Operation
Die Therapie des Ovarialkarzinoms beruht auf einer operativen kompletten Entfernung allen sichtbaren Tumors (Tumordebulking) und einer in der Regel postoperativen Chemotherapie, die platinhaltig sein sollte und gemäß der Leitlinie bei Erstdiagnose mit einem Taxan (Paclitaxel oder Docetaxel) in dreiwöchentlichem Abstand sechsmalig verabreicht wird.
Das operative Staging erfolgt neben den üblichen Schnittbilduntersuchungen per medianer Laparotomie. Es werden beide Adnexe mit Ovarialgefäßbündeln, der Uterus, das Omentum majus infragastrisch, in der Regel die Appendix und die Lymphknoten ausgehend von der durch die linke Vena renalis begrenzten Ebene abwärts entlang der großen Bauchgefäße und der Beckengefäße bis zum Leistenband entnommen. Es erfolgt im Frühstadium die Probeexzision von Peritoneum aus beiden Kolonrinnen sowie Zwerchfellabstriche beidseits und Entnahme einer Spülzytologie. Bei makroskopischem Tumornachweis im Bereich des Peritoneums oder bei weiteren Tumormanifestationen im Abdomen wird der gesamte Tumor bis zum Erreichen der makroskopischen Tumorfreiheit, gegebenenfalls durch subtotale Peritonektomie, Zwerchfellresektion und/oder weitere oberbauchchirurgische Eingriffe mit Leber-, Magen- und Pankreasteilresektion sowie Splenektomie und Dick- oder Dünndarmresektionen, entfernt (Siewert
2010).
Bei junger Patientin kann im Stadium IA–IC ein
Fertilitätserhalt bis zur Erfüllung des
Kinderwunsches mit nachfolgender Komplettierungsoperation erwogen werden.
Chemotherapie
Ab dem Stadium IA G3 muss entsprechend den nationalen und internationalen Leitlinien eine platintaxanhaltige Chemotherapie erfolgen. In Deutschland wird gegenwärtig ab dem Stadium IIB eine Kombination der Chemotherapie mit dem VEGF-Antikörper Bevacizumab empfohlen, in den USA ist diese Empfehlung aufgrund der Kosten-Nutzen-Abwägung bisher nicht erfolgt, da die Hinzunahme des
Antikörpers lediglich zu einer Zunahme des progressionsfreien Überlebens von 3,8 (GOG 218) und 2,4 (ICON7) Monaten geführt hat (Burger et al.
2011; Perren et al.
2011). Therapiestudien zur Frage der Therapiedauer und zur Bestimmung der Subgruppen, die besonders von der Bevacizumab-Therapie profitieren, werden gegenwärtig ausgewertet.
Diskutiert wird die Reihenfolge von Operation und Chemotherapie: Bei ausgedehntem peritonealen Befall und/oder multimorbider Patientin in reduziertem Allgemeinzustand kann eine präoperative Chemotherapie mit zwei bis drei Zyklen Carboplatin/Paclitaxel sinnvoll sein, um die operativen Therapieergebnisse zu verbessern bei gleichzeitig abnehmender perioperativer Morbidität (Kuhn et al.
2001; Keyver-Paik et al.
2013; Vergote et al.
2010).
International ist das Konzept der neoadjuvanten Chemotherapie weitgehend etabliert, national besteht noch Uneinigkeit, obwohl die neoadjuvante Therapie bereits vielfach in der klinischen Routine eingesetzt wird.
In gleicher Weise wird in Deutschland die in den USA als Teil der Standardtherapie für das fortgeschrittene Ovarialkarzinom definierte intraperitoneale Gabe der Chemotherapie
unterschiedlich bewertet. Da sich die Ovarialkarzinomerkrankung zunächst insbesondere intraperitoneal ausbreitet, kann die intraperitoneal verabreichte Chemotherapie den Erkrankungsort direkt erreichen. Pharmakologische Untersuchungen konnten zeigen, dass hierdurch eine sehr viel höhere Konzentration des Wirkstoffs im Tumor erzielt wird. Es können Konzentrationen erreicht werden, die bei systemischer Verabreichung toxisch wären. Gleichzeitig wird ein Teil der so verabreichten Therapie in den Blutkreislauf resorbiert und kann auf diese Weise systemische Wirkung erzielen (Dedrick et al.
1978). Die Durchführung einer intraperitonealen postoperativen Therapie erzielte in mehreren großen und hochrangig publizierten Studien eine deutliche Verlängerung des Gesamtüberlebens (49,7 auf 65,6 Monate), auch wenn die Abbruchraten, aufgrund von meist katheterassoziierten Komplikationen, mit 58 % sehr hoch lagen (Alberts et al.
1996; Armstrong et al.
2006; Markman et al.
2001; Helm
2012a). In Deutschland fehlt bei negativer Bewertung dieser Methode seitens der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie (AGO) bisher jede wissenschaftliche oder klinische Erfahrung, deshalb sind Therapiestudien zu fordern, die die Thematik der postoperativen, intraperitonealen Chemotherapie unter Berücksichtigung der therapieassoziierten Morbidität aufgreifen.
Größere Erfahrung haben einzelne gynäkologisch-onkologische Zentren in Deutschland mit der
hyperthermen intraperitonealen Chemotherapie (HIPEC). Hierbei wird nach erfolgter Entfernung des Tumors und Adhäsiolyse im gesamten Abdomen intraoperativ eine Spülung mit erwärmter (41–43 °C) Chemotherapie über 60 bis 90 Minuten vorgenommen. Die Erwärmung der Lösung hat dabei einen synergistisch-zytotoxischen Effekt. Die Mehrzahl der Daten liegen über die Verwendung von Cisplatin vor (Helm
2012b). Der Vorteil gegenüber der postoperativen, intraperitonealen Chemotherapie liegt in der fehlenden Notwendigkeit einer Katheterimplantation und der einmaligen intraperitonealen Applikation. Im Gebiet der Viszeralchirurgie ist die HIPEC bei Patienten mit Peritonealkarzinose eines Kolon- oder Appendixkarzinoms bereits in die Leitlinie der Fachgesellschaft aufgenommen. National und international rekrutieren Studien, um eine wissenschaftliche Basis zur Verwendung der HIPEC bei Ovarialkarzinompatientinnen in der Adjuvanz oder in der Rezidivtherapie zu ermöglichen, die bereits vorliegenden Daten sind hierbei aussichtsreich (Zivanovic et al.
2013).
Bei Auftreten eines Rezidivs ist es entscheidend, wie lange die Patientin in Remission war. Sind wenigsten sechs Monate nach dem Abschluss der letzten Chemotherapie vergangen, liegt definitionsgemäß ein Spätrezidiv vor. In diesem Fall sollte die Patientin noch einmal hinsichtlich der Indikation einer erneuten Operation von einem gynäkologisch-onkologischen Operateur evaluiert werden. Bei gutem Allgemeinzustand, messbarem soliden Tumor ohne den Hinweis auf eine ausgedehnte kleinknotige Peritonealkarzinose (
Aszites) sowie nach kompletter Tumorresektion bei der Erstoperation sollte eine erneute Laparotomie angeboten werden. Grundsätzlich ist die Operation in der Rezidivsituation dann sinnvoll, wenn eine Komplettresektion erreicht werden kann und die Patientin auf eine Reinduktion mit Carboplatin anspricht (Harter et al.
2009; Harter et al.
2006; Chi et al.
2006a). Patientinnen ohne (platinrefraktär) oder mit lediglich kurz andauernder Remission (platinresistent, Remissionsdauer <6 Monate) profitieren nicht von einer erneuten Operation. Die Frage, ob unter der Hinzunahme der HIPEC eine Peritonealkarzinose weiterhin eine Kontraindikation für eine erneute Operation darstellt, muss in weiteren Studien untersucht werden.
Nach Rezidivoperation erfolgt die Reinduktion mit Carboplatin entweder als Monotherapie oder besser in Kombination mit einem zweiten Agens wie Paclitaxel, Gemcitabine oder pegyliertes liposomales Doxorubicin (Parmar et al.
2003; Pfisterer et al.
2006; Wagner et al.
2012). Gegenwärtig sind Daten zur Kombination mit Gemcitabine, gegebenenfalls unter Hinzunahme von Bevacizumab, am aussichtsreichsten (Aghajanian et al.
2012).
Patientinnen, die früher als nach sechs Monaten nach Abschluss der adjuvanten Therapie ein Rezidiv erleiden, müssen als Patientinnen mit einer sehr eingeschränkten Prognose angesehen werden und sollten, wie oben dargestellt, einer erneuten operativen Therapie nicht mehr unterzogen werden. Ausgenommen sind die palliativen chirurgischen Versorgungen von Ileussymptomatik mit in der Regel der Anlage eines Anus praeter oder einer Ablauf-PEG (perkutane endoskopische Gastrostomie), wenn gastroskopische oder radiologisch-interventionelle Verfahren nicht infrage kommen.
Die Chemotherapie des nicht platinsensiblen oder platinrefraktären Frührezidivs wird als Monotherapie durchgeführt. Hierfür stehen zahlreiche Einzelsubstanzen (pegyliertes liposomales Doxorubicin, Gemcitabine, Topotecan, Treosulfan) zur Verfügung. Wenn eine Chemotherapie nicht mehr gewünscht oder aufgrund der onkologischen Gesamtsituation nicht mehr sinnvoll ist, sind endokrine Therapien (Tamoxifen, Fulvestrant) mit einer Ansprechrate von 10–20 % möglich. Nicht selten ist eine palliative Therapie im Sinne des „best supportive care“ das sinnvollere Therapievorgehen.
Bei Rezidiven, die kurz nach einem Zeitintervall von sechs Monaten nach Abschluss der initialen Therapie auftreten, kann die Kombination von Trabectedin mit pegyliertem liposomalen Doxorubicin Remissionen ermöglichen (Monk et al.
2010).
Strahlentherapie
Die Möglichkeit zu einer
Strahlentherapie sollte bei der Wahl des therapeutischen Vorgehen berücksichtigt werden: Das Ovarialkarzinom ist ein strahlensensibler Tumor, da jedoch im Rahmen der früher häufig angewandten Ganzabdomenbestrahlung signifikante Nebenwirkungen auftraten (unter anderem gastrointestinale Früh- und Spätsymptomatik mit Diarrhoe, Adhäsionsbildung und Passagestörung), wurde im historischen Verlauf der Therapie des Ovarialkarzinoms die postoperative Bestrahlung bei immer effektiver einsetzbarer Chemotherapie verlassen.
Mit der heute möglichen modernen computergestützten Bestrahlung, die in Echtzeit die kollaterale Bestrahlung des Darms begrenzen kann (Tomotherapie
), ist auch die Indikation zur Bestrahlung wieder neu zu diskutieren, Studiendaten zur Tomotherapie des Ovarialkarzinoms sind hierbei aussichtsreich (Rochet et al.
2010).
Im klinischen Alltag sollte darüber hinaus die lokale Bestrahlung, unter anderem im Bereich eines Resttumors an den Bauchgefäßen nach Lymphonodektomie oder bei lokalisiertem Scheidenabschlussrezidiv, in das Therapiekonzept mit einbezogen werden.