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Antikörperdifferenzierung

Verfasst von: K. Kleesiek, C. Götting, J. Diekmann, J. Dreier und M. Schmidt
Antikörperdifferenzierung
Synonym(e)
Antikörperidentifizierung
Englischer Begriff
antibody differentiation; antibody identification
Definition
Die Antikörperdifferenzierung bezeichnet die Ermittlung der Antigenspezifität eines Blutgruppenantikörpers mithilfe eines ausgewählten, blutgruppendefinierten Erythrozytenpanels. In der Regel wird die Antikörperdifferenzierung als Anschlussuntersuchung an einem positiv ausgefallenen, unspezifischen Antikörpersuchtest durchgeführt.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
1 ml Plasma oder Serum; Blutentnahme kann zu jedem Zeitpunkt erfolgen. Die Blutprobe sollte innerhalb von 30 Minuten zentrifugiert und das Plasma/Serum von den Erythrozyten getrennt werden.
Referenzbereich – Erwachsene
Negativ
Probenstabilität
Probandenproben für Antikörperuntersuchungen können bei +4 °C bis zu mehreren Wochen aufbewahrt werden. Eingefrorene Serum-/Plasmaproben sind bei unter −20 °C über Monate und Jahre haltbar.
Funktion – Pathophysiologie
Das Testprinzip der Antikörperdifferenzierung ist dem des Antikörpersuchtests ähnlich. Im Unterschied zum Antikörpersuchtest wird jedoch für eine Differenzierung ein Panel von 8 oder mehr Erythrozytentestzellen eingesetzt. Die eingesetzten Testzellen unterscheiden und ergänzen sich im Antigenmuster. Die zu untersuchende Probandenprobe (Serum/Plasma) reagiert mit der einzelnen Testzelle abhängig von deren Antigenmuster. So entsteht ein Reaktionsmuster des Testzellpanels (Antigenmuster aller benutzten Erythrozyten), das für definierte Blutgruppenantikörper charakteristisch ist (Tab. 1).
Tab. 1
Panel mit der Antigenkombination einzelner, aufeinander abgestimmter Testerythrozyten
Zelle
C
c
D
E
e
Cw
K
k
Fy (a)
Fy (b)
Jk (a)
Jk (b)
Lu (a)
Kp (a)
M
N
S
s
P1
Le (a)
Le (b)
Ergebnis
1
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
0
2
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
0
3
+
+
+
+
+
+
+
+
+
++
+
+
0
4
+
+
+
+
+
+
+
+
0
5
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
0
6
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
0
7
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
4
8
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
0
9
+
+
+
-
+
+
+
+
0
10
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
0
11
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
4
Eine Sonderform der Antikörperdifferenzierung liegt vor, wenn im Rahmen des Antikörpersuchtests zunächst ausschließlich die autologe Kontrolle (Eigenansatz) positiv ist. Eine Antikörperdifferenzierung erfolgt in diesem Fall als Anschlussuntersuchung nach vorheriger Elution erythrozytärer Antikörper. Durch die Einführung löslicher rekombinanter Blutgruppenproteine ist der Nachweis erythrozytärer Antikörper insbesondere gegen hochfrequente Antigene auch in einem weniger spezialisierten Labor möglich.
Zum Erkennen einer Agglutination im Rahmen einer Antikörperdifferenzierung werden verschiedenen Techniken benutzt (Säulenagglutinations-Test, Röhrchentest, Mikrotiterplattentest [s. Mikrotiterplatte]). In der Regel wird der indirekte Antihumanglobulintest (Coombs-Test) eingesetzt. Außerdem hat der Enzymtest große Bedeutung.
Die Ergebnisse der Agglutinationsstärken werden in der Regel semiquantitativ in folgender Graduierung abgestuft:
  • Negativ: − oder 0
  • Diskret positiv: (+) oder 0–1
  • Schwach positiv: + oder 1
  • Deutlich positiv: ++ oder 2
  • Stark positiv: +++ oder 3
  • Maximal positiv: ++++ oder 4
In dem in Tab. 1 gezeigten Beispiel ist ein irregulärer erythrozytärer Antikörper der Spezifität Anti-K (Anti-Kell) wahrscheinlich. Dieser Verdacht wird in der Regel mit einem weiteren Differenzierungspanel (anderes Antigenmuster) verifiziert. Als ergänzende Spezifikation des Alloantikörpers ist auch ein fehlender Nachweis des korrespondierenden Blutgruppenantigens auf den Erythrozyten des Probanden erforderlich. In dem gewählten Beispiel ist das Kell-Antigen nicht vorhanden.
Interpretation
Das Ergebnis der Antikörperdifferenzierung charakterisiert die Spezifität des nachgewiesenen irregulären erythrozytären Antikörpers. Bei Immunantikörpern, die zu hämolytischen Transfusionsreaktionen führen können, wird ein Notfallausweis mit Antikörpervermerk erstellt. Antikörper, die im Rahmen einer Schwangerschaft gebildet werden und Ursache eines Morbus haemolyticus neonatorum (s. Morbus haemolyticus fetalis/neonatorum) sein können, werden semiquantitativ in Titerstufen (Antikörpertiter) unter Berücksichtigung der verwendeten Methode angegeben.
Diagnostische Wertigkeit
Der Nachweis eines irregulären erythrozytären Antikörpers führt zu einem immunhämatologischen Befund, der die transfusionsmedizinische Relevanz und ggf. Schwangerschaftsrisiken formuliert. Probanden mit Antikörpernachweis, die transfusionsmedizinisch berücksichtigt werden müssen, erhalten einen Notfallausweis mit entsprechendem Antikörpervermerk.
Literatur
Eckstein R, Zimmermann R (2015) Immunhämatologie und klinische Transfusionsmedizin. Urban & Fischer/Elsevier Verlag
Heuft, H-G 2015 Stellenwert löslicher rekombinanter Blutgruppenproteine im immunhämatologischen Labor. Transfusionsmedizin 5, 74–79. Georg Thieme Verlag, Stuttgart
Mueller-Eckhardt C, Kiefel V (Hrsg) (2010) Transfusionsmedizin: Grundlagen – Therapie – Methodik, 4. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York