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Human Epidermal Growth Factor Receptor

Verfasst von: S. Holdenrieder und P. Stieber
Human epidermal growth factor receptor
Synonym(e)
EGFR; ErbB; HER2
Englischer Begriff
human epidermal growth factor receptor
Definition
Der „human epidermal growth factor receptor“ ist eine Familie von transmembranösen Protoonkogenen mit Rezeptoreigenschaft für den „epidermal growth factor“.
Struktur
Die „human epidermal growth factor receptor“-Familie besteht aus 4 strukturell verwandten Transmembranproteinen: dem „epidermal growth factor receptor“ (EGFR, ErbB1, HER1), ErbB2 (HER2, neu), ErbB3 (HER3) und ErbB4 (HER4).
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Die EGFR-Tyrosinkinase spielt eine wichtige physiologische Rolle bei Zellproliferation und -differenzierung. Überexpression und genetische Mutation des Rezeptors mit der Folge einer veränderten Signaltransduktion sind für den Prozess der malignen Transformation bei einer Vielzahl von Karzinomen von Bedeutung. Neben den membranständigen Rezeptoren wurden auch lösliche Formen für alle Mitglieder der EGFR-Familie identifiziert. Diese aus der extrazellulären Domäne des Rezeptors bestehenden Proteine liegen in mehreren Isoformen mit unterschiedlicher Länge vor.
Funktion – Pathophysiologie
Überexpression und genetische Mutationen der EGFR-Familie sind bei einer Reihe von malignen Tumoren beschrieben, insbesondere beim Mamma-, Ovarial- und Lungenkarzinom und bei gastrointestinalen Karzinomen. Für Patientinnen mit einem Mammakarzinom, die eine Überexpression von ErbB2 (HER2) aufweisen, wird eine Antikörpertherapie gegen diesen Membranrezeptor angeboten. Ebenso wird die Wirksamkeit dieser Therapie bei anderen Karzinomen untersucht. Insbesondere zur Beurteilung des Therapieverlaufs wurden Assays zur Quantifizierung von löslichem sErbB2 (sHER2) und auch für sErbB1 (sHER1) im Serum entwickelt. Im Serum zirkulierende, lösliche EGFR-Spaltprodukte führen möglicherweise zu einer Verminderung der Zellproliferation, u. a. durch kompetitive Bindung an Wachstumsfaktoren oder Heterodimerisierung mit membranständigen EGFR-Rezeptoren und konsekutiver Inhibition des Kinase-Signalwegs.
Andererseits können aktivierende Mutationen des EGF-Rezeptors (z. B. L858- oder Exon-19-Deletion) die nachgeschaltete Signalkaskade über RAS, BRAF und MAPK sowie über PI3K, AKT und mTOR dauerhaft stimulieren und so zu einer erhöhten Proliferation, Transkription und verbessertem Überleben der Zelle führen. Bei einem Lungenkarzinom ist der Nachweis dieser EGFR-Mutationen deshalb Voraussetzung für die Gabe von extrazellulären EGFR-Antikörpern oder intrazellulär EGFR-bindenden Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKIs). Trotz besserer Ansprechraten treten regelmäßig Rezidive oder eine Progression ein, die häufig auf Resistenzmutationen im EGFR-Gen (z. B. T790M) oder Translokationen in anderen Genen (z. B. ALK-EML4-Fusionsgen, ROS1-Rearrangement) zurückzuführen sind. Beim kolorektalen Karzinom werden genetische Veränderungen in der nachgeschalteten Signalkaskade (u. a. KRAS und NRAS-Mutationen) als sogenannte Companion Diagnostics getestet. Nur wenn keine Mutationen vorliegen, kann eine EGFR-Antikörpertherapie durchgeführt werden. In der Regel werden diese Untersuchungen im Tumorgewebe vorgenommen. Allerdings erlauben heute ultrasensitive Methoden den Nachweis von Tumormutationen auch auf zirkulierender DNA im Blutplasma (Liquid Profiling).
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Serum, Plasma, Liquor, Pleura-, Aszitesflüssigkeit.
Konventionelle Einheit
μg/L.
Referenzbereich – Erwachsene
Serum: Median 8,5 μg/L (Bereich 6–14,5 μg/L; methodenabhängig).
Indikation
Prognose, Therapiekontrolle und Nachsorge beim Mammakarzinom (mit Carcinoembryonales Antigen und Carbohydrate antigen 15-3) und beim Ovarialkarzinom (mit Carbohydrate antigen 125).
Interpretation
Bisher wurden mehrere Immunoassays für die löslichen Formen des ErbB1-(HER1-) und ErbB2-(HER2/neu-)Rezeptors entwickelt. Da von beiden Proteinen mehrere Isoformen existieren (ErbB1: 60 kDa und 110 kD; ErbB2: 68 kD, 105 kDa und 110 kD) und den Assays unterschiedliche Antikörper, Einheiten und Referenzmaterialien zugrunde liegen, kann derzeit über die Vergleichbarkeit der Teste keine Aussage gemacht werden. Auch existieren zurzeit widersprüchliche Beobachtungen über die Korrelation der Expression von ErbB1 bzw. ErbB2 im Gewebe und der Konzentration im Serum.
Die Bedeutung des löslichen ErbB1 im Serum ist noch unklar: Während die sErbB1-Konzentration beim Ovarialkarzinom erniedrigt gefunden wurde, ist sie beim Mammakarzinom häufig erhöht.
Hingegen wurde für sErbB2 (HER2/neu) eine vermehrte Freisetzung in die Zirkulation bei beiden Karzinomen, insbesondere bei metastasierten Karzinomen beschrieben. Außerdem wurden zumindest leicht erhöhte sErbB2-(HER2/neu-)Werte in Abhängigkeit vom Tumorstadium bei vielen verschiedenen Karzinomarten (z. B. beim Lungen-, Ovarial- und Prostatakarzinom) und bei einigen benignen Erkrankungen (z. B. Leberzirrhose) gefunden. Somit ist sErbB2 (HER2/neu) weder organ- noch tumorspezifisch. Bei anderen akuten und chronischen Erkrankungen unterschiedlichster Genese befinden sich die Werte im Bereich von gesunden Personen.
Beim Mammakarzinom kennzeichnet eine hohe sErbB2-(HER2/neu-)Konzentration im Serum eine Patientenuntergruppe mit ungünstiger Prognose. Im fortgeschrittenen Stadium des Mammakarzinoms finden sich erhöhte sErbB2-(HER2/neu-)Werte in über 40 % der Patientinnen – mit einer starken Assoziation zur HER2-Überexpression im Tumorgewebe sowie der Lokalisation und Anzahl der Metastasen. In diesem Stadium kann sErbB2(HER2/neu) im Serum zur Überwachung einer systemischen Herceptin-Therapie und ggf. zur Verlaufskontrolle nach der primären Therapie (zusammen mit CEA und CA 15-3) eingesetzt werden.
Diagnostische Wertigkeit
Mammakarzinom: Therapiemonitoring, Rezidiverkennung (mit CEA und CA 15-3), Prognose.
Ovarialkarzinom: Therapiemonitoring, Rezidiverkennung (mit CEA 125), Prognose.
Literatur
Molina R, Escudero JM, Muñoz M et al (2012) Circulating levels of HER-2/neu oncoprotein in breast cancer. Clin Chem Lab Med 50:5–21CrossRefPubMed
Petersen ER, Sørensen PD, Jakobsen EH et al (2013) Serum HER-2 predicts response and resistance to trastuzumab treatment in breast cancer. Clin Chem Lab Med 51:1483–1492CrossRefPubMed