Infektionserkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) werden von unterschiedlichen bakteriellen, viralen, parasitären Erregern und Pilzen hervorgerufen. Bei Befall der Hirnhäute durch Erreger (Meningitis) kommt es zu einer typischen Klinik mit Kopfschmerzen, Fieber und Nackensteife. Entscheidend bei Verdacht auf bakterielle Meningitis ist der frühzeitige Beginn einer Antibiotikatherapie. Zur Behandlung einer viralen Meningitis, insbesondere bei neurologischen Ausfällen, sollte eine empirische Therapie mit Aciclovir erfolgen. Bei unklarer Ätiologie einer Meningoenzephalitis sollten auch ungewöhnliche Erreger wie Borrelien, Treponemen, Mykobakterien, Kryptokokken oder, insbesondere bei Reiseanamnese, an Parasiten gedacht werden.
Hirnabszesse und Enzephalitiden können durch hämatogene Streuung oder durch direkte Durchwanderung von Erregern aus benachbarten Strukturen entstehen. Beim Hirnabszess muss neben einer antibiotischen Therapie oft auch eine lokale, invasive Entlastung erfolgen. Bei der häufig schwer verlaufenden Herpesenzephalitis muss eine rasche antivirale Behandlung mit Aciclovir durchgeführt werden.
Infektionserkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) sind mannigfaltig und sowohl vom Erregerspektrum als auch von den unterschiedlichen Symptomen hochkomplex. In diesem Kapitel wird deswegen eine Übersicht über die wichtigsten Erkrankungen gegeben.
Meningitis
Definition
Der Befall der Hirnhäute durch Erreger wird als Meningitis bezeichnet. Bei schwerer verlaufenden Infektionen kommt es häufig auch zur Beteiligung des Gehirns und damit zur Meningoenzephalitis. Die Infektion der Meningen kann sowohl durch hämatogene Übertragung als auch durch direkte Infektion im Sinne einer Durchwanderung aus den Nasennebenhöhlen oder dem Ohr erfolgen.
Epidemiologie
Die jährliche Inzidenz der bakteriellen Meningitis liegt in Europa bei 2–6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner (AWMF 2012). Es gibt aber Gegenden innerhalb Afrikas (direkt nördlich des Äquators), wo die Inzidenz bakterieller Meningitiden mit 70/100.000 um ein Vielfaches höher liegt. Demgegenüber treten virale Meningitiden in der westlichen Welt in einer Häufigkeit von ca. 14/100.000 Einwohnern/Jahr auf, wobei vermutet werden kann, dass die Dunkelziffer aufgrund der häufig blanden Klinik deutlich höher liegen dürfte.
Pneumokokken- und Listerienmeningitiden haben eine Letalität von 10–30 %, während bei Meningokokkenmeningitiden die Sterberate bei 3–8 % liegt.
Klinik
Während sich die bakterielle Meningitis klinisch üblicherweise durch die klassische Trias Kopfschmerzen, Meningismus und hohem Fieber äußert, ist das Bild der viralen Meningitis sehr viel variabler und mit deutlich geringeren meningealen Reizzeichen verbunden (< 50 %). Begleitend kann es zu Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu, Bewusstseinsstörungen, Verwirrtheitszuständen oder epileptischen Anfällen kommen – die letzten 3 sind als Zeichen einer Meningoenzephalitis zu werten. Die Symptomatik entwickelt sich meist innerhalb von einigen Stunden bis zu wenigen Tagen. Eine Meningokokkeninfektion tritt häufig mit einem hämorrhagischen Exanthem in Kombination mit einem Meningismus und einer sich rasch entwickelnden Bewusstseinsstörung auf (Thompson et al. 2006). Petechien kommen aber auch bei Pneumokokkenmeningitiden vor.
Insbesondere bei bakteriellen Meningitiden kann es im Verlauf zu schweren Komplikationen kommen. Dazu gehören vaskulitisch bedingte Infarkte oder Blutungen, Hydrozephali und Hirnödem durch Liquorresorptionstörungen, venöse zerebrale Thrombosen oder entzündungsbedingte Schwellungen des Hirnparenchyms sowie bei Meningokokken das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom mit Verbrauchskoagulopathie und Nebennierenversagen. Weitere Komplikationen sind der septische Schock, das „adult respiratory distress syndrome“ (ARDS), Elektrolytstörungen im Rahmen des Syndroms der inadäquaten antidiuretisches Hormon (-Sekretion (SIADH), zerebrales Salzverlustsyndrom oder zentraler Diabetes insipidus. Hörstörungen treten insbesondere bei durch Pneumokokken verursachten Meningitiden (ca. 20 %) auf. Darüber hinaus kann es durch hämatogene Streuung der Bakterien zu verschiedenen Organbeteiligungen kommen. Die Komplikationen sind der Hauptgrund für die Letalität und auch für die bei insgesamt 10–40 % der Patienten bleibenden neurologischen Residuen.
Diagnostik
Im Blut findet sich bei der bakteriellen Meningitis regelhaft (Ausnahme: immunsupprimierte Patienten), bei viralen Meningitiden deutlich seltener, eine Leukozytose und eine Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP). Die Bestimmung von Procalcitonin kann mit hoher Sensitivität und Spezifität weiter zur Differenzierung zwischen bakterieller Meningitis und viraler Meningitis beitragen. Ein negativer Wert ist aber nicht gleichbedeutend mit einem Ausschluss einer bakteriellen Meningitis.
Der Liquor von Patienten mit bakteriellen Meningitiden weist typischerweise eine granulozytäre Pleozytose (Abb. 1) von über 1000 Zellen/μl und eine deutliche Schrankenstörung (Proteinerhöhung meist > 120 mg/dl) auf, während bei viralen Meningitiden weniger als 500 Lymphozyten/μl (Abb. 2) oft bei normalem Protein gefunden werden. Ausnahmen von dieser Regel sind Borrelien und Listerien, bei denen ein lymphozytäres Zellbild vorliegen kann (Tab. 1). Der Erregernachweis sollte über Färbungen (Abb. 3), Anzucht und genomische Untersuchungen erfolgen.
Zusätzlich kann die zerebrale Schnittbildgebung – Computertomografie (CT) und/oder Magnetresonanztomografie (MRT) – akut und im Verlauf sinnvoll sein. Diese sollte im Regelfall einmal innerhalb der ersten 24 h durchgeführt werden und muss gegebenenfalls im Verlauf wiederholt werden. Ziel ist die Suche nach intrakraniellen Komplikationen und nach Hinweisen auf eine Eintrittspforte. Wichtige auch zum Teil erst im Verlauf auftretende Komplikationen, die von einer Bildgebung detektiert werden können, sind eine Ventrikulitis (Ventrikelempyem), eine Zerebritis, die sich im Verlauf zu einem Hirnabszess entwickelt, ein Hydrozephalus (occlusus oder malresorptivus), Ischämien, z. B. bei zerebraler Begleitvaskulitis oder septisch-embolischer Herdenzephalitis, eine septische Sinus- oder Hirnvenenthrombose mit sekundären Komplikationen wie Stauungsödem und/oder -blutung, eine intrazerebrale Blutung (z. B. bei Verbrauchskoagulopathie) oder ein generalisiertes Hirnödem (AWMF 2012).
Zur Erfassung von schlaganfallgefährdeten Patienten kann die transkranielle Dopplersonografie eingesetzt werden.
Differenzialdiagnostik
Bakterielle Infektionen
Bei Erwachsenen und Kindern sind Streptococcus pneumoniae und Neisseria meningitidis die häufigsten Erreger einer bakteriellen Meningitis. Andere seltenere Erreger beim Erwachsenen sind Listerien (< 5 %), Staphylokokken (< 5 %), gramnegative Enterobakterien inklusive Pseudomonas aeruginosa (< 10 %) sowie Haemophilus influenzae (1–3 %). Impfungen haben dazu geführt, dass die früher häufigere Haemophilusmeningitis bei Kindern sehr viel seltener geworden ist.
Gruppe-B-Streptokokken verursachen die meisten Meningitiden des Neugeborenen (ca. 70 %). Zu den Risikofaktoren für eine Meningitis gehören hohes Alter, Diabetes mellitus und Alkoholismus. Mischinfektionen können bei Patienten mit Abwehrschwäche, vorausgegangener neurochirurgischer Operation oder nach offenen Schädel-Hirn-Traumen auftreten. Das Risiko für Meningokokken- oder Pneumokokken- bzw. Haemophilus-influenzae-Infektion steigt auch durch Splenektomien oder bei Defekten der Komplementkaskade.
Tuberkulöse Meningitis
Die durch das Mycobacterium tuberculosis ausgelöste Meningitis kommt in den letzten Jahren in Westeuropa wieder häufiger vor. Typischerweise entsteht sie durch hämatogene Aussaat anderer Primärmanifestationen der Tuberkulose, bei solchen postprimären Manifestationen liegt häufig ein Immundefekt (z. B. HIV/AIDS (Human Immunodeficiency Virus/Acquired Immunodeficiency Syndrome) vor). Die Symptome ähneln denen einer bakteriellen Meningitis, sind meist aber nicht so akut, und der Meningismus kann fehlen. Die Diagnose wird über den Liquor gestellt mit typisch verminderter Glukose und deutlich erhöhtem Proteingehalt, wobei der genomische Nachweis oder die Anzucht schwierig sein kann. Bei Verdacht sollte wiederholt punktiert werden.
Virusinfektionen
Mit Abstand sind die Enteroviren (Coxsackie A, B und ECHO(enteric cytopathogenic humanorphan)-Viren) die häufigsten viralen Erreger einer Meningitis (in manchen Fallserien bis zu 90 %). Danach folgen Mumps (primär bei nichtgeimpften Personen), Herpesviren (ca. 5 %), Arboviren, LCM(Lymphozytäre Choriomeningitis)-Virus und HIV. Eine besondere Variante ist die chronisch rezidivierende, lymphozytäre Mollaret-Meningitis, die mit HSV (Herpes simplex Virus), insbesondere vom Typ 2, in Verbindung gebracht wird.
Nichtinfektiöse Erkrankungen
Erkrankungen, die mit ähnlichen meningealen Reizzeichen und neurologischen Herdsymptomen einhergehen, sind die subarachnoidale Blutung und die Meningeosis carcinomatosa oder lymphomatosa. Die subarachnoidale Blutung beginnt eigentlich immer mit einem Vernichtungskopfschmerz und stellt einen akuten Notfall dar. Die Diagnose wird durch den Nachweis von Blut im zerebralen Bild und/oder Liquor gestellt. Bei Nachweis eines Aneurysmas der Hirngefäße sollte eine umgehende Versorgung erfolgen. Eine Meningeosis ist vom Verlauf subakut und betrifft schwerpunktartig die lumbale Wurzel und den VIII. Hirnnerven. Der Nachweis erfolgt durch atypische Zellen im Liquor. Auch autoimmune Erkrankungen wie z. B. die Sarkoidose, Morbus Behcet, SLE oder die CCP (zyklische citrullinierte Peptid)-positive rheumatoide Arthritis können selten mit einer Meningitis einhergehen. In Verdachtsfällen sollten weitergehende rheumatologische Untersuchungen erfolgen.
Therapie
Bakterielle Meningitis
Entscheidend ist der frühzeitige Beginn einer Antibiotikatherapie (Klein et al. 2009). Das Antibiotikum sollte dabei gut die Blut-Liquor-Schranke überwinden können. Bei unbekanntem Erreger wird eine empirische Antibiotikatherapie in Abhängigkeit von Alter und prädisponierenden Faktoren (z. B. Immunsuppression) schnellstmöglich begonnen (Abb. 4). Diese besteht aus einem Cephalosporin der 3. Generation (z. B. Cefotaxim oder Ceftriaxon) und dem gegen Listerien wirksamen Ampicillin (AWMF 2012). Bei Kindern und Kleinkindern (über 2 Monaten und unter 4 Jahren) ist eine Cephalosporinmonotherapie zu empfehlen. Nach erfolgter Erregerbestimmung kann eine spezifische Antibiotikatherapie erfolgen (Tab. 2).
Auch möglich: Rifampicin, Vancomycin (oder Flucloxacillin), Cefazolin, Linezolid
Staphylokokken, methicillinresistent
Vancomycin
Auch möglich: Linezolid, Trimethoprim-Sulfamethoxazol, Rifampicin, Fosfomycin
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Die Dauer der Behandlung liegt bei 7–10 Tagen für N. meningitidis und H. influenzae sowie bei 10–14 Tagen für S. pneumoniae bis hin zu 14–21 Tagen für L. monocytogenes, gramnegative Enterobakterien und Gruppe-B-Streptokokken.
Eine zusätzliche Behandlung mit Dexamethason ist bei erwachsenen Patienten mit klinischem Verdacht auf eine ambulant erworbene bakterielle Meningitis zu empfehlen. Grundlage dieser Behandlung liefert die Metaanalyse (insgesamt 4041 Patienten in 24 Studien) von Brouwer et al. (2010). Dexamethason senkt die Letalität der Pneumokokkenmeningitis und die Häufigkeit schwerer Hörstörungen durch H.-influenzae-Meningitiden ist unter Steroiden erniedrig. Die Dosierung von Dexamethason ist 4-mal 10 mg/Tag über 4 Tage und wird mit der 1. Antibiotikagabe begonnen. Begleitend sollten Magenschutz und Thromboseprophylaxe gegeben werden. Aufgrund der Unwirksamkeit bei Meningokokkenmeningitis sollte bei Nachweis von Meningokokken die Dexamethasontherapie beendet werden.
Zu beachten sind die zunehmenden Antibiotikaresistenzen, z. B. bei Meningokokken finden sich penizillinresistente Erreger in Deutschland (RKI 2021), sodass eine Behandlung mit Penicillin nur bei vorliegendem Antibiogramm erwogen sollte. Aktuell finden sich im deutschsprachigen Raum bei Pneumokokken < 1 % Resistenzen gegen Cephalosporine der Gruppe 3a, was aber z. B. im südeuropäischen Raum anders ist. Daher sollte eine entsprechende Reiseanamnese berücksichtigt werden und gegebenenfalls die Antibiotikatherapie angepasst werden.
Insbesondere bei Pneumokokken muss an eine Durchwanderung bei einem lokalen infektiösen Fokus (Otitis, Sinusitis oder Mastoiditis) gedacht werden, der schnell (innerhalb des 1. Tages) diagnostiziert und operativ saniert werden muss.
Bleibt eine klinische Besserung innerhalb der ersten 2 Tage nach Beginn der Antibiotikatherapie aus, muss nach intrakraniellen Komplikationen oder einem persistierenden infektiösen Fokus gesucht werden. Letztlich gibt es wenig gute Daten zur Behandlung der intrakraniellen Komplikationen einer Meningitis. Da die Komplikationen aber eine Hauptursache der Letalität sind, sollte bei Hirnödem versucht werden, den intrakraniellen Druck zu senken, bei septischen Sinusvenenthrombosen eine Antikoagulation erwogen werden und bei Hinweisen auf Gefäßspasmen versucht werden, den Perfusionsdruck hoch zu halten und gegebenenfalls Nimopepin eingesetzt werden. Ebenfalls sollte bei ausbleibender Besserung das Antibiotikaregime (z. B. unwirksames Antibiotikum oder zu niedrige Dosis) überprüft werden.
Wichtig ist, dass für Meningokokken eine Impfung existiert, die nach den Empfehlungen des RKIs für die passenden Zielgruppen als Prophylaxe angeboten werden kann. Isolierungen, Meldungen und Prophylaxe der Kontaktpersonen sollten nach den Vorgaben des RKI durchgeführt werden (www.rki.de).
Virale Meningitis
Die Impfungen gegen Poliomyelitis, Masern, Mumps und Röteln sind eine geeignete Prävention entsprechender Infektionen des ZNS. Zusätzliche Impfungen gegen Influenza, FSME, Hepatitis B, Gelbfieber und Tollwut können in ausgewählten Gruppen von Patienten ebenfalls sinnvoll sein. Eine Meningitis im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion (Frühsommer Meningoenzephalitis und Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2) ist selten (Elmakaty et al. 2022).
Zur Behandlung einer viralen Meningitis sollte bei Nachweis einer lymphozytären Pleozytose im Liquor und insbesondere bei fokal neurologischen Auffälligkeiten und/oder Bewusstseinsstörung eine empirische Therapie mit Aciclovir erfolgen (Abschn. 7). Dieses sollte bei Nachweis einer Varizella-Zoster-Virus(VZV)- oder Herpes-simplex-Virus(HSV)-Meningitis für 10–14 Tage in einer Dosierung von 3-mal 750 mg i.v. (ggf. an die Nierenfunktion angepasst) weitergeführt werden.
Neuroborreliose
Definition
Die Lymeborreliose ist eine von Zecken übertragene Infektion mit Borrelia burgdorferi sensu lato. Die Erkrankung kann verschiedene Organe betreffen, insbesondere Haut, Gelenke und Nervensystem. Es wird eine frühe Phase mit lokalem und disseminiertem Befall von einer späten Phase mit persistierender Infektion getrennt. Die Krankheit kann jedoch sehr individuell unterschiedlich ablaufen.
Klinik
In der frühen disseminierten Phase können ungefähr 15–20 % der unbehandelt Infizierten eine akute Neuroborreliose entwickeln (innerhalb der ersten 3–4 Wochen nach Infektion). Der am häufigsten beobachtete Symptomenkomplex ist das Bannwarth-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine schmerzhafte Entzündung von Nervenwurzeln und Gehirnnerven, insbesondere eine beidseitige Affektion des N. facialis. Die chronische Neuroborreliose tritt Monate bis Jahre nach der Primärinfektion auf. Mögliche Manifestationsformen sind eine Enzephalitis oder Enzephalomyelitis, zerebrale Vaskulitis, Myositis und die Acrodermatitis-chronica-atrophicans(ACA)-assoziierte Polyneuropathie. Insgesamt sind alle Formen seltene Krankheitsbilder. Bei der Enzephalomyelitis treten am häufigsten spastische Gangstörungen und Blasenentleerungsstörungen auf. Es finden sich aber auch andere fokal-neurologische Symptome. Die borrelienassoziierte Vaskulitis verursacht akute neurologische Ausfälle durch zerebrale Ischämien, am häufigsten im Bereich des Hirnstamms, Thalamus oder Kleinhirns.
Epidemiologie
Die Durchseuchung der Zecken in Europa mit Borrelia burgdorferi beträgt etwa 5–35 %, wobei in Teilen von Süddeutschland von 30–50 % borrelienbefallener Zecken ausgegangen wird. In bevölkerungsbezogenen prospektiven Kohortenstudien für Süddeutschland zeigen sich Jahresinzidenzen zwischen 111 und 260 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner.
Diagnostik
Für den Nachweis einer aktiven (akuten oder chronischen) Neuroborreliose müssen bei passender klinischer Symptomatik im Liquor eine lymphomonozytären Pleozytose, meist begleitet von einer Liquoreiweißerhöhung und oligoklonalen IgG-Banden (Immunglobulin G), in Kombination mit einem erhöhten Borrelia-burgdorferi-spezifischen Liquor-/Serum-IgG-Titer (Stanek et al. 2010) vorliegen. Dies deckt sich mit den Empfehlungen der European Federation of Neurological Societies (Mygland et al. 2010). Die intrathekalen Borrelienantikörper können über Jahrzehnte im Liquor persistieren. Erhöhte Serum-IgG- oder -IgM-Antikörpertiter gegen Borrelia burgdorferi finden sich in hoher Prävalenz in der Normalbevölkerung insbesondere von Endemiegebieten und sind kein Beweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen einer Borrelieninfektion und einer neurologischen Symptomatik. Weitere Nachweismethoden sind PCR (Polychain Reaction) und Kultur, die aber in ihrer Sensitivität gering sind.
Differenzialdiagnostik
Die Differenzialdiagnosen hängen von den verschiedenen Bildern und Ausprägungen der Neuroborreliose ab. Das Bannwarth-Syndrom muss von Fazialisparesen anderer Ursachen bzw. die radikulären Schmerzen von z. B. einer Zosterradikulitis, einem Bandscheibenvorfall oder eine Polymyalgia rheumatica differenziert werden. Akute meningitische Syndrome habe eine Reihe von Differenzialdiagnosen (Abschn. 2.5), auch müssen enzephalitische und vaskulitische Stadien der Neuroborreliose z. B. von einer multiplen Sklerose, zerebralen Vaskulitis, Neurosarkoidose oder Neurosyphilis abgrenzt werden.
Therapie
Borrelien sind sensibel gegenüber Cephalosporinen, Penizillinen und Tetrazyklinen. Eine Resistenz gegenüber Antibiotika ist bisher nicht bekannt. In kleinen prospektiven Therapiestudien bei der Neuroborreliose waren Penicillin G, Cefotaxim, Ceftriaxon und Doxycyclin wirksam. Das in Kliniken gängigste Antibiotikum zur Therapie der Neuroborreliose ist Ceftriaxon (2 g/Tag i.v.). Die akute Neuroborreliose wird über 14 Tage, die chronische Neuroborreliose meist über 3 Wochen behandelt.
Eine Antibiotikatherapie sollte nur erfolgen, wenn klare Hinweise auf eine aktive Neuroborreliose vorliegen (Abschn. 3.4).
Neurosyphilis
Definition
Die Syphilis/Neurosyphilis erlebt seit Beginn der 2000er-Jahre in manchen Regionen wie Berlin oder Hamburg eine Renaissance. In vielen Metropolregionen beobachtet man einen beträchtlichen Anstieg der Neuerkrankungsrate. Die Syphilis kann in ein Primär-, Sekundär-, und Tertiärstadium unterteilt werden.
Klinik
Im Primärstadium finden sich keine neurologischen Symptome. Im Sekundärstadium kann eine leichte Meningitis auftreten, die sowohl von Hirnnervenausfällen (klassischerweise des VIII. Hirnnervs mit Schwindel, Hörstörung und Nystagmus, des VII. Hirnnervs mit fazialer Parese und des III. Hirnnervs mit Augenmuskelparesen) als auch von einer Polyradikulitis begleitet sein kann. Häufig finden sich zusätzlich unspezifische Symptome wie Abgeschlagenheit, Kopfschmerz, Müdigkeit, reduzierter Leistungsfähigkeit oder Konzentrationsschwächen. Vaskulitische Infarkte insbesondere des Hirnstammes gehören sowohl zum Sekundär- als auch Tertiärstadium. Teile der Symptome treten schubförmig mit Phasen der Verbesserung und Verschlechterung auf. Letztlich können Patienten im Sekundärstadium aber auch völlig asymptomatisch sein, sodass die Neurosyphilis nur über zufällig bei der Liquoruntersuchung auffällige leichte Pleozytose und/oder oligoklonales IgG diagnostiziert wird.
Der Beginn der tertiären Stadien mit entsprechender Symptomatik ist typischerweise 4–7 Jahre nach der Infektion. Die heutzutage häufigste Manifestationsform ist die meningovaskuläre Neurosyphilis. Häufige initiale Symptome sind Visus- und Gesichtsfeldstörungen, Schwindel, vaskulitische Infarkte mit Mono- oder Hemiparesen oder Hemihypästhesien. Im Verlauf kommt es zu einer Symptomkombination sowie spinalen Syndromen, Epilepsie und zum Teil schweren hirnorganischen Psychosyndromen.
Zwei mittlerweile sehr seltene Sonderformen (nach Einführung der Antibiotika), die erst spät (bis zu 25 Jahren nach der Infektion) auftreten, sind die tabische Neurosyphilis (Tabes dorsalis) und die paralytische Neurosyphilis (progressive Paralyse). Als klassisch für die Tabes dorsalis gelten die einschießenden (lancierenden) Schmerzen primär in die Beine, aber auch abdominelle Schmerzkrisen können vorkommen. Im weiteren Verlauf treten mehr spinale Symptome hinzu (Reflexabschwächung, Gangstörungen, Pallhypästhesie und Blasen oder Mastdarmstörungen), aber auch die Argyll-Robertson-Pupille, eine reflektorische Pupillenstarre, zum Teil in Kombination mit einer Optikusatrophie. Bei langjährigem Verlauf können Skelettdeformitäten auftreten. Die lancierenden Schmerzen und viele der spinalen Symptome bleiben trotz Therapie bestehen. Im Vordergrund der progressiven Paralyse steht der kognitive Abbau in Verbindung mit psychiatrischen Symptomen. Es finden sich aber auch Teile der bei der Tabes dorsalis vorkommenden Symptome.
Epidemiologie
Die Inzidenz von registrierten Syphilisneuinfektionen hat sich in von 2009–2019 von 3828 auf 7922 in etwa verdoppelt (9,52/100.000). Dieser Anstieg findet sich insbesondere in Großstädten und war während der Coronapandemie leicht rückläufig (RKI 2020). Männer infizieren sich 12-mal häufiger als Frauen. Das höchste Risiko liegt dabei bei homosexuellen Männern. Eine HIV-Koinfektion ist häufig. Von den an Syphilis Erkrankten entwickeln ca. 5–10 % Jahre bis Jahrzehnte später eine Neurosyphilis, wobei die Zahl und Geschwindigkeit bei einer HIV-Koinfektion steigt.
Diagnostik
Zur Diagnose einer Neurosyphilis gehören das klinische Bild, auffällige entzündlich veränderte Liquorbefunde mit Pleozytose, Proteinerhöhung und/oder IgG-dominanter Immunreaktion und ein positiver TPHA-Test und FTA-ABS-Test (Treponema-pallidum-Hämagglutination und Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorbens) im Serum. Bewiesen wird die Neurosyphilis durch intrathekal produzierte Treponema-pallidum-Antikörper mit einem Liquor-Serum-Indexwert > 3 (> 2 wahrscheinlich und > 3 sicher). Ein weiteres Kriterium ist der positive Einfluss einer Antibiotikatherapie auf den Krankheitsverlauf und die Liquorveränderungen.
Differenzialdiagnostik
Aufgrund der sehr bunten klinischen Bilder sind die Differenzialdiagnosen mannigfaltig. Zusätzlich hat jedes Stadium seine eigenen Differenzialdiagnosen. Ähnlich wie bei Neuroborreliose müssen lokale Hirnstammprozesse mit Hirnnervenausfällen, radikuläre Syndrome oder andere Ursachen einer Meningitis überlegt werden. In den späteren Stadien kommen andere Ursachen chronisch entzündlicher Enzephalomyelopathien infrage.
Therapie
Bei Verdacht auf Neurosyphilis sollte eine Therapie begonnen werden. Insbesondere bei einer Koinfektion mit HIV kann es vorkommen, dass die Suchtests negativ sind. Hier müssen das klinische Bild und der Liquorbefund die Therapie indizieren. Die 1. Wahl bei Neurosyphilis ist intravenöses Penicillin G 6-mal 3–4 Mio. IE (oder 5-mal 5 oder 3-mal 10 Mio. IE) für mindestens 18 Tage (French et al. 2009). Ebenfalls etabliert ist 2 g Ceftriaxon/Tag i.v. (Initialdosis 4 g) über 10–14 Tage. Als Ausweichpräparate können Doxycyclin (2-mal 200 mg/Tag für 28 Tage) oder Chloramphenicol erwogen werden.
Die Jarisch-Herxheimer-Reaktion tritt bei Patienten mit Neurosyphilis nur in 1–2 % der Fälle auf. Therapieerfolge können klinisch, über den Liquor- und den VDRL-Test („venereal disease research laboratory test“) kontrolliert werden.
Neurotuberkulose
Definition
Neben der tuberkulösen Meningitis gibt es weitere, weniger häufige und oft schwierig zu diagnostizierende ZNS-Manifestationen der Tuberkulose. Unterschiedliche Teile des Gehirns können in einen granulomatösen Entzündungsprozess einbezogen sein. Es können Einschmelzungen (Abszesse) entstehen oder die Tuberkulose kann sich primär oder begleitend als Vaskulitis darstellen.
Klinik
Je nach Befallsmuster von ZNS-Strukturen bestehen unterschiedliche neurologische Symptome. Diese treten zum Teil auch schubförmig mit Phasen zeitweiser Verbesserung auf.
Diagnostik
Die Diagnose ist häufig sehr schwierig, oft besteht auch an anderen Orten eine Organtuberkulose. Gelegentlich wird im Rahmen einer Hirnbiopsie eine Tuberkulose diagnostiziert. Bei der Liquoruntersuchung kann eine leichte Pleozytose, Eiweißerhöhung oder oligoklonales IgG diagnostiziert werden. Diese Veränderungen können aber auch fehlen. Auch bei sorgfältiger Diagnostik (Kultur, PCR) gelingt ein Erregernachweis im Liquor oder Biopsat nicht immer. Oftmals ist anhand von klinischen, Bildgebungs- (Abb. 5) und Laborbefunden nur eine Verdachtsdiagnose möglich.
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Differenzialdiagnostik
Aufgrund der sehr verschiedenen klinischen Präsentationen sind die Differenzialdiagnosen vielgestaltig. Alle anderen Ursachen chronisch entzündlicher Enzephalopathien, aber auch raumfordernde Prozesse, wie hirneigene Tumoren oder Metastasen, kommen infrage.
Therapie
Bei Verdacht auf Neurotuberkulose muss eine Therapie begonnen werden. Eine probatorische Therapie mit Tuberkulostatika, gegebenenfalls auch mit zusätzlicher Steroidgabe, ist dann oft diagnostisch und sollte den Krankheitsverlauf und gegebenenfalls auch die Liquorveränderungen positiv beeinflussen. Hierfür muss aber oft über Monate therapiert werden. Entsprechend internationaler Leitlinien sollte mit einer tuberkulostatischen 4-fachkombinationstherapie begonnen werden, die je nach Erregerempfindlichkeit und klinischem Ansprechen im Verlauf angepasst wird. Die Standardkombination Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol und Pyrazinamid muss für zunächst 3 Monate, Isoniazid und Rifampicin zur Konsolidierung für weitere 6–9 Monate gegeben werden.
Hirnabszesse
Definition
Der Hirnabszess entsteht durch hämatogene Streuung von Bakterien oder bei direkter Durchwanderung aus benachbarten Strukturen (z. B. Nasennebenhöhlen oder Ohr, aber auch bei offenen Schädel-Hirn-Traumen oder chirurgischen Eingriffen). Es entsteht erst eine fokale Enzephalitis/Zerebritis, die im weiteren Verlauf durch Begrenzung der Entzündung durch eine Bindegewebskapsel zu einer lokalen Eiteransammlung – dem Abszess – führt.
Klinik
Kopfschmerzen als Initialsymptom sind häufig gepaart mit Allgemeinsymptomen wie Abgeschlagenheit, Fieber, leichten Vigilanzminderungen, Übelkeit und Erbrechen. Bei ca. 30 % der Patienten kommt es zu epileptischen Anfällen und/oder neurologische Herdsymptome wie Hemiparesen. Der Verlauf ist meist subakut.
Diagnostik
Allgemeine Entzündungszeichen im Labor wie das CRP sind in den überwiegenden Fällen erhöht. Wichtige Untersuchungsmethoden zur Diagnosestellung sind die kranielle Computertomografie (cCT) oder die Magnetresonanztomografie (cMRT) mit Kontrastmittel. Im Weiteren kann mithilfe diffusionsgewichteter (DWI und DTI) MR-Sequenzen meistens ein Hirnabszess von anderen zystischen Läsionen wie hirneigenen Tumoren differenziert werden (Reiche et al. 2010). Das cMRT ist in seiner Sensitivität dem cCT überlegen. Eine Erregeridentifikation kann über Punktion oder Drainage des Abszesses bzw. eine Abszessexzision, möglicherweise auch durch eine Blutkultur erfolgen. Eine Fokussuche (z. B. Endokarditis oder Sinusitis) und Suche nach Risikofaktoren (wie z. B. eine Immunschwäche oder einen i.v.-Drogenabusus) gehören ebenfalls zur Diagnostik.
Differenzialdiagnostik
Verschiedene hirneigene Tumoren, Metastasen oder Lymphome können in der Abgrenzung schwierig sein. Das Erregerspektrum des Hirnabszesses besteht verzugsweise aus Streptokokken, etwas seltener Staphylokokken, Anaerobiern oder gramnegativen Enterokokken oder Pseudomonaden. Mischinfektionen kommen vor. Das Erregerspektrum ändert sich bei Immunsuppression (Abschn. 8 und 10.2) oder nach Reisen in tropische Gebiete (Abschn. 9.3 und 9.4). Die bei immunsupprimierten Patienten immer häufiger auftretenden Nokardienabszesse müssen langfristig antibiotisch behandelt werden.
Therapie
In der Regel wird eine kombinierte Behandlung des Abszesses (Abszess > 2,5 cm) bestehend aus einer Abszessaspiration und einer antibiotischen Therapie empfohlen (Leitlinien DGN; Sonneville et al. 2017). Eine offene Abszessentfernung kann bei gekammertem Abszess, Fremdkörpern, ausgeprägter Raumforderung oder Fisteln notwendig werden. Sollten multiple oder schlecht erreichbare Abszesse bzw. eine Zerebritis vorliegen, bleibt die alleinige Antibiotikatherapie als einzige Option. Diese wird bei nichtnosokomialen, unbekannten Erregern mit einem Cephalosporin der 3. Generation (z. B. Ceftriaxon 2-mal 2 g/Tag i.v.), Metronidazol (3-mal 0,5 g/Tag i.v.) und einem gegen Staphylokokken wirksamen Antibiotikum (z. B. Vancomycin oder Flucloxacillin) begonnen. Bei vermuteten Krankenhauskeimen kann alternativ Meropenem (3-mal 2 g/Tag i.v.) und Vancomycin (2-mal 1 g/Tag i.v.), in Einzelfällen bei Nachweis von MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) in Kombination mit Linezolid (2-mal 600 mg/Tag) sinnvoll sein. Die Behandlungsdauer ist abhängig vom Verlauf und sollte mindestens 4–8 Wochen betragen. Bei gutem Verlauf können die Antibiotika oralisiert werden.
Durch Nocardia spp. wie auch Aspergillus spp. verursachte Hirnabszesse erfordern eine langdauernde antibiotische Behandlung (≥ 1 Jahr) (Wang et al. 2014; Lange et al. 2020). Wirksame Präparate bei Nokardien sind oft Meropenem, Linezolid, Cotrimoxazol und Amoxicillin/Clavulansäure, während bei Immunsupprimierten oder beim Verdacht auf einen zusätzlich Pilzabszess z. B. Voriconazol 2-mal 0,2 g i.v. eingesetzt werden sollte.
Bei ausgeprägtem Ödem und kritischen zerebralen Raumverhältnissen ist eine adjuvante Therapie mit Kortikosteroiden indiziert. Epileptische Anfälle können z. B. mit Levitirazetam, Valproat oder Phenytoin therapiert werden.
Enzephalitis und Myelitis
Definition
Infektiöse Enzephalitiden sind gekennzeichnet durch einen direkten Befall des Gehirns durch einen Erreger und die damit verbundene progrediente Funktionseinschränkung des zentralen Nervensystems. Beim Befall des Myelons, der Myelitis, kommt es aufgrund der topografischen Nähe der langen Bahnsysteme häufig zum Befall verschiedener Systeme (z. B. Vorderseitenstrang und Pyramidenbahn). Insbesondere bei viralem Befall kann es schwierig sein, zwischen einer direkt durch das Virus verursachten Schädigung des Rückenmarks und einer sekundär immunvermittelten Schädigung zu unterscheiden (Übersicht in Andersen 2000).
Klinik
Enzephalitiden beginnen meist mit einem kurzen Prodromalstadium mit Abgeschlagenheit, Fieber und Kopfschmerzen. Diesem folgt häufig eine Mischung aus Bewusstseinsstörungen, neurologischen Ausfällen, psychiatrischen Auffälligkeiten und epileptischen Anfällen, wobei in einzelnen Fällen nur ein Symptom vorliegen kann. Letztlich können sich bei progredienter Klinik Hirndruck und Koma entwickeln. Bei prominenten neurologischen Herdsymptomen muss auch an eine Herdenzephalitis z. B. im Rahmen einer Endokarditis gedacht werden. Ohne Behandlung können Symptome über Monate anhalten, und insbesondere HSV-vermittelte Enzephalitiden haben eine hohe Letalität: ohne Behandlung ca. 70 %, mit Behandlung zwischen 10 und 20 %.
Myelitiden entwickeln sich typischerweise über den Zeitraum von Stunden bis Tagen mit zunehmenden Symptomen. Symptome umfassen dabei motorische Ausfälle mit schlaffen Paresen auf Läsionshöhe und spastischen Paresen in darunterliegenden Segmenten durch Affektion der Pyramidenbahnen. Ebenso können sensible Symptome (z. B. Hypästhesien, Dysästhesie, Thermhypästhesien) durch Verletzung der Hinterstränge oder Vorderseitenstränge dazu kommen. Die Verteilung kann sich als Querschnitt, halbseitig oder segmental präsentieren.
Epidemiologie
Enzephalitiden können in jedem Alter auftreten. Die häufigsten Erreger sind Viren, seltener Bakterien, Parasiten oder Pilze. Insbesondere verschiedene Herpesviren wie Herpes-simplex-Virus (HSV) 1, seltener HSV 2, oder das Varizella-Zoster-Virus (VZV) sind Erreger von Enzephalitiden. Daneben kommen aber auch andere Virusinfektionen, wie etwa Influenza, die durch Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), HIV, Tollwut, Masern, Röteln und Mumps vor. Das Japanische Enzephalitis-B-Virus (JEV) aus der Familie der Flavi-Viren sowie das Toskana-Virus (Phleboviren), das West-Nil-Virus, das Nipah-Virus aus der Familie der Paramyxoviren treten auch bei uns als Erreger von Encepahalitiden zunehmend häufiger auf. Bei immunsupprimierten Patienten muss auch die Möglichkeit einer JC(John Cunningham)-Virus Infektion mit einer progressiven, multifokalen Leukenzephalopathie (PML) in Betracht gezogen werden (s. Abschn. 10.3). Bakterielle Erreger sind beispielsweise Listerien, Samonella typhus, Treponema pallidum oder Borrelien.
In der westlichen Welt sind die häufigsten Erreger akuter viraler Myelitiden Coxsackie-A- und -B-Viren, ECHO(enteric cytopathogenic humanorphan)-Viren, VZV und FSME-Viren. Bei immunsupprimierten Patienten (z. B. bei HIV-Infektion) können Myelitiden durch HSV und/oder das Zytomegalievirus (CMV) sowie VZV hervorgerufen werden. Sehr selten kommen auch Influenzavirus Typ A, Rötelnvirus und das West-Nil-Virus als Auslöser einer Myelitis in Betracht. In Ländern ohne ausreichenden Impfschutz muss bei schlaffen Paresen der Befall der α-Motoneurone durch das Poliovirus (Poliomyelitis) bedacht werden.
Der Erreger der tropischen spastischen Paraparese ist das humane T-Zell-lymphotrope Virus Typ 1 (HTLV-1) (Osame et al. 1986). Diese HTLV-1-assoziierte Myelopathie kommt in tropischen Ländern vor und muss insbesondere bei Migranten und Patienten mit Reisetätigkeit in diesen Ländern erwogen werden.
Myelitiden können auch durch bakterielle Erreger wie z. B. Mykoplasmen, Chlamydien, Mykobakterien, Borrelien und Treponemen verursacht werden.
Diagnostik
Bei hohem Fieber spricht eine relative Lymphozytose bei normalen bis leicht erhöhten CRP- sowie unauffälligen Procalcitoninwerten für eine virale Genese der Myelitis/Enzephalitis (Steiner et al. 2010). Entscheidend für die Diagnose ist der Liquor, durch den – ähnlich wie bei der Meningitis –Differenzierungen zwischen einem viralen oder bakteriellen Befall getroffen werden können (Abschn. 2). Gelegentlich finden sich in den ersten 12–24 h auch polymorphkernige Pleozytosen bei HSV oder ECHO(enteric cytopathogenic humanorphan)-Viren. Bei einer Kontrollpunktion sollte sich jedoch das Zellbild zunehmend in Richtung einer Lymphozytose verschieben. Mit der PCR aus dem Liquor kann der Nachweis bei Virusinfektionen gelingen. Insbesondere die HSV- und Enterovirus-PCR haben eine hohe Sensitivität (95–100 %) und Spezifität (97–100 %). Trotzdem kann die HSV-PCR aber innerhalb der ersten 24 h negativ sein und sollte bei klinischem Verdacht erneut wiederholt werden sowie eine Therapie auch nicht verzögern. Bei der klassischen HSV-Enzephalitis finden sich schon frühzeitig die in der MRT typischen hyperintensen Veränderungen in den Temporallappen (Abb. 6).
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Differenzialdiagnostik
Eine sorgfältige Anamnese ist für die Differenzialdiagnose entscheidend. Die Diagnose einer Enzephalitis erfordert den Ausschluss von anderen Erkrankungen mit Bewusstseinsstörungen und fokalen neurologischen Herdsymptomen (z. B. Sinusvenenthrombosen, metabolisch-toxischen Enzephalopathien oder parameningeale Abszesse und Empyeme).
Insbesondere bei den Myelitiden kann die Differenzierung zwischen infektiös und parainfektiös schwierig sein. Für eine parainfektiöse Ätiologie spricht eine Infektion oder Impfung in den vorausgegangenen 1–4 Wochen, meist gefolgt von einem freien Intervall vor Einsetzen der neurologischen Symptomatik (z. B. bei Masern, Windpocken, Herpes zoster, Mumps, Röteln, Influenza, Mononukleose oder auch nach Impfungen wie etwa gegen Pocken, Gelbfieber, Influenza oder Tollwut). In diesen Fällen bleiben in aller Regel Erregerkultur und Liquor-PCR ohne Erregernachweis.
Weitere wichtige Differenzialdiagnose sind autoimmune Entzündungen. Hierzu zählen für die Enzephalitis die autoantikörperassoziierte autoimmune Enzephalopathien. Diese Antikörper binden Antigene des zentralen Nervensystems wie z. B. ligandengesteuerte Ionenkanäle (NMDA-, AMPA-, GABA-, Glycinrezeptoren) oder ionenkanalassoziierte Proteine (LGI1), die zur Funktionseinschränkung der synaptischen Transmission und Plastizität und damit zu epileptischen Krampfanfällen sowie neuropsychiatrischen Symptomen wie Störungen des Neugedächtnisses, der Kognition und/oder affektiven Störungen bis zur Psychose als Zeichen einer limbischen Enzephalitis führen können. Ähnliche Symptome können auch durch paraneoplastische Syndrome (z. B. Anti-Hu) induziert werden. Zu den weiteren akuten autoimmunen Differenzialdiagnosen zählt die akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM), die dem Formenkreis der multiplen Sklerose zugerechnet wird. Sie weist in der MRT meist große, demyelinisierende Läsionen auf, heilt aber häufig komplett aus.
Als autoimmune Differenzialdiagnose der Myelitis sind sowohl die multiple Sklerose als auch die Aquaporin-4-Antikörper-positive Neuromyelitis optica (Devic-Syndrom) zu berücksichtigen.
Therapie
Am besten ist die Wirksamkeit von Aciclovir bei der Herpesenzephalitis belegt.
Nukleosidanaloga (Aciclovir, Brivudin, Ganciclovir, Famciclovir, Valaciclovir) hemmen die viralen DNA-Polymerase und damit die Replikation des Virus. Die Wirkung ist spezifisch, da die aktive Form der Nukleosidanaloga von der Phosphorylierung durch die virale Thymidinkinase abhängt. Wirksam ist diese Form der Behandlung bei Viren der Herpesgruppe HSV-1, HSV-2, EBV (Herpes simplex Virus-1, -2, Epstein-Barr-Virus), VZV und CMV.
Je früher die Therapie der Herpes-simplex-Enzephalitis erfolgt, umso besser sind die Behandlungsaussichten (Whitley und Gnann 2002). Deswegen muss eine empirische Therapie mit Aciclovir begonnen werden, falls der klinische Verdacht einer Herpesenzephalitis besteht. Die Therapie sollte bei positiver Diagnose für 14–21 Tage durchgeführt werden. Die Dosierung von Aciclovir liegt bei 10 mg/kg Körpergewicht (KG) alle 8 h. Bei Niereninsuffizienz muss die Dosis angepasst werden. Sollte eine Aciclovirallergie vorliegen bzw. bei Nichtansprechen einer Aciclovirtherapie kann Foscarnet in einer Dosierung von 90 mg/kg KG alle 12 h eingesetzt werden.
Kontrollierte Studien zur Behandlung der EBV-Enzephalitis existieren nicht. Therapeutisch können sowohl Aciclovir und Ganciclovir eingesetzt werden.
Insbesondere bei HIV-Patienten mit positiver EBV-PCR im Liquor und unklaren Veränderungen in der MRT sollte ein primäres Lymphom des ZNS z. B. durch FACS-Analyse (Fluorescence Activated Cell Sorting) oder stereotaktische Hirnbiopsie ausgeschlossen werden. Für die Behandlung von Influenzaenzephalitiden stehen Zanamivir (inhalativ), Oseltamivir (oral) und Peramivir (i.v.) zur Verfügung.
Pilzinfektionen des ZNS
Definition
Pilzinfektionen treten meist bei abwehrgeschwächten Patienten (z. B. HIV), langfristig Immunsupprimierten oder bei schweren Grunderkrankungen (z. B. Malignome, Diabetes mellitus) auf. Dies gilt hauptsächlich für die Hefen (Candida und Cryptococcus) und Schimmelpilze (Aspergillus und Mucorales) während die in Europa seltenen dimorphe Pilze (Coccidioides, Blastomyces und Histoplasma) auch bei immunkompetenten Personen pathogen sein können. Der Befall des ZNS erfolgt typischerweise hämatogen, seltener durch eine lokale Durchwanderung aus den Nasennebenhöhlen.
Klinik
Der Befall des ZNS äußert sich häufig als akute bis chronische (abhängig vom Immunstatus) Meningoenzephalitis. Auch reine Meningitiden genauso wie intrakranielle Raumforderungen durch Granulome, Abszesse oder Zysten kommen vor. Die häufigste Pilzinfektion des ZNS, insbesondere im Zusammenhang mit HIV, ist die Kryptokokkose. Sie beginnt meist einige Wochen nach der Primärinfektion mit bitemporalen Kopfschmerzen. Die sich entwickelnde Meningoenzephalitis kann zu basalen Hirnnervenausfällen und Schädigung des N. opticus führen. Entscheidend für die Morbidität und Mortalität sind die zum Teil krisenhaft auftretenden Hirndrucksteigerung, die bei mehr als 50 % der Erkrankten beobachtet werden und die hohe Mortalität erklären (Graybill et al. 2000).
Eine weitere wichtige Pilzinfektion bei Immungeschwächten ist die oft nosokomial erworbene Aspergillose. Diese führt am ehesten zu Hirnabszessen oder Granulomen, die durch Fortleitung der Infektion aus den Nebenhöhlen entstehen können. Bei multiplen Abszessen muss an einen hämatogen Streuherd z. B. in der Lunge gedacht werden. Seltener treten bei der Aspergillose Meningitiden und Ventrikulitiden auf. Durch hämatogene Aussaat kann es in den zerebralen Gefäßen zu mykotischen Aneurysmen oder im Parenchym zu Infarkten oder Einblutungen kommen. Das klinische Erscheinungsbild besteht deswegen neben allgemein enzephalitischen Symptomen wie Wesensveränderungen und Bewusstseinsstörungen typischerweise aus fokalen Symptomen wie fokalen und sekundär generalisierten, epileptischen Anfällen und/oder fokal neurologischen Ausfällen.
Bei der Kandidiasis sind zentralvenöse Katheter oder ventrikuloperitoneale Shunts relevante Infektionsquellen. Die Beteiligung des ZNS ist selten und erfolgt in Form von hämatogen gestreuten Mikroabszessen. Die Mukormykose ist ein Befall durch Mucorales, einen ubiquitär vorkommenden Schimmelpilz. ZNS-Infektionen sind selten und begrenzt auf immunsupprimierte oder chronisch kranke Patienten. Die Erkrankung verläuft subakut mit Kopfschmerzen, fokal neurologischen Ausfällen und Bewusstseinsstörungen. Andere Pilze wie Coccidioides, Blastomyces und Histoplasma kommen hauptsächlich auf dem amerikanischen Kontinent vor. Auch bei ihnen ist die Beteiligung des ZNS selten und besteht meist aus basalen Meningitiden, Meningoenzephalitiden oder vereinzelt Abszessen.
Diagnostik
Der Nachweis einer Kryptokokkose erfolgt im Serum über den Antigennachweis (Latextest) sowie im Liquor über Mikroskopie (Tuschepräparat), Antigennachweis und Kultur. Für die Kandidiasis sollte im Serum der Antigennachweis (Latextest) und aus Liquor, Blut und Urin eine Kultur angelegt werden. Bei der Aspergillose ist der Nachweis generell schwierig, kann aber über eine bronchoalveoläre Lavage, gegebenenfalls Biopsie (Lungenherd, Hirnabszess) mit Anlage einer Kultur, und durch Mikroskopie gelingen. Ergänzend kann der serologische Nachweis des Galactomannanantigens erfolgen. Die Zygomykose ist ebenfalls nur schwierig mit Biopsie oder Abstrich z. B. aus den Nasennebenhöhlen nachzuweisen.
Differenzialdiagnostik
Wichtig ist die Abgrenzung gegenüber anderen subakut bis chronisch verlaufenden basalen Meningitiden und Meningoenzephalitiden (z. B. der tuberkulösen Meningitis oder der Neurosarkoidose). Aber auch andere Krankheiten wie die idiopathische hypertrophe Pachymeningitis oder Meningeosis carcinomatosa können sich mit ähnlichen klinischen Bildern präsentieren.
Therapie
Verweilkatheter sollten bei im Krankenhaus erworbenen ZNS-Mykosen gewechselt werden. Bei schweren Krankheitsbildern und dem Verdacht einer ZNS-Mykose sollte sofort eine Behandlung mit Amphotericin B (0,7 mg/kg KG/Tag) und Flucytosin (100–150 mg/kg KG/Tag) erfolgen. Nach dem Ergebnis der Resistenzbestimmung kann die Behandlung gegebenenfalls umgestellt werden. Liposomal gebundenes Amphotericin B scheint eine geringere Toxizität bei gleichwertiger bis besserer antimykotischer Wirkung zu haben, sodass es eine Alternative zum konventionellen Amphotericin B darstellt. Es fehlen aber bisher die Vergleichsstudien. Die Prognose einer Aspergillose kann durch neurochirurgische Abszessresektion in Kombination mit Voriconazol gebessert werden (Schwartz et al. 2005). Voriconazol ist bei der Behandlung von Aspergillosen wirksamer als Amphotericin B. Dementsprechend sollte bei invasiver Aspergillose Voriconazol am 1. Tag mit 12 mg/kg KG/Tag, dann mit 8 mg/kg KG/Tag i.v. eingesetzt werden.
Die Dauer der Behandlung ist abhängig von der klinischen Entwickelung, sollte jedoch in der Regel für 2 Wochen in der Doppelbehandlung (Amphotericin B und Flucytosin i.v.) durchgeführt werden. Danach kann oral z. B. mit Fluconazol (400–800 mg/Tag) für 4 Wochen weiterbehandelt werden (alternativ auch 4 Wochen Voriconazol oral). Der Liquor kann als Erfolgskontrolle dienen und sollte für 2–4 Wochen keine entzündlichen Veränderungen mehr aufweisen, bevor die Medikamente endgültig abgesetzt werden. Für immunsupprimierte Patienten oder bei Aspergillose ist eine Rezidivprophylaxe mit Fluconazol (200–400 mg/Tag) oder Itraconazol (200–400 mg/Tag) sinnvoll.
Wichtig ist die Beachtung von Nebenwirkungen, die zu einer Dosisreduktion führen können. Bei Amphotericin B liegt die kumulative Dosis nach erfolgter Therapie bei 1,5–2 g. Bei einer kumulativen Dosis von 4 g besteht die Gefahr einer irreversiblen Nephropathie, die deswegen auch nicht überschritten werden sollte. Bei schwer erkrankten Patienten oder zur Rezidivbehandlung kann eine intrathekale Gabe von Amphotericin B überlegt werden.
Parasitäre Infektionen
Amöbenenzephalitis
Definition
Eine akzidentelle Infektion durch die freischwimmenden Süßwasseramöben der Gattung Acanthamoeba spp. oder durch Naegleria fowleri führt zu einer nahezu immer tödlich verlaufenden Meningoenzephalitis. Durch Inhalation beim Schwimmen oder Wassersport kommt es zu einer aszendierenden Infektion des Gehirns entlang der Riechnerven.
Epidemiologie
Betroffen sind fast immer Kinder und Jugendliche, diese haben auch das höchste Expositionsrisiko. Infektionen durch freilebende Amöben sind sehr selten.
Klinik
Es kommt zu einer plötzlich einsetzenden schweren Meningoenzephalitis mit rascher Bewusstseinseintrübung, die sich klinisch nicht von einer Meningoenzephalitis anderer Genese unterscheiden lässt.
Diagnostik
Im Liquor findet sich eine eitrige Meningitis. Diagnostisch ist der direkte mikroskopische Erregernachweis in der Lumbalpunktion.
Differenzialdiagnostik
Andere akut bis subakut verlaufende, fieberhafte Meningitiden und Meningoenzephalitiden müssen aufgrund der therapeutischen Konsequenz abgegrenzt werden.
Therapie
Der Wert einer antiinfektiven Therapie ist nicht klar etabliert. Therapieversuche mit Amphotericin B, Pentamidin, Azithromycin und Rifampicin, zum Teil in Kombination, sind möglich. Daneben sollte der Hirndruck mit z. B. Mannitol oder Dexamethason behandelt werden.
Zerebrale Malaria
Definition
Bei der zerebralen Malaria handelt es sich um eine Beteiligung des zentralen Nervensystems bei generalisierter Malariaerkrankung. Funktionelles Korrelat der zerebralen Malaria ist die Adhäsion von parasiteninfizierten Erythrozyten an Kapillarendothelien im ZNS. Dies führt zu einer Verlegung der Gefäße mit Ischämie und zu einer Kapillaritis mit Ödembildung. Nach antiparasitärer Behandlung sind diese Veränderungen in der Regel reversibel.
Epidemiologie
Eine zerebrale Beteiligung bei einer Malaria kommt meist nur bei der Malaria tropica, selten bei Malaria tertiana, vor und stellt die schwerste Komplikation einer Malaria dar. Eine zerebrale Malaria kommt bei ca. 1–3 % der Patienten mit Malaria tropica vor. Betroffen sind in den Hochendemiegebieten fast ausschließlich Kinder, allerdings können nichtimmune Erwachsene, z. B. Reisende, ebenso schwer erkranken. Die zerebrale Malaria ist die Hauptursache für die Sterblichkeit an Malaria tropica.
Klinik
Fieber und klinische Hinweise auf eine Beteiligung des ZNS bei Nachweis von Malariaparasiten im Blut kennzeichnen die Erkrankung. Typisch sind Bewusstseinsstörungen unterschiedlicher Ausprägung, Verwirrtheitszustände bis hin zur Psychose, Krampfanfälle, Koma oder Lähmungen, zum Teil mit Halbseitensymptomatik.
Diagnostik
Die Diagnose wird klinisch und durch den Nachweis von Malariaparasiten im Blut gestellt. Bei Fieber und neurologischen Symptomen muss eine Liquorpunktion zum Ausschluss einer sonstigen Meningitis erfolgen. Bei der Malaria findet sich allenfalls eine geringe Pleozytose und Schrankenstörung. Bei Verschlechterung des Bewusstseins oder Auftreten neuer neurologischer Symptome muss eine CT oder MRT Kopfes erfolgen (Differenzialdiagnose intrazerebrale Blutung oder Hirnödem).
Differenzialdiagnostik
Wichtig ist die Abgrenzung gegenüber anderen akut bis subakut verlaufenden, fieberhaften Meningitiden und Meningoenzephalitiden. Aber auch andere Krankheiten wie die Epilepsien anderer Genese, Hämorrhagien, Vaskulitis und ischämische ZNS-Erkrankungen können sich gleichartig präsentieren.
Therapie
Antiparasitäre Chemotherapie
Die antiparasitäre Chemotherapie sollte mit dem Artemisinderivat Artesunate in einer Dosierung von 2,4 mg/kg KG (ohne „loading dose“) über 3 Tage als Bolus über etwa 5 min (jeweils initial und nach 12, 24, 48 und 72 h) intravenös gegeben werden. Alternativ kann bei Nichtverfügbarkeit von Artesunate eine Therapie mit 3-mal täglich Chinin 10 mg/kg KG i.v. oder oral über jeweils 8 h („loading dose“: 20 mg/kg KG über 4 h) und zusätzlich Doxycyclin 100 mg/Tag (3 mg/kg KG) oder Clindamycin 3-mal 600 mg (3-mal 5 mg/kg KG) erfolgen.
Hierbei sind Nebenwirkungen wie Hypoglykämie, Tinnitus, Hör- und Sehstörungen, Übelkeit, Lebertoxizität, Herzrhythmusstörungen (Extrasystolen, Sinusbradykardie, ventrikuläre Tachykardie) nicht selten. Überlappend oder im Anschluss an die intravenöse Therapie muss zur anhaltenden Parasiteneradikation eine Nachbehandlung mit einem für die unkomplizierte Malaria empfohlenen Antimalariamittel (z. B. Atovaquon/Proguanil, Arthemeter/Lumefantrin, Piperaquin/Dihydroarthemisin) erfolgen.
Zerebrale Krampfanfälle
Bei zerebralen Krampfanfällen sollten akut Benzodiazepinderivate, und im Verlauf andere Antiepileptika eingesetzt werden (Phenytoin ist unter Chinin kontraindiziert).
Bewusstseinsstörungen
Bei Bewusstseinsstörungen ist keine spezifische Therapie erforderlich. Die bei ca. 10 % der erwachsenen Patienten auftretende zum Teil lebensbedrohliche Hypoglykämie muss ausgeschlossen werden. Bei Verschlechterung des Bewusstseins oder Auftreten neuer neurologischer Symptome muss eine cCT oder cMRT zum Ausschluss einer intrazerebralen Blutung oder eines Hirnödems durchgeführt werden.
Erhöhter Hirndruck
Hinweise können zunehmende Bewusstseinsstörungen oder fokale neurologische Ausfälle sein, ebenso Pupillenstörungen. Ein Papillenödem oder Hypertension und relative Bradykardie treten sehr spät auf. In Rücksprache mit einem neurologischen Intensivmediziner soll geklärt werden, inwieweit spezifische Therapiemaßnahmen (z. B. Intubation, milde Hyperventilation, paCO2 (Kohlendioxidpartialdruck) 32–35 mmHg) erforderlich sind. Es sollten weder Kortikosteroide noch Mannitol gegeben werden, da hiermit die Komazeit verlängert und die Prognose verschlechtert werden. Der Nutzen einer intrakraniellen Druckmessung ist nicht belegt.
Trypansomiasis (afrikanische Schlafkrankheit)
Definition
Bei der afrikanischen Trypansomiasis handelt es sich um eine Infektionskrankheit, die im subsaharischen Afrika durch von Stechmücken (Tsetsefliegen) übertragende Protozoen Trypansoma brucei gambiense (westafrikanische) und Trypansomoma brucei rhodesiense (ostafrikanische Schlafkrankheit) entsteht.
Epidemiologie
In den Endemiegebieten werden alle Altersgruppen betroffen. Durch Insektenbekämpfungs- und Behandlungsprogramme ist die Erkrankung selten geworden. Bei Mitbefall des ZNS (WHO-Stadium III) kommt es zu einer (chronischen) Meningoenzephalitis, die unbehandelt zu Koma und Tod führt.
Klinik
Die Erkrankung beginnt zunächst als eine unspezifische Fiebererkrankung, meist bestehen eine Hautläsion an der Einstichstelle und eine lokale und zervikale Lymphadenopathie sowie eine Hepatosplenomegalie. In der neurologischen Phase kommt es zur Verschiebung und Fragmentierung des Schlaf-Wach-Rhythmus, zunehmender Verwirrtheit, Tremor, fokal neurologischen Ausfällen und zum Teil zu einem Parkinson ähnlichen Bild. Im weiteren Verlauf entwickelt sich ein ausgeprägtes apathisches Syndrom bis hin zum Koma.
Diagnostik
Der Nachweis von Trypanosomenantikörpern erfolgt im Serum, während der mikroskopische Nachweis von Trypanosomen im Blut, Liquor und lymphatischen Gewebe (Aspiration) gelingen kann. Der Antigentest ist für Liquor und Serum geeignet.
Differenzialdiagnostik
Wichtig ist die Abgrenzung gegenüber anderen akut, subakut oder chronisch verlaufenden (fieberhaften) Meningitiden und Meningoenzephalitiden.
Therapie (bei ZNS-Befall/Stadium III)
T. brucei gambiense
Die Therapie erfolgt mit Melarsoprol 2,2 mg/kg KG i.v. und Nifurtimox 15 mg/kg KG p.o. für 10 Tage, alternativ Eflornithine 400 mg/kg KG i.v. plus Nifurtimox 15 mg/kg KG für 10 Tage.
T. brucei rhodesiense
Hier sollte Melarsoprol 2,2–3,6 mg/kg KG i.v. eingesetzt werden. Oft ist eine zusätzliche antientzündliche Therapie mit Steroiden erforderlich.
Helminthen (Wurmerkrankungen)
Zystizerkose, zystische und alveoläre Echinokokkose, Schistosomiasis
Definition
Die Infektion mit Larven des Schweinebandwurms (Taenia solium), Hundebandwurms (Echinococcus cysticus), Fuchsbandbandwurms (Echinococcus multilocularis) entsteht nach oraler Aufnahme von Bandwurmeiern mit der Nahrung, aber auch nach Kontakt mit Bandwurmträgern (z. B. Katze, Hund, Fuchs). Die Larven exzystieren im Magen, durchwandern die Darmwand und gelangen mit dem Pfortaderblut in den Blutkreislauf. Die genannten Bandwurmlarven, selten auch einmal andere Wurmarten (Gnathostoma, Gurkenkernbandwurm, Rattenbandwurm u. a.), haben einen Neurotropismus und führen zur Ausbildung von mehr oder weniger zystischen Tumoren im ZNS. Selten kommt es auch bei Schistosomeninfektionen im Bauchraum zu einer Embolisation von Wurmeiern in das ZNS insbesondere im Myelon. Dadurch kann es zu entzündlichen Veränderungen im perivaskulären Hirngewebe kommen.
Epidemiologie
In Regionen mit schlechten hygienischen Bedingungen und engem Kontakt der Menschen zu Haus- und Wildtieren sind diese Infektionen häufiger. Die Neurozystizerkose ist die häufigste Parasitose des Gehirns. Man geht von wenigstens 50 Mio. Infizierten weltweit aus, von denen ca. 60 % eine ZNS-Beteiligung haben. Im Gegensatz dazu ist der ZNS-Befall in Form von intrazerebraler Zystenbildung mit 5 % der alveolären (E. multilocularis) und 2 % der zystischen (E. granulosus) Echinokokkosen deutlich seltener. Die Neuroschistosomiasis kommt insbesondere auf den Philippinen (S. japonicum) vor. Andere Helminthosen mit ZNS-Beteiligung sind Raritäten.
Klinik
Das Beschwerdebild ist durch die raumfordernde Wirkung des Tumors und die Immunreaktion des Wirtes bedingt. Das Initialsymptom einer Neurozystizerkose sind überwiegend fokale epileptische Anfälle, die in den Entwicklungsländern die häufigste Ursache für symptomatische Epilepsien sind. Echinokokkosen können aufgrund ihres invasiven Wachstums teilweise auch bösartigen, hirneignen Tumoren ähneln und führen zu fokalen neurologischen Ausfällen, epileptischen Anfällen und Hirndrucksteigerung.
Diagnostik
In der zerebralen Bildgebung finden sich neben den charakteristischen (Abb. 7 und 8) teils unspezifische Befunde. Der Nachweis von Serumantikörpern gegen die entsprechenden Parasiten hat eine schlechte Sensitivität und Spezifität. Der beste Nachweis gelingt über Histologie mit typischer Morphologie und Erregernachweis durch Immunhistochemie oder molekularbiologisch. Es können eine Eosinophilie im Blut und Erhöhung von IgE im Serum vorliegen. Der Liquor ist bis auf seltene Fälle mit begleitender Eosinophilie unauffällig.
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Differenzialdiagnostik
Insbesondere zerebrale Raumforderungen anderer Ätiologie wie hirneigene Tumoren, Lymphome, Metastasen oder auch eine Toxoplasmose müssen differenziert werden.
Therapie
Wenn Infektionen symptomatisch sind, sind meist eine antiinflammatorische Therapie mit Steroiden und eine antiepileptische Therapie erforderlich. Ob eine zusätzliche antiparasitäre Therapie mit Praziquantel (Zystizerkose, Schistosomiasis) oder mit Albendazol (Zystizerkose, Echinokokkose) erforderlich und nützlich ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Bei Hydrozephalus kann eine Shuntanlage notwendig werden, sehr selten ist bei einer alveolären Echinokokkose auch eine kurative Operation möglich.
Diese seltenen Wurmlarveninfektionen der Meningen sind beispielhaft für eine eosinophile Meningitis.
Klinik
Die Klinik ist die einer akuten bis subakuten Meningitis (Abschn. 2).
Diagnostik
Der Nachweis erfolgt bei einer eosinophilen Pleozytose im Liquor über Gnathostoma- bzw. Angylostrongylusantikörper im Serum.
Differenzialdiagnostik
Generell kommen als Differenzialdiagnosen andere Formen der Meningitis oder Meningoenzephalitis bzw. bei eosinophiler Pleozytose im Liquor andere neurotrope Wurmlarven und Würmer, zum Teil zoonotische Parasiten mit dem Menschen als Fehlwirt infrage.
Therapie
Die Therapie erfolgt symptomatisch, z. B. bei Hydrozephalus durch Druckentlastung, unterstützt durch antientzündliche Ansätze z. B. mit Steroiden und gegebenenfalls mit Albendazol.
ZNS-Infektionen bei Immundefekten
Einleitung
Eine Reihe von Infektionen des ZNS (wie zerebrale Toxoplasmose, JC(John Cunningham)-Virusinfektion, Zytomegalieenzephalitis und atypische Mykobakteriosen) kommen ausschließlich oder nahezu ausschließlich bei Immunkompromittierten (z. B. bei HIV-Patienten) vor. Andere ZNS-Infektionen (wie zerebrale Tuberkulose, Kryptokokkose, Aspergillosen, Hirnabszesse, Listerienmeningitis und zerebrale Infektionen mit dem Zwergfadenwurm Strongyloides stercoralis) sind bei immunkompromittierten Patienten zwar häufiger, kommen aber auch bei Immungesunden vor.
Meist kommt es zu einer Reaktivierung einer schon latent vorhandenen, bisher asymptomatischen Infektion. Neuinfektion mit dem Protozoon Toxoplasma gondii sind, abgesehen von intrauteriner Infektion, selten Ursache neurologischer Symptome. Der Weg ins ZNS erfolgt typischerweise hämatogen. Der Erreger findet sich in nicht ausreichend gegartem Fleisch und in den Ausscheidungen vieler Tiere (z. B. Katzen), an denen man sich infizieren kann.
Epidemiologie
In Deutschland sind positive Antikörper gegen Toxoplasmose bei etwa einem Drittel der Erwachsenen nachweisbar, wobei es starke regionale Schwankungen gibt. Von Reaktivierungen mit Krankheitswert betroffen sind in der Regel Menschen mit einem schweren zellulären Immundefekt. Bei HIV-Infizierten liegen die T-Helferzellzahlen meist bei < 100/μl. Selten liegt auch ein anderer, Nicht-HIV-bedingter Immundefekt bzw. eine gegen T-Lymphozyten (Antithymozytenserum) gerichtete Therapie als Ursache vor. Bei einer Infektion während der Schwangerschaft beträgt das Risiko einer konnatalen Infektion 30–50 %.
Klinik
Die zerebrale Toxoplasmose verläuft am häufigsten als subakute bis chronische Enzephalitis mit Kopfschmerzen, Vigilanzminderung, psychischen Auffälligkeiten und subfebrilen Temperaturen progredient zunehmend über einen Zeitraum von wenigen Wochen. Ebenfalls treten Hirnabszesse auf, die der Lokalisation entsprechend epileptische Anfälle oder fokale Ausfälle provozieren können. Seltener ist eine akute Meningoenzephalitis.
Diagnostik
Die Diagnose kann sich aus der CT- bzw. MRT-Morphologie mit einzelnen oder multiplen, ringförmig kontrastmittelaufnehmenden Läsionen und begleitendem perifokalen Ödem häufig im Bereich der Mark-Rinden-Grenze oder den Basalganglien (Abb. 9) ergeben.
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Unterstützt wird die Einschätzung durch eine positive Toxoplasmoseserologie, der meist unauffälligen Liquorpunktion (ein Liquor-PCR kann, muss aber keinesfalls positiv sein) und dem klinischen Bild. Häufig bleiben dabei Unsicherheiten, sodass man sich entscheiden muss, ob ein zeitlich begrenzter Therapieversuch, der dann häufig diagnostisch ist, gewagt werden kann oder ob die Diagnose durch eine transkranielle Probebiopsie erzwungen werden muss.
Differenzialdiagnostik
Es gilt, andere entzündliche ZNS-Erkrankungen, Tumoren oder Metastasen zu differenzieren.
Therapie
Die Standardtherapie ist Pyrimethamin 75 mg/Tag (Startdosis 200 mg) plus Sulfadiazin 4-mal 1 g/Tag plus Folinsäure 25–75 mg/Tag für mindestens 6 Wochen nach Symptomrückbildung. Bei Nichtverfügbarkeit von Sulfadiazin oder Pyrimethamin kann auch mit Cotrimoxazol 10/50 mg/kg KG/Tag therapiert werden. Anschließend sollte eine Suppressionstherapie in halber Dosierung bzw. Cotrimoxazol 5/25 mg/kg KG/Tag durchgeführt werden. Alternativ kann auch Sulfadiazin durch Clindamycin 3-mal 600 mg p.o./i.v. ersetzt werden; in leichteren Fällen ist auch eine Therapie nur mit Cotrimoxazol 10/50 mg/kg KG oder Atovaqoun 2-mal 750 mg/Tag möglich. Eine Sekundärprophylaxe mit Cotrimoxazol muss bei persistierendem Immundefekt durchgeführt werden. Häufig ist wegen der Schwere der entzündlichen Veränderungen eine zusätzliche antientzündliche Therapie mit Steroiden erforderlich.
Virusinfektionen bei Immundefekten
Einige Virusinfektionen treten nahezu ausschließlich bei schweren Immundefekten oder ausgeprägter immunsuppressiver Therapie auf. Typische Beispiele sind Zytomegalieenzephalitis/-myelitis und JC(John Cunningham)-Virusinfektion.
Dabei handelt es sich um eine Infektion des ZNS durch CMV (Zytomegalievirus) oder einer Reaktivierung einer chronischen, bisher asymptomatischen Infektion. Die Seroprävalenz liegt in Deutschland bei ca. 40 %.
Diagnose
Die Diagnose wird über den molekularbiologischen Virusnachweis, immunhistochemisch aus Biopsat oder bei klinischem Verdacht typischer MRT-Bildgebung und typischer Antikörper und Antigenkonstellation im Serum gestellt. Die Klinik entspricht der einer Enzephalitis, Myelitis (Abschn. 7.2) oder einer Retinitis mit progredienten Sehstörungen.
Therapie
Behandelt wird mit Ganciclovir 2-mal 5 mg/kg KG/Tag über 10–21 Tage, anschließend kann in halber Erhaltungsdosis weiter therapiert werden. Die Erhaltungstherapie kann auch p.o. gegeben werden.
Alternativ kann Foscarnet 2-mal 90 mg/kg KG gegeben werden. Auch eine Kombination von Ganciclovir und Foscarnet, dann beides in halber Dosierung, ist möglich. Eine Erhaltungstherapie ist bis zur Immunrekonstitution erforderlich, hierfür und bei leichteren Verläufen ist auch eine orale Therapie mit Valganciclovir 2-mal 900 mg möglich.
Die durch das JC(John Cunningham)-Virus (JCV) hervorgerufene progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) ist eine schwere Entmarkungskrankheit des zentralen Nervensystems. Bei gestörter zellulärer Immunantwort kommt es zu einer Reaktivierung von JCV und damit zur manifesten Erkrankung. Makroskopisch zeigt sich eine multifokale Demyelinisierung. Betroffen ist überwiegend die weiße Hirnsubstanz der zerebralen Hemisphären.
Diagnose
Die Diagnose wird über den molekularbiologischen Virusnachweis im Liquor (es empfiehlt sich bei negativem Befund, die PCR in den Referenzlaboren zu wiederholen, da die Sensitivität dort höher ist) oder bei klinischem Verdacht und typischer CT- oder MRT-Bildgebung mit in der MRT typischen T2-Hyperintensitäten des Marklagers inklusive der U-Fasern gestellt (Abb. 10). Diese liegen meist im frontalen und parietookzipitalen Marklager und nehmen kein Kontrastmittel auf. Selten kommen auch primäre zerebelläre Veränderungen vor.
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Klinik
Die Symptomatik der PML tritt subakut auf und zeigt durch die unterschiedlich lokalisierten Entmarkungsherde ein breites Spektrum neurologischer Symptome. Es können kognitive Störungen, Demenz und vor allem fokale neurologische Ausfälle auftreten (häufig sind Mono- oder Hemiparesen, Sprachdefizite und Gesichtsfeldausfälle).
Therapie
Eine kausale Therapie ist nicht möglich, neben der Verbesserung des Immunstatus kommen nur rein supportive Strategien zur Anwendung. Bei Rekonstitution des Immunsystems muss, falls eine erneute Verschlechterung eintritt, auch differenzialdiagnostisch an ein Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS) gedacht werden.
HIV-Enzephalopathie und HIV-Myelopathie
Definition
HIV-Demenz, HIV-Myelopathie und HIV-assoziierte periphere Neuropathie sind direkte Komplikationen der HIV-Infektion. Während andere HIV-assoziierte opportunistische Infektionen unter einer antiretroviralen Therapie (ART) kaum mehr vorkommen, bleiben insbesondere neurokognitive Störungen bei HIV-Infizierten häufig. Auch die moderne antiretrovirale Therapie kann diese Komplikationen nicht völlig verhindern, jedoch ist die Schwere unter Therapie deutlich gemindert. Die Manifestationen der HIV-Infektion am ZNS sind mannigfaltig. In der Vor-ART-Ära wurden vor allem demenzielle Entwicklungen („AIDS dementia complex“) beschrieben. Diese Demenz war häufig auch von motorischen Auffälligkeiten wie Gangunsicherheit begleitet. Bei mit ART behandelten HIV-Infizierten, insbesondere, wenn die HIV-Infektion schon seit vielen Jahren besteht, finden sich jetzt eine Reihe von Patienten mit geringeren Hirnleistungsdefiziten, Konzentrationsstörungen und anderen neuropsychologischen Auffälligkeiten (sog. HIV-assoziiertes neurologisches Defizit, HAND).
HIV-Enzephalopathie
Pathophysiologie
Schon während der akuten HIV-Infektion befällt das HIV auch das ZNS. Es repliziert dort vor allem in perivaskulären Makrophagen und Gliazellen. Immunaktivierung und chronische Entzündung führen zu kognitiven, sensorischen und motorischen Auffälligkeiten. Im Rahmen der akuten HIV-Infektion kann auch eine (Meningo-)Enzephalitis auftreten. Das Virus persistiert im ZNS und kann zu chronischen Veränderungen führen, die unter dem Begriff HIV-Enzephalopathie zusammengefasst werden. Neuropathologisches Korrelat sind eine HIV-Leukenzephalopathie und eine HIV-Enzephalitis. Für den Krankheitsverlauf wichtiger erscheint die Leukenzephalopathie.
Epidemiologie
Wenn empfindliche neuropsychologische Testverfahren angewendet werden, liegt die Prävalenz von HIV-assoziierten ZNS-Störungen bei 15–50 %. Allerdings haben viele dieser oft milden Störungen im Alltag keine klinische Bedeutung.
Klinik
Die Erkrankung beginnt meist mit kaum merkbaren Defiziten und kann sich dann über Jahre kontinuierlich verschlechtern.
Diagnostik
In der CT sind bei fortgeschrittener HIV-Demenz oft eine frontale Atrophie und Defekte in der weißen Substanz, um die Stammganglien zu sehen. In der MRT lassen sich diese Veränderungen noch deutlicher, oft auch diffus im gesamten Gehirn verteilt, darstellen. Es besteht eine deutliche Korrelation zwischen den Auffälligkeiten in der Bildgebung zur Schwere der Erkrankung.
Die Liquorpunktion zeigt gelegentlich bei vielen HIV-Infizierten mit und ohne neurologische Symptome eine geringe Pleozytose (< 50 Zellen), eine Schrankenstörungen sowie eine intrathekale IgG-Produktion. Bei HIV-Enzephalitis ist die Viruslast im Liquor meist hoch, bei unbehandelten HIV-Infizierten in der Regel niedriger als im Blut. Gelegentlich ist bei im Blut ausreichender Virussuppression unter ART im Liquor weiter eine aktive HIV-Replikation nachweisbar. Dann sollte unbedingt eine Resistenzbestimmung erfolgen, da resistente HIV-Klone im Liquor persistieren können.
Differenzialdiagnostik
Die HIV-Enzephalopathie ist eine Ausschlussdiagnose. Andere neurologische und psychiatrische Erkrankungen müssen ausgeschlossen werden. Mildere Formen können nur durch neuropsychologische Tests erkannt werden.
Therapie
Eine antiretrovirale Therapie muss eingeleitet, eine bereits etablierte ART optimiert werden. Der zusätzliche Nutzen, den dabei Virostatika haben, die gut in den Liquor penetrieren, ist umstritten.
HIV-Myelopathie
Definition
Myelopathie und Myelitis können in allen Stadien der HIV-Infektion auftreten. Am häufigsten tritt eine fortschreitende, nichtsegmentale, sog. vakuoläre Myelopathie auf.
Diagnose
Die HIV-Myelopathie ist eine Ausschlussdiagnose, die auf folgenden Kriterien beruht:
Progressive nichtsegmentale Myelopathie
Keine Raumforderung oder Läsion in der MRT des Rückenmarkes erkennbar
Ausschluss einer Lues-, HSV-, CMV-, HTLV-1-Infektion oder eines Vitamin-B12-Mangels.
Atypische Mykobakteriose
Definition
Atypische Mykobakteriosen verursachen bei Frühgeborenen und Patienten mit schwerem zellulärem Immundefekt sehr selten auch ZNS-Infektionen, meist eine Meningitis.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt durch den kulturellen oder molekularbiologischen Erregernachweis. Im Liquor besteht eine Pleozytose und Schrankenstörung.
Therapie
Therapeutisch ist je nach Erreger eine meist langwierige Kombinationschemotherapie erforderlich. Bei fehlender Immunrekonstitution ist meist eine lebenslange Suppressionstherapie erforderlich.
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