Therapie
Die Therapie des Ewing-Sarkoms erfolgt interdisziplinär und sollte in einem spezialisierten Zentrum durchgeführt werden. Neben Chemotherapie und Operation spielt beim Ewing-Sarkom die
Strahlentherapie in der kurativen Therapie eine wichtige Rolle. Aufgrund des hohen Metastasierungsrisikos ist immer eine systemische Therapie indiziert. Die Therapie umfasst eine neoadjuvante Chemotherapie gefolgt von einer Lokaltherapie bestehend aus Operation und ggf. Bestrahlung sowie einer abschließenden adjuvanten Chemotherapie (Tab.
3). Dieses Vorgehen hat die Prognose der Erkrankung wesentlich verbessert. Die Dauer der gesamten Behandlung umfasst etwa zehn bis zwölf Monate, das extraossäre Ewing-Sarkom wird dabei wie das ossäre behandelt.
Tab. 3
Therapie des Ewing-Sarkoms nach Ewing 2008
Neoadjuvanz | Alle Risikoklassen | Induktion mit 6 Zyklen VIDE | Vincristin, Ifosfamid, Doxorubicin, Etoposid |
Lokaltherapie | Alle Risikoklassen | Präoperative Bestrahlung bei zu erwartender R1/R2-Resektion bzw. Progression unter neoadjuvanter Chemotherapie, Operation | Bei R1- oder R2-Resektion erfolgt Nachbestrahlung, definitive Bestrahlung im Falle von Inoperabilität |
Adjuvanz (nach Risikostratifizierung) | Standardrisiko | 8 Zyklen VAC (Frauen) bzw. VAI (Männer) ± Bisphosphonat im Rahmen von Studien | Vincristin, Actinomycin D, Cyclophosphamid bzw. Ifosfamid |
| Intermediäres Risiko | 8 Zyklen VAI
oder
1 Zyklus VAI + Hochdosischemotherapie mit Transplantation autologer Stammzellen im Rahmen von Studien | Vincristin, Actinomycin D, Ifosfamid Hochdosischemotherapie mit Busulfan/Melphalan |
| Hochrisiko | 8 Zyklen VAC
oder
8 Zyklen VAC + Hochdosischemotherapie mit Transplantation autologer Stammzellen im Rahmen von Studien | Vincristin, Actinomycin D, Cyclophosphamid Hochdosischemotherapie mit Treosulfan/Melphalan |
Die neoadjuvante Chemotherapie besteht nach der Studie Ewing 2008, die in Europa den aktuellen Behandlungsstandard definiert, aus sechs Zyklen einer Chemotherapie nach dem VIDE-Schema. Unabhängig vom Vorhandensein von Fernmetastasen erfolgt die Behandlung bei allen Patienten. VIDE beinhaltet die Zytostatika Vincristin, Ifosfamid, Doxorubicin und Etoposid. Während der neoadjuvanten Therapie wird das Therapieansprechen mittels MRT/CT kontrolliert.
In der Zeit der neoadjuvanten Chemotherapie erfolgt außerdem das Sammeln und Konservieren von autologen peripheren Blutstammzellen mittels Zytapherese, um ggf. im weiteren Verlauf eine Hochdosischemotherapie durchführen zu können. Ohne eine Retransfusion von Stammzellen wären die Hochdosistherapien zu toxisch mit dem großen Risiko einer Knochenmarkaplasie. Durch die Gabe der autologen Stammzellen nach der applizierten Hochdosischemotherapie wird eine neue Hämatopoese gewährleistet.
An die neoadjuvante Chemotherapie schließt sich die lokale Therapie mittels Operation an. Wie beim
Osteosarkom ist eine R0-Resektion anzustreben.
Bei R1- oder R2-Situationen wird zur lokalen Tumortherapie eine lokale Bestrahlung angeschlossen. Diese erfolgt präoperativ, falls bereits eine R1/R2-Resektion antizipiert wird. Eine definitive Bestrahlung ist im Falle der Inoperabilität angezeigt. Nach der Operation erfolgt eine histologische Untersuchung des Operationspräparates. Bei weniger als 10 % vitalen Tumorzellen wird von einem guten Ansprechen der Chemotherapie ausgegangen (Regressionsgrad analog zu Salzer-Kuntschik bei
Osteosarkomen). Mehr als 10 % vitale Tumorzellen entsprechen einem schlechten Ansprechen.
Im Anschluss an die Operation schließt sich eine risikoadaptierte Therapie an. Nach Ewing 2008 werden Patienten in drei Risikoklassen eingeteilt: Standard, hoch und sehr hoch. Neben dem histologischen Therapieansprechen (s. o.) gehen das Tumorvolumen sowie das Vorhandensein von Fernmetastasen in die Risikoklassifizierung mit ein.
Je nach Risikoklassifizierung erhalten die Patienten in der Adjuvanz unterschiedliche Therapien. Die Patienten mit Standardrisiko erhalten eine adjuvante Therapie mit acht Zyklen VAC (Frauen; Vincristin, Actinomycin D, Cyclophosphamid) oder VAI (Männer; Vincristin, Actinomycin D, Ifosfamid). Bei Patienten mit hohem bzw. sehr hohem Risiko wird nach der Operation die Gabe von acht Zyklen VAI gegenüber einem Zyklus VAI gefolgt von hochdosiertem Busulfan/Melphalan bzw. die Gabe von acht Zyklen VAC gegenüber hochdosiertem Treosulfan/Melphalan und weiteren acht Zyklen VAC verglichen.
Da das Ewing-Sarkom zu den strahlensensiblen Tumoren gehört (im Gegensatz zum
Osteosarkom), erfolgt im Falle einer marginalen Resektion auch eine zusätzliche Bestrahlung (prä- oder postoperativ, Tab.
3).
Lungenmetastasen können nach der Induktionschemotherapie chirurgisch oder strahlentherapeutisch behandelt werden. Eine relevante Nebenwirkung der Lungenbestrahlung ist hierbei die radiogene Pneumonitis, die zwar mittels Kortikoiden behandelt werden kann, aber dennoch oft und abhängig vom bestrahlten Volumen zu einer restriktiven Ventilationsstörung führen kann. Bei Vorhandensein von Knochen- oder Knochenmarkmetastasen kommen chirurgische Resektion oder die Bestrahlung infrage. Das Auftreten von Metastasen schränkt die Prognose beim Ewing-Sarkom stark ein, ein kurativer Ansatz kann dennoch versucht werden.
Beim Auftreten eines Rezidivs wird zwischen einem Frührezidiv mit einem Intervall von weniger als zwei Jahren und einem Spätrezidiv mit einem Intervall von mehr als zwei Jahren unterschieden. Ein Frührezidiv hat eine extrem schlechte Prognose. Die Prognose des Spätrezidivs ist günstiger. In der Zweitlinientherapie kommen neben strahlentherapeutischen und chirurgischen Verfahren Zytostatika wie Topotecan, Cyclophosphamid, Irinotecan und Temozolomid zum Einsatz.
Das Ziel der Nachsorge ist die frühe Erkennung eines Rezidivs, um ein kuratives Behandlungsziel verfolgen zu können. Neben engmaschigen lokalen Bildgebungskontrollen (MRT/CT), während der ersten zwei Jahre nach Primärbehandlung alle zwölf Wochen, im dritten bis fünften Jahr in halbjährigen Intervallen und im fünften bis zehnten Jahr schließlich alle zwölf12 Monate, sollte auch eine Untersuchung von Thorax und Abdomen (CT bzw. Röntgen-Thorax + Sonographie) erfolgen.
Prognose
Ohne Therapie ist die Prognose des Ewing-Sarkoms infaust. Mit einer alleinigen Operation eines Lokalbefundes beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate nur etwa 10 %. Im Rahmen einer multimodalen Therapie hingegen sind Überlebensraten von 60–70 % zu erreichen, falls bei Diagnosestellung keine Metastasen nachweisbar sind. Im metastasierten Stadium liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei nur 20–40 %. Wichtige negative prognostische Faktoren sind Metastasen bei Erstdiagnose, ein großes Tumorvolumen, eine stammnahe Lokalisation des Tumors (je näher am Körperstamm desto schlechter die Prognose), erhöhte LDH-Werte, Alter >15 Jahre, Allgemeinsymptome und das schlechte histologische Ansprechen auf die neoadjuvante Chemotherapie.
Die Langzeitprognose wird durch die Toxizitäten der angewandten Zytostatika zusätzlich eingeschränkt. Die Kardiotoxizität der Anthrazykline, die Gefahr von Sekundärneoplasien (z. B. therapieassoziierte
akute myeloische Leukämie) vor allem durch Etoposid und radiogene Spätschäden nach Bestrahlung sind hierbei die entscheidenden Faktoren.