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Kallikrein-Kinin-System

Verfasst von: W. Hubl, S. Holdenrieder und P. Stieber
Kallikrein-Kinin-System
Synonym(e)
Bradykinin; Kallidin; Kininogen; Kininase
Englischer Begriff
kallikrein-kinin system
Definition
Kallikreine sind eine Untergruppe der sezernierten, Trypsin-ähnlichen Serinproteinasen-Enzymfamilie. Kallikreine sind Peptidasen, die das Substrat Kininogen durch Abspaltung von Peptiden in die Kinine umwandelt. Die wichtigsten Vertreter dieser Kinine stellen das Bradykinin und das Kallidin dar. Diese Kinine werden unter dem Einfluss von Kininasen zu kleineren Peptiden abgebaut. Die wesentlichen physiologischen Wirkungen der Kinine bestehen in der Blutdrucksenkung durch Erweiterung der Gefäße, in der Erhöhung der Kapillarpermeabilität, der kontrahierenden Wirkung auf die glatte Muskulatur (Darm, Uterus, Bronchien) sowie der Schmerzauslösung. Sie gehören zu den stärksten Entzündungs- und Schockmediatoren. Das Bradykinin gilt als eine langsam reagierende Substanz, woraus sich auch der Name ableitet: „brady“ bedeutet langsam und „kinin“ Bewegung.
Struktur
Die humane Gewebs-Kallikreinfamilie besteht aus 15 strukturell homologen Serinproteinasegenen, die alle auf Chromosom 19q13.4 lokalisiert sind. Auf Proteinebene werden alle Kallikreine als Präpropeptide synthetisiert mit einem Signalpeptid von 17–20 Aminosäuren am Aminoterminus, einem Aktivierungspeptid von 4–9 Aminosäuren und dem reifen, enzymatisch aktiven Protein.
Beschreibung
Die Peptidase Kallikrein wird in zahlreichen Organen des Körpers produziert und trennt als Kininogenase von dem Substrat Kininogen Peptide ab, wodurch die Kinine gebildet werden. Man unterscheidet Plasmakallikreine, die das Bradykinin bilden, und Organkallikreine, die das Kallidin bilden. Der Abbau der Kinine zu inaktiven Peptiden erfolgt mit den Kininasen. Man unterscheidet zwei Kininasen:
  • Kininase I spaltet die basische Aminosäure Arginin vom C-terminalen Ende des Bradykinins ab.
  • Kininase II spaltet Phenylalanyl-Arginin vom Bradykinin ab.
Die Kininase II ist mit dem Angiotensin-konvertierenden Enzym (ACE) identisch, das Angiotensin I durch Entfernung eines Histamin-Leucin-Fragments in das hochwirksame Angiotensin II überführt. Hieraus leitet sich eine enge Verknüpfung des Kallikrein-Kinin-Systems mit dem Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (Renin) ab (Abb. 1), wobei die Bildung des Angiotensin II auch von der Bradykininkonzentration beeinflusst wird. Das Angiotensin-konvertierende Enzym (Kininase II) katalysiert also einerseits die Bildung von Angiotensin II mit einer verstärkten vasokonstriktorischen Wirkung und inaktiviert gleichzeitig den Vasodilatator Bradykinin. Im Ergebnis kommt es zur Blutdrucksteigerung. Weitere Verbindungen des Kallikrein-Kinin-System existieren zum Gerinnungssystem (Gerinnungsfaktoren) mit einer Aktivierung der Blutgerinnung, Fibrinolyse und Komplementaktivierung. Eine Dysregulation der Kallikrein-Expression ist bei vielen Erkrankungen zu beobachten, vor allem bei malignen Tumoren. Prostataspezifisches Antigen (PSA; hK3) und humanes glanduläres Kallikrein (hK2) werden als Serummarker beim Prostatakarzinom eingesetzt. HK6, hK10 und hK11 sind potenzielle neue Tumormarker für Diagnose und Prognose von Ovarial- und Prostatakarzinom. Außerdem kommen die Kallikreine als Ziele für therapeutische Interventionen bei malignen Tumoren in Betracht.
Literatur
Bader M (2012) Kinins. Walter de Gruyter GmbH&Co, Berlin/Boston
Bhat M, Pouliot M, Couture R et al (2014) The kallikrein-kinin system in diabetic retinopathy. Prog Drug Res 69:111–143PubMed
Sharma JN (2016) The role of bradykinin system in type 2 diabetes. J Diabetes Metab 7(3):S1–S3CrossRef
Sharma JN (Hrsg) (2014) Recent developments in the regulation of kinins. Springer Cham, Heidelberg/New York/Dordrecht/London