Frontmatter
1. Hintergründe und Entwicklung
Zusammenfassung
Verhaltenstherapie strebt mittels operationalisierter Ziele und eines breites Verfahrensarsenals die systematische Besserung von Patientenproblemen an. Ihre historische Entwicklung, anhaltende Weiterentwicklung und Zukunftsperspektiven als Heilbehandlung und Hilfe zur Selbsthilfe auf der Basis der modernen Psychologie werden dargestellt. Verhaltenstherapie ist die mit Abstand am besten empirisch validierte psychotherapeutische Grundorientierung. Wesentliche Beiträge zu ihrer guten Wirksamkeit, hohen Dauerhaftigkeit der Therapieerfolge und guten Übertragbarkeit der Forschungsergebnisse auf die Routinepraxis leisten ihr umfangreiches Wissen zu Ätiologie, Diagnostik und Therapieprinzipien sowie das störungsspezifische Vorgehen auf der Basis eines umfassenden ätiologischen Grundmodells. Zum Abschluss des Kapitels wird ein allgemeines Sequenzmodell der Ansatzpunkte zur Behandlung psychischer Störungen dargestellt, bevor Kritik und potenzielle Fehlentwicklungen diskutiert werden.
Jürgen Margraf
2. Wissenschaftstheoretische Aspekte
Zusammenfassung
Für so gut wie alle wichtigen Fragen und Probleme im Bereich psychologischer Therapie gilt, dass sie vor allem durch soziale Definitionen, Konventionen bzw. Konstruktionen entschieden werden. Ein angemessenes Verständnis der Erkenntnis- und Geltungsansprüche in diesem Bereich lässt sich deshalb am besten aus einer sozial-konstruktivistischen Perspektive gewinnen. Das wird an drei zentralen Problemen belegt: der Erklärbarkeit psychischer Störungen, der Planbarkeit therapeutischen Handelns und der Begründbarkeit therapeutischer Entscheidungen. Für die Rekonstruktion von verhaltenstherapeutischen Erklärungen der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen wird das Modell der probabilistischen Kausalerklärung einzelner Ereignisse von Humphreys vorgeschlagen. Die auf von Foerster zurückgehende These, menschliches Verhalten sei unvorhersagbar, und die von systemischen Therapeuten daraus abgeleitete These, therapeutische Interventionen seien nicht planbar, werden einer kritischen Analyse unterzogen und zurückgewiesen. Für die Begründung therapeutischer Entscheidungen werden das Verhandlungsmodell von Westmeyer und drei für die Verhaltenstherapie charakteristische Verhandlungsverl ufe vorgestellt.
Hans Westmeyer
3. Menschenbild
Zusammenfassung
Das skizzierte verhaltenstherapeutische Menschenbild integriert (natur-)wissenschaftlich fundierte Modellvorstellungen aus mehreren Forschungsbereichen. Unser Organismus ist in diesem Sinne dem Prinzip der Selbstorganisation unterworfen und hat – am vorläufigen Ende einer langen Evolutionsreihe – die besondere Qualität des menschlichen Bewusstseins hervorgebracht. Wir können uns nicht nur der Tatsache unseres Erlebens bewusst werden, sondern unsere jeweiligen Erfahrungen wirken auf das Zentralnervensystem, das die organische Voraussetzung für unser bewusstes Erleben darstellt, verändernd zurück. Unsere Erfahrungen werden unter Beteiligung von emotionalen und kognitiven Verarbeitungssystemen nach kausalen Zusammenhängen organisiert. Schemata richten vor diesem Erwartungshintergrund unsere Verhaltensweisen auf die aktuellen Anforderungen hin aus. Dabei spiegeln sich oft die früheren Beziehungserfahrungen: Eine feinfühlige Abstimmung zwischen Heranwachsenden und deren primären Bezugspersonen wirkt sich auf die spätere Sicherheit in sozialen Bindungen sowie bei der Explorationsbereitschaft in unbekannten Situationen positiv aus. Damit einhergehendes engagiertes Handeln gründet zwar notwendigerweise auf kulturell überlieferten Bedingungen, doch indem individuelle Werte und Bedürfnisse im Handeln realisiert werden, verändert wiederum der Einzelne die Kultur.
Erwin Parfy, Gerhard Lenz
4. Psychotherapieforschung
Zusammenfassung
Warum ein Kapitel zur Psychotherapieforschung gleich eingangs in einem (praxis- bzw. ausbildungsorientierten) Verhaltenstherapie-Lehrbuch? Was ist wissenschaftlich fundierte Psychotherapie? Was sind in der Psychotherapieforschung etablierte Themen, Methoden und Ergebnisse? Braucht man akademische Psychotherapieforschung in der Praxis? Zu solchen Fragen werden im vorliegenden Kapitel – mit Anspruch auf Unvollständigkeit – Informationen und Anregungen und Quellen bereitgestellt, die die empirische Tradition und Praxis der Verhaltenstherapie illustrieren und betonen. Die bisherigen Leistungen der Psychotherapieforschung, aber auch offene Fragen und Herausforderungen in diesem inzwischen kaum durch eine einzelne Person überschaubaren Feld, werden in diesem Kapitel zwar sortiert und ein wenig geordnet – gleichwohl sind alle Psychotherapeuten aufgefordert, eine eigene Haltung zu diesen Sachverhalten zu entwickeln.
Frank Jacobi, Hans Reinecker
5. Lernpsychologische Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie
Zusammenfassung
Die Geschichte der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) ist besonders eng mit der Psychologie des Lernens verknüpft. In diesem Kapitel werden experimentelle Befunde zur klassischen und operanten Konditionierung dargestellt und der Zusammenhang zur Entstehung und Therapie von psychischen Störungen erläutert. Weiterhin werden die Prinzipien des Modelllernens und die Wissensvermittlung und ihre Bedeutung für die Entstehung und Therapie von psychischen Störungen diskutiert.
Tanja Michael, Johanna Lass-Hennemann, Anke Ehlers
6. Emotions- und kognitionspsychologische Grundlagen
Zusammenfassung
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die wichtigsten emotions- und kognitionspsychologischen Grundlagen der Verhaltenstherapie. Emotionen und ihre Interaktionen mit kognitiven Prozessen werden dargestellt. Es wird erläutert, wie sie sich gegenseitig beeinflussen und welche Rolle sie bei emotionalen Störungen spielen. Als kognitive Prozesse werden Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Interpretationen und Assoziationen beschrieben. Theoretische Modelle und empirische Befunde zur Rolle dieser Prozesse bei Angststörungen und Depressionen werden vorgestellt, ebenso wie die wichtigsten experimentellen Paradigmen zur Erforschung dieser Prozesse. Implikationen der empirischen Befunde für die verhaltenstherapeutische Praxis werden diskutiert, darunter auch neue therapeutische Ansätze der »Cognitive Bias Modification«: computerbasierte Trainings, mit denen verzerrte kognitive Prozesse direkt beeinflusst werden sollen, um verhaltenstherapeutische Maßnahmen zu ergänzen.
Mike Rinck, Eni Becker
7. Biologische Grundlagen
Zusammenfassung
Die Biopsychologie ist Teil der Neurowissenschaften und das Forschungsgebiet innerhalb der Psychologie, das sich in mit den biologischen Grundlagen des Verhaltens beschäftigt. Dies beinhaltet Grundlagen- und angewandte Forschung, also auch die biologischen Grundlagen von pathologischen Verhalten und dessen Modifikation. Die besondere Relevanz biopsychologischer Forschung für die Verhaltenstherapie ist evident, da Lernen und damit auch Verhaltenstherapie nur innerhalb der biologisch vorgegebenen Grenzen möglich ist. Verhalten und damit auch pathologisches Verhalten kann nur unter Einbeziehung der kognitiv-verbalen, der motorisch-behavioralen und der physiologisch-humoralen Verhaltensebenen verstanden werden. Sowohl Verhaltensdiagnostik als auch Verhaltenstherapie müssen also die physiologisch-humoralen Verhaltensebene berücksichtigen. Ein intensiver Austausch zwischen Biopsychologie und Verhaltenstherapie ist und wird auch weiterhin zum Nutzen beider Disziplinen sein und damit zur Verbesserung der Verhaltenstherapie beitragen.
Paul Pauli, Harald Rau, Niels Birbaumer
8. Psychophysiologie und Verhaltenstherapie
Zusammenfassung
Die Psychophysiologie betrachtet die vielfältigen Beziehungen zwischen psychologischen und physiologischen Vorgängen. Dies ermöglicht beispielsweise, Veränderungen der vegetativen Funktionen bei emotionaler Aktivierung objektiv zu quantifizieren oder die zentralnervösen Prozesse, die bei einer psychischen Störung eine Rolle spielen, besser zu verstehen. Psychophysiologische Konzepte und Methoden sind für die Forschung und Praxis der Verhaltenstherapie zunehmend wichtig. So stehen im Bewusstsein vieler Patienten somatische Symptome im Vordergrund, und ätiologische Modelle enthalten oft biologische Faktoren als störungsrelevante Mechanismen. Die Beziehungen zwischen den behavioralen, kognitiv-verbalen und physiologischen Aspekten eines Störungsbildes (und auch deren Diskrepanzen) können wichtige Informationen für Diagnostik und Therapieevaluation beitragen. Diese können in der Therapiesitzung oder mittels ambulanter Messungen im Alltag der Patienten erfasst werden.
Frank Wilhelm, Jochen Fahrenberg
9. Klassifikation psychischer Störungen
Zusammenfassung
Trotz aller Kritik kommt Verhaltenstherapie nicht ohne Klassifikation aus. Explizite Klassifikation ist besser als ein implizites und damit nicht überprüfbares Vorgehen. Die operationalisierte Diagnostik verbessert die diagnostische Reliabilität durch explizite diagnostische Kriterien und Algorithmen und den Verzicht auf überlebte Theorien. Je größer die augenscheinlichen Fortschritte der modernen kategorialen Diagnostik sind, desto größer ist aber auch die Gefahr, ihre Unzulänglichkeiten zu übersehen. So zeigen etwa dimensionale Ansätze i. d. R. eine deutlich bessere prädiktive Validität als Diagnosekategorien. Auch hat mit dem DSM-5 die Reliabilität in Feldversuchen wieder abgenommen. Die Genauigkeit und Nützlichkeit jeglicher Diagnose muss überprüft werden. Manche haben sich heute bewährt, für andere gilt dies nicht, wie nicht zuletzt die Kontroversen um die Einführung des DSM-5 und den explosionsartigen Anstieg der Psychopharmaverschreibungen in Nordamerika und Europa zeigen.
Jürgen Margraf
10. Therapieindikation
Zusammenfassung
Bei Indikationsentscheidungen geht darum, ob bzw. welche therapeutischen Maßnahmen im Einzelfall angezeigt sind und ob diese ggf. angepasst werden müssen. Bei Psychotherapien stehen selektive, adaptive/prozessuale und differenzielle Entscheidungen an. Wissenschaftstheoretische und forschungspraktische Probleme erlauben nur pragmatische (Teil-)Lösungen, für die Therapeuten neben fachwissenschaftlichen Begründungen auch auf ungeprüfte Annahmen, individuelle Erfahrungen, Experten-/Kollegenmeinungen und Alltagswissen zurückgreifen müssen. Bei spezifischen Störungen und Problemkonstellationen sollten möglichst die dafür empirisch abgesicherten Verfahren angewendet werden. Deren Anpassung an den Einzelfall muss individuelle Stärken und Schwächen, Persönlichkeit, Lebenssituation und Therapiesetting berücksichtigen. Die Rationalität von Indikationsentscheidungen kann mithilfe definierter Kriterien bestimmt werden. Wertvolle Rückmeldungen bieten Supervision und kontinuierliche Fortbildung.
Jürgen Margraf
11. Euthyme Grundlagen der Verhaltenstherapie
Zusammenfassung
Euthym bedeutet wörtlich übersetzt: »was der Seele gut tut«. Euthymes Erleben ist durch Freude, Lust oder Wohlbefinden geprägt. Euthymes Verhalten kann individuell sehr unterschiedlich sein (z. B. Gespräch unter Freunden, Fensterputzen, Joggen, gutes Essen etc.). Genießen ist die euthyme Verhaltensweise schlechthin. Genuss wird durch drei Aspekte definiert: Genuss ist lustvoll, Genuss ist sinnlich, Genuss ist reflexiv. Genießen wird durch Sinne vermittelt, die blitzschnell eine positive Emotion auslösen können. Genuss muss insofern erlaubt sein, als eine Person euthymes Erleben und Verhalten als ein Bestandteil eines »guten Lebens« sieht und anstrebt. Die euthyme Therapie (e.t.) gründet auf dem Therapieprogramm »Kleine Schule des Genießens« (KSdG; zuerst Lutz und Koppenhöfer 1983). Ziel des kognitiven Aspekts der KSdG ist es, dass Patienten sich Genuss und letztendlich ein gutes Leben zugestehen
Rainer Lutz
12. Ethische Fragen im Kontext der Verhaltenstherapie
Zusammenfassung
Ethische Reflexion und Kompetenz, Leitlinien und Beratung – diese Ansätze sollen in erster Linie Klienten und Patienten in Verhaltenstherapie dienen. Sie unterstützen aber zugleich die beteiligten Berufsgruppen und stärken die professionelle Identität. Auch als Wissenschaftsgebiete brauchen Psychologie und Psychotherapie die Ethik: Voraussetzungen und Folgen der Forschung am Menschen müssen geprüft und bewertet werden. Und im Lichte der gesellschaftlichen Verantwortung der Psychologie und ihrer Mitgestaltung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensbedingungen ist die ethische Dimension sogar ganz entscheidend. Ethik in der Psychotherapie bedeutet auch, neue Forschungsfragen gezielt zu untersuchen: die Rezeption und Umsetzung von ethischen Leitlinien, Brennpunkte der Patientenversorgung wie z. B. vulnerable Gruppen oder Phänomene wie Altersdiskriminierung. Modelle der ethischen Beratung und Qualifizierung bedürfen der Begleitforschung. Schließlich kann die psychologische Forschung selbst auch die Ethikforschung bereichern – und umgekehrt.
Stella Reiter-Theil, Irina Medau
13. Misserfolge in der Verhaltenstherapie
Zusammenfassung
Die Beschäftigung mit Misserfolgen nimmt heute auch in der Verhaltenstherapie in Praxis, Supervision, Ausbildung und Forschung noch nicht den ihr zustehenden Raum ein. In diesem Beitrag wird zunächst darauf eingegangen, warum es sinnvoll ist, sich überhaupt intensiver mit therapeutischen Misserfolgen zu beschäftigen: Misserfolge sind eine Herausforderung! Es wird beschrieben, unter welchen verschiedenen Gesichtspunkten Misserfolge gefunden und betrachtet werden. Die Problematik der Misserfolgsdefinition wird dargestellt, und es werden Misserfolgskriterien aufgelistet. Auf Fehlentwicklungen in der Verhaltenstherapie insgesamt wird zunächst kurz eingegangen (Therapieschäden, Verschlechterungen, Symptomverschiebung). Dann werden die Misserfolge nach Therapiezeitpunkt dargestellt. Dabei wird untersucht, inwieweit diese Patienten bei den »Beendern« (Nichtreagierer und Rückfallpatienten) und bei den »Nichtbeendern« (Therapieablehner und -abbrecher) zu finden sind. Im Zusammenhang mit der Darstellung der speziellen Problematik der einzelnen Untergruppen werden Fallbeispiele angeführt. Bei den Ursachen der Misserfolge werden »Faktoren außerhalb der Therapie« und »Faktoren innerhalb der Therapie« unterschieden sowie Therapeuten- und Patientenfaktoren untersucht. Praktische Konsequenzen und Hinweise für Verhaltenstherapeuten und Therapeuten in Ausbildung runden den Beitrag ab.
Martina Fischer-Klepsch, Nicole Münchau, Iver Hand
14. Risiken und Nebenwirkungen
Zusammenfassung
Risiken und Nebenwirkungen sind ein vernachlässigtes Feld in Ausbildung, Praxis und Forschung der Psychotherapie. Dennoch ist inzwischen klar, dass es unerwünschte Effekte von Psychotherapien gibt. Diese betreffen sowohl Nebenwirkungen oder Erfolglosigkeit von angemessenen Therapien als auch Folgen von unprofessioneller Ausführung der Behandlung oder von Schädigung durch unethisches Verhalten. Zunächst wird eine Begriffsklärung vorgenommen und eine Systematik von Risiken und Nebenwirkungen, Misserfolgen und unethischem Verhalten vorgeschlagen. Neben historischen Fallbeispielen und Presseberichten werden empirische Studien dargestellt, nach denen Verschlechterungen bei etwa 10–12 % aller Patienten und ausbleibende Besserung bei weiteren 15–20 % der Patienten auftreten. Im Bereich unethischen Verhaltens liegen die meisten Daten zu sexuellen Übergriffen vor. Rund 6 % aller männlichen und 2 % aller weiblichen Therapeuten berichten von sexuellen Kontakten mit gegenwärtigen Patienten. Die übliche Ausbildung bietet keinen hinreichenden Schutz vor diesen Problemen. Daher müssen sowohl ethische Verfehlungen als auch Risiken und Nebenwirkungen explizit in Ausbildung, Intervision und Supervision sowie Forschung thematisiert werden.
Jürgen Margraf, Saskia Scholten
15. Verhaltenstherapie und andere Therapieformen
Zusammenfassung
Verhaltenstherapie kann als Grundlage weder auf eine einheitliche lerntheoretische Fundierung noch auf eine durchgehende Operationalisierbarkeit ihrer Konzepte zurückgreifen. Stattdessen wird ihre Wissenschaftlichkeit mit der empirischen Absicherung ihrer Effekte begründet. Tatsächlich hat auch eine Vielzahl anderer Therapieformen ein gewisses Maß an Effektivität nachgewiesen. Dieser Tatbestand berechtigt zu einem gewissen Eklektizismus, dem man in einem Modell gerecht werden kann, in dem Störungen sich auf verschiedenen Systemebenen manifestieren und Interventionen auch eben dort angesiedelt werden. Eine integrative Therapieform, als die Verhaltenstherapie gesehen werden kann, bezieht sich auf verschiedene Theoriegebäude: lerntheoretische, emotionspsychologische, logisch-philosophische und kybernetische Prinzipien. Sie geht davon aus, dass das Problem und die Intervention durch ein allgemeines Prozessmodell beschrieben werden kann, das die Teilaspekte: Beziehung, Musterunterbrechung, Neuorientierung und Stabilisierung (Übung, umfasst. Bei der inhaltlichen Umsetzung können Grawes allgemeine Therapiefaktoren als Anhaltspunkte dienen
Dirk Revenstorf
16. Verhaltenstherapie und Psychopharmaka
Zusammenfassung
Die Kombination von Pharmakotherapie und Verhaltenstherapie ist mehr als die simultane Anwendung zweier Behandlungsverfahren. Pharmako- und Psychotherapeut müssen eine Vielzahl wechselseitiger Interaktionen im therapeutischen Prozess berücksichtigen. Neben der Kenntnis dieser Wechselwirkungen muss der Psychotherapeut über Grundkenntnisse in Pharmakotherapie, der mitbehandelnde Arzt über Grundkenntnisse in der angewandten Psychotherapiemethode verfügen. Weiterhin muss ein Konsens über die Kombinationsbehandlung bestehen, und Veränderungen müssen in der jeweiligen Therapie zwischen den Therapeuten abgestimmt werden. Der Patient sollte sowohl über die Psycho- als auch über die Pharmakotherapie genau Bescheid wissen. Negative Effekte von Psychopharmaka auf die Verhaltenstherapie müssen ebenfalls erkannt und ggf. vermieden werden. Dies gilt insbesondere für die negative Beeinflussung bei Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeit auf Reizkonfrontationsverfahren sowie die Aufrechterhaltung von kognitiver Vermeidung durch Anxiolytika. Soweit die Datenlage es zulässt, sollte die Entscheidung für oder gegen eine Kombinationsbehandlung aufgrund empirischer Untersuchungen getroffen werden.
Bartosz Zurowski, Fritz Hohagen

Diagnostik

Frontmatter
17. Diagnostik psychischer Störungen mit strukturierten Interviews
Zusammenfassung
Strukturierte Interviews sind zentrale Hilfsmittel für rasche, zuverlässige und umfassende Diagnosen. Nur mithilfe standardisierter Befunderhebung können hinreichende Reliabilität und Validität erzielt werden. Das Kapitel erläutert die wesentlichen Merkmale von Checklisten, strukturierten und standardisierten Interviews, bevor drei konkrete Beispiele strukturierter Interviews für Erwachsene, Kinder und Jugendliche vorgestellt werden. Durchführung, Interviewertraining, Patientenvorbereitung und Richtlinien für die Diagnosestellung sowie die Verzerrung von Diagnosen durch Kontexte, Erwartungen und Glaubwürdigkeitsinformationen werden ausführlich erörtert. Optimal ist die Ergänzung von »klassischer« Problemanalyse und nosologischer Diagnostik mittels strukturierter Interviews im Kontext von Beziehungsaufbau und somatischer Differenzialdiagnose. Mithilfe der Ergebnisse der Psychotherapieforschung können aus ihnen Konsequenzen für die differenzielle Indikation gezogen werden.
Jürgen Margraf, Silvia Schneider
18. Problem- und Verhaltensanalyse
Zusammenfassung
Störungsorientierte Diagnostik kann als Leitfaden für eine gezielte Informationserhebung und anwendungsorientierte Abklärung der Hypothesen dienen. Daher ist sie als sinnvolle Ergänzung zur traditionellen Problem- und Verhaltensanalyse aufzufassen. Sie erleichtert darüber hinaus die Therapieplanung, wenn sich der Therapeut im Planungsprozess nicht ausschließlich an den bei dem Betroffenen erhobenen Informationen, sondern zusätzlich an Forschungsbefunden zur Wirksamkeit psychotherapeutischer Methoden bei dieser speziellen psychischen Erkrankung orientiert. Eine Voraussetzung des Einsatzes störungsspezifischer Daten und Erklärungsmodelle für die Problem- und Verhaltensanalyse ist die vorherige klassifikatorische Einordnung der psychischen Störung. Hierzu stehen diagnostische Interviews zur Verfügung, welche auf den seit den 1970er Jahren stets weiterentwickelten Klassifikationssystemen psychischer Störungen ICD-10 und DSM-IV basieren.
Brunna Tuschen-Caffier, Barbara van Gemmeren
19. Fragebögen, Ratingskalen und Tagebücher
Zusammenfassung
Fragebögen, Ratingskalen und Tagebücher sind unverzichtbare Hilfsmittel der verhaltenstherapeutischen Praxis. Das vorliegende Kapitel gibt eine Einführung in den Nutzen und die Notwendigkeit von Fragebögen, Ratingskalen und Tagebüchern für die verhaltenstherapeutische Praxis. Es werden Fragebögen und Ratingskalen zur allgemeinen Psychopathologie, zu spezifischen psychischen Störungen und Fragebögen, die störungsübergreifende Aspekte psychischer Störungen erfassen, kurz vorgestellt. Der zweite Teil des Kapitels widmet sich störungsspezifischen Tagebüchern. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf den für die therapeutische Praxis sinnvollen Einsatz dieser Verfahren gelegt. Schließlich werden die Probleme und Grenzen von Fragebögen, Ratingskalen und Tagebüchern diskutiert.
Jürgen Hoyer, Silvia Schneider, Jürgen Margraf
20. Kognitionsdiagnostik
Zusammenfassung
Angesichts der bedeutsamen Rolle, die den Kognitionen bei der Entstehung, der Aufrechterhaltung und der therapeutischen Veränderung psychischer Störungen zugemessen wird, ist die Kenntnis der wichtigsten Methoden zur diagnostischen Erfassung dieser Gedanken für die wissenschaftlich fundierte Anwendung der kognitiven Verhaltenstherapie grundlegend. Im vorliegenden Kapitel werden diagnostische Instrumente vorgestellt, mit denen die Gedanken entweder passiv aus Listen identifiziert (Bestätigungsmethoden, in der Regel Fragebögen) oder aktiv hervorgebracht werden (Produktionsmethoden). Ferner werden Strategien und Techniken dargestellt, wie problematische Gedanken in der Therapiepraxis exploriert werden können. Dabei wird auf die theoretischen und methodischen Hintergründe und die Auswertungsmöglichkeiten der Instrumente eingegangen. Einsatz- und Dokumentationsmöglichkeiten werden anhand kurzer Fallbeispiele aus der Therapie- und Forschungspraxis illustriert.
Jürgen Hoyer, Samia Härtling
21. Computergestützte Diagnostik und neue Medien
Zusammenfassung
Computerisierte Verfahren zur klinischen Diagnostik, Indikationsstellung und Therapieverlaufskontrolle finden in Form von Fragebögen, strukturierten Interviews und elektronischen Patiententagebüchern zunehmend Eingang in die klinische Praxis. Eine internetbasierte Erfassung der Symptomatik eines Patienten über Smartphone-Apps ist zeitsparend und ortsunabhängig. Darüber hinaus zeigt die Psychotherapieforschung zunehmend den Mehrwert des computeradaptiven Testens, klinischer Expertensysteme und psychophysiologischer Messwerte auf. Auf der anderen Seite ermöglichen die neuen Medien den Patienten einen niederschwelligen Zugang zu einer Vielzahl von Informations- und Kommunikationsangeboten im Internet, z. B. in Diskussionsforen und Chatrooms, welche eine ausgiebige Recherche und Peer-Group-Unterstützung auch bei seltenen psychischen Störungen ermöglichen. Nicht selten werden dadurch aber auch problematische Informationen zu Störungsbildern und psychotherapeutischen Interventionen transportiert.
Frank Wilhelm, Monique Pfaltz, Birgit Wagner
22. Somatische Differenzialdiagnostik
Zusammenfassung
Neurowissenschaften revolutionieren unsere Sicht von Körper und Geist. Zu den wichtigsten neueren Erkenntnissen der Neurowissenschaften dürfte die Aufdeckung von Mechanismen der neuronalen Plastizität auf synaptischer und zellulärer Ebene gehören. Damit wird ein »Fenster« zu neuronalen und strukturellen Grundlagen von Lernen, Gedächtnisbildung und Gehirnaktivität eröffnet, durch das man bereits seit einigen Jahren mit Hilfe der revolutionierten bildgebenden Verfahren schauen kann und das einen Brückenschlag zwischen neurobiologischen, lerntheoretischen, medizinischen und psychologischen Krankheitszugängen ermöglicht. Psychologische und insbesondere lerntheoretisch fundierte Behandlungsstrategien lassen sich nun vereinzelt bis in ihre molekularen Bedingungen hinein verfolgen und z. T. bereits sehen, wobei die Hoffnung besteht, dass diese Behandlungsverfahren bei psychischen Störungen im engeren Sinne und ebenso bei somatischen Erkrankungen an Bedeutung gewinnen. An vielen Beispielen konnte bereits gezeigt werden, dass durch syndromorientierte Verhaltenstherapie auch bei rein körperlichen Erkrankungen wesentliche Verbesserungen erzielt werden können (z. B. in der Rehabilitation von Myokard- und Hirninfarkten, bei Parkinson, Asthma oder Diabetes mellitus).
Claus Jacobi, Jürgen Margraf

Verfahren

Frontmatter
23. Therapeutische Beziehung und Gesprächsführung
Zusammenfassung
Verhaltenstherapie als komplexes interaktionelles Geschehen lässt sich einmal durch eine Gesamttherapiestrategie bestimmen, andererseits durch den konsequenten Versuch, bewährte psychologische Prinzipien anzuwenden, um gemeinsam abgesprochene Veränderungen beim Patienten zu bewirken. Dabei bilden die einzigen Interventionen und das zwischenmenschliche Klima, das heißt die Therapeut-Patient-Beziehung, eine untrennbare Einheit. Im Rahmen der Intervention werden fünf Phasen unterschieden: Erstkontakt und Phasen der Analysen, Zielformulierung, therapeutisches Angebot, Einsatz therapeutischer Verfahren sowie Stabilisierung, Ablösung und Beendigung. Einige wichtige Charakteristika der einzelnen Phasen werden kurz dargestellt, auch in Bezug auf die Gesprächsführung des Therapeuten.
Nicolas Hoffmann
24. Das Erstgespräch in der Verhaltenstherapie
Zusammenfassung
Im Erstgespräch wird ein erster wichtiger Grundstein für die therapeutische Beziehung und Motivation im weiteren Behandlungsverlauf gelegt. Die daraus resultierenden Ziele und Anforderungen an den Therapeuten werden dargelegt und an konkreten Interventionsbeispielen erläutert. Der wesentliche Fokus liegt dabei auf einer systemimmanenten Gesprächsführung sowie einer wertfreien, an individuellen und störungsspezifischen Besonderheiten ausgerichteten therapeutischen Haltung.
Monika Frank, Bernd Frank
25. Beziehungsgestaltung und Umgang mit Widerstand
Zusammenfassung
Beziehungsvariablen und der Umgang mit Widerstand tragen zum Therapieerfolg bei. Hilfreich sind u. a. positive Erfolgserwartungen, ein glaubwürdiges Erklärungsmodell, gute Vorbereitung therapeutischer Aufgaben, soziale Verstärkung, häufige Zusammenfassungen und Rückmeldungen, komplementäre Beziehungsgestaltung und die Beachtung kultureller Besonderheiten. Gegen den Therapiefortschritt gerichtete Verhaltensweisen und Einstellungen (Widerstand) hängen oft mit Ambivalenz bzgl. der Therapieziele zusammen. Es ist wichtig, Widerstandsphänomene nicht einfach als gegeben anzunehmen, sondern ihre Ursachen zu untersuchen und Machtkämpfen vorzubeugen. Dabei helfen über die allgemeinen Prinzipien der Verhaltenstherapie hinaus Maßnahmen wie geleitetes Entdecken (bei kognitiver Umstrukturierung), Trennung von Entdecken und Verändern (bei Reattribution), widerstandsmindernde Reihenfolge beim Korrigieren von Fehlinterpretationen und Ermutigung von Fragen und Zweifeln als therapeutische Grundhaltung.
Jürgen Margraf, Angela Bieda
26. Entspannungsverfahren
Zusammenfassung
Entspannungsverfahren gehören zu den am häufigsten eingesetzten Techniken in der Therapie und sind aus ihr bei vielen Indikationen nicht mehr hinweg zu denken. Typischerweise gilt die progressive Relaxation als das Entspannungsverfahren der Verhaltenstherapie aufgrund seiner klaren Struktur und seines rational begründeten Vorgehens. Als seine Modifikation wird die angewandte Entspannung vorgestellt. Die prinzipielle Gleichrangigkeit von autogenem Training und den Entspannungsteilen von Meditation und Yoga wird gleichermaßen beschrieben. Alle Verfahren werden als von ihrer Wirkung her äquivalent beschrieben, auch wenn die umfangreichsten Wirkungsnachweise zur progressiven Relaxation und zur Grundstufe des autogenen Trainings vorliegen.
Andreas Maercker, Günther Krampen
27. Systematische Desensibilisierung
Zusammenfassung
Dieses Verfahren ist gewissermaßen eine Vorläufermethode heutiger verhaltenstherapeutischer Spezialtechniken zur Angstreduktion für verschiedene Störungsbilder und Problemkonstellationen. In seiner ursprünglichen Form wird es weiterhin für spezifische Phobien (z. B. Höhen, enge Räume, Hunde, Schnecken) und für Prüfungsängste eingesetzt. Modifikationen und Weiterentwicklungen der Ursprungsform sind die Angstbewältigungsprogramme, die wiederum auch für Prüfungs- und Leistungsängste eingesetzt werden sowie das Selbstinstruktionstraining nach Meichenbaum, das z. B. für spezifische soziale Phobien (z. B. Redeangst) angewandt wird. Eine wichtige Rolle für die In-sensu-Durchführung der systematischen Desensibilisierung spielt die Fähigkeit zur imaginativen Vorstellung der gefürchteten Situation, für deren Beurteilung es gut ausgearbeitete Skalen gibt.
Andreas Maercker, Almut Weike
28. Expositionsverfahren
Zusammenfassung
Expositionen gehören zu den wichtigsten therapeutischen Interventionen kognitiv-behavioraler Therapieprogramme. Sie sind ein zentrales Behandlungselement von Angststörungen, kommen aber auch bei weiteren Störungen wie z. B. Essstörungen oder Abhängigkeitserkrankungen zum Einsatz. Obwohl die Wirksamkeit von Expositionsverfahren gut belegt ist, ist noch nicht abschließend geklärt, über welche Wirkmechanismen sie ihre therapeutische Heilkraft entfalten. Eine zentrale Annahme ist, dass Exposition einen Extinktionsprozess darstellt, in dessen Verlauf gelernt wird, Situationen und Stimuli, welche mit Psychopathologie assoziiert sind, neu und funktionaler einzuschätzen. Weitere Erklärungen zur Wirksamkeit von Exposition sind z. B. die Ausschüttung endogener Opioide oder die Gegenkonditionierung. Damit Exposition wirksam ist, müssen gewisse Rahmenbedingungen wie eine gute Compliance oder eine angemessene Gefühlsaktivierung realisiert sein.
Johanna Lass-Hennemann, Brunna Tuschen-Caffier, Tanja Michael
29. Klinische Hypnose
Zusammenfassung
Hypnose wurde seit alters her als ein Verfahren und als ein daraus resultierender Zustand veränderten Bewusstseins (Trance) beschrieben, in dem die Menschen (bisweilen auch Tiere) anders als gewöhnlich reagieren. Die Folklore schreibt diesem Zustand Willenlosigkeit, verbesserte kognitive Fähigkeiten (z. B. Erinnerungsvermögen), ungewöhnliche körperliche Leistungen (z. B. kataleptische Brücke), Schmerzlosigkeit und bestimmte psychosomatische Phänomene (z. B. suggerierte Brandblasen) zu. Hypnose hat eine gespaltene Tradition: eine mystische und eine medizinische. Sie lebt einerseits in magischen Formen der Geistheilung, des spirituellen Wachstums weiter und hat etwa die Theosophische Gesellschaft oder Christian Science in ihren Riten beeinflusst. Andererseits hat sie eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen im klinischen und im experimentellen Bereich hervorgebracht und ist als therapeutische Methode bei unterschiedlichsten somatischen und psychischen Störungen wissenschaftlich anerkannt und erfolgreich eingesetzt worden. Fragen, die sich mit dem Thema Hypnose verbinden, sind u. a.: Hat der Mensch in diesem Zustand besondere physische oder mentale Fähigkeiten? Kann man gegen seinen Willen hypnotisiert werden? Ist jeder hypnotisierbar? Sind Erinnerungen unter Hypnose verlässlich? Wegen der Publikumswirksamkeit einiger dieser Fragen wird Hypnose oft als Schaustellung verunglimpft. In der Hauptsache ist sie jedoch eine vielseitige und effektive Therapiemethode.
Dirk Revenstorf
30. Euthyme Therapie
Zusammenfassung
Das Anliegen der euthymen Therapie ist es, dass Patienten lernen, sich ein gutes Leben (wieder) einzurichten; Metaziel ist Selbstfürsorge. Patienten sollen in die Lage versetzt werden, sich Positiva zuzugestehen und gut für sich selber zu sorgen – und nicht erwarten, dass Dritte dafür verantwortlich sind. Euthyme Interventionen haben sinnliche Bezüge und leiten zu euthymem Erleben und Verhalten an. Implizit oder explizit wird die Erlaubnis zum Genuss (kognitiver Zugang) gefördert. Der euthyme Therapieansatz wurde aus den Erfahrungen mit dem Gruppenprogramm Kleine Schule des Genießens entwickelt; diese haben auch zu Interventionen für die Einzeltherapie geführt. Zur Beschreibung der therapiewirksamen Prozesse wird auch auf Prinzipien der allgemeinen Psychologie zurückgegriffen. Als zentraler Wirkmechanismus wird die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf Positiva angenommen. Diese fördert das Erleben positiver Emotionen und unterdrückt negative Prozesse wie z. B. Grübeln. Der euthyme Therapieansatz kann als eine Heuristik verstanden werden, die ein Therapeut zur Lösung klinischer Fragen, insbesondere auch zur Formulierung von Fragen einsetzen kann. So wird ein Therapeut die mögliche Bedeutung mangelnder Selbstfürsorge für die Aufrechterhaltung einer Störung eines Patienten aus dem euthymen Konzept ableiten und ihn gezielt danach fragen.
Rainer Lutz
31. Achtsamkeit
Zusammenfassung
Im vorliegenden Kapitel wird das aus östlichen Meditationstraditionen stammende Achtsamkeitsprinzip vorgestellt, das im Rahmen von achtsamkeitsbasierten Verfahren besonders in den vergangenen Jahren großes Interesse erfuhr und verstärkt auch in das verhaltenstherapeutische Vorgehen integriert wurde. Ausgehend von einer Definition werden verschiedene Achtsamkeitsverfahren unterschieden. Nach einer Darstellung der praktischen Voraussetzungen aufseiten des Achtsamkeitsübenden und aufseiten der Therapeuten wird das konkrete Vorgehen anhand formeller und informeller Übungen näher erläutert und Beispiele für konkrete Instruktionen gegeben. Daran anschließend wird diskutiert, bei welchen Patientengruppen achtsamkeitsbasierte Verfahren eine sinnvolle Ergänzung zur gewohnten therapeutischen Intervention darstellen und bei welchen Patienten ein Einsatz vorher genauer geprüft werden sollte. Abschließend werden Ergebnisse zur Wirksamkeit von MBSR und MBCT vorgestellt und ein Ausblick bezüglich zukünftiger Forschungsbemühungen gegeben.
Thomas Heidenreich, Johannes Michalak
32. Rollenspiele
Zusammenfassung
Rollenspiele stellen eine kreative und erlebnisorientierte Methode dar, die es dem Therapeuten und dem Patienten ermöglicht, im geschützten Raum die Probleme des Patienten zu aktualisieren und zu modifizieren. Sie kommen bei allen Patienten, die unter sozialen Problemen, Beziehungsschwierigkeiten, sozialen Unsicherheiten oder Kompetenzdefiziten leiden, zum Einsatz. Die zwei verschiedenen Arten des Rollenspiels – zum Aufdecken bestimmter Reaktionen (diagnostisches Rollenspiel) und zum Bearbeiten der Reaktion auf sowohl behavioraler als auch kognitiver Ebene (trainierendes bzw. therapeutisches Rollenspiel) – können sowohl im Gruppen- als auch im Einzelsetting ihre Anwendung finden. Beim Ablauf lassen sich in der Regel die Phasen der Planung, Durchführung, Auswertung und des Transfers in den Alltag unterscheiden, in welcher jeweils unterschiedliche Aspekte beachtet werden sollten. Rollenspiele lassen sich nicht nur im therapeutischen Rahmen finden, sondern können auch in der Ausbildung Psychologischer Psychotherapeuten bei der theoretischen und praktischen Ausbildung sowie Selbsterfahrung von Nutzen sein. Empirische Absicherungen existieren aufgrund seiner vielseitigen Einsatzmöglichkeiten nicht für das Rollenspiel als einzelnes Element, sondern stattdessen für unterschiedliche Therapieprogramme, welche die Methode mit einbeziehen.
Katrin Hötzel, Ruth von Brachel
33. Training sozialer Kompetenz
Zusammenfassung
Soziale Kompetenzen besitzen eine Mittlerfunktion bei der Verwirklichung aller persönlichen Ziele und Bedürfnisse von Menschen, die Interaktionen mit anderen voraussetzen. Deshalb können entsprechende Trainingsverfahren bei Patienten mit sehr verschiedenartigen Störungsbildern eine wichtige therapeutische, rehabilitative oder präventive Maßnahme darstellen. Seit etwa 1950 wurden unterschiedliche Behandlungsstrategien entwickelt, die heute oft zu multimodalen Trainings kombiniert werden. Zentraler Bestandteil sind meistens Verhaltensübungen, die sowohl in der Therapiesituation (Rollenspiel) als auch in der Realität (In-vivo-Übungen) durchgeführt werden. Hinzu kommen häufig Interventionselemente im emotional-affektiven Bereich (Entspannungstraining, Exposition, Gefühlsidentifikation und -ausdruck) sowie verschiedene kognitiv orientierte Techniken (Erklärungsmodell, Diskriminationstraining, spezielle Übungen). Nach wie vor sind allerdings auch Trainings in Gebrauch, die sich vorwiegend auf Verhaltensübungen beschränken.
Ulrich Pfingsten
34. Kommunikations- und Problemlösetraining
Zusammenfassung
In der Verhaltenstherapie werden Methoden des Kommunikations- und Problemlösetrainings immer häufiger im Rahmen von Einzel- und Gruppentherapie eingesetzt. Sie werden in diesen Settings weniger als eigenständige Verfahren verwendet, sondern mit anderen Methoden kombiniert. Im Bereich der Ehe- und Familientherapie gehören sie zu den Grundbausteinen praktisch jeder Therapie, deshalb wird in unserem Beitrag auf diesen Anwendungsbereich besonders Bezug genommen.
Kurt Hahlweg, Andrea Kaiser
35. Kognitive Verfahren nach Beck
Zusammenfassung
In diesem Beitrag werden philosophische Grundlagen und zentrale Annahmen der kognitiven Anteile kognitiver Verhaltenstherapien dargestellt und das Vorgehen bei der praktischen Umsetzung dieser Anteile beschrieben. Als sitzungsübergreifende Charakteristika werden der sokratische Dialog und die Binnenstrukturierung einzelner Sitzungen hervorgehoben. Die weitere Beschreibung einzelner Bausteine der Kognitionsveränderung und ihrer Rahmenbedingungen folgt dem Vorgehen der Arbeitsgruppe um Beck, da dieses empirisch am besten evaluiert worden ist. Es gibt überzeugende Belege für die Wirksamkeit kognitiver Verhaltenstherapie bei behandlungsbedürftigen Patienten eines weiten Störungsspektrums. Sie werden bei Depression und Angststörungen als Therapien der ersten Wahl in internationalen und nationalen Leitlinien herausgestellt. Neben der Klärung theoretisch und klinisch wichtiger Forschungsfragen werden die größten zukünftigen Herausforderungen in der Implementierung eines manualgetreuen Vorgehens in den klinischen Alltag ambulanter und stationärer Therapien gesehen sowie in der Weiterentwicklung spezifischer Strategien zur Aufrechterhaltung der akut erreichbaren Therapieerfolge.
Renate de Jong-Meyer
36. Verhaltensaktivierung
Zusammenfassung
Die Verhaltensaktivierung ist eine der ältesten Methoden der Verhaltenstherapie insbesondere bei depressiven Beschwerden. Sie ist im Zuge einer Komponentenanalyse von Jacobson et al. neu in den Fokus klinisch-psychologischer Interventionen und Forschung gerückt. Moderne Verhaltensaktvierung beschreibt ein individualisiertes und strukturiertes therapeutisches Vorgehen, das die Patienten darin unterstützt, Aktivitäten in Übereinstimmung mit ihren eigenen Werten und Zielen durchzuführen und dysfunktionales Vermeidungs- und Schonverhalten abzubauen. In diesem Kapitel wird der Ansatz der Verhaltensaktivierung nach Martell et al. vorgestellt. Es werden operante Erklärungsmodelle für diesen Ansatz beschrieben und das therapeutische Vorgehen detailliert erläutert. Es werden sowohl die Protokollierung von Aktivitäten als auch der Aufbau wertbezogener Tätigkeiten genauso wie der Abbau von Vermeidungsverhalten dargelegt. Darauf folgen Hinweise zum therapeutischen Umgang mit Schwierigkeiten sowie Erklärungen zur Indikationsstellung, bevor das Vorgehen anhand eines Fallbeispiels illustriert wird. Abschließend wird die empirische Befundlage zur Verhaltensaktivierung zusammengefasst.
Ruth von Brachel, Armin Zlomuzica, Tobias Teismann
37. Selbstmanagement
Zusammenfassung
Wichtigstes Ziel therapeutischer Interventionen besteht darin, dass der Patient langfristig in der Lage ist, die therapeutischen Veränderungen im Alltag umzusetzen. Das dafür verwendete Konzept des Selbstmanagements kennzeichnet sowohl ein bestimmtes Menschenbild als auch eine Reihe konkreter therapeutischer Strategien. Diese stammen vorwiegend aus dem Bereich empirisch bewährter und theoretisch fundierter Ansätze, die der kognitiven Verhaltenstherapie nahestehen. In dem Beitrag werden Grundlagen des Selbstmanagements ebenso dargestellt wie einige exemplarische Umsetzungen in einzelnen Anwendungsfeldern.
Hans Reinecker
38. Schematherapie und Person- geleitete Verhaltenstherapie1
Zusammenfassung
Schematherapie kann Vermutungen zur Entstehung hinderlicher Seiten der Person erzeugen. Sie bemüht sich um Symptombeseitigung und Heilung früher Schädigungen. Im Zentrum der Behandlung stehen als Borderliner oder Narzissten klassifizierte Personen. Person-geleitete Verhaltenstherapie betont die gegenwärtige Vielfalt der Person. Einengung der Person auf eine Störungsklasse wird ebenso abgelehnt wie automatische Verschreibung einer Intervention. Für die Darstellung der Theorie der Person sowie für Anstöße zur Veränderung werden wesentliche Anteile der Personen in Kugeln anschaulich gemacht und mit Puppen symbolisiert. Patienten starten oft in die Therapie mit der Einengung auf den Anteil - der Unterworfene - und entwickeln sich in Richtung - Selbstbestimmt -. Mit den Anteilen werden deren Verhaltensschablonen eruiert. Bewegungen in der Person machen zur Bewältigung der Realität schon vorhandene Schablonen verfügbar, und neue Anteile füllen Defizite mit neuen Verhaltensschablonen.
Heinrich Berbalk
39. Operante Verfahren
Zusammenfassung
Es wird eine Gruppe von Einzeltechniken und Verfahren vorgestellt, die direkt aus der Lerntheorie entstammen. Sie werden in viele Formen von Therapien als grundlegende Elemente eingebaut, z. B. Verstärkung, Kontingenzmanagement, Bestrafung, Löschung und Stimuluskontrolle. Besondere Anwendungsgebiete sind u. a. Neurofeedback, Neurorehabilitation, Kinder- und Elterntrainings, Schlaf- und Essstörungsprogramme sowie Rehabilitation bei kognitiver Einschränkung. Die Kenntnis der Einzeltechniken und Verfahren ist grundlegend für das Erlernen und Ausüben der Verhaltenstherapie.
Andreas Maercker, Katja Machmutow
40. Habit-Reversal-Training
Zusammenfassung
Habit-Reversal-Training (HRT) ist sehr effektiv bei nervösen Verhaltensgewohnheiten (Daumenlutschen, Nägelkauen, Beißen auf Lippen oder Zunge, Zucken von Kopf und Schultern, Zupfen an Augenbrauen oder Körperteilen), Tics, Tourette-Syndrom und Stottern. Es nimmt an, dass derartige Probleme in Verhaltensketten eingebettet sind, durch ständige Wiederholung aufrechterhalten werden, teilweise unbewusst ablaufen und z. T. sozial toleriert werden. Mit HRT können diese Verhaltensketten unterbrochen und Gewohnheiten durch andere, bewusst ausgeführte, Verhaltensweisen ersetzt werden. Das Training besteht aus den Modulen Erhöhung der Selbstwahrnehmung, Aufbau bzw. Stärkung von Veränderungsmotivation, Competing-Response-Training sowie Generalisierungstraining zur Festigung der erreichten Fortschritte im Alltag. Ergänzend können bei Bedarf soziale Verstärkung und Entspannungstraining eingesetzt werden. Die Methode benötigt nur wenige Therapiesitzungen und wurde vielfach empirisch validiert.
Jürgen Margraf, Eva Wilhelm
41. Biofeedback
Zusammenfassung
Operantes Konditionieren, also Lernen durch Erfolg, spielt bei der Regulation biologischer Systeme eine Rolle und lässt sich therapeutisch nutzen. Biofeedback stellt ein Behandlungsverfahren für Erkrankungen dar, die durch eine neuronale Fehlregulierung begünstigt werden. Es beinhaltet die Messung und Rückmeldung einer zu verändernden biologischen Größe wie zum Beispiel die elektrische Muskelaktivität. Die erwünschte biologische Aktion wird technisch gemessen und an dem Patienten zurückgemeldet. Eine Rückmeldung einer erwünschten Veränderung dient als Verstärkung, die zu einer Verfestigung der erwünschten Aktion oder Reaktion führt. Wesentliches Element der Biofeedbacktherapie ist die Automatisierung der erlernten biologischen Vorgänge, sodass sie als Skills ständig verfügbar sind. Durch Biofeedback können sowohl willkürlich wie auch autonom gesteuerte Körpervorgänge beeinflusst werden. Für manche Erkrankungen ergeben sich durch diesen Zugang völlig neue Möglichkeiten der therapeutischen Intervention.
Harald Rau
42. Therapeutische Hausaufgaben
Zusammenfassung
Psychotherapeutische Hausaufgaben stellen eine Basistechnik der Verhaltenstherapie dar. Sie unterstützen das Erkennen störungsbezogener Denk- und Verhaltensweisen im Alltag des Patienten, dienen zur Vertiefung der therapeutischen Arbeit und befördern die Anwendung neuer kognitiver und verhaltensorientierter Strategien in das Alltagsleben. Damit stellen sie das entscheidende Bindeglied zwischen den therapeutischen Sitzungen und der Lebenswelt des Patienten dar. Ihre wichtige Funktion für ein positives Therapieergebnis gilt mittlerweile als belegt. Bei der Anwendung von Hausaufgaben innerhalb einer Therapie berichten Praktiker jedoch immer wieder Probleme, wie z. B. Veränderungen des Aufgabeninhalts. Um solche Probleme vermeiden oder frühzeitig beheben zu können, ist es hilfreich, den Hausaufgabenprozess in Teilschritte zu untergliedern. So können für jeden Teilschritt Hinweise für ein günstiges Vorgehen gegeben und mögliche »Fallen« beschrieben werden.
Lydia Fehm, Gabriele Fehm-Wolfsdorf
43. Rückfallprävention
Zusammenfassung
Bei vielen psychischen Störungen gehören Rückfälle zum Behandlungsalltag. Ausgehend von einem kurzen Überblick über den aktuellen Stand der Rückfallforschung werden in diesem Kapitel spezifische therapeutische Maßnahmen zur Prävention und Bewältigung von Rückfällen vorgestellt. Zunächst wird erläutert, dass Rückfallprävention eine therapeutische Grundhaltung ist, die sich teilweise von den für andere Therapiephasen geltenden Einstellungen unterscheidet. Es werden spezielle Verfahren zur Rückfalldiagnostik beschrieben, um Patienten ihr Rückfallrisiko nicht als statische Größe abhängig von persönlicher Willenskraft oder allgemeiner Charakterstärke, sondern als gescheiterte Bewältigungsversuche von persönlich relevanten Rückfallrisikosituationen begreiflich zu machen. Verschiedene Strategien zur Rückfallprävention (Vorstellungsübung, Ablehnungstraining, Konfrontation in vivo, achtsamkeitsbasierte Rückfallprävention, Approach-Avoidance-Task-Training, Notfallpläne) werden ausführlich vorgestellt. Abschließend werden ein konkretes Prozedere im Umgang mit rückfälligen Patienten vorgeschlagen und die Möglichkeiten des Einsatzes neuer Medien bei der Rückfallprävention skizziert.
Johannes Lindenmeyer
44. Kognitiv-behaviorale Beratung
Zusammenfassung
Kognitiv-behaviorale Beratung ist ein sprachlich-kommunikativer Prozess, der zwischen ratsuchenden und ratgebenden Personen stattfindet. Häufig suchen Menschen Rat, wenn sie Unterstützung bei der Bewältigung persönlicher Probleme oder dem Treffen von schwierigen Entscheidungen benötigen. Dabei ist die ratsuchende Person in der Regel veränderungswillig, sucht die Beratung freiwillig auf und ist aktiv am Veränderungsprozess beteiligt. Im Gegensatz zu Psychotherapie ist die Behandlung psychischer Störungen von Krankheitswert kein Anwendungsgebiet von Beratung. Zu Beginn kognitiv-behavioraler Beratung stehen Beziehungsaufbau, Ziel- bzw. Auftragsklärung und Förderung von Veränderungsmotivation im Mittelpunkt. Im Hauptteil der Beratung kommen verhaltensbezogene und kognitive Interventionen zum Einsatz, um die ratsuchende Person bei ihrem Anliegen zu unterstützen bzw. Verhaltensänderungen umzusetzen. Abschließend wird die Zielerreichung evaluiert. Während die Vielfältigkeit von Beratungsanlässen und -settings einer allgemeingültigen Wirksamkeitsüberprüfung entgegen steht, sind spezifische, beratungsnahe Kurzinterventionen bereits wissenschaftlich überprüft und für wirksam befunden worden.
Julia Velten, Saskia Scholten
45. Patientenratgeber und Selbsthilfematerialien
Zusammenfassung
Die Verwendung von ausgewählten Texten und Büchern in Psychotherapie, Psychiatrie und Organmedizin ist keine spezielle und eigenständige verhaltenstherapeutische Methode. Im Rahmen unterschiedlicher Therapieschulen und Behandlungskonzepte wird die »Bibliotherapie« – verstanden als »Therapie durch angeleitetes Lesen« – als ein Hilfsmittel in der Behandlung von psychischen und körperlichen Krankheiten, zur Veränderung von emotionalen und Lebensproblemen, aber auch als eine Möglichkeit der persönlichen Weiterentwicklung eingesetzt. Für die Bibliotherapie kommen fiktives literarisches Material, Schicksals- und Betroffenenberichte sowie Problemlöseschriften zur Anwendung. Letztere wiederum können weiterführend unterteilt werden in Patientenratgeber und Therapie- bzw. Selbsthilfemanuale.
Jörg Angenendt
46. Neue Technologien in der Psychotherapie
Zusammenfassung
Die Erforschung computergestützter Psychotherapie hat eine lange Tradition. Die aktuelle intensive Forschung zu Online- bzw. Smartphone-Interventionen, Selbsthilfeprogrammen mit oder ohne Therapeutenkontakt und therapeutischen Computerspielen hat gezeigt, dass sie traditionelle verhaltenstherapeutische Ansätze durch fokussierte und zeitlich begrenzte Maßnahmen für eine Vielzahl psychischer Störungssymptome ergänzen können. Zusätzlich eröffnen Psychotechnologien wie die virtuelle Realität, das Herzratenbiofeedback oder Präventions-Apps neue Kompetenzbereiche für klinische Psychologen. Die bisherigen Ergebnisse sprechen dafür, dass computergestützte Interventionen zu vergleichbaren Ergebnissen wie konventionelle »Face-to-face«-Ansätze führen und dass sie bei Patienten auf große Akzeptanz stoßen. Implikationen dieser neuen Methoden für die therapeutische Beziehung sowie deren Anwendungsbereiche und mögliche Grenzen sind noch nicht abschließend geklärt, ebenso wie ethische und rechtliche Fragen.
Frank Wilhelm, Monique Pfaltz, Birgit Wagner

Rahmenbedingungen

Frontmatter
47. Therapeutische Settings
Zusammenfassung
Die Festlegung von Merkmalen des therapeutischen Settings hat zentralen Einfluss auf Therapieverlauf, Therapieplanung sowie die Weiterentwicklung von Institutionen des Gesundheitswesens. Neben der Flexibilität in der Gestaltung von Rahmenbedingungen der Behandlung (z. B. Therapieraum vs. Wohnung des Patienten) sind Settingmerkmale: Erreichbarkeit der Einrichtung, Wählbarkeit von Therapeuten, Mitarbeitermerkmale und Fortbildung in der Institution, wissenschaftliche Orientierung, Qualitätssicherungsmaßnahmen durch Selbst- und Fremdratings und Katamnesen, einzel- und gruppentherapeutische Möglichkeiten und Möglichkeiten, Intensivbehandlungsphasen durchzuführen und viele andere. In dem Beitrag wird dargestellt, dass mit den Settingmerkmalen einzelner Institutionen auch spezifische Vor- und Nachteile verbunden sind. Auch wird die zunehmende Rigidität in der Gestaltung therapeutischer Settings kritisiert.
Winfried Rief
48. Verhaltenstherapie in der Allgemeinmedizin
Zusammenfassung
Chronische Krankheiten und Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität) bestimmen die aktuellen Anforderungen im hausärztlichen Kontext. Neue, diagnoseübergreifende Prinzipien für diese Patienten werden im Chronic Care Modell beschrieben, u. a. Selbstsorge, Koordination, evidenzbasierte Entscheidungshilfen und Informationstechnologie. Sowohl die Verhaltenstherapie als auch die Allgemeinmedizin sehen in der Arzt-Patienten-Kommunikation das Schlüsselelement ihres Handelns. Die Psychoedukation, das strukturierte Problemlösen, die kognitive Umstrukturierung sowie das einfache Case-Management haben sich in Hausarztpraxen vielfach bewährt. Insgesamt sind Patienten mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, posttraumatischen sowie anderen Belastungsstörungen und somatoformen Störungen in Hausarztpraxen sehr häufig. Die niedrigschwellige Hausarztpraxis ist eine zuverlässige – und oftmals über lange Zeit auch einzige – fachliche Begleitung für diese Patienten.
Jochen Stefan Gensichen, Andreas Linde
49. Verhaltensmedizin
Zusammenfassung
Verhaltensmedizinische Diagnosemethoden und Interventionsstrategien sind inzwischen in unterschiedlichsten Bereichen der Medizin anerkannt. Nach wie vor ist das explizite Ziel der Verhaltensmedizin, interdisziplinär zu arbeiten und bei psychischen Begleitsymptomen Verhaltenstherapie im medizinischen Rahmen anzubieten. Es geht also nicht darum, dass eine von mehreren Disziplinen bei der Behandlung körperlicher Erkrankungen oder Störungen eine privilegierte Rolle besitzt, sondern an erster Stelle steht die Aufklärung von Krankheits- und Störungsursachen unter Einbeziehung psychischer Faktoren sowie deren effektive Behandlung unter Einbindung von Verhaltenstherapie. Sowohl die ätiologischen biopsychosozialen Konzepte der Verhaltensmedizin als auch der Wirkungsnachweis sind anhand empirischer Studien für eine Vielzahl von Störungen und Krankheiten inzwischen erfolgt.
Ulrike Ehlert
50. Versorgungsforschung
Zusammenfassung
Versorgungsforschung analysiert den Weg des Kranken durch das Gesundheitswesen und untersucht Fragestellungen zu Bedarf und Zugang, Assessment und Prozess sowie Outcome. Bei der Auswahl der Methoden kommt der Erhebung klinisch repräsentativer Daten eine besondere Bedeutung zu. Ziel sollte immer die Anwendung höchster methodischer Standards sein, die bei gegebener Fragestellung und Studienkontext möglich sind. Vorliegende Daten zur psychosozialen Versorgungsforschung weisen darauf hin, dass es in Deutschland eine vielfältige und differenzierte Versorgungsstruktur mit einer erheblichen Versorgungskapazität gibt. Prozessparameter sind bisher wenig unter klinisch repräsentativen Bedingungen erhoben worden. Die Anzahl vorliegender Studien zur Effectiveness psychotherapeutischer/psychosozialer Maßnahmen unterscheidet sich in den verschiedenen Versorgungssettings beträchtlich.
Birgit Watzke, Dina Barghaan, Timo Harfst, Uwe Koch, Holger Schulz
51. Rechtliche Rahmenbedingungen
Zusammenfassung
Das Kapitel stellt in Form eines kurzen Überblicks jeweils die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ausübung der Psychotherapie in Deutschland, Österreich und der Schweiz dar. Die Autoren setzen sich zunächst mit den Ausbildungsvoraussetzungen der Psychotherapie auseinander, insbesondere mit den Zugangsvoraussetzungen, dem Ausbildungsgang und der Erlangung der Approbation bzw. Berufsberechtigung. Danach werden wichtige Fragen zur Berufsausübung geklärt. Näher beleuchtet werden hier vor allem der Titelschutz sowie die Berufspflichten des Psychotherapeuten.
Martin Stellpflug, Ingeborg Pucher-Matzner, Brigitta Holzberger
52. Aus-, Fort- und Weiterbildung
Zusammenfassung
Der Beitrag stellt die aktuelle Situation der Aus- und Weiterbildung in der Verhaltenstherapie in Deutschland, Österreich und der Schweiz dar. Zentrale Ziele der Ausbildung sind der Erwerb theoretischer Kenntnisse des normalen und pathologischen Erlebens und Verhaltens von Menschen und der empirisch fundierten Interventionen zur Reduzierung des damit verbundenen Leids von betroffenen Personen. Besonders bedeutsam ist dabei das Erreichen (theoretisch und empirisch) fundierter Handlungskompetenzen für die Anwendung dieser theoretischen und diagnostischen Kenntnisse im Einzelfall. Dabei spielt auch die Ausbildung einer selbstkritischen Reflexionsfähigkeit (meist durch Selbsterfahrung und Supervision) auf dem Hintergrund der eigenen Lebens- und Lerngeschichte eine bedeutsame Rolle.
Hans Reinecker, Simone Munsch, Thomas Fydrich
53. Psychotherapeutische Fallberichte bei Erwachsenen
Zusammenfassung
Psychotherapeutische Fallberichte sind ein gängiger Bestandteil der psychotherapeutischen Praxis. Auf ihrer Grundlage entscheiden die Krankenkassen, ob sie die Kosten für eine Psychotherapie übernehmen. In der Aus- und Weiterbildung dokumentieren die Berichte die Leistungen und Fortschritte des Ausbildungskandidaten und dienen als Grundlage für Supervision und Prüfung. In Fachzeitschriften fördern sie den Austausch zwischen Forschenden und Praktikern. Meist bestehen klare Vorgaben zur Struktur von Fallberichten. Diese Vorgaben variieren jedoch je nach Zweck des Fallberichts und Institution und sind, ebenso wie die Wahrung der Anonymität der Patienten, unbedingt zu beachten. Das vorliegende Kapitel stellt vor, welche Arten von Fallberichten es gibt und wie diese zu erstellen sind.
Gunther Meinlschmidt, Marion Tegethoff
54. Supervision in der Verhaltenstherapie
Zusammenfassung
Supervision ist zentraler Bestandteil der Ausbildung in Verhaltenstherapie und der Qualitätssicherung. Effektive Supervision setzt Kenntnisse vom Stand der Psychotherapieforschung (Behandlungsstandard), didaktische Konzepte zur Anleitung und Unterstützung von Anfängern und der Transformation klinisch-psychologischer Forschungsergebnisse in praktisches Handeln ebenso voraus wie die Bereitschaft, gemeinsam Verantwortung dem Patienten und der Institution gegenüber zu übernehmen. Kriterien für Supervision und Konzepte für Ausbildungsgänge zum Supervisor in Verhaltenstherapie werden diskutiert und erste Evaluationsdaten referiert.
Dirk Zimmer
55. Dokumentation von Verhaltenstherapie
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit basiert auf einer Reihe vorangegangener Arbeiten (Laireiter 2003, 2010; Laireiter et al. 2001), in denen über den Stand der Entwicklung der Dokumentation berichtet wurde. Um Redundanzen zu vermeiden, werden hier zwei Schwerpunkte gesetzt, einen Überblick zu geben über die (aktuellen) gesetzlichen und berufsrechtlichen Rahmenbedingungen in den drei deutschsprachigen Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz) einerseits und die vorliegenden Systeme der Struktur-/Basis- und Verlaufsdokumentation andererseits zusammenfassend darzustellen. Bezugnehmend auf die Tatsache, dass klinisch-psychologische Interventionen in den deutschsprachigen Staaten unter verschiedenen Begriffen (Psychotherapie, psychologische, Kinder- und Jugendlichen, ärztliche Psychotherapie, klinisch-psychologische Behandlung etc.) angeboten wird, werden in den folgenden Aussagen der Psychotherapie- und Behandlungsbegriff synonym verwendet.
Anton-Rupert Laireiter, Urs Baumann
56. Durchführung und Abrechnung von Verhaltenstherapie
Zusammenfassung
Verhaltenstherapie ist in Deutschland seit 1967 in der ambulanten Versorgung als Methode der Krankenbehandlung anerkannt. Die Kosten für diese Therapie werden durch die Krankenkassen, d. h. die Solidargemeinschaft übernommen. Nach den üblichen Regeln der vertragsärztlichen Versorgung sind die Indikation, Zweckmäßigkeit, Qualität, Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit der Therapie zu garantieren. Bis 2016 wurde deshalb vor Einleitung einer Verhaltenstherapie ein Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren, d. h. Gutachterverfahren, durchgeführt. Seit April 2017 ist dies nur noch für Langzeittherapien erforderlich. In Österreich sind die Befähigung und Berechtigung zur selbstständigen Ausübung von Psychotherapie sowie das Antragsverfahren und die Kassenabrechnung von Verhaltenstherapie seit 1991 gesetzlich geregelt. In der Schweiz bestehen mehrere Sozialversicherungen, die für Leistungen der Psychotherapie von Bedeutung sind. Seit dem Jahr 2013 ist mit dem Inkrafttreten des PsyG ein großer Fortschritt auf dem Weg zu einer vollständigen Anerkennung der psychologischen Psychotherapeuten auf staatlicher Ebene erzielt worden.
Klaus E. Gerbis, Michael Linden, Ingeborg Pucher-Matzner, Brigitta Holzberger
57. Kosten-Effektivitäts- und Kosten-Nutzen-Analyse
Zusammenfassung
Informationen zu Kosten, Effektivität und Nutzen von Behandlungen sind bei einer Vielzahl von Entscheidungen wichtig. Insbesondere für die Verhaltenstherapie mit ihrem Anspruch auf Transparenz und Wissenschaftlichkeit sollte die Betrachtung auch der Kosten-Nutzen-Relation als selbstverständlich gelten. Das erste Anliegen des Kapitels ist es, vor dem Hintergrund steigender relativer Kosten, die durch psychische Störungen verursacht werden, zu einer realistischen Einschätzung der Aussagekraft von Kostenanalysen (zur Vereinfachung wird der Begriff der Kostenanalyse als Oberbegriff für Kosten-Nutzen-Analysen und für Kosten-Effektivitäts-Analysen verwendet) im Gesundheitswesen zu verhelfen und auf die Bedeutung einer transparenten Darstellung der dabei eingenommenen Perspektive zu verweisen. Auf eine Einbettung in den Gesamtkontext der Evaluationsforschung folgt eine Einführung in die Durchführung von Kosten-Nutzen- und Kosten-Effektivitäts-Berechnungen. Dabei werden mögliche Beurteilungskriterien vorgestellt und kritisch diskutiert, bevor ausgewählte Beispiele einen Einblick in Anwendungsbereiche und Ergebnisse geben.
Simon-Peter Neumer, Frank Jacobi, Jürgen Margraf
Backmatter
Metadaten
Titel
Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 1
herausgegeben von
Jürgen Margraf
Silvia Schneider
Copyright-Jahr
2018
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-54911-7
Print ISBN
978-3-662-54910-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-54911-7

ADHS-Medikation erhöht das kardiovaskuläre Risiko

16.05.2024 Herzinsuffizienz Nachrichten

Erwachsene, die Medikamente gegen das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom einnehmen, laufen offenbar erhöhte Gefahr, an Herzschwäche zu erkranken oder einen Schlaganfall zu erleiden. Es scheint eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zu bestehen.

Typ-2-Diabetes und Depression folgen oft aufeinander

14.05.2024 Typ-2-Diabetes Nachrichten

Menschen mit Typ-2-Diabetes sind überdurchschnittlich gefährdet, in den nächsten Jahren auch noch eine Depression zu entwickeln – und umgekehrt. Besonders ausgeprägt ist die Wechselbeziehung laut GKV-Daten bei jüngeren Erwachsenen.

Darf man die Behandlung eines Neonazis ablehnen?

08.05.2024 Gesellschaft Nachrichten

In einer Leseranfrage in der Zeitschrift Journal of the American Academy of Dermatology möchte ein anonymer Dermatologe bzw. eine anonyme Dermatologin wissen, ob er oder sie einen Patienten behandeln muss, der eine rassistische Tätowierung trägt.

Spezielles Sportprogramm bei einer Reihe von psychischen Erkrankungen effektiv

08.05.2024 Psychotherapie Nachrichten

Sportliche Betätigung hilft nicht nur bei Depression, sondern auch in Gruppen von Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen psychischen Erkrankungen, wie Insomnie, Panikattacken, Agoraphobie und posttraumatischem Belastungssyndrom. Sie alle profitieren längerfristig.