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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 29.09.2015

Prostatakarzinom

Verfasst von: Anja Lorch und Peter Albers
Das Prostatakarzinom ist in Deutschland die häufigste Tumorerkrankung des Mannes. Es gibt meist keine Frühsymptome. Es kommen bei der Früherkennung derzeit vor allem die Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA), die digitorektale Untersuchung sowie der transrektale Ultraschall der Prostata zur Anwendung. Daneben zählen bildgebende Verfahren wie die Computertomographie oder die Magnetresonanztomographie sowie die Skelettszintigraphie zur Diagnose von Fernmetastasen zu den gängigen diagnostischen Methoden. Basierend auf der Grundlage von Gleason-Score, T-Klassifikation und PSA-Wert unterscheidet man beim lokal begrenzten Prostatakarzinom drei klinische Risikogruppen. Im Wesentlichen basiert die Behandlung auf fünf Strategien, die adaptiert an das jeweilige Stadium, die klinische Risikogruppe und den Allgemeinzustand und die Komorbiditäten des Patienten zum Einsatz kommen: Operation (radikale Prostatektomie mit Lymphadenektomie), perkutane Radiotherapie, „Low-dose radiation“-Brachytherapie (permanente Seedimplantation), „active surveillance“ und „watchful waiting“. Ein angepasste Therapie erfolgt beim lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom und lokalen Lymphknotenmetastasen, beim Lokalrezidiv/biochemischen Rezidiv, beim hormonsensitiven metastasierten Prostatakarzinom, beim hormonrefraktären Prostatakarzinom und bei Knochenmetastasen.

Epidemiologie

Das Prostatakarzinom ist in Deutschland mit einer Inzidenz von 65.000 Fällen pro Jahr die häufigste Tumorerkrankung des Mannes und macht rund ein Viertel aller Krebserkrankungen aus. Jährlich versterben daran in Deutschland etwa 12.000 Männer. Die Erkrankung tritt mit einer stark altersabhängigen Inzidenz auf, das mittlere Diagnosealter liegt bei 69 Jahren. Histologisch handelt es sich in 89 % der Fälle um Adenokarzinome, selten finden sich auch neuroendokrine Tumoren, Plattenepithelkarzinome oder Lymphome.

Risikofaktoren

Neben dem Risikofaktor Alter stellt die familiäre Häufung (zwei- bis dreifach höheres Risiko für Brüder und Söhne betroffener Patienten) einen weiteren Risikofaktor dar. Daneben prädisponieren ein afroamerikanischer Hintergrund, genetische Faktoren und eine chronische Prostatitis zu einem erhöhten Erkrankungsrisiko.

Prävention

In keiner kontrollierten randomisierten Studie konnte ein signifikanter Effekt von Nahrungsergänzungsmitteln (z. B. Selen, Vitamin E) zur Senkung des Risikos des Auftretens eines Prostatakarzinoms nachgewiesen werden. Es wird eine allgemeine Krebsprävention empfohlen (Gewichtsreduktion, regelmäßige körperliche Aktivität, gesunde Ernährung, Nikotinverzicht, Alkoholkonsum in Maßen).

Früherkennung

In Deutschland kommen bei der Früherkennung des Prostatakarzinoms derzeit vor allem die Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA), die digitorektale Untersuchung sowie der transrektale Ultraschall der Prostata zur Anwendung. In den letzten Jahren kommen auch weitere Untersuchungstechniken zum Einsatz, insbesondere bildgebende Verfahren wie die Multiparameter-Magnetresonanztomographie. Von den genannten diagnostischen Untersuchungsmethoden stellt jedoch nur die digitorektale Untersuchung für Männer ab dem 45. Lebensjahr eine erstattungsfähige Leistung der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen des gesetzlichen Früherkennungsprogramms dar.

Digitorektale Untersuchung (DRU)

Die digitorektale Untersuchung der Prostata ist die älteste Untersuchungsmethode. Ihre Vorteile liegen in der schnellen Durchführbarkeit und geringen Invasivität. Der typische Tastbefund zeichnet sich durch einen nicht druckdolenten Knoten und/oder unregelmäßige Verhärtungen im Bereich der rektumnahen peripheren Zone der Prostata aus. Die Nachteile der DRU liegen u. a. in der deutlichen Untersucherabhängigkeit der Methode sowohl bei der Tumordetektion als auch bei der Beurteilung des klinischen Tumorstadiums. Eine Beurteilung der Effektivität der alleinigen DRU im Sinne einer Verlängerung der Überlebenszeit ist nicht möglich, da es hierzu keine prospektiv randomisierten Studien gibt.

Prostata-spezifisches Antigen (PSA)

Die Einführung des PSA-Wertes zur Früherkennung des Prostatakarzinoms erfolgte Anfang der 1980er-Jahre. Der PSA-Wert stellt mittlerweile den wichtigsten Parameter zur Früherkennung des Prostatakarzinoms dar. Das PSA wird nahezu vollständig in den Drüsen der Prostata gebildet, dient physiologischerweise der Verflüssigung des Ejakulats und ist somit ein äußerst spezifischer Organ- bzw. Gewebemarker, nicht jedoch ein tumorspezifischer Marker. Denn auch nicht maligne Veränderungen der Prostata wie die benigne Prostatahyperplasie oder Prostataentzündungen können zu einer Erhöhung des PSA-Wertes führen. Die Bedeutung des PSA-Wertes liegt in seiner Sensitivität begründet, da er ein Prostatakarzinom teilweise mehrere Jahre vor Auftreten eines palpablen Tumors detektieren kann. Die üblicherweise angegebenen Referenzbereiche des PSA-Wertes geben Wahrscheinlichkeiten (= positiv prädiktiver Wert) für das Vorliegen eines Prostatakarzinoms an und können eine Hilfestellung geben, den einzelnen Patienten einer bestimmten Risikogruppe zuzuordnen. Der Wert ist jedoch vom Volumen der Drüse und dem Alter des Patienten abhängig, sodass es keine absoluten Grenzwerte für das PSA gibt. Es erfolgt grob eine Einteilung in drei Risikogruppen, die jedoch aufgrund der großen Überschneidung klinisch nur bedingt relevant sind (Tab. 1).
Tab. 1
Risikogruppen und PSA-Wert.
PSA-Wert
Risikogruppe
Häufigkeit Prostatakarzinom (positiv prädiktiver Wert des PSA-Wertes)
≤4,0 ng/ml
Niedriges Risiko
12–17 % (sofern digitorektale Untersuchung unauffällig)
4,1–9,9 ng/ml
Mittleres Risiko
15–51 %
≥10,0 ng/ml
Hohes Risiko
30–75 %
Das Testverfahren zur PSA-Bestimmung ist nicht standardisiert. Neben dem PSA-Wert können zur Verbesserung der Testgenauigkeit u. a. auch die PSA-Dichte (korreliert zum Volumen), die PSA-Verdopplungszeit und der PSA-Quotient aus freiem PSA und Gesamt-PSA bestimmt werden.

Transrektaler Ultraschall (TRUS)

Die TRUS stellt wie die digitorektale Untersuchung eine gering invasive und technisch einfach durchführbare Untersuchung der Prostata dar. Als subjektive Untersuchungsmethode ist jedoch auch bei der TRUS von einer deutlichen untersucher- und geräteabhängigen Qualität der erhobenen Befunde auszugehen. Karzinome erscheinen zum überwiegenden Teil als hypoechogene Läsionen in der peripheren Zone der Prostata. Die TRUS ist als alleinige Früherkennungsmethode nicht geeignet. Ihr Nutzen ist eher in der TRUS-gesteuerten Biopsie aufgrund eines auffälligen PSA-Wertes und/oder auffälligen Tastbefundes zu sehen, da sie neben der Durchführung der systematischen (ungerichteten) Biopsie die Entnahme zusätzlicher zielgerichteter Biopsiezylinder aus sonographisch suspekten Arealen der Prostata ermöglicht.

Klinik

Es gibt meist keine Frühsymptome. Klinische Beschwerden wie z. B. Miktionsbeschwerden sind auf eine begleitende benigne Prostatahyperplasie zurückzuführen. Ein fortgeschrittenes Prostatakarzinom kann auch lokale Beschwerden verursachen (Miktionsbeschwerden, Harnstauung), ist jedoch meist gekennzeichnet durch unspezifische Allgemeinsymptome (z. B. ungewollter Gewichtsverlust, Anämiesymptome), Knochenschmerzen oder pathologische Frakturen bei Knochenmetastasen.

Diagnostik

Neben den bereits oben beschriebenen Verfahren der digitorektalen Untersuchung, des transrektalen Ultraschalls und der PSA-Bestimmung zählen bildgebende Verfahren wie die Computertomographie (CT) oder die Magnetresonanztomographie (MRT) sowie die Skelettszintigraphie zur Diagnose von Fernmetastasen zu den gängigen diagnostischen Methoden. In jüngster Zeit kommt bei Tumorverdacht innerhalb von klinischen Studien auch die funktionelle Multiparameter-MRT der Prostata zum Einsatz, insbesondere bei bereits erfolgter tumorfreier Biopsie, aber weiter steigenden PSA-Werten. Die Positronenemissionstomographie (PET) gehört nicht zur Standarduntersuchung in der Primärdiagnostik eines Prostatakarzinoms. Obligat ist der histologische Nachweis, der in der Regel durch die Entnahme von mindestens zehn bis zwölf Gewebeproben erfolgt.

Klassifikation

Klinisch, UICC, TNM

Die Klassifikation nach UICC und TNM ist in Tab. 2 dargestellt.
Tab. 2
Klassifikation nach UICC und TNM. (Quelle: Onkopedia-Leitlinien (https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/prostatakarzinom), abgerufen am 07.01.2013)
Klinisches Stadium
UICC-Stadium
Primärtumor
Lymphknoten
Fernmetastasen
Grading
Lokal begrenzt
I
II
T1a
T1a
T1b–T2c
N0
N0
N0
M0
M0
M0
G1
G2–G4
Jedes G
Lokal fortgeschritten
III
IV
T3a
T3b
T4
N0
N0
N0
M0
M0
M0
Jedes G
Jedes G
Jedes G
Metastasiert
IV
Jedes T
N1
Jedes N
M0
M1a–M1c
Jedes G
Jedes G

Gleason-Score

Dieser histologische Differenzierungsgrad dient der Aggressivitätseinordnung des Tumors (Grading). Es wird immer der Differenzierungsgrad der am häufigsten und der am zweithäufigsten vorkommenden Zellpopulation aufgeführt. Bei drei verschiedenen Differenzierungsgraden in der Biopsie wird der häufigste und der aggressivste Befund angegeben („the most and the worst“). Im Operationspräparat werden sog. „tertiäre“ Gleason-Werte selten angeben. Es werden Werte von 1 (sehr gut differenziert) bis 5 (sehr schlecht differenziert) vergeben und die Summe beider Werte ermittelt.

Risikogruppen

Basierend auf der Grundlage von Gleason-Score, T-Klassifikation und PSA-Wert unterscheidet man beim lokal begrenzten Prostatakarzinom zudem drei klinische Risikogruppen (niedrig, mittel, hoch) (Abb. 1).

Therapie

Therapie des lokal begrenzten Prostatakarzinoms

Im Wesentlichen basiert die Behandlung auf fünf Strategien, die adaptiert an das jeweilige Stadium, die klinische Risikogruppe und den Allgemeinzustand und die Komorbiditäten des Patienten zum Einsatz kommen:
1.
Operation (radikale Prostatektomie mit Lymphadenektomie)
 
2.
Perkutane Radiotherapie
 
3.
„Low-dose radiation“ (LDR)-Brachytherapie (permanente Seedimplantation)
 
4.
„Active surveillance“ (aktive Überwachung)
 
5.
„Watchful waiting“ (bei älteren Patienten mit eingeschränkter Lebenserwartung).
 
Grundlage der Entscheidung ist eine interdisziplinäre Aufklärung des Patienten über alle möglichen Therapieoptionen, am geeignetsten im Rahmen einer Prostatakarzinomsprechstunde eines durch die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierten Prostatakarzinomzentrums mit einem Radioonkologen und einem Urologen. Die Wahl der Therapie hängt ganz wesentlich von der allgemeinen Lebenserwartung des Patienten, der zu erreichenden rezidivfreien Überlebenszeit und der Akzeptanz der jeweiligen Therapienebenwirkungen ab.

Radikale Prostatektomie

Die radikale Prostatektomie beinhaltet die vollständige Tumorentfernung unter Mitnahme von Prostata und Samenblasen. Dabei soll die operative Technik derart gewählt und durchgeführt werden, dass eine R0-Resektion erreicht wird, da der histologische Nachweis von Tumorgewebe im Absetzungsrand (R1) mit einer erhöhten Rate an Tumorrezidiven verbunden ist. Die verschiedenen operativen Verfahren der radikalen Prostatektomie werden als gleichwertige Verfahren angesehen, da bisher keine prospektiv randomisierten Studien den Vor- bzw. Nachteil eines der Verfahren haben zeigen können. Der bisherige wissenschaftliche Vergleich der unterschiedlichen Verfahren basiert bisher vor allem auf retrospektiven Vergleichsstudien. Grundsätzlich kommen folgende Verfahren zum Einsatz: roboterassistierte laparoskopische transperitoneale oder extraperitoneale Prostatektomie, laparoskopische transperitoneale oder extraperitoneale Prostatektomie, offene retropubische Prostatektomie oder offene perineale Prostatektomie.
Die Mortalität der Operation liegt bei 0–2,1 %. Die Rate der postoperativen Inkontinenz ist abhängig von der Erfahrung des Operateurs gemessen an der Gesamtanzahl der durchgeführten Operationen. Die erektile Dysfunktion kann durch eine nervschonende Operationstechnik gesenkt werden, die Patienten mit einem lokal begrenzten Prostatakarzinom vorbehalten bleiben sollte. Die nervschonende Operation birgt jedoch ein erhöhtes Risiko positiver Absetzungsränder und Lokalrezidive und sollte daher nur in einem selektierten Patientengut durchgeführt werden.
Bei der Hälfte der Fälle kann es auch bei nerverhaltender Operation zu einem Potenzverlust kommen, bei jüngeren Patienten tritt diese Komplikation bei bis zu 20 % auf. Eine geringgradige Stressinkontinenz resultiert längerfristig bei ca. 10 % der Patienten. Hochgradige, operationsbedürftige Stressinkontinenzen sind in erfahrenen Zentren sehr selten (<3 %). Weitere Komplikationen betreffen Blasenhalsobstruktionen, Harnröhrenstrikturen, tiefe Venenthrombosen, Lungenembolien, Rektumverletzungen, Lymphozelen, Anastomosenstrikturen sowie intra- und postoperative Blutungen in seltenen Fällen. Die perioperative Mortalität liegt bei unter 2 %
Bei Patienten mit einem PSA-Wert <10 ng/ml, einem Gleason-Score der Biopsie <7 und einem klinischen Tumorstadium ≤ cT2a kann auf eine Lymphadenektomie verzichtet werden.
Für die Patienten mit einem Gleason-Score ab 3 + 4 = 7 (7a) sollte eine pelvine Lymphadenektomie durchgeführt werden, um mögliche Lymphknotenmetastasen zu detektieren. Die Ausdehnung der pelvinen Lymphadenektomie soll dabei zumindest die iliakalen und obturatorischen Lymphknoten umfassen.

Perkutane Radiotherapie

Die perkutane Radiotherapie stellt eine Alternative zur Operation dar. Die Bestrahlung der Prostata wurde in keiner ausreichend großen Serie randomisiert zur Operation hinsichtlich ihrer Äquieffektivität oder Überlegenheit geprüft. Große monozentrische Studien mit Radiotherapie zeigen vergleichbare Ergebnisse zur radikalen Prostatektomie sowohl hinsichtlich der Überlebensraten als auch der biochemischen Progressionsfreiheit nach im Median fünf bis zehn Jahren für die Niedrigrisikogruppe. In den letzten zehn Jahren hat sich gezeigt, dass die früher verwendeten Gesamtdosen von 66–70 Gy mit einer Einzeldosis von 1,8–2 Gy für eine langfristige Tumorkontrolle nicht ausreichend waren. Erschwerend kam hinzu, dass mit älteren Bestrahlungstechniken höhere Gesamtdosen nicht eingestrahlt werden konnten. Seit der Implementierung der 3D-geplanten perkutanen Radiotherapie als therapeutischem Standard konnten die Gesamtdosen sukzessive gesteigert werden. Weitere Verbesserungen erbrachten die Einführung der intensitätsmodulierten Radiotherapie (IMRT) und der bildgestützten Radiotherapie (IGRT). Mit einer Gesamtdosis von 76 Gy für das Niedrigrisikokarzinom und 78 Gy für das Karzinom mittleren Risikos können diese Therapieoptionen als Standardtherapien angesehen werden.
Ernsthafte Nebenwirkungen betreffen insbesondere die im Strahlenfeld liegenden Nachbarorgane mit z. B. einer Grad-III/IV-Rektumspättoxizität von 5 %. Zudem wird die Entwicklung von Zweitkarzinomen diskutiert. Die Entwicklung einer erektilen Dysfunktion liegt im Bereich von 60 %, abhängig vom prätherapeutischen Grad der Potenz. In etwa 20 % der Fälle treten akute Nebenwirkungen der Strahlentherapie auf (Dysurie, Darmentleerungsstörungen).
Bei Patienten mit intermediärem Risiko wird die Radiotherapie mit einer (neo-)adjuvanten Hormontherapie kombiniert (mindestens 6 Monate). Die Bestrahlung der Lymphabflussgebiete wird uneinheitlich gehandhabt.

Permanente Seedimplantation (PSI)

Die PSI wurde im Jahre 1983 von der Arbeitsgruppe um Holm, Kopenhagen, in die Klinik eingeführt. Bei der PSI werden in Allgemeinanästhesie wenige Millimeter große Strahler (Seeds) transperineal in die Prostata eingebracht. Dort geben diese kontinuierlich ihre Strahlungsdosis ab und verbleiben lebenslang in der Prostata. Grundsätzlich können für die Therapie die Isotope Jod-125 und Palladium-103 eingesetzt werden. Über den Zeitraum von nunmehr 30 Jahren wurde durch Verfeinerung der Technik von zunächst freihändiger Einlage der Seeds der heutige Standard der während einer Online-Planung über ein Template unter transrektaler Ultraschallkontrolle einzubringenden Seeds erreicht. Auch hier fehlen große randomisierte Vergleichsstudien zu den anderen Therapieoptionen. Die PSI kommt nur für Patienten mit Niedrigrisikokarzinom infrage. Zusammenfassend kann von der Grundannahme ausgegangen werden, dass die über eine Gesamtdosis D90 von ≥145 Gy durchzuführende PSI bei Niedrigrisikokarzinom im Vergleich zur radikalen Prostatektomie, der perkutanen Radiotherapie und der „active surveillance“ in Wirksamkeit und Nebenwirkungen nicht signifikant unterschiedlich ist. Die PSI wird jedoch aufgrund der eingeschränkten Indikation nur in wenigen Zentren in Deutschland durchgeführt und bedarf einer hohen Qualitätskontrolle.

Active Surveillance versus Watchful Waiting

Mit der Zunahme des Anteils von Tumoren mit niedrigem Risiko durch das PSA-Screening steigt die Forderung nach weniger aggressiven Therapieformen bzw. nach aufgeschobener Behandlung, da mehr als zehn Jahre vergehen können, bis sich Symptome der Tumorerkrankung zeigen und damit eine Übertherapie von zahlreichen Patienten als gegeben erscheint.
Die „active surveillance“ eines Patienten mit Prostatakarzinom ist eine Therapieform, die die Empfehlung zur definitiven Therapie des Prostatakarzinoms bei Patienten mit niedrigem Risiko für einen Tumorprogress verzögert, bis ein Tumorprogress klinisch oder bioptisch nachgewiesen ist. Sie unterscheidet sich von der Strategie des „watchful waiting“ durch ein engmaschiges Kontrollieren von PSA-Werten und Rebiopsien und bleibt damit ein Behandlungskonzept mit kurativer Intention. In der „Watchful waiting“-Strategie erfolgt die Intervention nur bei einem klinischen Progress und stellt somit ein palliatives Konzept dar.
Die „active surveillance“ basiert auf einer Fallbeobachtung von 299 Patienten, die im Jahr 2005 von Laurence Klotz, Toronto, publiziert wurde und eine Rate von Prostata-spezifischen Todesfällen von nur 0,8 % aufwies. Die aktuelle Analyse dieser seit 1995 existierenden Phase-II-Studie mit nunmehr 450 Patienten und einer Nachbeobachtungszeit von 6,8 Jahren zeigt ein prostatakarzinomspezifisches 10-Jahres-Überleben von 97 %. Die prostatakarzinomspezifische Mortalität der „Active surveillance“-Strategie in dieser größten und am besten kontrollierten Untersuchung liegt nach über sechs Jahren bei 1 %.
In der Serie von Klotz wurde nach über sechs Jahren Nachbeobachtung die „Active surveillance“-Strategie in 30 % beendet (z. B. bei 65 Patienten aufgrund steigender PSA-Werte, bei 36 wegen histologischer Progression, bei 14 auf Patientenwunsch). In der aktuell noch rekrutierenden PRIAS-Studie liegt bei guter Selektion die Rate der Patienten, die innerhalb einer „Active surveillance“-Strategie therapiert werden müssen, bei ca. 22 %, der überwiegende Anteil ist histologisch innerhalb der ersten zwei Jahre progredient.
Zusammenfassend scheint die „Active surveillance“-Strategie bei guter Selektion mit einer prostatakarzinomspezifischen Sterblichkeit von ca. 1 % innerhalb von fünf Jahren ein sicheres Verfahren zur Therapie des Prostatakarzinoms zu sein. Etwa ein Viertel der Patienten wird die Strategie nach einem Nachsorgezeitraum von ca. fünf Jahren aufgrund einer Tumorprogression nicht weiterführen können. Als Abbruchkriterium scheint die histologische Progression wichtiger zu sein als der PSA-Verlauf. Die Ergebnisse der unter „Active surveillance“-Strategie operierten Patienten sprechen dafür, dass die Gefahr, aggressive Tumoren zu spät therapiert zu haben, relativ gering ist. Bei guter Selektion und engmaschigen bioptischen Kontrollen ist die „Active surveillance“-Strategie als sichere Alternative in Betracht zu ziehen.

PREFERE-Studie

Da alle genannten Therapieoptionen (bis auf die „Watchful waiting“-Strategie) vergleichbare karzinomspezifische 10-Jahres-Überlebensraten bei Patienten mit Tumoren niedrigen und intermediären Risikos aufweisen, werden diese Strategien in einer großen randomisierten Studie prospektive in Deutschland geprüft. Hierbei werden die Behandlungen von ausgewiesenen Prostatakarzinomzentren durchgeführt (http://www.prefere.de).

Therapie des lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinoms und lokaler Lymphknotenmetastasen

Die kleine Gruppe von Patienten, bei der das Prostatakarzinom lokal progredient ist und Lymphknotenmetastasen ohne Fernmetastasen aufweist, stellt eine therapeutische Herausforderung dar. Die Standardtherapie ist nach histologischer Sicherung die hormonablative Therapie mit anschließender Therapie des Primärtumors. Bei jungen Patienten kann hier die Operation diskutiert werden. In jedem Fall sollte aber nach neoadjuvanter Hormontherapie die Prostata mit den Lymphabflusswegen bestrahlt werden (ggf. „High dose radiation“ (HDR)-Brachytherapie). Hierbei sind in diesem multimodalen Therapieansatz karzinomspezifische 10-Jahres-Überlebenszeiten von 80 % erreichbar.

Therapie des Lokalrezidivs bzw. biochemischen Rezidivs

Das PSA-Rezidiv ist der häufigste Fall eines Rezidivs nach Primärtherapie eines organbegrenzten Prostatakarzinoms. Die Rate an PSA-Rezidiven kann signifikant verringert werden, wenn Patienten mit schlechten Prognosefaktoren (Samenblaseninvasion, positiver Schnittrand bei pT3-Tumoren) nach Operation adjuvant bestrahlt werden. Die Therapie des PSA-Rezidivs ist nicht einheitlich. 80 % der Patienten mit PSA-Rezidiv versterben nicht am Prostatakarzinom. Ziel ist es, die Rezidivlokalisation zu diagnostizieren (Lokalrezidiv in der Prostataloge, Lymphknotenmetastasen), um durch eine lokale Therapie (ggf. Radiotherapie oder Operation der Lymphknoten) den Zeitpunkt einer hormonablativen Therapie aufschieben zu können (ggf. Cholin-PET- oder Gallium-PSMA-PET-Untersuchungen). Die intermittierende hormonablative Therapie ist der Therapiestandard eines PSA-Rezidivs mit kurzer PSA-Verdopplungszeit (<12 Monate).

Therapie des hormonsensitiven metastasierten Prostatakarzinoms

Für Patienten mit einem symptomatischen, therapiebedürftigen Tumor gilt die kontinuierliche hormonablative Therapie (Androgendeprivation) als Therapie der Wahl mit signifikanter Verlängerung des progressionsfreien Überlebens und Reduktion krankheitsbedingter Komplikationen. Eine intermittierende Androgenblockade kann nach entsprechender Aufklärung des Patienten als mögliche Option ebenfalls angeboten werden.
Bei einem klinisch asymptomatischen Tumor sollte eine endokrine Therapie nach kritischer Risiko-Nutzen-Abwägung mit dem Patienten diskutiert und dann ggf. ebenfalls durchgeführt werden.
Für die primäre Hormontherapie stehen neben der beidseitigen Orchiektomie GnRH-Analoga, GnRH-Antagonisten, steroidale und nicht steroidale Androgenrezeptorantagonisten sowie Inhibitoren von Cytochrom P450 c17 (CYP17) zur Verfügung. Ziel ist die physiologische Supprimierung der Androgenproduktion im Hoden (und ggf. auch in der Nebenniere). Dabei wird ein Serumtestosteronwert unter 50 ng/dl angestrebt.
Die Kombination von Androgensuppression (Androgendeprivation) und gleichzeitiger Gabe von Antiandrogenen (z. B. Bicalutamid) bezeichnet man als maximale Androgenblockade. In Metaanalysen wurde ein geringer, jedoch statistisch nicht signifikanter Vorteil für diese Kombinationstherapie gezeigt.
Die Durchführung sog. sekundärer Hormonmanipulationen wird nicht mehr empfohlen, da es lediglich zu einem kurzzeitigen Abfall des PSA-Wertes kommt, das Gesamtüberleben jedoch nicht beeinflusst wird.
Häufige Nebenwirkungen unter einer langfristigen Androgensuppression umfassen die erektile Dysfunktion, Libidoverlust, Gynäkomastie, Hitzewallungen, kardiovaskuläre Erkrankungen, das metabolische Syndrom, Osteoporose sowie Anämie.
Bislang galt die alleinige Androgendeprivation als Standardtherapie. Es deutet sich jedoch seit 2014 für die hormonsensitive Situation ein Paradigmenwechsel an: Patienten mit hoher Tumorlast scheinen von einem gleichzeitigen zusätzlichen Einsatz von sechs Zyklen Docetaxel zu profitieren (CHAARTED-Studie, STAMPEDE-Studie).
Die Dauer bis zur Progression unter einer primären Therapie beträgt im Mittel etwa 18–24 Monate. bevor es im weiteren Verlauf zur Ausbildung eines kastrationsresistenten Tumors kommt.

Therapie des kastrationsrefraktären Prostatakarzinoms

Die Definition eines kastrationsresistenten Prostatakarzinoms umfasst folgende Punkte:
  • Serumtestosteronwerte im Kastrationsbereich (<50 ng/dl oder <1,7 nmol/l)
  • Drei konsekutive PSA-Anstiege, von denen zwei >50 % über dem PSA-Nadir liegen müssen, gemessen im Abstand von einer Woche.
  • Metastasenprogression trotz bestehender Hormontherapie: Progression bzw. Neuauftreten von mehr als zwei Läsionen im Knochenszintigramm oder von Weichteilmetastasen nach RECIST-Kriterien („response evaluation criteria in solid tumors“)
Die Therapie ist palliativ. Es lassen sich klinisch zwei Gruppen unterscheiden:
1.
Metastasiert und asymptomatisch oder gering symptomatisch
 
2.
Metastasiert und symptomatisch.
 

Erstlinientherapie

Bei asymptomatischen Patienten mit morphologisch progredienten Metastasen oder einem isolierten PSA-Anstieg bleibt die Indikation für eine Therapie zunächst eine individuelle Entscheidung, bei der gemeinsam mit dem Patienten eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte.
Für alle anderen Patienten gilt seit 2004 die Gabe von Docetaxel in einer Dosierung von 75 mg/m2 KOF in Kombination mit Prednison alle drei Wochen als Standardchemotherapie in der Erstlinie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms. Hauptziel einer Behandlung mit Docetaxel ist die Symptomlinderung und die Verlängerung des Gesamtüberlebens. Die Chemotherapie erfolgt prinzipiell bis zur Progression oder bis zum Auftreten von nicht tolerablen Nebenwirkungen. Die Gabe von mehr als zehn Zyklen scheint keinen zusätzlichen Überlebensvorteil zu bringen. Eine Reinduktion mit Docetaxel kann bei einer Remissionsdauer von mindestens drei bis sechs Monaten und mehr erneut erfolgen.
Neben Docetaxel ist seit 2013 auch Abiraterone in einer Dosierung von 1000 mg 1× täglich per os in Kombination mit Prednison/Prednisolon 2× 5 mg täglich zur Erstlinienbehandlung von Patienten mit asymptomatischem oder mild symptomatischem Verlauf zugelassen. Abiraterone ist der aktive Metabolit des oral verfügbaren Abirateronacetats und blockiert in der Kaskade der Testosteronsynthese irreversibel die Enzyme 17-α-Hydroxylase und C17,20-Lyase in Nebennieren, Hoden und Tumorzellen. Die Folge ist eine verminderte Androgensynthese und Reduktion der Kortisolproduktion sowie eine dadurch bedingte reaktive Erhöhung der ACTH-Sekretion und Anstieg der Mineralokortikoide.
Seit September 2014 ebenfalls für die Erstlinientherapie des kastrationsrefraktären Prostatakarzinoms zugelassen ist der Androgenrezeptorinhibitor Enzalutamid. Im Gegensatz zu Abiraterone sind auch Patienten mit viszeralen Metastasen für die Therapie geeignet. Eine Zusatzmedikation mit Prednison ist nicht notwendig.

Folgetherapien

Neben einer Reinduktion mit Docetaxel nach einem längeren therapiefreien Intervall haben sich die Möglichkeiten der Zweitlinientherapie mit unterschiedlich wirksamen Substanzen in den letzten beiden Jahren deutlich erweitert. Bereits zugelassen sind eine sekundäre Chemotherapie mit Cabazitaxel, einem halbsynthetisch gewonnenen Zytostatikum aus der Gruppe der Taxane sowie die Therapie mit Abirateronacetat und Enzalutamid, Androgenrezeptorsignalinhibitoren der zweiten Generation.
Prospektive Daten zu klinisch sinnvollen Sequenztherapien und möglichen Selektionskriterien für die verschiedenen Therapieoptionen liegen auch im Jahr 2015 noch nicht vor und sind Gegenstand aktueller Untersuchungen. Auch die Frage, ob Kombinationstherapien zukünftig eine Rolle spielen werden, ist noch offen.
Prinzipiell ist unter einer durchgeführten Therapie zu beachten, dass zu rasche Wechsel der Regime unbedingt zu vermeiden sind. Ein PSA-Flare (temporäre initiale PSA-Erhöhung bei Therapieeinleitung oder Therapieumstellung ohne Fortschreiten der Erkrankung) und die oft schwierige Beurteilung von Knochenmetastasen in der Bildgebung können unter Umständen einen Progress vortäuschen.

Therapie von Knochenmetastasen

In der hormonrefraktären Krankheitssituation ergänzt bei bestehender ossärer Metastasierung die Gabe von Bisphosphonaten (z. B. Zoledronsäure) oder RANKL-Antikörpern (Denosumab) zur Stabilisierung der ossären Matrix die entsprechende Therapie sinnvoll. Bei beiden Substanzklassen besteht das Risiko der Entwicklung einer Kiefernekrose.
Mit dem im Oktober 2013 zugelassenen Alphastrahler Radium-223 wird bei Patienten mit ossären Metastasen ohne Nachweis viszeraler Metastasen eine weitere Substanz eingesetzt. Radium-223 reichert sich als Kalziummimetikum im Knochen an und gibt dabei eine Alpha-Strahlung ab. Häufige Nebenwirkungen sind Thrombozytopenie und Diarrhoe, insgesamt ist die Toxizität jedoch gering und der Einsatz auch bei Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand möglich.

Internetadressen

Leitlinien

Interdisziplinäre S3-Leitlinie zur Früherkennung, Diagnostik und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms Version 2.0 – 1. Aktualisierung 2011: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-022OLl_S3_Prostatakarzinom_2011.pdf
Onkopedia Leitlinien Prostatakarzinom Stand März 2012: https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/prostatakarzinom

Studien

Protokoll der PREFERE Studie: http://www.prefere-zentrale.de