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Komplement

Verfasst von: W. Stöcker
Komplement
Englischer Begriff
complement
Definition
Multifunktionelles System aus vielen chemisch und immunologisch unterscheidbaren Serumproteinfaktoren, die durch Antigen-Antikörper-Reaktionen, aber auch durch unspezifische Faktoren in einer streng festgelegten Reihenfolge (Komplementkaskade) aktiviert werden können.
Struktur
Die Komplementfaktoren werden mit C1, C2 etc. bis C9 bezeichnet. Sie finden sich als inaktive Vorläufer im Blut und werden im Verlauf einer Abwehrreaktion aktiviert. Man unterscheidet bei der Komplementaktivierung den klassischen (Komplementsystem, klassische Aktivierung), den alternativen (Komplementsystem, alternative Aktivierung) sowie den Mannose-Lektin-Weg (Komplementsystem, Mannoseweg).
Untersuchungsmaterial
Probenstabilität
Frisches oder bei −70 °C (kurzfristig bei −20 °C) tiefgefrorenes Serum und EDTA-Plasma. Probenmaterial gekühlt transportieren oder spätestens nach 1 Stunde tieffrieren und auf Trockeneis versenden.
Analytik
Als Eingangsuntersuchung zur Komplementdiagnostik werden 2 Globalteste durchgeführt, die bei normalem Ergebnis eine weitere differenzierte Komplementdiagnostik erübrigen, und zwar zur Kontrolle des klassischen Weges der CH50-Test und zur Überprüfung des Alternativweges der AH50-Test. Dazu wird noch die Konzentration des Komplement-Aktivierungsproduktes C3d bestimmt.
CH50: Titration der gesamthämolytischen Aktivität des Komplementsystems. Das Testprinzip beruht auf der Komplement-vermittelten Lyse sensibilisierter (Antikörper-beladener) Zielzellen.
AH50: Titration der gesamthämolytischen Aktivität des alternativen Weges. Das Testprinzip beruht auf der Antikörper-unabhängigen lytischen Wirkung von Komplement auf geeignete Zielzellen.
C3d: Bestimmung in EDTA-Plasma durch Immunpräzipitation in einem Agarosegel. C3d stellt einen Parameter für die Aktivierung sowohl des klassischen als auch des alternativen Weges der C-Aktivierung dar.
Referenzbereich – Erwachsene
Komplementdiagnostik:
CH50 – hämolytischer Test: 65–135 %
APH50 – hämolytischer Test: 80–120 %
C3-Protein – nephelometrisch: 0,75–1,40 mg/mL
C4-Protein – nephelometrisch: 0,10–0,34 mg/mL
C1q-Protein – RID: 5–25 mg/dL
C1-Inhibitor-Protein – nephelometrisch: 0,21–0,39 mg/mL
C1-Inhibitor-Protein – einfache Immundiffusion: 0,05– 0,25 mg/dL
C1-Inhibitor-Protein – funktionell: 15–28 E/mL
C3d im Plasma – RIE: <40 mU/L
C3d im Serum – RIE: <55 mU/L
C3-Nephritis-Faktor – funktionell: negativ/positiv
Properdin – ELISA: 9–18 μg/mL
Faktor I – RIE/ELISA: 20–46 μg/mL
Faktor H – RIE/ELISA: 284–528 μg/mL
Faktor B – RID: 0,19–0,39 μg/mL
C4A – ELISA: 70–200 μg/mL
C4B – ELISA: 200–400 μg/mL
MBL – ELISA: <50 ng/mL
C1–C9-Einzeltitration – funktionell
RID = Radiale Immundiffusion (Immundiffusion, doppelte radiale); RIE = Rocket-Immunelektrophorese; ELISA = Enzyme-linked Immunosorbentassay.
Diagnostische Wertigkeit
Die moderne Komplementdiagnostik erlaubt eine sichere Identifizierung primärer (fehlende oder zu geringe Bildung oder Bildung defekter Moleküle) und sekundärer (zu starker Verbrauch) Defekte. Am Beginn jeder Diagnostik sollte die (einfache) orientierende Bestimmung der Gesamtaktivität (CH50, AH50 und C3d) stehen (Komplementstatus). Normale Werte dieser Parameter schließen einen relevanten Komplementdefekt weitgehend aus. Eine fehlende oder stark reduzierte hämolytische Aktivität kann durch einen Komplementdefekt, aber auch durch einen massiven Verbrauch infolge einer überschießenden Aktivierung bedingt sein. Die Analyse von Spaltprodukten (z. B. C3d, C3a, S5b-9) und der Nachweis aktivierungsspezifischer Proteinkomplexe helfen bei der Differenzierung. Weisen die Befunde auf einen Defekt hin, so kann dieser mittels funktioneller Titration von Einzelkomponenten identifiziert werden. Bei Verdacht auf Quincke-Ödem sind immer der Proteinspiegel und die Funktion des C1-Inhibitors zu messen. Bei Nephritis, insbesondere bei Verdacht auf membranproliferative Glomerulonephritis (MPGN) ist die Untersuchung des C3-Nephritisfaktors (Autoantikörper gegen C3-Konvertase) angezeigt. In Fällen des atypischen hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) ist die Untersuchung auf einen möglichen Defekt des Regulators Faktor H zu empfehlen. Bei Meningitis im fortgeschrittenen Kindesalter und bei Erwachsenen sollten neben den Komponenten der terminalen Komplementsequenz (C5–C9) auch die Faktoren Properdin und Mannose-bindendes Lektin (MBL) untersucht werden.
Indikation: Komplementverbrauch bei:
Literatur
Thomas L (2000) Komplement-System. In: Thomas L (Hrsg) Labor und Diagnose, 5. Aufl. TH-Books Verlagsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main, S 812–819
Tudoran R, Kirschfink M (2012) Moderne Komplementanalytik. Indikation-Methodik-Perspektiven. J Lab Med 36(3):125–134