Im Chaos nur noch improvisieren

Ausgepresste Zitronen, ausgedrückte Klebstofftuben, kreisende Geier – das sind Bilder, die Ärzten beim Forum Junger Ärzte im Rahmen des 125. Internistenkongresses zur beruflichen Situation einfallen. Wenn junge Ärzte ihre berufliche Situation beschreiben sollen, nennen sie fehlende, zuverlässige Absprachen, meinen, nur noch im Chaos improvisieren zu müssen und beklagen zu wenig persönliche Begleitung, erklärte Professor Dr. Marcus Siebolds, Dekan des Fachbereichs Gesundheitswesen der Katholischen Hochschule Nordrhein Westfalen, Abteilung Köln. Auf dem Forum Junger Ärzte im Rahmen des 125. Internistenkongresses zur Work-Life-Balance teilte er diese Ergebnisse aus 28 Supervisionssitzungen mit. Täglich seien Ärzte in Krankenhäusern dabei einem Spagat zwischen gesellschaftlicher Solidarität und Patientenbedürfnissen ausgesetzt. Mit den DRG, kritisierte Siebolds weiter, seien die so genannten WANZ-Kriterien (wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig) komplett auf die Ärzte abgewälzt worden. Auf der anderen Seite seien Ärzte nach Paragraf 70 SGB V verpflichtet, mit geeigneten Maßnahmen auf eine „humane“ Versorgung der Patienten hinzuwirken. Die Wirklichkeit in Krankenhäusern sehe so aus, dass Ärzte mit diesen massiven Belastungen und dem ständigen Balanceakt zwischen Wirtschaftlichkeit und Humanität allein gelassen würden. Die kaufmännische Ebene einer Klinik interessiere dies null – Hauptsache, die Kasse stimme. Arbeitszeitverordnung mache Situation schwieriger Ein weiterer Punkt, der die Lage der Ärzte in den Kliniken verschärft habe: Aufgrund der Arbeitszeitverordnung hätte sich das Verhältnis von den Fachärzten zu den Ärzten in Weiterbildung deutlich verschlechtert. Hätte die Quote ums Jahr 2000 noch eins zu eins betragen, käme jetzt ein Facharzt auf drei Ärzte in Weiterbildung. Insbesondere wenn Ärzte Kinder haben, kann der Job in der Klinik zu einer immensen Belastung werden. Das bestätigte auch Anne K. Beer, die seit 2017 Mitglied im Deutsche Ärztinnenbund ist. Die 40-jährige alleinerziehende Mutter zweier Kinder im Alter von sechs und neun Jahren, die sich seit April 2019 in Teilzeit in der Weiterbildung Psychiatrie befindet, rät dazu, flexible Arbeitszeiten einzufordern. Als wichtige Unterstützungssysteme nennt sie die Familie, Mentoring, Wertschätzung durch Kollegen und Vorgesetzte, eine „sinnvolle“ Arbeit und die Balance zwischen Arbeit, Kindern, Freizeit sowie Gesundheit zu finden. Die 35-jährige Friederike Schalhorn, alleinerziehende Mutter von drei Kindern (7, 9 und 11 Jahre alt) sucht ihr Heil als Fachärztin für Allgemeinmedizin jetzt in der eigenen Landpraxis, die sie Anfang Mai übernommen hat. Damit hofft sie, Flexibilität zwischen Arbeit und Elternschaft zu gewinnen. Und Vorwürfe oder schiefe Blicke, weil die Kinder auch ihre Zeit brauchen, seien dann hoffentlich passé. Quelle: Ärzte Zeitung

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