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20.02.2020 | DKK 2020 | Kongressbericht | Nachrichten

Tabakkontrolle: Deutschland nimmt Österreich die rote Laterne ab

verfasst von: Philipp Grätzel von Grätz

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Deutschland stand schon bisher nicht gut da in den europäischen Ranglisten zur Tabakkontrolle. Jetzt ist das Land endgültig auf den letzten Platz abgerutscht: Zu billige Zigaretten, zu viel Werbung und eine inkonsequente Umsetzung von Rauchverboten sind die Gründe.

Der Zusammenschluss europäischer Krebsgesellschaften (ECL) hat bei der zeitgleich mit dem Deutschen Krebskongress stattfindenden European Conference on Tobacco or Health (ECToH) die neueste Ausgabe seiner Tobacco Control Scale vorgelegt, ein europäisches Ranking, anhand dessen sich ablesen lässt, wie gut unterschiedliche Länder diverse nachgewiesenermaßen effektive Maßnahmen der Tabakprävention umsetzen. Insgesamt haben sich diesmal 36 europäische Länder beteiligt. Bei der letzten derartigen Erhebung im Jahr 2016 waren 35. Neu hinzugekommen ist Israel.

In Deutschland sind Zigaretten zu billig

Aus deutscher Sicht ist die Lektüre des neuen Berichts deprimierend: Das Land ist von einem vor drei Jahren schon miserablen 33. Platz jetzt auf den 36. und damit letzten Platz abgerutscht. Kein anderes Land nimmt die Prävention tabakbezogener Erkrankungen so wenig ernst wie Deutschland. Nur die Schweiz und Luxemburg sind ähnlich schlecht. In die Tobacco Control Scale gehen unter anderem Rauchverbote, Tabakwerbung, Gesundheitswarnungen auf Packungen und die Umsetzung der Rauchentwöhnung ein. Im Vergleich zu den europäischen Spitzenreitern Großbritannien, Frankreich und Irland ist Deutschland in sämtlichen genannten Dimensionen weit abgeschlagen.

Dass Deutschland so schlecht abschneide, liegt Luk Joossens von der ECL zufolge vor allem an drei Gründen. Zum einen sei der Preis für Zigaretten wesentlich zu niedrig. Der gemittelte Preis pro 20-Zigaretten-Schachtel betrug 2018 in Deutschland 5,64 €. In Großbritannien waren es rund 9 €, und in Frankreich, das im Ranking mehrere Plätze aufstieg, steigt er zum ersten März auf 10 €. 

Tabakwerbung erlaubt, Rauchverbot inkonsequent umgesetzt

Die zweite große Lücke bei der deutschen Anti-Tabakpolitik ist die Tabakwerbung: „Deutschland ist das einzige Land in Europa, das Plakat- und Kinowerbung zulässt“, so Joossens. Nur zwei andere Länder lassen überhaupt noch punktuell Werbung zu, nämlich die Schweiz und Israel. Der dritte Bereich, der kräftig auf die Rangliste durchschlägt, ist die Umsetzung öffentlicher Rauchverbote. Hohe Punktzahlen erreichen all jene Länder, die keine Ausnahmen machen, die die Umsetzung kontrollieren und die dies anhand von Stichprobenerhebungen auch verifizieren.

Was gerade dieser letzte Punkt ausmacht, zeigen die beiden Gewinner der aktuellen Rankings, Griechenland und Österreich. In beiden Ländern hätten sich neue Regierungen des Themas mit neuem Elan angenommen, so Joossens. So würden in Griechenland schon seit 2010 bestehende Gesetze jetzt konsequent umgesetzt. Und in Österreich wurde 2019 ein ganz neues Tabakgesetz beschlossen, das – anders als in Deutschland – flächendeckend gelte und ebenfalls sehr konsequent befolgt werde. Österreich kletterte vor allem deswegen von Rang 35 auf Rang 20 und gab seine rote Laterne damit an Deutschland ab. Griechenland kletterte von Rang 31 sogar auf Rang 13.

Es mangelt am politischen Willen

Dass es in Deutschland vor allem am politischen Wille fehle, machte die Vorsitzende des Aktionsbündnis Nichtrauchen e.V., Dr. Martina Pötschke-Langer, unmissverständlich klar: In der vergangenen Legislaturperiode sei ein Tabakwerbeverbot auf den letzten Metern an der Tabaklobby und ihrer politischen Einflussnahme gescheitert. Dass der Nichtraucherschutz in Deutschland noch immer nicht im Arbeitsrecht niedergelegt sei, sei ebenfalls Folge von erfolgreichem Lobbyismus. Die letzte wirklich spürbare Anhebung der Tabaksteuern in Deutschland liege zudem 15 Jahre zurück. 

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basierend auf: ECToH 2020. Pressekonferenz „Tobacco Control Scale 2019“. 20. Februar 2020, 10.45h.

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