Synonyme
Lebenslange
Insomnie; Insomnie mit Beginn in der Kindheit
Englischer Begriff
idiopathic insomnia
Definition
Eine Idiopathischen
Insomnie ist eine chronische, bis in die Kindheit zurückreichende Beschwerde über Ein- und Durchschlafstörungen, die mit einer relevanten Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit oder Leistungsfähigkeit verbunden sind (siehe „Insomnie“). Im Zentrum der Störung stehen der gestörte Nachtschlaf und daraus folgend eine Beeinträchtigung während des Tages. Die spezifische Qualität der Schlafstörung kann Einschlafstörungen, wiederholtes nächtliches Erwachen oder eine generell verkürzte „Schlafdauer“ beinhalten. Wegen des frühen Erstmanifestationsalters ist die Idiopathische Insomnie von der sogenannten „Verhaltensbedingte Insomnie im Kindesalter“ initial nicht immer zu differenzieren. Die Diagnose ergibt sich oft erst aus dem Verlauf, wenn die Schlafstörung des Kindes bis zum Erwachsenenalter persistiert. Die schlafmedizinischen Klassifikationssysteme ICSD (International Classification of
Sleep Disorders 1990) und
ICSD-2 (International Classification of Sleep Disorders 2005) klassifizierten die Idiopathische Insomnie als eigenständige Insomnieform. Diese Einteilung wurde mit der
ICSD-3 (2014) aufgegeben. Dort zählt die Idiopathische Insomnie in der Hauptkategorie „Insomnien“ zu den Chronischen
Insomnien. Auch nach der Klassifikation des
DSM-5 (2013) zählt die Idiopathische Insomnie zu den
Insomnien. Siehe auch „Diagnostische Klassifikationssysteme“.
Genetik, Geschlechterwendigkeit
Bislang liegen zur Idiopathischen
Insomnie keine Untersuchungen vor.
Epidemiologie und Risikofaktoren
Bislang liegen nur wenige epidemiologische Daten zur Idiopathischen
Insomnie vor. Wahrscheinlich betrifft die Störung maximal 1 % der Jugendlichen und jungen Erwachsenen und weniger als 10 % der Patienten, die sich mit dem Leitsymptom Insomnie an einem schlafmedizinischen Zentrum vorstellen (Buysse et al.
1994).
Der Beginn dieser Erkrankung scheint unabhängig von spezifischen Lebensereignissen, psychologischen Traumata oder körperlichen Erkrankungen zu sein. Es ist wenig über prädisponierende oder auslösende Faktoren bekannt. Umschriebene neurologische Defekte oder Defizite konnten bislang nicht festgestellt werden. Hyperarousal, erhöhte Ängstlichkeit und eine positive Familiengeschichte für
Insomnie werden als wichtige Faktoren diskutiert (siehe „Stress und Hyperarousal“).
Pathophysiologie, Psychophysiologie
Bislang liegen hierzu keine gesicherten Daten vor.
Symptomatik
Charakteristisch für das Krankheitsbild ist die Erstmanifestation der insomnischen Beschwerden in der Kindheit und Jugend, oft schon in der frühen Kindheit. Das Ausmaß der insomnischen Symptome und der daraus resultierenden Beeinträchtigungen während des Tages ist meist schwer ausgeprägt. Die Patienten berichten über Tagesmüdigkeit, Stimmungsbeeinträchtigungen oder kognitive Störungen, wie Einschränkung von Aufmerksamkeit und Konzentration. Einige der Betroffenen haben dadurch Lernschwierigkeiten in der Kindheit. Die Patienten können unter Umständen zusätzlich schlafverhindernde Verhaltensweisen entwickeln, wie lange Bettzeiten oder einen unregelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus am Wochenende.
Psychosoziale Faktoren
Es sind keine spezifischen auslösenden oder aufrechterhaltende Faktoren bekannt. Psychosoziale Faktoren können die Ausprägung der Störung jedoch wahrscheinlich beeinflussen.
Diagnostik
Die Diagnosestellung erfolgt aus der „Anamnese“, unterstützt durch „Schlaftagebücher“ und wird gegebenenfalls ergänzt durch „Polysomnographie“ und einen Multiplen Schlaflatenztest (MSLT; „Multipler Schlaflatenztest und Multipler Wachbleibetest“).
Insbesondere der frühe Beginn ist charakteristisch für die Idiopathische
Insomnie. Sie kann jedoch wegen des frühen Beginns manchmal nicht von der „Insomnie im Kindesalter“ unterschieden werden, und die Diagnose kann dann erst im Verlauf gestellt werden. Es gibt Überlappungen zur „Psychophysiologische Insomnie“ und zur „Paradoxe Insomnie“. Bei den Patienten mit
Psychophysiologischer Insomnie spielen psychosoziale Faktoren und schlafverhindernde Assoziationen eine stärkere Rolle. Die Psychophysiologische Insomnie beginnt typischerweise erst im Erwachsenenalter, hat einen umschriebenen Beginn und variiert im Schweregrad während des Verlaufs. Bei der
Paradoxen Insomnie ist die Diskrepanz zwischen dem objektiven Befund und der subjektiven Beschwerde in der Regel ausgeprägter als bei der Idiopathischen Insomnie.
Prävention
Entsprechend den Ausführungen bei „Insomnien“.
Therapie
Entsprechend den Ausführungen bei „Insomnien“. Eine Untersuchung legt nahe, dass Patienten mit Idiopathischer
Insomnie insbesondere von Akzeptanz-basierten Verfahren profitieren könnten (Espie et al.
2012).
Rehabilitation
Entsprechend den Ausführungen bei „Insomnien“.
Nachsorge
Entsprechend den Ausführungen bei „Insomnien“.
Psychosoziale Bedeutung
Entsprechend den Ausführungen bei „Insomnien“.
Prognose
Der Verlauf ist chronisch persistierend, meist ohne Remissionsphasen.
Zusammenfassung, Bewertung
Bei der Idiopathischen
Insomnie handelt es sich um eine lebenslange, bis in Kindheit und Jugend zurückreichende, schwere Insomnie mit ausgeprägter Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit und/oder Leistungsfähigkeit. Psychologisch-psychosoziale Faktoren scheinen bei dieser Insomnieform eine weniger große Rolle als bei den anderen
Insomnien zu spielen. Konkrete Hinweise auf spezifische zugrunde liegende ätiologische Mechanismen gibt es bislang jedoch nicht.