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2015 | OriginalPaper | Buchkapitel

2. Die Zukunftsgerichtetheit der Imagination zeigt sich in der Vorfreude

verfasst von : Prof. Dr. phil. Verena Kast

Erschienen in: Albträume in der Psychotherapie

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Zusammenfassung

Die Vorfreude ist eine ganz besondere Freude. Vorfreude lebt in der Zukunft und damit auch in der und von der Vorstellung. Anders als die „normale“ Freude, die in einer bestimmten Situation aufbricht und aufleuchtet, wenn das Leben besser ist als erwartet, schöner, begeisternder, und die in dem jeweiligen Moment wahrgenommen werden muss, und die wir dann in der Erinnerung immer wieder neu wiederbeleben können, stammt die Vorfreude aus einer Imagination. Zum einen wissen wir um Situationen, die uns schon viel Freude gemacht haben und sind sicher, dass sie wieder Freude auslösen werden. Die Vorfreude etwa auf das Schwimmen in einem geliebten Meer. Diese Vorfreude ist in keiner Weise riskant, aber ein ruhiger Quell der Freude. Dann aber gibt es eine Vorfreude, die ist genährt aus Sehnsüchten, Wünschen, Erwartungen. Wir freuen uns auf eine anregende, inspirierende Begegnung mit einigen wenigen Menschen, die wir noch nicht kennen, von denen wir aber sehr viel erwarten. In der Vorfreude sind wir im Erleben der Fantasie bereits dort, wo eine Erwartung erfüllt wird. Der Anlass, der Freude auslösen wird, wird als fast sicher eintretend vorgestellt oder auch richtig herbeifantasiert. Die Vorfreude tritt dann ein, wenn wir fast sicher sind, dass sich unser dringendster Wunsch, unsere Sehnsucht, unsere Erwartung erfüllen wird. In der Vorwegnahme von einem Ereignis, von dem wir uns große Freude versprechen, haben wir viele Freiheitsgrade. Wir können ein künftiges Ereignis gerade so ausmalen, dass es uns große Freude machen wird. Damit kann die Vorfreude allerdings auch zu einer Quelle großer Enttäuschung werden. Tritt das Erwartete nämlich nicht ein oder anders, als man es sich vorgestellt hat – und das ist oft so –, dann sind wir enttäuscht, wir empfinden Scham- oder Schuldgefühle, auch Gefühle der Trauer, denn wir haben etwas verloren, was unserem Leben eine Richtung und einen Inhalt gegeben hat, auch wenn es noch nicht realisiert worden ist. Eine unerfüllte Erwartung müsste betrauert werden.
Metadaten
Titel
Die Zukunftsgerichtetheit der Imagination zeigt sich in der Vorfreude
verfasst von
Prof. Dr. phil. Verena Kast
Copyright-Jahr
2015
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-09278-8_2