Erschienen in:
14.06.2019 | Tuberkulose | Originalien und Übersichten
Die Tuberkulosesituation im Berliner Justizvollzug 2011–2016 – Eine Folgeerhebung
verfasst von:
Stephanie Pape, MPH, M.Sc., Friedemann Groß, Timo Ulrichs
Erschienen in:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
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Ausgabe 7/2019
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Zusammenfassung
Inhaftierte stellen generell eine Risikogruppe für Tuberkulose (TB) dar. Gegenüber der Allgemeinbevölkerung haben sie eine signifikant höhere TB-Inzidenz und -Prävalenz. Diese Folgeerhebung untersucht die TB-Situation im Berliner Justizvollzug von 2011–2016 im Vergleich zu den Jahren 1996–1998 und 2007–2010. Sie basiert auf einer retrospektiven Fallserie aller 2011–2016 im Justizvollzugskrankenhaus Berlin dokumentierten Fälle mit aktiver Lungen-TB. Dort ist die Thorax-Röntgenuntersuchung (TRU) gem. § 36 (5) IfSG eine essenzielle Säule der aktiven Fallfindung.
Mit der Migration der Zivilbevölkerung gehen im Berliner Justizvollzug Zunahmen der Fallfindungsraten und der TB-Fälle mit multipler Arzneistoffresistenz (MDR-TB; 16,7 %) einher. Unter 142 Insassen mit aktiver Lungen-TB (Männer: 97,2 %, Altersmedian: 36,5 Jahre, ausländische Staatsangehörige: 81,7 %) waren erstmalig 9 Neuerkrankte mit MDR-TB. Aufgrund kurzer Haftzeiten sank der Therapieerfolg bei Entlassung auf 14,6 %.
Durch die fachgerechte Behandlung und ein adäquates Monitoring einer im zivilen Lebensumfeld schwer zu erreichenden, vulnerablen Risikogruppe leistet der Justizvollzug einen wichtigen Beitrag zum Infektionsschutz und zur TB-Kontrolle in Deutschland. Allerdings bedingen kurze Haftzeiten oft eine Haftentlassung unter Therapie. Ausbleibende Therapieerfolge bzw. inkomplette Behandlungen können so zur Übertragung multiresistenter Erreger beitragen. Daher sind eine kontinuierliche Gesundheitsberichterstattung, eine bundesweit harmonisierte Gesundheitsversorgung in den Justizvollzugsanstalten sowie die Sicherstellung der Fortsetzung und erfolgreichen Beendigung der antituberkulösen Therapie im Anschluss an die Haftentlassung durch eine enge Zusammenarbeit von Justizvollzug und öffentlichem Gesundheitsdienst von zentraler Bedeutung.