Diabetes kann Kinder seelisch krank machen

Kinder mit Typ-1-Diabetes haben ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen. Besonders kritisch sind die ersten Monate nach der Diagnose. Ein Zusammenhang zwischen Typ-1-Diabetes und psychiatrischen Diagnosen bei Kindern wird schon länger vermutet, die Datenlage war bislang allerdings nicht eindeutig. Mithilfe der umfassenden schwedischen Register haben Mediziner die Verbindung nun bestätigen können. Psychisch besonders gefährdet sind demnach Kinder über elf Jahre, die relativ neu mit der Diagnose konfrontiert sind. In der Analyse wurden alle zwischen 1973 und 2009 in Schweden geborenen Kinder mit Typ-1-Diabetes berücksichtigt (n = 17.122). Sie waren bei der Diagnosestellung im Mittel neun Jahr alt und wurden im Median fast sechs Jahre nachbeobachtet. In dieser Zeit wurde bei 1428 Patienten (8,3%) eine psychiatrische Erkrankung festgestellt, bei 259 waren es sogar mindestens zwei Störungen. Damit war das Risiko für eine psychiatrische Diagnose gut doppelt so hoch wie das einer vergleichbaren Kohorte von knapp 1,7 Millionen Kindern ohne Diabetes (Hazard Ratio, HR 2,1). Erhöhte Erkrankungsraten zeigten sich nicht nur bei Affekt- und Angststörungen (HR 2,0 bzw. 1,6), sondern auch bei Essstörungen (HR 2,2), Substanzmissbrauch (HR 2,6), ADHS (HR 1,5), Verhaltensstörungen (HR 2,2), Erkrankungen aus dem autistischen Formenkreis (HR 1,7) und geistiger Behinderung (HR 1,8). Das Risiko für einen Suizidversuch war ebenfalls erhöht, allerdings nur bei stationären Patienten (HR 1,8). Ältere Kinder erkranken häufiger Generell war das Risiko, psychisch zu erkranken, in den ersten sechs Monaten nach der Diabetesdiagnose am höchsten und nahm mit dem zeitlichen Abstand dazu ab. Dabei waren ältere Kinder deutlich mehr gefährdet als jüngere: Unter Siebenjährige hatten eine um 90%, über Elfjährige sogar eine um 140% höhere Erkrankungsrate als die Kontrollgruppe. Über die Zeit war bei den diabeteskranken Kindern außerdem ein kontinuierlicher Anstieg der 10-Jahres-Prävalenz psychiatrischer Diagnosen zu verzeichnen, von 3,8% in der Geburtskohorte von 1973–1986 auf 16,7% in der Kohorte von 1997–2009. Dabei handelt es sich aber um ein allgemeines Phänomen, auch in der Kontrollgruppe nahm die Zahl der Diagnosen zu. Damit verglichen war die Rate bei den Diabeteskindern über die Zeit sogar rückläufig – in der ältesten Kohorte war das Risiko noch 2,7-fach erhöht, in der jüngsten nur noch 1,9-fach. Die Studienautoren um Agnieszka Butwicka vom Stockholmer Karolinska-Institut vermuten, dass der Rückgang mit der Einführung der intensivierten Insulintherapie und den damit verbundenen größeren Freiheiten bei Ernährung und Lebensstil zusammenhängen könnte. "Von Anfang an auf psychische Probleme achten" Anders als bei den Typ-1-Diabetikern war bei den gesunden Geschwisterkindern das Risiko für psychische Störungen nur minimal erhöht (HR 1,1), der Unterschied war jedoch bei keiner einzelnen Erkrankungsform signifikant. Für die Studienautoren ist das ein Hinweis, dass die Assoziation von Diabetes und psychischen Leiden nicht auf eine gemeinsame genetisch bedingte Anfälligkeit zurückzuführen ist. „Die Assoziation scheint eher als durch gemeinsame genetische Risikofaktoren oder familiäre Faktoren durch biologische und psychologische Folgen des Diabetes verursacht zu sein“, schreiben Butwicka und Kollegen. Speziell in den ersten Monaten nach der Diagnose könnte eine Krisenreaktion, aber auch eine schlechte Krankheitskontrolle (Ketoazidose!) psychiatrische Probleme nach sich ziehen. Dabei sei diese Komorbidität weitaus komplexer als bislang vermutet. „Durch einen Diabetes wurde das Risiko für die meisten Kategorien von psychiatrischen Erkrankungen erhöht.“ Die schwedischen Ärzte halten es deswegen für extrem wichtig, bei Kindern mit Typ-1-Diabetes, vor allem in der Zeit unmittelbar nach der Diagnose, das psychische Befinden im Auge zu behalten.

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