Die vorliegenden Daten wurden anonym in der Mehrzahl von Betriebsärzten und Hygienefachkräften/-beauftragten generiert. Im Ergebnis wurden überwiegend Einmalhandschuhe verwendet. Hinsichtlich des Handschuhmaterials wurde sowohl bei Einmal- als auch bei Mehrweghandschuhen am häufigsten Nitril verwendet, gefolgt von Vinyl. Eher selten werden Latex-Schutzhandschuhe bei der Desinfektion von patientennahen Kontaktflächen eingesetzt.
Viele Berufsgruppen sind in die Auswahl von Schutzhandschuhen eingebunden, wobei starke Unterschiede zwischen den Einrichtungen bestehen. So haben nicht nur direkt involvierte Berufsgruppen (z. B. Vorarbeiter der Reinigungsfirma, Hygienefachkräfte und Betriebsärzte) Einfluss auf die Auswahl, sondern auch der Einkauf sowie die Pflegedienst- oder Stationsleitung. Dabei ist fraglich, ob diese Berufsgruppen ausreichende Information über die eingesetzten Desinfektionsmittel und die Chemikalienbeständigkeit der Schutzhandschuhe haben. Daher sollte die Auswahl im Zusammenwirken aller Entscheider getroffen werden.
KRINKO-Empfehlung, technische Regeln und Standards zur Verwendung von Schutzhandschuhen
In der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) zur Anforderung an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen wird darauf hingewiesen, dass bei unzureichender oder fehlerhafter Durchführung von Reinigungs- und Desinfektionsverfahren von Flächen Risiken für Patienten und Personal entstehen [
1]. Die KRINKO weist darauf hin, dass zum Schutz vor Nebenwirkungen durch Reinigungs- und Desinfektionsmittel vom Reinigungspersonal geeignete Schutzhandschuhe zu tragen sind [
1]. Die Möglichkeit einer Kreuztransmission durch kontaminierte Handschuhe und Hinweise zur Eignung der Schutzhandschuhe und zur Aufbereitung wurden erst in der KRINKO-Empfehlung zur Händehygiene unter Bezug auf die relevanten Normen thematisiert [
22].
Die Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 250 [
23], die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 525 [
19] sowie die DGUV-Regeln 101-019 [
15], 107-002 [
14] und 112-195 [
24] geben nur allgemeine Empfehlungen ohne spezielle Hinweise zur Auswahl und zur hygienegerechten Anwendung von Schutzhandschuhen beim Reinigungspersonal. Insofern überrascht es nicht, dass 8–10 % der Befragten angaben, dass die eingesetzten Schutzhandschuhe nicht der EN 374 entsprachen.
Zusätzlich ist zu beachten, dass die TRBA 250 [
23] ungepuderte, allergenarme, reinigungs- bzw. desinfektionsmittelbeständige Schutzhandschuhe (gemäß EN 374-1) mit verlängertem Schaft zum Umstülpen empfiehlt, damit ein Zurücklaufen der kontaminierten Reinigungsflüssigkeit unter den Handschuh verhindert wird [
23]. Die TRGS 525 verweist nur bei der Herstellung von Gebrauchslösungen auf die Notwendigkeit von Schutzhandschuhen gemäß EN 374-3 (z. B. aus Nitrilkautschuk) und erwähnt, dass bei Tätigkeiten mit der Gebrauchslösung der direkte Kontakt mit der Haut zu vermeiden ist [
19,
20].
Reinigung und Aufbereitung von Mehrweghandschuhen
Mehrfach verwendbare Handschuhe sind gemäß DGUV-Regel 107-002 nach Benutzung zu reinigen [
14] bzw. mit Wasser zu säubern und zu trocknen [
15]. Das deckt sich zum größten Teil mit den Daten dieser Befragung. Jedoch gab je ein Fünftel der Befragten an, dass es keine Festlegung zur Aufbereitung von Mehrweghandschuhen gibt bzw. diese Frage nicht beantwortet werden kann. Durch die KRINKO-Empfehlung zur Händehygiene [
22] wird die Anforderung an die Aufbereitung in der Weise präzisiert, dass Handschuhe zur Aufbereitung einem validierten Desinfektionsverfahren zuzuführen und danach hygienisch zu lagern sind. Das sollte künftig im Hygieneplan festgelegt werden.
Permeation und Degradation von Schutzhandschuhen
Die DGUV-Regel 112-195 weist darauf hin, dass bei Chemikalienschutzhandschuhen besondere Aufmerksamkeit der Permeation und Degradation des Handschuhs zu schenken ist, wobei die Durchbruchszeit beim Hersteller angefragt werden sollte [
24]. Viele Handschuhhersteller geben in Permeationstabellen die Durchbruchszeiten für bestimmte Chemikalien an [
25]. Recherchen zur Chemikalienbeständigkeit der Schutzhandschuhe zeigen, dass von den Herstellern in der Regel Reinsubstanzen getestet werden. Bei Flächendesinfektions- und Reinigungsmitteln handelt es sich aber meist um Gemische mit verschiedenen Inhaltsstoffen, sodass diese Tabellen häufig nur orientierend für die Handschuhauswahl hinzugezogen werden können [
25].
Um einen optimalen Schutz des Reinigungspersonals gegen die eingesetzten Desinfektions- und Reinigungschemikalien gewährleisten zu können, sollten weiterhin die produktspezifischen Sicherheitsdatenblätter (Abschnitt 8: „Begrenzung und Überwachung der Exposition/Persönliche Schutzausrüstung“, Abschnitt „Hautschutz/Handschuhe“) berücksichtigt werden [
26]. Hier sollten Angaben zu erforderlichen Schutzhandschuhen einschließlich Handschuhmaterial, Materialstärke und Durchdringungszeit in Abhängigkeit von der Intensität und Dauer der Hautexposition enthalten sein [
27] (Hinweis: Quelle [
27] ist zurzeit aufgehoben, bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin bis zur Neufassung als Erkenntnisquelle aber weiterhin verfügbar). In der Praxis finden sich allerdings häufig nur allgemeine Materialangaben (z. B. Butyl- oder Nitrilkautschuk), seltener wird auf ein konkretes Handschuhfabrikat verwiesen. Darüber hinaus bezieht sich die Handschuhempfehlung in der Regel auf das Produktkonzentrat. Geeignete Handschuhe im Umgang mit einer verdünnten Gebrauchslösung lassen sich daraus nicht ableiten.
Eine im März 2015 durchgeführte Befragung bei 12 Herstellern von medizinischen Einmalhandschuhen hinsichtlich Permeationszeiten gängiger Flächendesinfektionsmittel ergab, dass eine generelle Empfehlung für die Verwendung von Einmalhandschuhen aus bestimmten Materialien (z. B. Nitrilkautschuk) für Flächendesinfektionsarbeiten nicht gegeben werden kann. Zwischen materialgleichen Handschuhen unterschiedlicher Hersteller zeigten sich stark divergierende Angaben von <10 min bis >480 min [
28]. Das legt nahe, dass der in dieser Studie angegebenen Handschuhwechsel zum Zeitpunkt „in der Pause“ bzw. „nach der Arbeitsschicht“ zu spät gewählt ist und eine Permeation der Desinfektionsmittelbestandteile bereits stattfinden kann.
Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist die Auswahl von chemikalienbeständigen Schutzhandschuhen für den speziellen Einsatzfall in der betrieblichen Praxis häufig ein Problem und erfordert ein praxistaugliches und branchenorientiertes Vorgehen [
16]. Hilfestellung können ergänzend Handschuhdatenbanken, z. B. die GISBAU-Handschuhdatenbank „WINGIS online“ der Berufsgenossenschaft Bau (BG Bau), liefern [
29,
30].
Die Gründe für die sich bei dieser Studie ergebenden Unterschiede hinsichtlich des Zeitpunkts des Handschuhwechsels sowie prinzipiell zum Einsatz der Mehrweg- oder Einmalhandschuhe können aus den vorliegenden Ergebnissen nicht abgeleitet werden. Sicher ist, dass beim Einsatz von Mehrweg- oder Einmalhandschuhen zeitliche, logistische und finanzielle Aspekte eine Rolle spielen. So wurden im Vorfeld dieser Befragung vom Reinigungsunternehmen Bedenken geäußert, dass bei Mehrweghandschuhen höhere Anschaffungskosten und die Logistik der Aufbereitung anfallen. Des Weiteren wurde angegeben, dass das Reinigungspersonal Einmalhandschuhe bevorzugt, da bei diesen aufgrund der dünneren Materialstärke das Tastempfinden angenehmer ist.
Die Auswahl von Handschuhen mit dualer Kennzeichnung als MP und PSA, die seit 2010 gestattet ist [
14], bietet die höchste Sicherheit. Der Einsatz von Einmalhandschuhen, die kein MP oder keine PSA sind und daher nicht den Qualitätskriterien der Normenserie EN 455 und EN 374 entsprechen, sollte im Umfeld von Patienten abgelehnt werden [
15].
Limitation
Da es sich um eine freiwillige Teilnahme und anonyme Fragebogenerhebung handelt und die Rücklaufquote der ausgefüllten Fragebögen nicht bei 100 % lag, spiegeln die vorliegenden Daten nur teilweise die Vorgaben hinsichtlich Handschuhauswahl und deren Anwendung wider. Des Weiteren kann aufgrund der anonymen Teilnahme nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Einrichtungen mehrfach erfasst wurden. Da der Rücklauf der Fragebögen nicht 100 % betrug, muss davon ausgegangen werden, dass die Daten wahrscheinlich eine Verzerrung enthalten. Es ist davon auszugehen, dass an der Befragung mehr Teilnehmer, die eine Einrichtung mit vorgeschriebener Handschuhverwendung betreuen, teilgenommen haben. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass es viel mehr Einrichtungen gibt, die keine Regelungen zur Handschuhauswahl und deren Anwendung haben.
Schlussfolgerung
Die Befragung der Betriebsärzte und Hygienefachkräfte/-beauftragten zum Einsatz von Schutzhandschuhen bei der routinemäßigen Desinfektion patientennaher Kontaktflächen zeigt, dass überwiegend Einmalhandschuhe aus Nitril verwendet werden. Größtenteils entsprechen die eingesetzten Einmal- wie auch Mehrweghandschuhe den Anforderungen der EN 374 für die Beständigkeit von Schutzhandschuhen gegen Chemikalien und/oder Mikroorganismen. Da es hinsichtlich der Handschuhauswahl und -anwendung unterschiedliche Vorgaben gibt, muss diesen Aspekten künftig mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden und es müssen klare Festlegungen zu Auswahl, Einsatz und Aufbereitung von Schutzhandschuhen getroffen werden.