Inzidenz und Ursachen
4–10 % aller tiefen Venenthrombosen betreffen die tiefen Armvenen. Als Achselvenenthrombose wurde das Krankheitsbild bereits im 19. Jahrhundert von Paget und von Schroetter beschrieben.
Ätiologisch unterscheidet man zwischen primären und sekundären Armvenenthrombosen. Zu den primären Thrombosen werden sowohl die idiopathischen als auch die mit einer kostoklavikulären Einstrombehinderung assoziierten Thrombosen gezählt (Thoracic-inlet-Syndrom). Die Kompression der Vene zwischen der Klavikula und der ersten Rippe ist besonders häufig bei asthenischem Körperbau, kann aber auch durch Muskelhypertrophie oder Skelettanomalien verursacht werden. Eine Manifestation des Thoracic-inlet-Syndroms ist auch das durch Überlastung des Schultergürtels ausgelöste Paget-von-Schrötter-Syndrom („effort thrombosis“). Etwa 30 % der Armvenenthrombosen sind primär, und hiervon haben etwa 60 % ein nachweisbares Thoracic-inlet-Syndrom.
Etwa 70 % der Armvenenthrombosen sind heute sekundär.
Sekundäre Thrombosen haben einen bekannten auslösenden Faktor. Die häufigste Ursache sind intravenöse Katheter und Schrittmachersysteme. Durch die Zunahme von intensivmedizinischer Behandlung und implantierbaren Kathetersystemen hat die Häufigkeit sekundärer Thrombosen stetig zugenommen. Weitere wichtige Ursachen für sekundäre Armvenenthrombosen sind Verletzungen und Operationen im Bereich des Schultergürtels (insbesondere
Klavikulafrakturen), Gipsbehandlung, Phlebitiden nach Infusionen oder Injektionen und maligne Erkrankungen. Darüber hinaus kann das Risiko der Armvenenthrombose durch eine genetische oder
erworbene Thrombophilie oder durch eine Einnahme von östrogenhaltigen Hormonpräparaten erhöht werden.
Symptome
Beklagt werden Schwellung des gesamten Arms, livide Hautverfärbung,
Schmerzen und Schweregefühl der Extremität. Später tritt eine typische Venenzeichnung des Schulterbereichs durch die Kollateralfunktion des Rete axillaris auf. Die Häufigkeit von
Lungenembolien wird in der neueren Literatur mit bis zu 9 % angegeben. Primäre Thrombosen bei ansonsten gesunden Patienten haben eine sehr niedrige Rate symptomatischer Lungenembolien. Die Gefahr der Lungenembolie und die Mortalität können hingegen bei schwer kranken, multimorbiden Patienten mit sekundärer Armvenenthrombose erheblich höher sein.
Diagnostik
Der Verdacht auf eine Armvenenthrombose kann klinisch erhoben und duplexsonographisch gesichert werden. Duplexsonographisch lässt sich unter Provokation auch eine evtl. zugrundeliegende kostoklavikuläre Kompression in der Regel zuverlässig nachweisen. Zur weiteren Diagnostik des Thoracic-inlet-Syndroms kommen darüber hinaus auch CT, MRT und Phlebographie in Funktionsstellung zum Einsatz. Diese Verfahren können besonders vor einer operativen Dekompression der oberen Thoraxapertur wertvolle Zusatzinformationen liefern. Vor einer Operation sollte auch eine native Röntgenaufnahme des Hals-Schultergürtels beidseits in 2 Ebenen durchgeführt werden, um Besonderheiten (Exostosen, Halsrippe u. a.) aufzuklären. Wenn das proximale Ende der Schultervenenthrombose duplexsonographisch nicht abgrenzbar ist, und besonders wenn eine maligne Ursache nicht ausgeschlossen werden kann, sollte eine ergänzende CT des Thorax erfolgen.
Differenzialdiagnostisch sind bei einseitiger Armschwellung insbesondere die oberflächliche Thrombophlebitis, das
Lymphödem, Hämatome, paravasale Infusionen, das
Erysipel und Arthritiden abzugrenzen.
Therapie
Die Armvenenthrombose hat in der Regel einen günstigen Verlauf unter
konservativer Therapie. Durch großzügige Kollateralisation und auch auf Grund der niedrigeren Druckverhältnisse in den Venen der oberen Extremität ist ein schweres
postthrombotisches Syndrom
s (PTS) selten. Aus diesem Grund können die meisten Patienten mit Armvenenthrombose konservativ behandelt werden. In Analogie zur Therapie der
Beinvenenthrombose erfolgt die Antikoagulation zunächst mit unfraktioniertem oder niedermolekularem Heparin in therapeutischer Dosis gefolgt von der überlappenden Einleitung der oralen Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten. In Anlehnung an die Behandlung der Beinvenenthrombose wenn die Antikogulation alternativ mit einem direkten ozalen Antikogulation erfolgen (Daigahar, Rivaxaban, Apixaban oder Edoxabar). Bis zur Rückbildung der Schwellneigung sollte eine Kompression des Armes mit einem Kompressionsverband oder Strumpf der Klasse II erfolgen. Die optimale Dauer der Antikoagulation ist bisher nicht durch größere Studien belegt. In der Regel beträgt die Therapiedauer 3–6 Monate. Bei Katheter-assoziierten Thrombosen wird wegen der Komorbidität (besonders bei maligner Grunderkrankung) oft eine längerfristige Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin in gewichtsadaptierter Dosierung bevorzugt. Bei funktionierendem und weiterhin notwendigem, zentralvenösen Katheter wird eine Entfernung des Katheters nicht empfohlen.
In ausgewählten Fällen mit akuter, stark symptomatischer Armvenenthrombose und fehlenden Kontraindikationen ist auch eine aggressivere,
invasive Therapie vertretbar. Hierbei wird zunächst die verschlossene Vene mit Hilfe einer lokalen Fibrinolyse
rekanalisiert. Anschließend werden residuale Stenosen der Vene wenn nötig mittels PTA und Stentimplantation beseitigt (s. unten). Bei Vorliegen eines Thoracic-inlet-Syndroms erfolgt anschließend an die Wiedereröffnung der Vene die chirurgische Dekompression der oberen Thoraxapertur durch Resektion der ersten Rippe. Bei Misserfolg der Fibrinolyse kann in Ausnahmefällen auch eine chirurgische Thrombektomie der V. axillaris/V. subclavia mit AV-Fistelanlage in der Ellenbeuge erfolgen. Dieser Eingriff, dessen Zugangsweg sich an der Lokalisation des distalen Thrombusendes orientiert, erfolgt unter therapeutischer Heparinisierung. Präoperativ muss die Lokalisation des Thrombus mit dessen proximalem Ende zwingend visualisiert werden. Die Thrombektomie
erfolgt unter radiologischer Kontrolle, der Ballon des Thrombektomiekatheters wird mit Kontrastmittel gefüllt. Er wird vorsichtig an dem Thrombus vorbeigeführt und proximal des Thrombus insuffliert. Kann der Thrombus nicht vollständig geborgen werden, ist bei zentral geblocktem Fogarty-Katheter die Füllung der Vene mit einem rt-PA
/Kochsalzgemisch möglich (4–6 mg rt-PA auf 200 mg NaCl). Dieses Gemisch bindet fibringebundenes
Plasminogen im Residualthrombus und kann eine
Auflösung des Restthrombus bewirken.
Erst nach erfolgter Thrombektomie erfolgt die Beseitigung der thrombusauslösenden Ursache. Ist dies eine Halsrippe oder die erste Rippe, so erfolgt die Freilegung transaxillär unter sorgfältiger Schonung des N. thoracicus longus et thoracodorsalis. Die Darstellung der zu resezierenden Rippe erfordert die Ablösung der Scalenusmuskulatur, wobei besonderes Augenmerk auf den Plexus und die A. und V. axillaris gelegt wird. Die Rippe wird vollständig reseziert. Sollte es zu einem Einriss der parietalen Pleura kommen, ist die Einlage einer Bülau-Drainage für 2 Tage erforderlich (detaillierte Darstellung Kap.
Thoracic-outlet-Syndrom).
Die aktive Rekanalisation der thrombosierten Vene und die Beseitigung der auslösenden Enge in der oberen Thoraxapertur versprechen schnellere Beschwerdefreiheit und ein vermindertes Rezidivrisiko. Ein Vorteil der aggressiven Behandlungsstrategie in Hinblick auf die Langzeitergebnisse dieser Patienten ist bisher allerdings nicht durch größere Studien belegt.
Prognose
Die Rezidivthromboserate der Armvenenokklusion beträgt 20–40 %. Trotz der guten Kollateralisation können Ermüdbarkeit und Schwellneigung des Arms zurückbleiben. Trophische Hautveränderungen im Sinne eines PTS sind ungewöhnlich. Besonders exponierte Berufsgruppen (Maler, Musiker u. a.) oder Leistungssportler (Tennis) können funktionelle Einschränkungen zurückbehalten. Patienten mit rezidivierenden Armvenenthrombosen oder mit anhaltenden, limitierenden Stauungsbeschwerden im Arm können auch im chronischen Stadium von der Dekompression der oberen Thoraxapertur durch transaxilläre Resektion der ersten Rippe profitieren. Dies ist besonders der Fall, wenn die rekanalisierte V. subclavia und axillaris oder Kollateralvenen weiterhin in der kostoklavikulären Enge behindert werden (Funktionsphlebographie).