Definition
Strahlentherapie oder Radioonkologie ist ein wichtiger Bestandteil einer onkologischen Therapie. Es handelt sich dabei um eine lokal begrenzte, ausschließlich am Ort ihrer Anwendung wirkende Therapiemaßnahme. Insbesondere bei einer nicht metastasierten Tumorerkrankung sind etwa ein Drittel der Heilungen der Chirurgie, ein Drittel der Strahlentherapie und ca. 5 % der systemischen Therapie oder Chemotherapie zuzuschreiben (Sauer
2010). Sehr häufig ist die Strahlenbehandlung dabei ein Bestandteil eines interdisziplinären Therapiekonzeptes. Das Procedere wird hierbei im Rahmen einer interdisziplinären Tumorkonferenz festgelegt.
Wirkung der Strahlenbehandlung
Die Wirkung der Strahlenbehandlung basiert auf Interaktion der ionisierenden Strahlung mit der Materie. Ionisierende Strahlung ist in der Lage, ein Atom strukturell zu verändern. Es wird zwischen Teilchenstrahlung (z. B. Elektronen oder Protonen) und elektromagnetischer Wellenstrahlung (oder Photonenstrahlung) unterschieden. Zur Beschreibung von Strahleneffekten wird der Begriff Energiedosis verwendet. Die Einheit der Energiedosis wird als Gray (Gy) bezeichnet. Die Energiedosis ist gleich einer von einer Materie absorbierte Energie bezogen auf deren Masse (Vorwerk
2009).
Die häufigsten Strahlenarten sind Photonen, Elektronen, Protonen und Schwerionen. Am häufigsten wird die Strahlentherapie mit Photonen durchgeführt. Je höher die ausgewählte Photonenenergie, desto tiefer liegt im Gewebe das Dosismaximum. Der Vorteil einer Bestrahlung mit Photonen liegt in einer besseren Hautschonung und einer besseren Versorgung der tiefer gelegenen Zielvolumina. Die Bestrahlung mit Elektronen wird häufig bei oberflächig gelegenen Läsionen eingesetzt, wie z. B. Hautmetastasen und Lymphknotenmetastasen. Protonen zeichnen sich durch eine relativ geringe Oberflächendosis aus. Nach dem Dosismaximum nimmt die Dosis sehr schnell ab, was zu einer Schonung der Risikoorgane, die hinter dem Zielvolumen liegen, führt. Die Protonen- und Schwerionentherapie wird dabei speziellen Indikationen vorbehalten.
In der Strahlentherapie wird zwischen einer direkter Strahlenwirkung (bedingt durch Energieabsorption in der Materie) und einer indirekten Strahlenwirkung unterschieden. Die indirekte Strahlenwirkung führt zu einer Ionisation von Wasseratomen, hierbei entstehen Peroxide und Peroxidradikale. Diese Veränderungen führen u. a. zu Strukturveränderungen und Schädigung des Erbgutes der Zelle, der DNA. Als Folge dessen wird die Teilungsfähigkeit der Tumorzellen eingeschränkt, oder es führt zum Zelltod oder
Apoptose und dadurch zu einer Tumorkontrolle. Gleichzeitig kommt es jedoch zu akuten und chronischen Schädigungen von Risikoorganen. Als Reaktion auf die Schädigungen werden Reparaturvorgänge in Gang gesetzt. Nach ca. 6 h sind in der Regel die Reparaturvorgänge in Normalgeweben abgeschlossen.
Die Erholungsfähigkeit von gesundem Gewebe und Tumorgewebe sind unterschiedlich. In der Regel erholt sich das Normalgewebe besser von der Strahlenwirkung als das Tumorgewebe.
Es wird zwischen strahlensensiblen und strahlenresistenten Tumoren unterschieden. Bei den strahlenresistenten Tumoren ist meistens eine höhere Strahlendosis erforderlich. Zu den strahlensensiblen Tumoren gehören z. B.
Lymphome und Seminome. Zu den strahlenresistenten Tumorarten gehören
Glioblastome und
Osteosarkome. Ebenso bestehen in gesunden Geweben Unterschiede in der Strahlenempfindlichkeit. Das Lungengewebe ist beispielsweise strahlenempfindlicher als die Haut.
Die Wirkung der Strahlentherapie kann z. B. durch die Gabe einer zusätzlichen Chemotherapie, durch ein geeignetes Fraktionierungsschema, lokale Hyperthermie oder Oxygenierung verbessert werden.
Ursachen einer verringerten Strahlenempfindlichkeit sind Reparaturvorgänge, Repopulierung (starke Tumorproliferation während der Radiotherapiepausen), unzureichende Sauerstoffversorgung oder Redistribution (d. h. Verteilung der überlebenden Zellen in die wenig strahlensensiblen Phasen im Zellteilungszyklus).
Fraktionierung
Die gesamte vorgesehene Strahlendosis wird in der Regel in Einzelfraktionen von 1,8–2 Gy aufgeteilt (
konventionelle Fraktionierung) (Bamberg et al.
2009). Die Bestrahlung findet überwiegend 5-mal wöchentlich statt, die Gesamtbehandlungszeit beträgt in der Regel 5–7 Wochen. Bei einer
Hypofraktionierung werden weniger Fraktionen gegeben, wobei die Einzeldosis erhöht wird. Bei einer
hyperfraktionierten
Bestrahlung
werden mehrere Fraktionen pro Tag gegeben bei entsprechend geringerer Einzeldosis. In der Regel ist eine Pause von mindestens 6 h zwischen den einzelnen Fraktionen erforderlich. Eine andere Fraktionierungsart ist die
akzelerierte Fraktionierung. Hierbei wird in nahezu konventioneller Fraktionierung mehrfach täglich bestrahlt. Während der Bestrahlungsserie ist zu beachten, dass es nach Möglichkeit nicht zu ungeplanten Bestrahlungspausen kommt. Längere Bestrahlungspausen führen häufig zu einer geringeren Tumorkontrolle. Eine Verkürzung der Gesamtbehandlungszeit kann durch die Akzelerierung der Strahlendosis erreicht werden, wobei sich die Ergebnisse der Behandlung verbessern, insbesondere bei relativ strahlenresistenten Tumoren.
Bestrahlungsplanung
In der Regel wird die Bestrahlung anhand einer Planungs-Computertomographie-Untersuchung in Bestrahlungsposition geplant. Hierbei werden an der Haut spezielle Markierungen angebracht, die der Lagerung dienen. Bei einer Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich wird die Planungs-CT-Untersuchung mit einer thermoplastischen
Maske durchgeführt, um eine genaue Positionierung zu ermöglichen. Bei der stereotaktischen Strahlenbehandlung wird häufig zusätzlich eine Vakuummatratze angefertigt.
Zusätzlich können zur Bestrahlungsplanung
andere bildgebende Modalitäten, z. B. MRT, PET-CT,
Sonographie hinzugezogen werden. MRT- und PET-CT-Aufnahmen können bei Bedarf mit dem Planungs-CT fusioniert werden. Anschließend werden im 3D-CT-Datensatz Zielvolumina und Risikoorgane konturiert. Bei der Planung am Therapiesimulator oder bei einer konventionellen Planung dienen die knöchernen Strukturen zur Orientierung. Die konventionelle Bestrahlungsplanung ist jedoch weniger genau als eine CT-gestützte Planung, sodass sie weitgehend von der 3D-CT-gestützter Bestrahlungsplanung abgelöst wurde.
Bei der Konturierung von Zielvolumina wird unterschieden zwischen GTV („gross tumor volume“), CTV (klinisches Tumorvolumen) und PTV („planning tumor volume“). Bei dem GTV („gross tumor volume“) wird das mittels bildgebender Verfahren sichtbare Tumorvolumen festgelegt. Das CTV (klinisches Tumorvolumen) berücksichtigt das klinische und das potenzielle Tumorausbreitungsgebiet. Das PTV („planning tumor volume“) berücksichtigt zusätzlich Lagerungsungenauigkeiten, Gewichtsveränderungen während der Behandlung, Veränderungen durch Peristaltik und
Atmung. Außerdem werden bei der Bestrahlungsplanung die Risikoorgane konturiert und ihre Dosisbelastung errechnet, um akute Nebenwirkungen und Spätfolgen abzuschätzen und minimieren zu können.
Methoden der Strahlentherapie
Die Bestrahlung erfolgt durch unterschiedliche technische Methoden. Bei der perkutanen Strahlentherapie
oder Teletherapie
befindet sich die Strahlenquelle außerhalb des Körpers. Im Gegensatz dazu wird bei der
Brachytherapie oder Kurzdistanzstrahlentherapie
der Strahlenapplikator direkt in das Tumorgewebe oder in eine Körperhöhle eingebracht. Dasselbe Prinzip wird bei einer intraoperativen Strahlenbehandlung angewendet. Haupteinsatzgebiete der Brachytherapie sind gynäkologische Tumoren,
Ösophaguskarzinome und
Prostatakarzinome.