Im Wesentlichen basiert die Behandlung auf fünf Strategien, die adaptiert an das jeweilige Stadium, die klinische Risikogruppe und den Allgemeinzustand und die Komorbiditäten des Patienten zum Einsatz kommen:
3.
„Low-dose radiation“ (LDR)-Brachytherapie (permanente Seedimplantation)
4.
„Active surveillance“ (aktive Überwachung)
5.
„Watchful waiting“ (bei älteren Patienten mit eingeschränkter Lebenserwartung).
Grundlage der Entscheidung ist eine interdisziplinäre Aufklärung des Patienten über alle möglichen Therapieoptionen, am geeignetsten im Rahmen einer Prostatakarzinomsprechstunde eines durch die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierten Prostatakarzinomzentrums mit einem Radioonkologen und einem Urologen. Die Wahl der Therapie hängt ganz wesentlich von der allgemeinen Lebenserwartung des Patienten, der zu erreichenden rezidivfreien Überlebenszeit und der Akzeptanz der jeweiligen Therapienebenwirkungen ab.
Radikale Prostatektomie
Die
radikale Prostatektomie beinhaltet die vollständige Tumorentfernung unter Mitnahme von Prostata und Samenblasen. Dabei soll die operative Technik derart gewählt und durchgeführt werden, dass eine R0-Resektion erreicht wird, da der histologische Nachweis von Tumorgewebe im Absetzungsrand (R1) mit einer erhöhten Rate an Tumorrezidiven verbunden ist. Die verschiedenen operativen Verfahren der radikalen Prostatektomie werden als gleichwertige Verfahren angesehen, da bisher keine prospektiv randomisierten Studien den Vor- bzw. Nachteil eines der Verfahren haben zeigen können. Der bisherige wissenschaftliche Vergleich der unterschiedlichen Verfahren basiert bisher vor allem auf retrospektiven Vergleichsstudien. Grundsätzlich kommen folgende Verfahren zum Einsatz: roboterassistierte laparoskopische transperitoneale oder extraperitoneale Prostatektomie, laparoskopische transperitoneale oder extraperitoneale Prostatektomie, offene retropubische Prostatektomie oder offene perineale Prostatektomie.
Die Mortalität der Operation liegt bei 0–2,1 %. Die Rate der postoperativen Inkontinenz
ist abhängig von der Erfahrung des Operateurs gemessen an der Gesamtanzahl der durchgeführten Operationen. Die erektile Dysfunktion kann durch eine nervschonende Operationstechnik gesenkt werden, die Patienten mit einem lokal begrenzten Prostatakarzinom vorbehalten bleiben sollte. Die nervschonende Operation birgt jedoch ein erhöhtes Risiko positiver Absetzungsränder und Lokalrezidive und sollte daher nur in einem selektierten Patientengut durchgeführt werden.
Bei der Hälfte der Fälle kann es auch bei nerverhaltender Operation zu einem Potenzverlust kommen, bei jüngeren Patienten tritt diese Komplikation bei bis zu 20 % auf. Eine geringgradige Stressinkontinenz
resultiert längerfristig bei ca. 10 % der Patienten. Hochgradige, operationsbedürftige Stressinkontinenzen sind in erfahrenen Zentren sehr selten (<3 %). Weitere Komplikationen betreffen Blasenhalsobstruktionen, Harnröhrenstrikturen, tiefe Venenthrombosen, Lungenembolien, Rektumverletzungen, Lymphozelen, Anastomosenstrikturen sowie intra- und postoperative Blutungen in seltenen Fällen. Die perioperative Mortalität liegt bei unter 2 %
Bei Patienten mit einem PSA-Wert <10 ng/ml, einem Gleason-Score der Biopsie <7 und einem klinischen Tumorstadium ≤ cT2a kann auf eine Lymphadenektomie verzichtet werden.
Für die Patienten mit einem Gleason-Score ab 3 + 4 = 7 (7a) sollte eine pelvine Lymphadenektomie durchgeführt werden, um mögliche Lymphknotenmetastasen zu detektieren. Die Ausdehnung der pelvinen Lymphadenektomie soll dabei zumindest die iliakalen und obturatorischen Lymphknoten umfassen.
Perkutane Radiotherapie
Die perkutane Radiotherapie stellt eine Alternative zur Operation dar. Die Bestrahlung der Prostata wurde in keiner ausreichend großen Serie randomisiert zur Operation hinsichtlich ihrer Äquieffektivität oder Überlegenheit geprüft. Große monozentrische Studien mit Radiotherapie zeigen vergleichbare Ergebnisse zur
radikalen Prostatektomie sowohl hinsichtlich der Überlebensraten als auch der biochemischen Progressionsfreiheit nach im Median fünf bis zehn Jahren für die Niedrigrisikogruppe. In den letzten zehn Jahren hat sich gezeigt, dass die früher verwendeten Gesamtdosen von 66–70 Gy mit einer Einzeldosis von 1,8–2 Gy für eine langfristige Tumorkontrolle nicht ausreichend waren. Erschwerend kam hinzu, dass mit älteren Bestrahlungstechniken höhere Gesamtdosen nicht eingestrahlt werden konnten. Seit der Implementierung der 3D-geplanten perkutanen Radiotherapie als therapeutischem Standard konnten die Gesamtdosen sukzessive gesteigert werden. Weitere Verbesserungen erbrachten die Einführung der intensitätsmodulierten Radiotherapie (IMRT) und der bildgestützten Radiotherapie (IGRT). Mit einer Gesamtdosis von 76 Gy für das Niedrigrisikokarzinom und 78 Gy für das Karzinom mittleren Risikos können diese Therapieoptionen als Standardtherapien angesehen werden.
Ernsthafte Nebenwirkungen betreffen insbesondere die im Strahlenfeld liegenden Nachbarorgane mit z. B. einer Grad-III/IV-Rektumspättoxizität von 5 %. Zudem wird die Entwicklung von Zweitkarzinomen diskutiert. Die Entwicklung einer
erektilen Dysfunktion liegt im Bereich von 60 %, abhängig vom prätherapeutischen Grad der Potenz. In etwa 20 % der Fälle treten akute Nebenwirkungen der
Strahlentherapie auf (Dysurie, Darmentleerungsstörungen).
Bei Patienten mit intermediärem Risiko wird die Radiotherapie mit einer (neo-)adjuvanten Hormontherapie kombiniert (mindestens 6 Monate). Die Bestrahlung der Lymphabflussgebiete wird uneinheitlich gehandhabt.
Permanente Seedimplantation (PSI)
Die PSI wurde im Jahre 1983 von der Arbeitsgruppe um Holm, Kopenhagen, in die Klinik eingeführt. Bei der PSI werden in
Allgemeinanästhesie wenige Millimeter große Strahler (Seeds) transperineal in die Prostata eingebracht. Dort geben diese kontinuierlich ihre Strahlungsdosis ab und verbleiben lebenslang in der Prostata. Grundsätzlich können für die Therapie die
Isotope Jod-125 und Palladium-103 eingesetzt werden. Über den Zeitraum von nunmehr 30 Jahren wurde durch Verfeinerung der Technik von zunächst freihändiger Einlage der Seeds der heutige Standard der während einer Online-Planung über ein Template unter transrektaler Ultraschallkontrolle einzubringenden Seeds erreicht. Auch hier fehlen große randomisierte Vergleichsstudien zu den anderen Therapieoptionen. Die PSI kommt nur für Patienten mit Niedrigrisikokarzinom infrage. Zusammenfassend kann von der Grundannahme ausgegangen werden, dass die über eine Gesamtdosis D90 von ≥145 Gy durchzuführende PSI bei Niedrigrisikokarzinom im Vergleich zur
radikalen Prostatektomie, der perkutanen Radiotherapie und der „active surveillance“ in Wirksamkeit und Nebenwirkungen nicht signifikant unterschiedlich ist. Die PSI wird jedoch aufgrund der eingeschränkten Indikation nur in wenigen Zentren in Deutschland durchgeführt und bedarf einer hohen Qualitätskontrolle.
Active Surveillance versus Watchful Waiting
Mit der Zunahme des Anteils von Tumoren mit niedrigem Risiko durch das PSA-Screening steigt die Forderung nach weniger aggressiven Therapieformen bzw. nach aufgeschobener Behandlung, da mehr als zehn Jahre vergehen können, bis sich Symptome der Tumorerkrankung zeigen und damit eine Übertherapie von zahlreichen Patienten als gegeben erscheint.
Die „active surveillance“ eines Patienten mit Prostatakarzinom ist eine Therapieform, die die Empfehlung zur definitiven Therapie des Prostatakarzinoms bei Patienten mit niedrigem Risiko für einen Tumorprogress verzögert, bis ein Tumorprogress klinisch oder bioptisch nachgewiesen ist. Sie unterscheidet sich von der Strategie des „watchful waiting“ durch ein engmaschiges Kontrollieren von PSA-Werten und Rebiopsien und bleibt damit ein Behandlungskonzept mit kurativer Intention. In der „Watchful waiting“-Strategie erfolgt die Intervention nur bei einem klinischen Progress und stellt somit ein palliatives Konzept dar.
Die „active surveillance“ basiert auf einer Fallbeobachtung von 299 Patienten, die im Jahr 2005 von Laurence Klotz, Toronto, publiziert wurde und eine Rate von Prostata-spezifischen Todesfällen von nur 0,8 % aufwies. Die aktuelle Analyse dieser seit 1995 existierenden Phase-II-Studie mit nunmehr 450 Patienten und einer Nachbeobachtungszeit von 6,8 Jahren zeigt ein prostatakarzinomspezifisches 10-Jahres-Überleben von 97 %. Die prostatakarzinomspezifische Mortalität der „Active surveillance“-Strategie in dieser größten und am besten kontrollierten Untersuchung liegt nach über sechs Jahren bei 1 %.
In der Serie von Klotz wurde nach über sechs Jahren Nachbeobachtung die „Active surveillance“-Strategie in 30 % beendet (z. B. bei 65 Patienten aufgrund steigender PSA-Werte, bei 36 wegen histologischer Progression, bei 14 auf Patientenwunsch). In der aktuell noch rekrutierenden PRIAS-Studie liegt bei guter Selektion die Rate der Patienten, die innerhalb einer „Active surveillance“-Strategie therapiert werden müssen, bei ca. 22 %, der überwiegende Anteil ist histologisch innerhalb der ersten zwei Jahre progredient.
Zusammenfassend scheint die „Active surveillance“-Strategie bei guter Selektion mit einer prostatakarzinomspezifischen Sterblichkeit von ca. 1 % innerhalb von fünf Jahren ein sicheres Verfahren zur Therapie des Prostatakarzinoms zu sein. Etwa ein Viertel der Patienten wird die Strategie nach einem Nachsorgezeitraum von ca. fünf Jahren aufgrund einer Tumorprogression nicht weiterführen können. Als Abbruchkriterium scheint die histologische Progression wichtiger zu sein als der PSA-Verlauf. Die Ergebnisse der unter „Active surveillance“-Strategie operierten Patienten sprechen dafür, dass die Gefahr, aggressive Tumoren zu spät therapiert zu haben, relativ gering ist. Bei guter Selektion und engmaschigen bioptischen Kontrollen ist die „Active surveillance“-Strategie als sichere Alternative in Betracht zu ziehen.