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Humanistische Psychotherapieverfahren

Verfasst von: Willi Butollo, Marion Koll-Krüsmann und Maria Hagl
Unter dem Begriff „humanistische Psychotherapie“ wird eine Reihe von heterogenen Therapieverfahren zusammengefasst, deren gemeinsamer Hintergrund in den Konzepten der humanistischen Psychologie zu finden ist. Aus heutiger Sicht kann die humanistische Bewegung als der Versuch eines Paradigmenwechsels gesehen werden. Es vollzog sich so etwas wie ein Umbruch in der Perspektive des Menschen von sich selbst und seinem Platz in der Welt. Das vom kartesianischen Wissenschaftsverständnis geprägte duale Verständnis von Leib und Seele wird abgelöst von einem Menschenbild, in dem das Individuum als organische Einheit kognitiver, seelischer und körperlicher Aspekte betrachtet wird. Dieser Wandel zeigt sich allerdings eher in seinem weitreichenden wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Einfluss als in einer konsistenten Theorienbildung. In der Psychologie wurde dieser Wandel von Grundannahmen der Existenzphilosophie, der Phänomenologie und der Gestaltpsychologie beeinflusst und es entstand eine Fülle von therapeutischen Verfahren in Anlehnung an humanistische Theorien über das menschliche Entwicklungs- und Veränderungspotenzial. Die am weitesten verbreiteten Therapierichtungen mit humanistischem Hintergrund sind die Gestalttherapie und die personzentrierte Psychotherapie bzw. Gesprächspsychotherapie. Wichtige Konzepte der angewandten Psychologie, wie die Annahme einer systemischen Selbstregulation oder die Bedeutsamkeit der zwischenmenschlichen Beziehung als zentrale Bedingung für Krankheit oder Gesundheit, sind aus diesen humanistischen Therapieansätzen hervorgegangen.

Humanistische Psychotherapie

Heute gibt es viele ‚Psychologien‘ und jede Schule hat recht, zumindest teilweise. Aber leider ist auch jede Schule selbstgerecht. Der tolerante Psychologieprofessor nimmt meistens die verschiedenen Schulen aus ihren Schubladen heraus, diskutiert sie, zeigt seine Vorliebe für die eine oder andere – aber wie wenig tut er für ihre Integration! Ich habe versucht zu zeigen, daß man etwas derartiges tun kann, wenn man die trennenden Abgründe überbrückt, und ich kann nur hoffen, daß ich Hunderte von anderen Psychologen, Psychoanalytikern, Psychiatern usw. dazu anregen kann, dasselbe zu tun (Fritz Perls 1944, aus dem Vorwort zu „Das Ich, der Hunger und die Aggression“, deutsche Übersetzung 1987, S. 9).

Wissenschaftlicher und gesellschaftspolitischer Hintergrund der humanistischen Psychologie

Humanistische Psychotherapie entstand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den USA, kehrte bald heim in die europäische geisteswissenschaftliche Fachwelt, wo ihre Wurzeln lagen, und erlebte ihre erste Blütezeit in den 1970er- und 1980er-Jahren. Eine zunehmende Kritik an den schon damals vorherrschenden und seither im deutschen Gesundheitssystem monopolisierten psychologischen Strömungen, der Tiefenpsychologie und dem Behaviorismus, sowie ein starkes Misstrauen gegenüber der gesellschaftspolitischen Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg, forcierte die Hinwendung zu alternativen Konzepten. Spätestens seit der Jahrtausendwende erfahren humanistische Psychotherapien wieder vermehrte Aufmerksamkeit und ihre Methoden werden zunehmend in die etablierten Verfahren integriert (vgl. Längle und Kriz 2012).
In der humanistischen Bewegung fanden sich diejenigen zusammen, die nach kreativen, humanen und lebensbejahenden Theorien, Modellen und Verfahren suchten. Diese entstanden vor einem weltanschaulich-philosophisch-psychologischen Hintergrund, der kurz dargestellt werden soll.

Existenzphilosophie

Die Existenzphilosophie, die an die Lebensphilosophie des 19. Jahrhunderts (F. Nietzsche, H. Bergson, W. Dilthey) und an den von S. Kierkegaard geprägten Begriff der Existenz anknüpft, erlebte in den 1940er-Jahren durch J. P. Sartre einen neuen Höhepunkt. Die in Deutschland zwischen den Weltkriegen entstandene und in erster Linie von K. Jaspers und M. Heidegger geprägte Schule der Existenzphilosophie kam hingegen in der Zeit des Nationalsozialismus weitgehend zum Erliegen.
Mittelpunkt der existenzialistischen Philosophie ist der Blick auf den inneren Kern des Menschen, die Betrachtung des menschlichen Seins in seiner Verletzlichkeit und seinem Ausgeliefertsein gegenüber einem unerklärlichen Dasein.
Der Mensch muss sich, alleinig für seine individuelle Existenzweise verantwortlich, mit seiner Angst, der Erfahrung des Todes und der Möglichkeit seines Scheiterns in einer absurden Ordnung zurechtfinden. Dabei ist er frei, im Rahmen einer bedrohlichen Determiniertheit, das Bild seines Lebens selbst zu gestalten.
Der Einfluss der Existenzphilosophie auf die humanistische Psychologie zeigt sich in der Annahme eines individuellen Gestaltungsspielraumes zwischen den Polen sozialer und biologischer Determiniertheit und Interdependenz und dem Selbst als autonome Instanz, die ziel- und sinnorientiert handelt.
Begegnungsorientierte Therapieverfahren
Vor allem durch den Einfluss von Martin Buber gewannen existenzphilosophische Anschauungen im psychologisch-humanistischen Bereich an Bedeutung. In der „Dualität“ des Menschen liegt seine Bestimmung; im Leben in objektivierender Sachlichkeit und im Leben in der Begegnung. Ausschließlich in der Begegnung aber gelingen ihm existenzielle Vollzüge und damit Sinnhaftigkeit. Darin liegt für Buber das zentrale Moment für Veränderung oder Stillstand, Leere oder Erfüllung. Der Schwerpunkt der humanistischen Verfahren, die gelebte Wirklichkeit existenzieller Beziehung, zwischen Therapeut und Klient wieder modellhaft geschaffen und auf andere Beziehungen übertragbar, bezieht sich mehr oder weniger explizit auf Martin Buber und sein Werk. Der Begriff „begegnungsorientierte Therapieverfahren“ wurde zum Synonym für die humanistischen Psychotherapien.

Gestaltpsychologie

Die Gestaltpsychologie, 1912 durch Max Wertheimer begründet, sieht psychische und physische Prozesse nicht als durch die isolierte Betrachtung einzelner Elemente verstehbar. Wahrnehmung, Denken, Emotionen und Handlung werden durch eine ganzheitliche Organisation gesteuert, die nach übergreifenden Gestaltgesetzen eine dynamische Gerichtetheit erfahren. Der leider oft falsch zitierte Satz „Das Ganze ist verschieden von der Summe seiner Teile“ bringt (in Anlehnung an Aristoteles) einen wesentlichen Aspekt gestaltpsychologischen Denkens mit Schlichtheit zum Ausdruck (Köhler 1971).
Humanistische Psychologie ist ebenso wie die Gestaltpsychologie nicht an einer atomistischen Annäherung an psychische Teilfunktionen, weder im Bereich der Forschung noch im Bereich der Behandlung, interessiert. So lässt sich ein Verständnis der menschlichen Existenz nur durch eine Betrachtungsweise erreichen, in der der handelnde Mensch in seiner Ganzheit, als biologisches, psychisches und soziales Wesen, gesehen wird (Völker 1980). Das biopsychosoziale Modell als damit genuin humanistisches Modell hat mittlerweile Eingang in allgemein anerkanntes psychologisches Wissen gefunden.

Der Einfluss Kurt Goldsteins

Einen weiteren wichtigen Einfluss auf die humanistische Psychologie hatte die Theorie der „Organismischen Regulation des Selbst“ von Kurt Goldstein. In seiner existenzphilosophisch beeinflussten Theorie werden gestaltpsychologische Gesetzmäßigkeiten auf innerpsychische und interaktionelle Vorgänge übertragen. Goldstein betrachtet das ununterbrochene Bedürfnis des Organismus, seine Potenziale einzusetzen und zu verwirklichen, als das Hauptmotiv der menschlichen Existenz. Dabei ist der Mensch vor die Notwendigkeit gestellt, immer wieder neu zu wählen und zu entscheiden. Goldstein lehnt sich in seiner Theorie eng an wahrnehmungspsychologische Erkenntnisse an. Eine dem Organismus innewohnende Tendenz, „gute Gestalten zu bilden“, reguliert über den „Figur-Grund-Prozess“ den Vorgang der Selbstverwirklichung und Selbstaktualisierung. Dabei ist die Zufriedenstellung der aus der Gesamtheit des Wahrnehmungsfeldes hervortretenden Bedürfnisse das übergeordnete Ziel der organismischen Regulation des Selbst.
Mit unterschiedlichen Schwerpunkten findet sich in allen humanistischen Verfahren der Grundgedanke eines positiven Kerns, einer wachstumsorientierten Energie im Menschen, die darauf wartet, auf Umweltbedingungen zu treffen, in denen sie sich entwickeln und freisetzen kann. Vorsichtig formuliert, könnte man vom Bild eines „positiven Kernes“ selbst in destruktiver Verkleidung sprechen, den es zu erkennen und in der Therapie zu fördern gilt (Votsmeier 1995).

Erkenntnistheoretischer Hintergrund

In der Existenzphilosophie und der Gestaltpsychologie kann man die wissenschaftliche Herangehensweise als grundsätzlich phänomenologisch bezeichnen. Phänomenologie stellt somit einen weiteren wichtigen Eckpfeiler der humanistischen Psychologie dar.
„Existentielle Phänomenologie versucht, die Beschaffenheit der Erfahrung einer Person über seine Welt und sich selbst zu charakterisieren“ (Laing 1972, S. 19).
Sie versucht, hinter der Abfolge von Erscheinungen das eigentliche Wesen eines Phänomens, unter Einbeziehung der Intuition und Wahrnehmung des Betrachters, zu erkennen. So ist die vollständige Beschreibung der Erscheinungen, wie sie dem Geist, also dem Beobachter, präsent sind, unabdingbar. Dabei ist zur Erfassung der Umwelt in ihrer Beziehung zum Beobachter irrelevant, ob sich ein Abbild der Wahrnehmung in der Wirklichkeit findet oder nicht.
So macht die Phänomenologie im Unterschied zu den positivistischen Wissenschaften, das Wirklichkeit setzende Subjekt zum Zentrum der Erkenntnisgewinnung und geht von der sinnlichen Erfahrung des Menschen aus.
Der Forscher besteht also nicht mehr losgelöst von seinem Untersuchungsgegenstand; in jeder Fragestellung und Wahrnehmung erfasst er gleichzeitig einen Teil seines Selbst. Eine strikte Trennung in Mensch und Welt, Subjekt und Objekt, Innen und Außen wird in der Phänomenologie hinterfragt und als methodisch ungeeignet dargestellt.
Die humanistische Psychologie übernimmt zum einen den methodischen Ansatz, zum anderen wird der philosophische Hintergrund aufgenommen und in die Beziehung Therapeut-Klient transportiert. So wird der Therapeut nicht mehr als unabhängig oder losgelöst von seinem Klienten gesehen, das kritisierte Machtverhältnis wird zugunsten eines gemeinsamen „in der Welt Seins“ aufgehoben.

Grundlegende Postulate der humanistischen Psychologie

Den Anstoß für die humanistische Bewegung machten eine Reihe namhafter, zum großen Teil in der Zeit des Nationalsozialismus aus Deutschland emigrierter Psychologen (Charlotte Bühler, Bugental, Köstler, Goldstein, Maslow, Rogers), die 1962 die „Gesellschaft für Humanistische Psychologie“ gründeten. J. Bugental, der erste Präsident der Gesellschaft, formuliert 1964 die zentralen Aussagen der humanistischen Psychologie (s. Übersicht).
Grundlegende Forderungen und Orientierungen in der humanistischen Psychologie (Original: Basic Postulates and Orientations of the Humanistic Psychology; Bugental 1964, S. 23–25)
  • Man, as man, supercedes the sum of his parts (der Mensch ist nach seinem Wesen mehr als die Summe seiner Teile).
  • Man has his being in a human context (der Mensch kann nicht losgelöst von seinen zwischenmenschlichen Bezügen gesehen werden).
  • Man is aware (der Mensch lebt grundsätzlich bewusst).
  • Man has choice (der Mensch hat Entscheidungsfreiheit).
  • Man is intentional (der Mensch lebt sinn- und zielorientiert).
  • Humanistic Psychology cares about man (die humanistische Psychologie stellt den Menschen in den Mittelpunkt).
  • Humanistic Psychology values meaning more than procedure (die humanistische Psychologie wertet den Inhalt und die Bedeutung einer Fragestellung höher als das methodische Vorgehen).
  • Humanistic Psychology looks for human rather than nonhuman validations (die humanistische Psychologie orientiert sich bei der Validierung an menschlichen Maßstäben und nicht an formalen Kriterien).
  • Humanistic Psychology accepts the relativism of all knowledge (die humanistische Psychologie erkennt die Relativität allen Wissens an).
  • Humanistic Psychology believes heavily upon the phenomenological orientation (die humanistische Psychologie baut auf die phänomenologische Orientierung auf).
  • Humanistic Psychology does not deny the contributions of other views, but tries to complement them and give them a setting within a broader connection of the human experience (die humanistische Psychologie verleugnet nicht die Beiträge anderer Orientierungen, sondern versucht, diese zu ergänzen und stellt sie in einen breiten Zusammenhang menschlicher Erfahrung).
Die Vertreter der humanistischen Psychologie und Therapie verstanden sich als „Dritte Kraft“ neben der Psychoanalyse und dem Behaviorismus (nicht zu verwechseln mit der heutigen „Dritten Welle“ in der Verhaltenstherapie, obwohl es zum Teil genuin humanistische Einflüsse sind, die dabei in die moderne Verhaltenstherapie integriert werden). Sie kritisierten deren deterministische und mechanistische Vorstellungen, in denen die menschliche Psyche in beobachtbare bzw. zu deutende, krankhafte Funktionsniveaus zerlegt wird. Das humanistische Menschenbild geht von einem ganzheitlichen und sinnhaften Streben in Richtung existenzieller Freiheit und Selbstverwirklichung aus. Der heute weit verbreitete Begriff der Ressourcenorientierung geht auf diesen Perspektivenwechsel zurück. Dabei werden die gesundheitsfördernden Kräfte in den Vordergrund geholt und der Blick von der Defizitorientiertheit weggeführt.

Humanistische Implikationen für die psychiatrische und psychotherapeutische Praxis

Um ein Verständnis für die zugrunde liegenden Theorien, Behandlungskonzepte, Anwendungsgebiete und Forschungsergebnisse der humanistischen Therapieformen zu erlangen, kann eine reine Informationsaufnahme nicht den angemessenen Weg darstellen. Eine Auseinandersetzung mit humanistischer Therapie oder Psychologie impliziert immer auch eine kritische Reflexion des eigenen Menschenbildes, der eigenen Modelle von Gesundheit und Krankheit und der antizipierten Beziehung, die zwischen professionellem Helfer und dem psychisch oder somatisch Belasteten, der um Hilfe sucht, etabliert werden soll.

Therapie als Begegnung

Im Kern ist es das Verständnis von Kontakt und Nähe zum Klienten, das auf Seiten des Therapeuten den Ausschlag zur Entscheidung für oder gegen ein humanistisches Verfahren bedingen sollte.
Eine Therapie im Sinne der humanistischen Verfahren setzt voraus, dass sich der Therapeut auf eine Begegnung mit dem Klienten einlässt, anstatt eine Behandlung durchzuführen.
Obgleich auch in humanistischen Verfahren Interventionstechniken eingesetzt werden, ist es doch in erster Linie die lebendige, Begegnung erlaubende Beziehung zwischen Therapeut und Klient, die eine Veränderung in Gang setzt. Auch die „zu behandelnden“ Probleme der Klienten werden als Begegnung behindernde Formen der Kontaktgestaltung gesehen und auf mögliche Handlungsalternativen hin exploriert.

Unterschied zu anderen Psychotherapieverfahren

Am Beispiel eines wesentlichen Wirkfaktors der psychotherapeutischen Behandlung soll ein grundlegender Unterschied zu kognitiv-behavioralen und tiefenpsychologisch orientierten Verfahren verdeutlicht werden. Es handelt sich hierbei um das erlebte Vertrauen der Klienten zum Therapeuten als Hauptvariable für Erfolg, Stagnation oder Misserfolg in der Therapie (Johnson und Matross 1977). So gibt es eine Reihe von Untersuchungen im lerntheoretischen Paradigma über die zur Bildung von Vertrauen notwendigen Persönlichkeitsmerkmale von Therapeuten. Demnach sind es bestimmte Eigenschaften eines Therapeuten, wie Selbstsicherheit, fachliche Kompetenz, Stabilität, Geduld und emotionale Ausgeglichenheit, die – vorhanden oder nicht – das Ausmaß des Vertrauens seitens des Klienten bedingen (Zimmer 1983).
Im humanistischen Paradigma hingegen ist es eine andere Variable, die zu allererst für das Ausmaß des Vertrauens in den Therapeuten verantwortlich ist, nämlich das Ausmaß und die Fähigkeit des Therapeuten, dem Klienten, dem Prozess und sich selbst Vertrauen entgegenzubringen. Anstelle der Forderung: „Der Therapeut muss bestimmte Eigenschaften besitzen und sich so oder so verhalten, damit der Klient Vertrauen entwickeln kann“, steht eine Haltung: „Mein Vertrauen in das Leben und darauf, in ihm ebenso wie der Klient einen Platz zu haben, führt zu einer individuellen Gestaltung der Beziehung in der, auch auf Seiten des Klienten, Vertrauen wachsen kann.“
Persönlichkeit und Integrität
Hier wird deutlich, dass in humanistischen Verfahren der Persönlichkeit und Integrität des Therapeuten eine große Bedeutung zukommt. Eine Tatsache, die einen oft geäußerten und ernst zu nehmenden Kritikpunkt an humanistischen Verfahren darstellt, denn wie ist diese Integrität im professionellen Setting zu überprüfen? Gleichzeitig ist dies aber auch die Basis dafür, das ebenso oft kritisierte systematische Machtgefälle in psychotherapeutischen Behandlungen aufzulösen. Therapie wird zur existenziellen Begegnung von Mensch zu Mensch, in der die Beziehung zwischen zwei oder mehreren Menschen wirkt. Sie ist damit modellhaft für alle anderen zwischenmenschlichen Beziehungen vor, während und nach der Therapie.

Humanistische Therapieverfahren

Zu den humanistischen Therapieverfahren gehören in erster Linie die Gestalttherapie (Fritz Perls) und die Gesprächspsychotherapie, die auch klientenzentrierte bzw. personzentrierte Psychotherapie genannt wird (Carl Rogers). Neben diesen beiden Hauptvertretern werden häufig das Psychodrama (Jakob Moreno) und seltener die Logotherapie (Viktor Frankl) genannt.
In der Literatur findet sich eine Tendenz, Therapieverfahren, die keine lerntheoretisch oder psychodynamisch begründeten Interventionstechniken anwenden, unter der Bezeichnung „humanistische Verfahren“ zu subsumieren.
Humanistische Therapieverfahren sind aber nicht durch einen alternativen Behandlungsansatz, sondern durch einen alternativen theoretischen Hintergrund gekennzeichnet. Es ist in erster Linie das zugrunde liegende Menschenbild, das humanistische Verfahren von anderen Therapierichtungen abgrenzt.
Theoretisch können alle Therapieformen, die sich auf existenzialistische, phänomenologische und humanistische Wurzeln stützen, als humanistische Verfahren bezeichnet werden, unabhängig von ihren Interventionstechniken. Dabei wird die Zuordnung oft unterschiedlich gehandhabt. Körperpsychotherapie nach Reich, die Bioenergetik (Lowen), die als eine vereinfachte Form des Verfahrens von Reich bezeichnet werden kann, und die Transaktionsanalyse (Berne) werden einerseits als humanistische, andererseits aber auch als tiefenpsychologische Ansätzen bezeichnet. Die themenzentrierte Interaktion (Cohn), die nach Ruth Cohn selbst ein eigenständiges und unabhängiges Verfahren darstellt, wird dagegen von einigen Autoren den humanistischen Verfahren zugeordnet.
Wichtige Vertreter einer existenziell-humanistischen Psychotherapie sind neben dem schon genannten Viktor Frankl Rollo May, Ronald Laing und Irvin Yalom. Als frühe humanistische Beiträge zu familientherapeutischen Ansätzen sind vor allem Virginia Satir und Thomas Gordon zu nennen.
Den für die heutigen erfahrungsorientierten Ansätze wichtigsten Beitrag neben der Gestalttherapie und der klientenzentrierten Psychotherapie lieferte Eugene Gendlin mit seiner Methode des „Focusing“ (Gendlin 1981). Vor allem aus diesen drei Linien entstand der Prozess-Erlebens-Ansatz von Laura Rice, Leslie Greenberg und Robert Elliott (Greenberg et al. 1993), der heute unter der Bezeichnung emotionsfokussierte Therapie (EFT; Greenberg 2011) bekannt ist, sowie dessen viel versprechende Weiterentwicklungen (z. B. Paivio und Pascual-Leone 2010).
Sozial- und methodenkritische Haltung
Aus der kritischen Haltung der humanistischen Psychologie haben sich weitreichende Auswirkungen ergeben. In den 1960er- und 1970er-Jahren, in denen die humanistischen Theorien besonders populär waren, herrschte eine Atmosphäre von Identitätssuche und sozialen Umbrüchen. Die gesellschaftlichen Strukturen wurden als „krankmachend“ identifiziert, der Ansatzpunkt zur Veränderung aber im Individuum verankert. Das zentrale humanistische Konzept der menschlichen Begegnung, einer Begegnung, die Selbstverwirklichung, Sinnfindung und Ganzheit ermöglicht, bot sich als Alternative zu den gesellschaftlichen Zwängen an.
Die Kritik an dem soziokulturellen Kontext umfasste ebenso das vorherrschende wissenschaftstheoretische Verständnis und die positivistischen Forschungsansätze dieser Jahre. Experimentelle Methoden wurden abgelehnt, da diese den humanistischen Ideen diametral entgegenstünden; nur von Vertretern der gesprächstherapeutischen Richtung wurde konsequent eine, von Rogers intendierte, empirische Absicherung des therapeutischen Geschehens verfolgt. Diese überwiegend wissenschaftskritische Haltung führte dazu, dass bestimmte humanistische Verfahren nur begrenzte empirische Überprüfung oder Bestätigung erfahren haben (z. B. das Psychodrama als eigenständige Therapieform) und andere (z. B. die Gestalttherapie) erst spät mit einer Evaluation ihrer Effektivität begannen – als sich die behavioralen Verfahren längst als „Methode der Wahl“ etabliert hatten.
Die Rolle berufspolitischer Interessen
Als Konsequenz sind humanistische Therapieverfahren bis heute in Deutschland weitgehend aus der Versorgung durch gesetzliche Krankenkassen ausgeschlossen. Und das, obwohl zahlreiche Elemente und Methoden der humanistischen Therapieverfahren v. a. in die moderne kognitive Verhaltenstherapie übernommen wurden. Selbst der Gesprächspsychotherapie wurde trotz der Anerkennung als wissenschaftlich fundiertes Verfahren die sozialrechtliche Anerkennung als gleichgestelltes Richtlinienverfahren bisher verwehrt. Gleichzeitig sinken die Zahlen der entsprechenden Ausbildungsinstitute, bzw. Ausbildungsteilnehmer und Mitglieder – und humanistische Psychotherapie wird kaum mehr an den Universitäten gelehrt (Längle und Kriz 2012; vgl. Angus et al. 2015).
Um dieser Entwicklung in Deutschland entgegenzutreten, haben sich 2010 insgesamt 11 Verbände, die die oben aufgezählten Therapieformen vertreten, zu einer „Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie“ (AGHPT) zusammengeschlossen und 2012 einen gemeinsamen Antrag auf die wissenschaftliche Anerkennung der humanistischen Psychotherapie gestellt (analog zu den etablierten Richtlinienverfahren, die ebenfalls sehr breit unter „Verhaltenstherapie“ und „psychoanalytisch begründete Psychotherapieverfahren“, bzw. „tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie“ und „analytische Psychotherapie“ laufen). Leider liegt bisher immer noch keine Entscheidung des zuständigen Wissenschaftlichen Beirates Psychotherapie vor (Stand im Frühjahr 2016).

Psychodrama

Da es unmöglich ist, in die Seele des Menschen direkt einzudringen und das, was sich in ihr abspielt, erkennen und sehen zu können, versucht das Psychodrama den seelischen Gehalt des Individuums nach ‚außen‘ zu bringen und ihn im Rahmen einer greifbaren und kontrollierten Welt gegenständlich zu machen (Moreno 1959, S. 111).
Jakob Levi Moreno (1889–1974), geboren während einer Schiffsreise auf dem Schwarzen Meer, kam im 5. Lebensjahr mit seiner Familie aus Bukarest nach Wien. Vom geistigen Klima der Donaumetropole geprägt, veröffentlichte er ab 1918 in eigenen expressionistischen Jahresheften (Der Daimon). Im Mittelpunkt seiner Gedanken stand das Konzept der menschlichen Begegnungen in ihren kreativen und destruktiven Ausbildungen.
Anfänge des Psychodramas
Inspiriert von seinen Straßenspielen mit Kindern, gründete er 1921 das erste Stegreiftheater in Wien und bezeichnete dies später als „Übergang der Psychotherapie vom psychoanalytischen Diwan zur psychodramatischen Bühne“ (Moreno 1959, S. 81).
Die Weiterentwicklung seiner Ideen zu theoretischen Konzepten und konkreten Handlungsanweisungen fällt in seine zweite Schaffensperiode in den USA. Im Gegensatz zu den freiheitlichen und kreativen Ansätzen in Wien findet sich in den späteren Arbeiten ein starkes Moment der Strukturierung und Normierung.
Konzeption einer Gruppenpsychotherapie
Seine Studien zur Soziometrie – „einer Wissenschaft, die sich mit der Erforschung und Messung zwischenmenschlicher Beziehungen befaßt“ (Moreno 1959, S. 46) – bilden die Grundlage seiner Konzeption einer Gruppenpsychotherapie. In seinen Allgemeinen Grundsätzen zur Gruppenpsychotherapie (Moreno 1959, S. 64–69) werden die wesentlichen Bestimmungsmerkmale humanistischer Gruppenpsychotherapie, die auch heute noch Gültigkeit besitzen, in prägnanter Form beschrieben. Eine Synthese aus seinen Konzepten zur Soziometrie und zur Gruppenpsychotherapie, erweitert um die spontane Darstellung existenzieller menschlicher Beziehungen, stellt das Psychodrama dar.
Morenos Psychodrama
Das Psychodrama Morenos setzt dort an, wo die Möglichkeiten der Gruppenpsychotherapie erschöpft sind (Moreno 1989). Für Moreno sind das Erleben, das Mitteilen und das Durcharbeiten von inneren Konflikten und Blockaden über verbale Kommunikation nur begrenzt möglich. So soll mit Hilfe des Psychodramas eine Tiefentherapie der Gruppenmitglieder erreicht werden.
Innere und äußere Erlebnisse werden darin gestaltet und verbalisiert; so wird die „Wahrheit der Seele“ erkannt (diagnostisches Kriterium) und die „Seele von Schmerz befreit“ (Katharsis). Der Protagonist, d. h. das Gruppenmitglied, das auf der Bühne spontan seine Welt in Szenen beschreibt, erfährt durch die Inszenierung und Durcharbeitung seines persönlichen Dramas die Integration abgespaltener Spontanität, Produktivität und Kraft (Leutz 1974).

Theoretische Konzepte und Praxis des Psychodramas

Mit Hilfe von 5 „Konstituenten“ wird in 3 Spielphasen mit unterschiedlichen Techniken das Psychodrama inszeniert. Zu den 5 Werkzeugen des Psychodramas zählen:
  • Die Bühne, auf der die vom Protagonisten ausgewählten Mitspieler die Szenen seines Lebens nachempfinden, sollte vom übrigen Raum und den Zuschauern abgegrenzt sein.
  • Der Protagonist, der sich selbst auf dem „weiten Raum“ der Bühne darstellt, sollte das Erlebte so konkret wie möglich wiedergeben. Der Schwerpunkt wird dabei auf das emotionale Wiedererleben gelegt. Durch Mimik, Gestik und Wort werden seine Erinnerungen und Imaginationen lebendig und teilen sich dadurch den anderen Mitspielern und dem Psychodramaleiter mit.
  • Der Psychodramaleiter ist verantwortlich für das Zustandekommen und den Ablauf des Psychodramas. Er übernimmt in den 3 Spielphasen unterschiedliche Aufgaben, wobei er zu jedem Zeitpunkt der Sitzung seinen 3 Funktionen – Spielleiter, Therapeut und Analytiker – gerecht werden sollte.
  • Die Mitspieler oder „Hilfs-Ichs“ haben dreierlei Aufgaben. Sie dienen als Mittler zwischen Psychodramaleiter und Protagonist, spielen die abwesenden realen oder imaginären Bezugspersonen des Protagonisten und können als sein Stellvertreter bestimmte Ich-Funktionen übernehmen.
  • Das Publikum bilden die Teilnehmer der Gruppe, die nicht am Spiel teilnehmen. Das Publikum kann dem Protagonisten helfen, in dem es quasi einen Resonanzboden für sein Spiel bildet. Ebenfalls kann aber auch der Protagonist dem Publikum helfen, indem er die „kollektiven Syndrome“ der Gruppe auf der Bühne darstellt.
Psychodramatechniken
Mit Hilfe der Psychodramatechniken, wie z. B. Rollenwechsel, Doppelgängermethode (der Leiter oder ein Hilfs-Ich stellt sich hinter den Protagonisten und wiederholt oder verstärkt seine Äußerungen) oder Zukunftstechnik (eine vorgestellte zukünftige Situation wird so konkret wie möglich simuliert), sollen die dargestellten Szenen deutlicher werden und so das emotionale Durcharbeiten erleichtern.

Die weitere Entwicklung des Psychodramas

Die Methoden des Psychodramas finden sich in zahlreichen anderen Therapieansätzen wieder.
Als eigenständige Formen haben sich neben dem „klassischen Psychodrama“ verschiedene Formen des „tiefenpsychologischen Psychodramas“, aber auch behaviorale Verfahren wie Rollenspiel und Selbstsicherheitstraining etabliert.

Morenos Bedeutung für die humanistische Psychotherapie

Schon lange vor der Gründungsphase der humanistischen Psychologie entwickelte der Psychiater Moreno Konzepte, die sich in der Begriffsbildung und den grundlegenden Ideen von Lewin, Rogers, Perls, Cohn und anderen Vertretern der humanistischen Psychologie wiederfinden. Morenos Werk und Wesen ist voller Spannungen und Brüche. Durch seine – teils ungerechtfertigte – Kritik an den Ausführungen seiner Kollegen geriet er in eine Außenseiterposition, die dazu führte, dass die Bedeutung Morenos für die humanistische Psychologie oft unterschätzt wurde. Tatsache ist, dass Moreno, v. a. in seinem von existenzialistischen und expressionistischen Gedanken geprägten Frühwerk, Konzepte und Methoden entwickelt und formuliert hat (Gruppentherapie, Arbeiten im Hier und Jetzt, Gesundheit durch Begegnung), die von Vertretern der humanistischen Psychologie und Therapie aufgegriffen wurden.
Je näher eine Psychotherapie der Atmosphäre der lebendigen Begegnung kommt, um so größer wird der therapeutische Erfolg sein (Moreno 1959).

Logotherapie

Mensch sein heißt ja niemals, nun einmal so und nicht anders sein müssen, Mensch sein heißt immer, immer auch anders werden können (Frankl und Kreuzer 1986, S. 71).
Viktor Emil Frankl (1905–1997), aufgewachsen in Wien, war zunächst Anhänger der Individualpsychologie Alfred Adlers, wurde aber 1927 aus dessen Verein ausgeschlossen. Frankl entwickelte und publizierte seine Ideen unbeirrt weiter und engagierte sich in der Suizidprävention. Er wurde Leiter der Wiener Jugendberatung und arbeitete im Rahmen seiner Facharztausbildung in Psychiatrischen Kliniken in Wien, v. a. in der Betreuung suizidaler Patientinnen. Als Jude durfte er im nationalsozialistischen Wien nur mehr Juden behandeln und wurde 1940 Stationsleiter im jüdischen Rothschildspital. Im folgenden Jahr wurden er und seine Familie deportiert.
Anfänge der Logotherapie
Frankls Eltern, sein Bruder und seine damalige Frau kamen im Konzentrationslager ums Leben. Frankl selbst wurde schließlich im April 1945 aus Auschwitz befreit. Sein Buch … trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (Frankl 2002; Original: 1946) ist bis heute in mehr als 150 Auflagen und ca. 25 Sprachen erschienen. Frankl veröffentlichte zunächst sein im KZ verloren gegangenes, rekonstruiertes Manuskript Ärztliche Seelsorge, in dem er die Grundlagen der Logotherapie und Existenzanalyse beschreibt (Frankl 1997; Original 1946).
Weitere Entwicklung
Ab 1946 war Frankl Vorstand der neurologischen Abteilung der Wiener Poliklinik. Zahlreiche Publikationen folgten und Frankl fand bald weltweite Anerkennung für sein Werk. Während die „Dritte Wiener Schule der Psychotherapie“ jedoch nicht nur die humanistischen Psychotherapieverfahren inspirierte, hat sich Frankls Ansatz, ebenso wie z. B. die „personale Existenzanalyse“ seines Schülers Alfried Längle als eigenständige Therapierichtung kaum etabliert, sondern fand seinen Niederschlag v. a. in der Übernahme seiner Ideen.

Grundzüge der Logotherapie und Existenzanalyse

Logotherapie als sinnzentrierte Therapie sieht die Suche nach und den Willen zum Sinn als eine Grundmotivation des Menschen. In seiner ganzen Existenz braucht der Mensch Sinnhaftigkeit; ist dieses Bedürfnis frustriert, kann dies zu pathologischen Entwicklungen führen oder diese verstärken. Die Logotherapie unterstützt den Patienten bei seiner Sinnsuche, indem sie Blockaden beseitigt und für die Wahrnehmung möglicher Sinnhaftigkeit sensibilisiert. Dabei sind aber nicht die Werte der Gesellschaft oder einer Therapierichtung zu vermitteln, sondern es gilt mit dem Patienten dessen ganz individuelle Sinnmöglichkeiten zu entdecken.
Freiheit des Willens und Wille zum Sinn
Der Mensch ist seinem Wesen nach nicht nur Leib und Psyche sondern auch Geist, mit dem er sich über sein Psychophysikum erheben kann, also über das Zusammenspiel von Leib und Seele und deren Erkrankungen. In all seiner Bedingtheit ist der Mensch doch frei, begründet in dieser geistigen Dimension, mit der er sich über seine Triebe, über Erbe und Umwelt erheben kann. Eng verknüpft mit dieser Freiheit ist jedoch auch Verantwortlichkeit, nämlich für „die Erfüllung von Sinn und die Verwirklichung von Werten“ (Frankl 1998, S. 98).
Existenzanalyse
Existenzanalyse als theoretische und praktische Grundlage der Logotherapie umschreibt deren zugrunde liegendes Menschenbild und Forschungsziel und ist zugleich Teil des therapeutischen Vorgehens in der Logotherapie. Im Rahmen der „allgemeinen Existenzanalyse“ wird das Sinnbedürfnis und die immer bestehende Möglichkeit zur Sinnfindung mit dem Patienten erörtert, um in der „speziellen Existenzanalyse“ in einer konkreten Schau der Situation des Patienten und seiner Möglichkeiten zu münden.
Therapeutische Techniken in der Logotherapie
In der existenziellen Freiheit des Menschen liegen zugleich die wichtigsten Techniken der Logotherapie begründet, die auf einer Distanzierung zur Symptomatik beruhen. In der paradoxen Intention lernt der Patient, sich von seinen Symptomen und dysfunktionalen Gedanken zu distanzieren, indem er sich explizit vornimmt, solche zu haben, sie übertreibt und ihnen mit Humor und Ironie begegnet. Frankl (1998) sieht die Indikation dieser Methode v. a. bei Ängsten und Zwängen und beschreibt damit früh die in anderen Therapierichtungen praktizierte Symptomverschreibung.
Mithilfe der Dereflexion, die v. a. bei psychosomatischen und sexuellen Funktionsstörungen indiziert ist, soll der Patient lernen, übertriebene Selbstaufmerksamkeit von sich und seinen Symptomen wegzulenken, um so einen Teufelskreis von Bedeutungszuschreibung, Selbstbeobachtung und damit Symptomverstärkung zu unterbrechen, kurz: die Symptome zu ignorieren (Frankl, S. 178).
Wichtigste Gesprächsmethode in der Logotherapie ist dabei der sokratische Dialog, in dem durch gezielte Fragen und Zusammenfassungen der Gedanken des Patienten dieser unterstützt wird, weiter zu denken und sich seiner Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten bewusst zu werden. So soll eine „Einstellungsmodulation“ erzielt werden, bei der unrealistische oder gar lebensfeindliche Überzeugungen zugunsten einer bejahenden und wachstumsfördernden Grundhaltung fallen gelassen werden.

Gestalttherapie

Zu den Hauptrepräsentanten der humanistischen Therapien zählt die Gestalttherapie , die geprägt ist von dem Bemühen, biologistische sowie mechanistische Auffassungen von der Natur des Menschen zu überwinden. Der Mensch ist frei, sich in der Beziehung zu anderen Menschen und zur Natur in seiner Lebendigkeit zu spüren und auszutauschen. Nur in der Begegnung findet und erfährt er sich selbst in der ganzen Breite seiner emotionalen Ausdrucks- und Erlebnisfähigkeit (in der Gestaltterminologie: Polarität). Wird der psychische Kontakt zur Welt blockiert, kommt es zu Störungen in der Entstehung und im Gewahrwerden von aktuellen Erfahrungen. Diese Blockierungen sind in der Regel auf mangelnde innere und äußere Unterstützung zurückzuführen und stören den Prozess der freien Gestaltbildung in einem Organismus-Umwelt-Feld. Dies bedeutet, dass das Individuum die kontextangemessene emotionale Reagibilität aufgibt und stattdessen versucht, durch stereotype emotionale Reaktionen die organismische Stabilität und Funktionstüchtigkeit aufrechtzuerhalten.
Die wichtigsten Konstrukte der gestalttherapeutischen Theorienbildung,
  • die Unterstützung aus Organismus und Umwelt,
  • die Gestaltbildung auf einem Figur-Hintergrund-Prozess,
  • die Grenze als der Ort, an dem Kontakt stattfindet,
  • die Blockierung von Emotionen und Bedürfnissen und
  • die Freisetzung von Kraft und Energie durch Lösung der Blockaden,
stehen in engem Zusammenhang mit der persönlichen Entwicklung des Begründers der Gestalttherapie Fritz Perls.

Werdegang Fritz Perls

Dieser wurde 1893 als Sohn jüdischer Eltern in Berlin geboren. Im 1. Weltkrieg erlebte er als medizinischer Helfer im Fronteinsatz die Sinnlosigkeit des Krieges. Nach dem Krieg beendete er sein Medizinstudium und ließ sich als Psychiater nieder. Er wurde Assistent bei Kurt Goldstein und begann eine psychoanalytische Ausbildung, in deren Verlauf er mit einer Reihe namhafter Psychoanalytiker in Verbindung kam. Im Jahr 1933 emigrierte er mit seiner Familie nach Südafrika – dort entwickelte er die grundlegenden Ideen für sein erstes Buch Das Ich, der Hunger und die Aggression, das 1946 nach seiner Übersiedlung nach New York veröffentlicht wurde.
In diesem Werk verwirft er Freuds Libidotheorie und vertritt die Ansicht, dass das zentrale Merkmal der Neurose die Verhinderung der Befriedigung der organismischen Bedürfnisse ist. Von dieser Annahme ausgehend entwickelte er eine Therapieform, die er zunächst Konzentrationstherapie nannte. Erst 1951 wurde der Begriff „Gestalttherapie“ durch den Titel des Buches Gestalt Therapy – Excitement and Growth in the Human Personality, das er zusammen mit Ralph Hefferline und Paul Goodmann veröffentlichte, geprägt.
Gestalt als sinnvoll organisiertes Ganzes
1952 gründete Fritz Perls zusammen mit seiner Frau Laura das „Gestalt Institute of New York“.
„Gestalt“ als Synonym für ein sinnvoll organisiertes Ganzes, das zu seinen Elementen in einer besonderen Art in Beziehung steht, trifft am ehesten den für ihn zentralen Kern seiner Therapie: Durch Unterstützung und Kontakt eine Basis zu schaffen, aus der heraus die Bewusstheit für die aus dem Organismus entstehenden Bedürfnisse gefördert wird, um so die Beziehungen und den Kontakt zur Welt lebendig zu gestalten.
Gestalttherapie ist bis heute wesentlich durch die charismatische und kreative Persönlichkeit von Fritz Perls geprägt, die – durchaus im Einklang mit der gestalttherapeutischen Sichtweise – auch in ihren dunklen und widersprüchlichen Seiten öffentlich wurde. Die theoretischen Konzepte und deren Publikation sind aber nicht ohne Paul Goodman zu denken. Dieser eröffnete zusammen mit Laura Perls 1953 in Cleveland das zweite Gestaltinstitut und es kam zum Bruch mit Fritz Perls und dadurch zur Spaltung innerhalb der ersten Generation von Gestalttherapeuten. Perls’ Arbeitsstil wurde später als Westküstenstil, der von Paul Goodmann und Laura Perls als Ostküstenstil bezeichnet.
In seinen letzten Lebensjahren bemühte sich Perls, seine Erkenntnisse in Workshops an Ausbildungskandidaten weiterzugeben. Er verstarb 1970, ohne eine systematische Darstellung seiner Theorien und praktischen Methoden veröffentlicht zu haben. Dass die von ihm angewandten Techniken, zugänglich durch die Veröffentlichung von Therapieprotokollen und auditiven Sitzungsbändern, weithin mit Gestalttherapie gleichgesetzt wurden, beeinträchtigte die Weiterentwicklung und Überprüfung der zugrunde liegenden Theorie.

Theoretische Grundannahmen

„Der Mensch wird am Du zum Ich“ (Buber 1962, S. 32). Gestalttherapeutische Theorienbildung basiert auf den psychoanalytischen Theorien der 1920er- und 1930er-Jahre, den existenzialistischen Ansichten über Freiheit, Entscheidung und Authentizität und den Ansätzen der Gestaltpsychologie.
Das zentrale gestaltpsychologische Konzept der Bildung und Wahrnehmung von Gestalten auf einem Figur-Hintergrund-Prozess wurde von Perls aufgegriffen, um die Entwicklung oder Stagnation psychischer Gesundheit und psychischen Wachstums zu beschreiben. So ist eine ungestörte Gestaltbildung die Grundvoraussetzung für eine freie Entfaltung der dem Organismus innewohnenden Energien, die Perls auch als „Erregung“ oder „Wille zum Kontakt“ bezeichnete.
Das Auftreten von gestörten oder pathologischen Prozessen bedeutet demnach eine Störung im Verhältnis der Figur-Hintergrund-Prozesse. Dabei kann entweder die Wahrnehmung der im Vordergrund entstehenden Figur oder die Stützfunktion des Hintergrundes gestört oder beeinträchtigt sein.
Ist ein im Vordergrund stehender Prozess vom Rest des Systems isoliert, verändert er das Funktionieren des gesamten Feldes in charakteristischer Weise, und es kommt zu Störungen und Blockierungen. Diese besitzen für den Gesamtorganismus eine Schutzfunktion; sie beeinflussen aber die Figur-Hintergrund-Dynamik zukünftiger Interaktionen und wirken dadurch langfristig pathogen.
Ein Ziel der Gestalttherapie ist die Wahrnehmung und Integration von abgespaltenen und isolierten Gestalten und Figuren des Erlebens, sodass alle Teile des Organismussystems wieder miteinander interagieren können.

Das Konstrukt „Kontakt“ im gestalttherapeutischen Kontext

Der zentrale Begriff in der Gestalttherapie ist Kontakt „als jede Art von lebendiger Beziehung, die sich an der Grenze in der Interaktion von Organismus und Umwelt ereignet“ (Perls et al. 1992, S. 11–12). Die Kontaktgrenze, die somatisch wie auch abstrahiert psychisch Organismus und Umwelt trennt, ist der Ort, an dem eine Begegnung stattfindet.
Unter Kontaktfunktionen versteht man die Prozesse, durch die ein Individuum in der Lage ist, Beziehung zu seiner Umwelt aufzunehmen. Sie betreffen in erster Linie unsere 5 Sinne, darüber hinaus müssen auch unsere Bewegungen und v. a. auch Berührungen sowie Sprache als Grundlage jeglicher Interaktion zu den Kontaktfunktionen gerechnet werden.
Kontaktfunktionen finden vor dem Hintergrund der organismischen Funktionen statt, die die notwendige Stützung für den Kontaktprozess darstellen. Kontakt kann also nur Gestalt werden, wenn die Stützung des organismischen Hintergrundes verfügbar ist.
Ein dysfunktionaler Hintergrund oder eine dysfunktionale Umwelt verhindern Kontakt und führen zu Störungen der Integration und Organisation von Erfahrungen, die sich dem Therapeuten in Form von Symptomen und Störungen zeigen.

Das Selbst im gestalttherapeutischen Kontext

Durch eine zunehmende Differenzierung in Innen und Außen, in Ich und Du, bildet der Mensch im Laufe seiner Entwicklung ein reflexives Bewusstsein seiner selbst. Dieses Selbst ist als das System ständiger neuer Kontakte definiert, es ist nichts Konstantes, sondern entsteht in jedem Kontakt in einem Organismus-Umwelt-Feld neu (Butollo 1996; Butollo et al. 2002). Nur wo Kontakt stattfindet, entsteht Selbst und geht direkt in einer Figur, also dem momentan im Hier und Jetzt entstandenen Zentrum der Aufmerksamkeit, auf.
Für Perls gibt es an dieser Kontaktgrenze nur „zwei Prozesse um Notständen zu begegnen: die Abstumpfung und die Halluzination“ (Perls et al. 1992, S. 47). Diese beiden Prozesse werden individuell unterschiedlich verarbeitet und bewirken festgefahrene und unflexible Verhaltensformen, die zu Kontaktstörungen führen. Diese Kontaktstörungen, die ihren Ausdruck in Beziehungsstörungen und neurotischen Konflikten finden, nehmen in der gestalttherapeutischen Theorienbildung einen breiten Raum ein, sie determinieren das Störungsbild. Eine ausführliche Beschreibung der Kontaktstörungen findet sich bei Polster und Polster (1993). Unterschieden werden:
Introjektion
Sie ist die passive und unkritische Aufnahme dessen, was die Umwelt anbietet. „Ein Introjekt hingegen ist ein Stoff …, den man in sein Verhaltenssystem aufgenommen, aber nicht so weit assimiliert hat, dass er ein echter Teil des Organismus geworden ist“ (Perls et al. 1993, S. 210).
Projektion
Hierbei werden bestimmte eigene Teile abgelehnt und der Umwelt zugeordnet: „Der Projizierende ist z. B. nicht gewahr, dass er andere zurückstößt, und glaubt, sie stießen ihn zurück“ (Perls et al. 1993, S. 232).
Retroflexion
Impulse, die ursprünglich nach außen gerichtet waren, werden auf sich selbst gerichtet: „Wenn wir sagen, dass jemand Verhalten ‚retroflektiert‘, so heißt das, er tut sich selbst an, was er ursprünglich anderen Personen oder Dingen angetan hat oder antun wollte“ (Perls et al. 1993, S. 166).
Konfluenz
Hierbei sind die Gefühle der Zugehörigkeit, der Wunsch, im sozialen Umfeld aufzugehen, gleichsam mit der Umwelt zu verschmelzen, wichtiger als die eigene Autonomie und Identität, die gefürchtet werden. „Konfluenz ist der Zustand der Kontaktlosigkeit (ohne Grenze des Selbst), während dessen jedoch andere wichtige Interaktionen weitergehen, z. B. physiologische Vorgänge, Umweltreize und so weiter“ (Perls et al. 1992, S. 250).
Deflexion
Deflexion wurde von Perls mit dem für unseren heutigen Sprachgebrauch etwas verwirrenden Begriff „Egoismus“ versehen: Das Vermeiden des Kontaktes durch Mechanismen, die von der realen (Interaktions-)Erfahrung ablenken, wie z. B. die Abwendung des Blickes oder Weitschweifigkeit der Rede. „Im Egoismus ist dem Neurotiker alles bewusst, und über alles weiß er etwas zu sagen, während das Selbst in der Konzentration sich leer fühlt, ohne Bedürfnisse oder Interesse“ (Perls et al. 1992, S. 263).

Therapeutische Beziehung

Gestalttherapie baut auf mehrere komplexe Grundpositionen auf: Existenzialismus, Feldtheorie im Sinne Kurt Lewins, Phänomenologie, dialogische Psychologie und Therapie in Anlehnung an Martin Buber. Das sind Grundpositionen, in denen eine Haltung zur psychischen Störung, zum Patienten als Mitmenschen, aber auch zum Therapeuten zum Ausdruck kommt:
  • Die Begegnung hat in der Therapie Vorrang gegenüber einer Interaktion, in der der Therapeut sich gegenüber dem Patienten als Experte definiert und damit professionelle Distanz herstellt, sich als Person aber versteckt.
  • Die Hinwendung an die Gegenwart und gegenwärtige Erfahrung haben Vorrang vor dem Konzeptualisieren vergangener Erlebnisse.
  • Der Aufbau von Selbstunterstützung und Selbstbestimmung hat Vorrang vor einer passiven Patientenhaltung in der Psychotherapie, in deren Verlauf man erwarten kann, „behandelt“ zu werden.
Es sind in erster Linie die Erfahrungen aus der Beziehung zwischen Therapeut und Klient, die den therapeutischen Prozess der Veränderung in Gang setzen. Sie erhalten ihre Bedeutung von dem, was momentan ist und nicht was war oder sein wird. Kontakt findet definitionsgemäß nur im Hier und Jetzt des augenblicklichen Geschehens statt und prägt den therapeutischen Prozess maßgeblich.

Therapeutischer Prozess

Gestalttherapie ist ein existenzieller, erfahrensorientierter und experimenteller Ansatz, der über eine zunehmende Bewusstheit oder Gewahrwerdung („awareness“) der Figur-Hintergrund-Prozesse bewirkt, dass eine frei fortschreitende Gestaltbildung erlebt und bewältigt werden kann.
Die Zentrierung der Wahrnehmung auf unmittelbare Kontakterfahrungen im Hier und Jetzt, die durch das aktuelle Erleben und die eigenen Körpererfahrungen bestimmt werden, bilden dabei das Kernstück gestalttherapeutischer Therapiekonzepte.
Wachstumsblockierende Prozesse
In der Gestalttherapie wird davon ausgegangen, dass der Klient allein durch den Prozess der Selbstbegegnung mit seiner inneren und sozialen Wirklichkeit die wachstumsblockierenden Konflikte erkennen und integrieren kann. Dementsprechend verläuft der therapeutische Prozess durch mehrere Phasen (Hartmann-Kottek-Schroeder 1994). Perls selbst benutzt das Beispiel einer Zwiebel: Schicht für Schicht der blockierenden Wachstumsstörungen werden im therapeutischen Prozess gespürt und benannt, um dann angenommen, integriert oder zurückgewiesen zu werden.
  • Wichtig in der ersten Phase ist die Bereitstellung von äußerer Unterstützung, die eine Zuwendung zu oft hinter klischeehaften Rollen verborgenen Kontaktformen ermöglicht.
  • In der zweiten Phase geht es um ein differenziertes Erkennen von konflikthaften Hintergrund-Figur-Prozessen, die sich in der Regel auf 2 Entwicklungslinien konzentrieren:
    • den Umgang mit defizitär erlebten Interaktionen und Eigenschaften;
    • den Einfluss von assimilierten pathogenen Beziehungserfahrungen.
  • In der dritten Phase soll bis dahin Unvereinbares assimiliert und integriert werden.
  • Das Festigen und Erproben der wiedergewonnenen Breite der zwischenmenschlichen Erfahrungen steht in der vierten Phase im Vordergrund.
Interventionstechniken
Während des gesamten Therapieprozesses ist die Beziehung zwischen Therapeut und Klient Diagnostikum und Therapie zugleich. Anders als in der klientenzentrierten Psychotherapie wird dabei eine ganze Reihe von Interventionstechniken angewandt, die gegenüber den Klienten auch explizit als Experimente bezeichnet werden. In diesen kommen Elemente des Psychodramas, des Behaviorismus sowie meditative und körperorientierte Übungen zum Einsatz.
Diese Techniken stehen stets im Dienste des therapeutischen Prozesses – Exploration, Gewahrsein, Erweiterung oder Akzeptieren der Kontaktgestalten; sie stellen niemals den Prozess an sich dar. Es war für die Gründer der Gestalttherapie (und wohl auch für die meisten ihrer Schüler) eine Enttäuschung zu sehen, dass Gestalttherapie in der Fachöffentlichkeit nicht selten ausschließlich mit ihren Techniken gleichgesetzt wurde.
Laura Perls (1989) betonte, dass stets die persönliche Begegnung im Hier und Jetzt der therapeutischen Situation im Vordergrund steht und diese das Wie und Wann der Interventionen und Techniken maßgeblich beeinflusst.
Die therapeutischen Techniken oder auch Experimente dienen der Darstellung (in Form von Rollenspielen oder der Technik des leeren Stuhls) und der Erforschung (indem Emotionen, Empfindungen und deren Ausdruck bewusst wahrgenommen und verstärkt werden) von eigenen Prozessen in der Therapie und wichtigen Interaktionen außerhalb, die so in der therapeutischen Situation erfahrbar und somit bearbeitbar gemacht werden. Sie liefern so in erster Linie eine Verstärkung des Gewahrseins über problemerzeugende Vorgänge.
Technik des leeren Stuhls
Konkret lässt sich z. B. die Technik einer Arbeit mit dem leeren Stuhl als abwechselnde Rollenübernahme beschreiben. Der Klient (ver-)setzt sich während der Arbeit in verschiedene (Rollen) Stühle und spürt und beschreibt die Gefühlsqualitäten, die er empfindet, sowie die Gedanken dazu. Rollen können verschiedene Personen (z. B. sich selbst und den Vater) oder verschiedene Ich-Anteile (der Mutige und der Verzagte) darstellen. Gegensätzliche Emotionen (z. B. der liebende und der hassende Sohn), Wünsche und Bedürfnisse gegenüber anderen, die real nur schwer gezeigt werden können, und unerledigte Erfahrungen aus der Vergangenheit (nicht geschlossene Gestalten, wie z. B. unerledigte Rachegefühle) sollen so identifiziert und zum Ausdruck gebracht und dadurch integriert werden.

Gestalttherapeutische empirische Forschung und Nachweis der Wirksamkeit

Die meisten Repräsentanten der humanistischen Psychologie, allen voran Fritz Perls, sahen einen ernsten Widerspruch zwischen humanistischen Verfahren und empirischer Forschung. Der Mensch, der in der Beziehung mit dem Klienten seine Konzentration in Therapeut-Sein und Wissenschaftler-Sein spaltet, blockiert dadurch die existenzielle Begegnung und damit auch die kreative Anwendung bestimmter Interventionstechniken, so die Argumentation.
Erst einige aus der nachfolgenden Generation von Gestalttherapeuten überwanden die Skepsis Perls’ und entwickelten innovative Forschungsansätze (Butollo 1992). Als Forschungsziel wird v. a. eine genaue Analyse der Wirkungsweise des gestalttherapeutischen Kontakts angestrebt, welche Prozesse also zur Erweiterung des Handlungs- und Erlebenspotenzials des Klienten führen (s. dazu Butollo und Maragkos 1999). Eine herausragende Rolle spielt dabei die Gruppe um Leslie Greenberg, die in konsequenter und akribischer Prozessforschung den Zusammenhang zwischen erfahrungsorientierten Prozessvariablen und Therapieergebnis untersucht und so z. B. in mehreren Arbeiten die Effektivität der Leeren-Stuhl-Technik belegen konnte (z. B. Paivio und Greenberg 1995; Paivio et al. 2010) bzw. deren Wirkfaktoren herausarbeitete (z. B. Greenberg und Malcolm 2002).
Neuere Übersichtsarbeiten und Handbücher zeigen die Breite gestalttherapeutischer (Butollo und Maragkos 1999; Strümpfel 2012) und humanistischer Psychotherapieforschung allgemein (Angus et al. 2015; Cain und Seeman 2002). Untersuchte Störungsbilder sind dabei v. a. affektive Störungen, aber auch psychiatrische Störungsbilder wie Schizophrenie und substanzbezogene Störungen, psychosomatische Beschwerden und – mit wachsender Tendenz – die traumabezogenen Störungen (z. B. Butollo et al. 2016; Hagl et al. 2015; König et al. 2016; Paivio et al. 2010). Nach Strümpfel (2012; vgl. Elliott et al. 2013) zeigen sich besonders bei affektiven Störungen gute Effektstärken (z. B. Beutler et al. 1993; Greenberg und Watson 1998; Watson et al. 2003). Und trotzdem wird die Wirksamkeit der Gestalttherapie vom psychologischen Mainstream in Deutschland noch nicht anerkannt. Es scheint, als wäre die Rezeption des Forschungsstandes seit der Beurteilung durch Grawe et al. stecken geblieben, die vor gut zwei Dekaden schlossen, dass es zu wenig Studien gäbe, aber „… sich die Gestalttherapie in weiteren Untersuchungen als sehr wirksames Therapieverfahren mit einem breiten Wirkungsspektrum erweisen könnte“ (Grawe et al. 1994, S. 116).
Tatsächlich hat sich dies längst gezeigt. Die laufend aktualisierte Metaanalyse zu humanistischen Therapieverfahren von Elliott et al. (2004, 2013) bestätigt die Wirksamkeit von Gestalttherapie und erfahrungsorientierten Ansätzen generell. Elliott et al. (2004) errechneten auf der Grundlage von 10 unkontrollierten Wirksamkeitsstudien für „klassische“ Gestalttherapie eine gemittelte Prä-post-Effektstärke von 1.23, was gemäß der Konvention zur Beurteilung von Effektstärken als hoch gilt. Für 3 kontrollierte Studien (verglichen mit keiner Behandlung) lag die Effektstärke mit 0.68 im mittleren Bereich. Hier ist erwähnenswert, dass es sich bei den von der Gruppe um Elliott untersuchten Studien mit „reiner“ Gestalttherapie ausnahmslos um ältere Publikationen handelt; Arbeiten nach 2000 (z. B. Butollo et al. 2014b) sind nicht inkludiert, auch weil Elliott et al. (2013) einen anderen Fokus setzen. Für den gemischten prozess-/erfahrungsorientierten Ansatz (EFT) der Greenberg-Gruppe errechneten Elliott et al. (2004) folgende Ergebnisse: In der Einzeltherapie eine Prä-post-Effektstärke von 1.26 auf der Basis von 18 unkontrollierten Studien und eine Effektstärke von 0.89 im Vergleich zu keiner Behandlung oder Warteliste (3 Studien). In der Paartherapie eine Prä-post-Effektstärke von 1.40 (10 unkontrollierte Studien) bzw. von 1.93 (6 Vergleiche mit Warteliste). Interessant ist der direkte Vergleich zur kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) als dem heute wichtigsten Richtlinienverfahren. Hier konnten Elliott et al. (2013) inzwischen kontrollierte 6 Studien zu EFT in die Auswertung aufnehmen, 5 davon randomisiert, und fanden keine Hinweise auf eine Überlegenheit der KVT; im Gegenteil waren die erfahrungsorientierten Ansätze sogar signifikant besser (0.53; [0.13–0.93]), solange die Schulenzugehörigkeit der Durchführenden nicht statistisch kontrolliert wurde, so dass insgesamt von einer Äquivalenz der Verfahren ausgegangen werden sollte.
Unterschiede zwischen der Gestalttherapie und den traditionellen psychodynamischen Psychotherapien
  • Fragen nach dem Wie, statt nach dem Warum:
    • Der Schwerpunkt liegt auf der gegenwärtigen Wahrnehmung von Selbst, Umwelt und Beziehungen, weniger auf Theorien, Vorstellungen von Selbst, Umwelt und Beziehungen.
    • Innere Szenarien werden im Gestaltdialog aktualisiert, um so das Wie dieser Prozesse kennenzulernen.
  • Orientierung an der Gegenwart:
    • Wenn Vergangenes wirkt, wie wirkt es im Hier und Jetzt?
    • Jeglicher Kontakt ist eine Aktualisierung des Selbst: gegenwärtige Muster der Kontaktentstellung sind so Indikatoren eines sich reduzierenden Selbst.
  • Erweiterung des Selbst hin zu mehr Lebendigkeit:
    • Das Suchen und Kennenlernen nicht wahrgenommener oder nicht gewünschter Seiten des Selbst dient ebenso einer Steigerung der Vitalität, wie das Identifizieren und Unterstützen (im Augenblick des Auftretens) von Impulsen und emotionalem Ausdruck.
  • Echte Begegnung:
    • Die Beziehung zwischen Klient und Therapeut ist nicht weniger real als die Beziehungen „draußen“; der Therapeut bringt sich als ganzer Mensch ein, was bedeutet, dass die Gefühle des Klienten auch wirklich ihm gelten, im Jetzt der Beziehung, und nicht allein als Übertragung vergangener Beziehungserfahrungen zu begreifen sind.
  • Prozessorientierung:
    • Im Vordergrund der therapeutischen Arbeit stehen die Erfahrungsabläufe und ihre Implikationen für Selbstwahrnehmung und reale Kontakte. Inhalte von Erfahrungen spielen dabei eine geringere Rolle.
  • Widerstand:
    • Widerstand, so man in diesen Kategorien denkt, wird nicht gedeutet, umschifft oder gar gebrochen, sondern als interessante Äußerung des Selbst in den Vordergrund der Arbeit gestellt.

Gesprächspsychotherapie

Wenn es einem gelingt, dem Inneren eines Menschen nahezukommen, wird man dort immer ein vertrauensvolles, positives Zentrum berühren (Rogers 1987, S. 300).
Carl Rogers wurde 1902 in den Vereinigten Staaten geboren und wuchs in einer Familie auf, die er als streng und emotional distanziert beschrieb. Er studierte erst Agrarwissenschaften und kam dann, ein radikaler Bruch, über das Studium der Theologie zur Psychologie. Rogers war ab 1949 Professor für Psychologie (Universitäten von Chicago und Wisconsin); später lebte und arbeite er im südkalifornischen La Jolla bis zu seinem Tode 1987. Er gilt als einer der führenden Persönlichkeiten der humanistischen Psychologie und Psychotherapie.

Personzentrierte Psychotherapie

Rogers begründete um 1940 eine Beratungs- und Therapiemethode, die von Anfang an durch spezifische Theoriebildung und Forschung begleitet wurde.
Die wichtigste Grundvoraussetzung der personzentrierten Psychotherapie war (und ist) die ausschließliche Konzentration auf den Klienten.
Nach und nach etablierte sich für seinen Ansatz in den USA der Terminus „klientenzentrierte Psychotherapie“ („client-centered therapy“). Rogers selbst präferierte jedoch später die Bezeichnung personzentrierter Ansatz („person-centered“). In Deutschland verbreitete sich hingegen in erster Linie der Begriff Gesprächspsychotherapie. Heute werden die Begriffe im deutschen Sprachraum weitgehend synonym gebraucht.
Wachstumspotenzial des Menschen
Die zentrale Hypothese der personzentrierten Therapie besagt, dass jeder Mensch in sich über ein Potenzial verfügt, sich selbst zu verstehen und konstruktiv zu verändern, und dass diese Fähigkeiten am besten in einer wachstums- und entwicklungsfördernden Beziehung freigesetzt werden können. So geht Rogers davon aus, dass sich in jedem menschlichen Organismus eine Tendenz findet, zu wachsen, sich weiter zu entwickeln und die in ihm vorhandenen Möglichkeiten auszuschöpfen. Dementsprechend stellt die innere phänomenale Welt des Klienten den Mittelpunkt der Therapie dar. In dem Begriff „klientenzentrierte Therapie“ wird diese Tatsache hervorgehoben. Dem Therapeuten obliegt die Aufgabe, ein günstiges, die Selbstexploration des Klienten förderndes zwischenmenschliches Klima herzustellen. In diesem soll der um Hilfe suchende Mensch über sich und die Bedingungen seines Problems eigene Entdeckungen machen und eigene Entscheidungen treffen können.

Theoretische Grundannahmen

Die folgenden Grundannahmen beschreiben die Vorstellungen von einigen dem menschlichen Organismus innewohnenden Gesetzmäßigkeiten, ohne die die Entwicklung und Veränderung nach personzentrierter Sichtweise nicht denkbar ist. Sie stellen somit die postulierten anthropologischen Voraussetzungen für Entwicklung, Wachstum und Reife dar.
Aktualisierungstendenz
Diese besagt, dass der Mensch eine inhärente Tendenz zur Entfaltung seiner Kräfte besitzt. In einem wachstumsfreundlichen Klima wird er sich in umfassender Weise verwirklichen; seine Aktualisierungstendenz kann aber auch durch ungünstige Umweltbedingungen gehemmt oder vollkommen blockiert werden. Durch die differenzierende Funktion der Aktualisierungstendenz kommt es zur Entwicklung des Selbst. Dieses entsteht durch eine wertbestimmte Interaktion zwischen Organismus und Umgebung und bildet über die erlebten Selbsterfahrungen das Selbstkonzept aus.
Konzepte des Selbst und das Selbstkonzept im personzentrierten Kontext
Rogers geht davon aus, dass im therapeutischen Veränderungsprozess eine Entwicklung stattfindet, die ausgehend von den Symptomen zu einer Beschäftigung mit dem Selbstkonzept und der Selbstwahrnehmung des Klienten führt. Nachdem eine Exploration der verschiedenen Aspekte eines Problems stattgefunden hat, tritt nach und nach das Selbst immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses.
Unabhängig von der Art der Probleme, die den Klienten zu einer Therapie bewogen haben, geht es also immer um eine vom Klienten wahrgenommene Entfremdung von sich selbst.
Rogers definiert dieses Selbst folgendermaßen:
Das Selbst-Konzept oder die Selbst-Struktur lässt sich umschreiben als eine organisierte Konfiguration von Wahrnehmungen des Selbst, die dem Bewusstsein zugänglich sind. Es setzt sich zusammen aus Elementen wie den Wahrnehmungen der Charakteristika und der Fähigkeit der Person; den Wahrnehmungen und Vorstellungen des Selbst in Bezug zu anderen und zur Umgebung; den Wertgehalten, die als verbunden mit Erfahrungen und Objekten wahrgenommen werden; und den Zielen und Idealen, die als positiv oder negativ wahrgenommen werden (Rogers 1978, S. 135).
Erleben („experiencing“)
All das, was sich im Inneren des Organismus abspielt und dem Bewusstsein zugänglich ist, wird als der Prozess des Erlebens bezeichnet. Das volle Erleben eines Gefühls wird dabei als irreversibles physiologisches Ereignis angesehen. Ein solches Erlebnis stellt eine entscheidende Stelle im therapeutischen Prozess dar. „Veränderung findet in den Momenten statt, in denen eine bislang geleugnete Erfahrung fokussiert und vollständig, offen und akzeptierend erlebt wird“ (Rogers 1994).
Inkongruenz
Die Bedürfnisse des Organismus, die nicht immer wahrgenommen werden, und die bewussten Wünsche und Bedürfnisse, die Teile des Selbstkonzepts darstellen und auf bestimmte entwicklungsbedingte Erfahrungen und Bewertungen zurückzuführen sind, können unterschiedliche Gefühlsqualitäten besitzen. Diese Diskrepanz zwischen dem, wie man ist (oder fühlt), und dem, wie man sich selbst sehen (oder fühlen) will, wird als Inkongruenz bezeichnet. Psychisches Leiden entsteht Rogers zufolge durch zunehmende Inkongruenz zwischen Selbstkonzept und organismischer Erfahrung. Je größer diese, in der Regel nicht bewusst wahrgenommene Inkongruenz ist, desto stärker ist die Störung ausgeprägt.

Therapeutische Beziehung

Im Laufe der Entwicklung der klientenzentrierten Psychotherapie hat sich allmählich das Konzept herausgebildet, dass der therapeutische Erfolg in erster Linie nicht vom technischen Wissen und Können des Therapeuten abhängt, sondern davon, ob dieser bestimmte Einstellungen besitzt (Rogers 1983a, S. 22).
Diese Einstellungen müssen für den Klienten im therapeutischen Prozess wahrnehmbar und erfahrbar sein. Sie sind für den Therapieablauf und für die konstruktive Veränderung von ausschlaggebender Bedeutung. Die klientenzentrierten Basisvariablen sind:
  • Echtheit oder Kongruenz des Therapeuten,
  • positive Wertschätzung und uneingeschränktes Akzeptieren des Klienten durch den Therapeuten,
  • Empathie, also die Fähigkeit, die Gefühle und Erlebnisinhalte des Klienten einfühlsam zu erfassen.
Zentrale Voraussetzung für die Wirksamkeit der therapeutischen Haltungen ist, dass der Therapeut die vorgestellten Einstellungen nicht als Methoden anwendet. Sie sollen vielmehr dem humanistisch-philosophischen Hintergrund des Therapeuten entsprechend nicht angewandt, sondern vom Therapeuten erlebt und empfunden werden.
Erfassen und Verbalisieren
Die psychotherapeutische Begegnung ist gekennzeichnet durch die Fähigkeit des Therapeuten, die Erlebnisse und Gefühle des Klienten präzise und einfühlend zu erfassen und zu verbalisieren. Empathie, also das sensible Verstehen der Gefühlswelt des Klienten, und akzeptierende Wertschätzung bedingen sich dabei im therapeutischen Prozess wechselseitig. So wird der geschulte Therapeut bei fehlender Wertschätzung erst einmal davon ausgehen, dass er die Gefühle und Erlebnisse des Klienten nicht vollständig erfasst hat. Ist der Therapeut in der Beziehung zu seinem Klienten er selbst, also kongruent, kann er die momentan fehlende Wertschätzung oder Akzeptanz mitteilen. Dabei ist diese Mitteilung keinesfalls ein Urteil über den Klienten, sondern die Mitteilung einer Empfindung, die ein echtes Beziehungsangebot darstellt. Das Konzept der bedingungslosen Wertschätzung ist also nicht als funktionalisiert und dadurch sinnentleert zu sehen. Fehlende Wertschätzung wird nicht als Fehler des Klienten, sondern als fehlende Empathie oder Kongruenz gesehen. Es ist dabei Aufgabe des Therapeuten, die Welt des Klienten in einer Weise zu verstehen, die seine grundsätzliche Achtung vor dem anderen lebendig werden lässt.
Das verstehende und einfühlende Interesse des Therapeuten an der inneren Welt des Klienten, die nach humanistischer Einstellung immer auch positive und wachstumsfähige Energien birgt, wird dem Klienten helfen, in der Erkundung der unbekannten Aspekte seines Wesens ein Stück weiterzukommen.

Therapeutischer Prozess

Sind die beschriebenen Bedingungen seitens des Therapeuten erfüllt, wird – so die Annahme – ein therapeutischer Wandlungsprozess stattfinden, der als Antwort des Klienten auf die Einstellung des Therapeuten zu verstehen ist. Dieser Prozess verläuft nach Rogers in 7 prinzipiell messbaren Stufen der Veränderung. Die entsprechenden Skalen erfassen die Einstellungen, Selbstkonstrukte und Wahrnehmungen der Klienten. Sie beschreiben zudem den Prozess einer eventuellen Veränderung der Lebensqualität sowie der Veränderung im Gefühlsleben, etwa von der Entfremdung von Gefühlen zur vollen Wahrnehmung derselben. Dieser Prozess kann von außen durch den Therapeuten wahrgenommen, wie auch vom Klienten selbst berichtet werden. Mit der Annahme eines Prozesskontinuums hat die klientenzentrierte Therapie einen wichtigen theoretischen Beitrag zur psychotherapeutischen Forschung geliefert.

Theorie der Veränderung

Der Organismus bewegt sich in seinem Normalzustand in Richtung auf seine eigene Erfüllung, auf Selbstregulation und Unabhängigkeit von äußerer Kontrolle (Rogers 1991, S. 71).
Ausgehend von einigen Grundannahmen der klientenzentrierten Psychotherapie wurde von Rogers eine Theorie des Veränderungsprozesses entworfen (Rogers 1978, 1983a, 1991). In ihr formuliert er, wie in Abhängigkeit von therapeutischen Einstellungen ein Therapieprozess in Gang gesetzt wird, der zu Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen führen kann. Dabei versteht er, gemäß seiner humanistischen Wurzeln, unter einer Persönlichkeitsveränderung eine fortschreitende Entdeckung und Freisetzung blockierter oder fehlangepasster Persönlichkeitsanteile.

Kennzeichnende Merkmale der personzentrierten Psychotherapie

Rogers (1983a) formulierte eine Reihe von Merkmalen, die die personzentrierte Psychotherapie von anderen Therapieformen unterscheidet (s. Übersicht).
Merkmale der personzentrierten Psychotherapie. (Aus Rogers 1983a, S. 21–22)
  • Die Einstellungen des Therapeuten (Empathie, Kongruenz, Wertschätzung) sind für eine erfolgreiche Therapie notwendig und ausreichend.
  • Der Therapeut, der für seinen Klienten unmittelbar zugegen und zugänglich ist, vertraut auf sein Erleben in der Beziehung zum Klienten.
  • Die phänomenale Welt des Klienten stellt den Mittelpunkt der therapeutischen Arbeit dar.
  • Die zunehmende Fähigkeit des Klienten, voll im unmittelbaren Augenblick zu leben, kennzeichnet den therapeutischen Prozess der Veränderung.
  • Die Fähigkeit des Organismus zur Selbstverwirklichung stellt die motivierende Kraft in der Therapie dar.
  • Der Prozess der Persönlichkeitsveränderung ist wichtiger als die Struktur der Persönlichkeit.
  • Unablässige Forschungsarbeit ist wichtig, um wesentliche therapeutische Erkenntnisse zu gewinnen.
  • Auf alle Personen sind die gleichen therapeutischen Prinzipien anzuwenden.
  • Sämtliche Erkenntnisse aus dem Bereich der Psychotherapie lassen sich verallgemeinern, da Psychotherapie nur einen Sonderfall aller konstruktiven zwischenmenschlichen Beziehungen darstellt und nicht etwas fundamental anderes.
  • Theoretische Formulierungen müssen auf dem Boden der Erfahrungen aufbauen.
  • Aus der psychotherapeutischen Praxis ergeben sich philosophische Folgerungen, die zu berücksichtigen sind.
Diese Merkmale unterscheiden sich eklatant von den Vorstellungen anderer therapeutischer Schulen, die dem medizinischen Modell stärker verhaftet sind. Das medizinische Modell, das eine Diagnose der Störung, Spezifität der Behandlung und Erwünschtheit von Heilung einschließt, hält Rogers für völlig inadäquat, um mit Menschen zu arbeiten, die psychisch belastet sind.
Genau diese universalistische Position wurde Mitte der 1980er-Jahre für die Entwicklungsstagnation der klientenzentrierten Psychotherapie verantwortlich gemacht. Differenziertere Theorien der Entstehung, des Verlaufs und der therapeutisch induzierten Veränderung psychopathologischer Phänomene werden von der zweiten Generation personzentriert arbeitender und forschender Therapeuten gefordert und entwickelt (Speierer 1994).

Differenzielles Inkongruenzmodell

Ein solcher Ansatz ist das „differenzielle Inkongruenzmodell (DIM)“ von Speierer (1994). Dieses bezieht sich in seinem Kern auf das von Rogers eingeführte Modell einer pathogenetisch wirksamen Inkongruenz zwischen den organismischen Erfahrungen und dem Selbstkonzept. Das von Rogers unspezifisch angewandte Modell wird im DIM neu expliziert und differenziert, sodass spezifischen Störungen spezifische Inkongruenzerfahrungen zugeordnet werden. Speierer stellt eine störungsspezifische Inkongruenzdynamik vor und lehnt diese an die in DSM und ICD klassifizierten nosologischen Einheiten an. Ermöglicht werden soll so eine individuelle Inkongruenzanalyse, die eine differenzielle Diagnostik, Indikation und therapeutische Handlungsanweisung erlaubt.
Das Modell einer differenziellen Inkongruenzdynamik geht davon aus, dass sich bei psychischen oder somatischen Störungen spezifische grundlegende und chronische Inkongruenzerfahrungen finden lassen. Dabei sind es 3 zentrale Bedingungen oder Inkongruenzquellen, die die Entwicklung zu psychischer Gesundheit oder Psychopathologie entscheidend mitbestimmen. Es sind dies
  • die bioneuropsychologische Disposition,
  • Lebensereignisse, die auf das Individuum einwirken, sowie
  • sozialkommunikative Bedingungen und Erfahrungen.
Erlebte Inkongruenzen können sich gegenseitig summieren und ihre pathogenetische Wirkung potenzieren, aber auch durch Bewältigungsstrategien kompensiert werden.
Die Analyse einer störungsspezifischen Inkongruenzdynamik setzt sich also aus der Beziehung von Symptomen und Verhaltensauffälligkeiten mit dem individuellen Erleben von unangenehmen und beeinträchtigten Strukturen sowie Funktionen der Persönlichkeit zusammen. Durch einen selektiven und adaptiven Einsatz von Interventionsstrategien sollen gezielt und differenziell spezifische Inkongruenzerfahrungen bearbeitet und deren Auflösung gefördert werden.

Personzentrierte empirische Forschung und Nachweis der Wirksamkeit

Ausgehend von Rogers, der einer kritischen empirischen Erforschung seiner Methoden und Annahmen ausgesprochen positiv gegenüberstand und diese nachdrücklich einforderte, ist eine unüberblickbare Vielzahl von Untersuchungen entstanden. Die Wirksamkeit der hypothetisch angenommenen Therapiebedingungen seitens der Therapeuten – ein genaues und einfühlendes Verstehen, eine nichtbesitzergreifende Wärme und Wertschätzung sowie Echtheit gegenüber dem Klienten – konnte insgesamt bestätigt werden (Rogers 1994), wenn auch weniger eindeutig als erhofft (Übersicht bei Sachse und Elliott 2002). In Deutschland war es zunächst v. a. die Gruppe um Reinhard und Anne-Marie Tausch, die sich um die empirische Fundierung der personzentrierten Therapie bemüht hat (Übersicht bei Bozarth et al. 2002), später die Gruppen um Sachse (z. B. 1995) und Teusch (z. B. Teusch et al. 2001).
Bereits Grawe et al. (1994), deren Metaanalyse in Deutschland offensichtlich eine maßgebliche Rolle bei der Entscheidung über die Kostenübernahme von Psychotherapien zukam, fanden, man müsse „der Gesprächspsychotherapie eine sehr überzeugend nachgewiesene Wirksamkeit bescheinigen. Die Ergebnisse sind bemerkenswert, wenn man an das Spektrum von Störungen denkt, auf die Gesprächspsychotherapie angewandt wurde, und an die relativ kurze Therapiedauer, in der die Effekte erreicht wurden“ (S. 134). Gerade weil die durchschnittliche Therapiedauer in den untersuchten Studien unter 20 Sitzungen lag, war Eckert (1996) der Ansicht, dass die Metaanalyse der Grawe-Gruppe die tatsächliche Effektivität der personzentrierten Psychotherapie unterschätzt. Auch deren weitere Schlussfolgerung, nämlich dass die Gesprächspsychotherapie in ihrer Wirksamkeit den kognitiv-behavioralen Therapieverfahren unterlegen ist, ist nach den vorliegenden Daten nicht gerechtfertigt. Die Re-Analyse durch Elliott et al. (2004) unter Einbezug neuerer Studien und statistischer Kontrolle der jeweiligen Schulenzugehörigkeit ergab keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit von personzentrierter Psychotherapie im Vergleich zur KVT. Diese Kontrolle der sogenannten „researcher allegiance“ ist deshalb wichtig, weil gerade in Studien zur Effektivität von KVT immer wieder Kontrollgruppen zum Einsatz kommen, die die unspezifischen Therapiefaktoren, wie empathische Aufmerksamkeit durch einen Therapeuten, kontrollieren sollen, ohne dass spezifische Interventionsmethoden angewendet werden dürfen. Solche Kontrollgruppen werden dann oft „supportiv“ oder sogar „non-direktiv“ genannt, womit impliziert wird, es handle sich um humanistisch geprägte „bona-fide“-Therapien. Tatsächlich werden sie aber in der Regel von nicht in humanistischen Verfahren ausgebildeten Therapeuten durchgeführt, abgesehen davon, dass man die humanistischen Verfahren wohl kaum als „unspezifisch“ bezeichnen kann. In dem von Elliott et al. (2013) über alle humanistischen Verfahren gerechneten metaanalytischen Vergleich mit KVT waren es gerade diese „supportiven Bedingungen“, die zu einer leichten Überlegenheit der KVT insgesamt führten. In der entsprechenden Subgruppenanalyse schlossen die supportiven Bedingungen signifikant schlechter ab als KVT (n = 35; −0.25 [−0.40 bis −0.13]), während der Unterschied zwischen originärer personzentrierter Therapie und KVT marginal war (n = 17; −0.10 [−0.23 bis −0.02]). In der Metaanalyse von Elliott et al. (2004) lag die mittlere Prä-Post-Effektstärke bei 0.91 (auf einer Berechnungsbasis von 52 unkontrollierten Studien) und bei 0.78 im Vergleich zu keiner Behandlung oder Warteliste (11 Studien). Darüber hinaus konnte ein Review von 40 katamnestischen Untersuchungen die anhaltende Wirksamkeit auch nach Beendigung der Gesprächspsychotherapie belegen (Frohburg 2004).

Anwendung humanistischer Verfahren

Humanistische Verfahren finden breite Anwendung sowohl im ambulanten als auch stationären Setting. Neben der herkömmlichen Einzeltherapie spielen paartherapeutische Ansätze und Gruppentherapie eine gleichberechtigte Rolle, so z. B. im Rahmen der Suchtbehandlung, bei chronischen Krankheiten und allgemein in psychosomatischen Kliniken, also in Einrichtungen, in denen die Behandlungskonzepte weniger den jeweiligen kassenärztlichen Richtlinien unterworfen sind.
Die Breite der Anwendungsgebiete ergibt sich aus den theoretischen Grundannahmen der humanistischen Psychologie, die psychische Störung immer als Störung des ganzen Organismus-Umwelt-Systems begreift, sodass die therapeutische Antwort stets in der Bewusstmachung gestörter Prozesse, der Übernahme eigener Verantwortung und in der echten Begegnung zweier oder mehrerer Menschen liegt. Humanistische Verfahren sind damit per definitionem transdiagnostische, also störungsübergreifende Verfahren.

Diagnose und Indikation

Gesprächspsychotherapie

Der personzentrierte Ansatz richtet den Fokus im Beziehungsgeschehen auf das Gespräch , auf einfühlendes Verstehen und authentische Kommunikation. So ist die Form, in der klientenzentrierte Therapie behandelt, klar definiert: „Der Therapeut hat sich um echte, unbedingt wertschätzende Empathie zu bemühen – und um sonst nichts“ (Biermann-Ratjen et al. 1992, S. 119).
Ziel der personzentrierten Therapie ist, dass der Klient eine vergleichbare Beziehung zu sich selbst aufbauen kann, wie sie der Therapeut ihm anbietet.
Erlebt er sich selbst als echt und kann sich kongruent mit unbedingter Wertschätzung begegnen, so die Theorie, wird seine Inkongruenz im Erleben aufgelöst. Probleme, Krankheitsbilder, Verhaltensdefizite und Probleme, die immer eine Folge der erlebten Inkongruenz darstellen, sind demnach zur Indikationsstellung irrelevant. Einzige und ausreichende Bedingung zur Anwendung einer personzentrierten Therapie ist die Fähigkeit des Klienten, sich auf das Beziehungsangebot des Therapeuten einzulassen und es anzunehmen. Demnach wäre für alle Formen psychischer Störungen eine personzentrierte Therapie angezeigt, da eine störungsspezifische Indikationsstellung mit deren Grundpostulaten nicht in Einklang steht. Das allerdings ist ein Postulat, das empirischer Prüfung grundsätzlich zugeführt werden muss und auch wird, wie z. B. die Ansätze zu einer störungsspezifischen Krankheitslehre von Speierer (1994) zeigen.
Tatsächlich wurde die Anwendbarkeit der personzentrierten Methode in vielen Studien empirisch untersucht, und ihren Vertretern zufolge gilt es als gesichert, dass „die klientenzentrierte Psychotherapie zur Behandlung nahezu aller psychiatrischer Krankheitsbilder geeignet ist“ (Jerneizig 1996, S. 43). Parallel zur Verbreitung der therapeutischen Methode hat eine Übertragung in andere Wirkungsbereiche stattgefunden. Personzentrierte Ansätze wurden in den Bildungsbereich, in die Schulpsychologie, in unterschiedliche Beratungstätigkeiten, aber auch in die Wirtschaft und Gemeindearbeit transferiert und dort mit Erfolg angewandt.

Gestalttherapie

Gestalttherapie hingegen richtet den therapeutischen Schwerpunkt auf Erfahren und Experimentieren, also gemeinsames Erleben. Gleichzeitig wird durch das Konzept der Figur-Hintergrund-Dynamik eine persönlichkeits- und prozessorientierte Gewichtung der therapeutischen Arbeit unterstützt. So wird bei gestörten Hintergrundprozessen (z. B. Persönlichkeitsstörungen) das Kontaktangebot eine strukturstützende, die persönlichen Grenzen stabilisierende Beziehung ermöglichen.
Bei einer Blockierung der Wahrnehmung der im Vordergrund entstehenden Gestalten, wird eine autonomieorientierte und konfrontative Haltung des Therapeuten das Beziehungsgeschehen prägen. Awareness-Übungen, die Fokussierung auf die Körpersprache und Zwei-Stuhl-Arbeiten sind Beispiele für eine Vielzahl technischer Hilfen, mit denen die Gewahrwerdung von Erregung, Ärger, Angst, Freude und Kraft im Bewusstsein seiner selbst und in der gelebten Beziehung zum Therapeuten unterstützt werden.
Die theoretischen Konzepte der Gestalttherapie erlauben es, sowohl strukturelle Störungen als auch Funktionsstörungen als Sonderformen der Kontaktgestaltung zu verstehen. In der spezifisch gestalttherapeutischen Situation wird durch eine fortschreitende und differenzierte Wahrnehmung und Interpretation der Wirklichkeit, die Neuorganisation und Reintegration ehemals pathogener und nach wie vor mental repräsentierter Beziehungserfahrungen ermöglicht.
Motivation statt störungsspezifischer Indikation
Sowohl in der personzentrierten Psychotherapie als auch in der Gestalttherapie steht eine störungsspezifische Indikation also eher im Hintergrund. Wirkfaktor ist in erster Linie die therapeutische Beziehung und die Steigerung der Bewusstheit für die eigenen Prozesse (ob nun im Sinne der Selbstexploration und des Abbaus von Inkongruenzen durch Erweiterung des Selbstkonzepts oder durch Steigerung der Awareness für das eigene Kontaktverhalten). Eine Indikation ist also immer dann gegeben, wenn eine Person die Motivation zeigt, zusammen mit einem Therapeuten an sich selbst zu arbeiten, um dysfunktionale, Leiden erzeugende Selbstprozesse zu explorieren und zu verändern, z. B. Inkongruenzen und Kontaktstörungen, wie in jeder anderen Therapie auch.
Diese Haltung wird dort problematisch, wo humanistische Grundpositionen, wie die grundsätzliche existenzielle Freiheit und Selbstverantwortung des Individuums (und damit sein Recht auf Autonomie), vernachlässigt werden. Praktischer gesagt: wenn die Therapiemethode oder die Bedürfnisse der Therapeuten mehr zählen als das Anliegen der Klienten nach Hilfe. Die Indikation muss also im Einzelfall überprüft werden, ob eine spezielle Person von einem bestimmten Verfahren, vertreten von einem bestimmten Therapeuten, profitieren kann. Dies hängt jedoch nicht nur von Diagnosekategorien ab, sondern auch von Faktoren zwischen Klient und Therapeut. Es wird nicht davon ausgegangen, dass es ganze Klientengruppen gibt (wie z. B. „die Psychotiker“ oder „die Persönlichkeitsgestörten“), für die eine allgemeine Gegenindikation für humanistische Verfahren vorliegt.

Diagnostik

Diagnostik wurde in der humanistischen Psychologie lange äußerst kritisch behandelt. Die Gefahr der Festschreibung einer Person mittels einer Diagnose widerspricht dem prozessorientierten Konzept der organismischen Selbstregulation; ein Individuum ist nicht schizophren, sondern handelt und erlebt in einer als schizophren bezeichneten Weise. Diagnostische Klassifikation birgt somit immer die Gefahr des Schubladendenkens und damit einer Einschränkung der Wahrnehmung.
Die heutigen Klassifikationssysteme sind der humanistischen Position mittlerweile entgegengekommen, mit einer möglichst phänomenologischen Haltung und der multiaxialen Beurteilung. Die moderne klinisch-psychologische Diagnostik ist für eine sinnvolle empirische Forschung unerlässlich. Darüber hinaus dient ausführliche Diagnostik, und zwar therapiebegleitend, im Einzelfall letztlich dazu, so genau wie möglich die Bedürfnisse des Individuums zu erfassen, um die therapeutische Vorgehensweise daran anpassen zu können. Um in dieser offenen Indikation nicht den Überblick über die Begründbarkeit eines Vorgehens im „Einzelfall“ zu verlieren, ist gleichsam operationalisierte Selbstkritik im Sinne einer Qualitätskontrolle nötig (Gaebel 1986). Eine wesentliche Rolle spielen dabei 2 Aspekte:
  • Prozessbegleitende Diagnostik: Ist das therapeutische Angebot auch im weiteren Entwicklungsverlauf geeignet und kann es vom Klienten genutzt werden?
  • Prozessbegleitende Evaluation: Werden die angestrebten Ziele erreicht?

Methodenkombination

Humanistische Verfahren sind offen für ein multimodales Vorgehen: Der Umgang mit Medikamenten lässt sich ebenso integrieren wie verhaltenstherapeutische Konfrontation, wo angezeigt (z. B. Butollo und Hagl 2003). Gerade in ihrer relativen Methodenvielfalt und -freiheit, wenn auch immer der therapeutischen Beziehung und den humanistischen Grundpositionen untergeordnet, liegt die Stärke der humanistischen Verfahren. Dies zeigt sich in den heutigen integrativen Ansätzen, wie der emotionsfokussierten Therapie (Greenberg 2011; Paivio und Pascual-Leone 2010) oder der dialogischen Traumatherapie (Butollo et al. 2014a; Butollo und Karl 2012).
Darüber hinaus haben die humanistischen Positionen auch in anderen Therapierichtungen, gerade in der Verhaltenstherapie, Eingang gefunden, z. B. hinsichtlich der Betonung der therapeutischen Beziehung. Oft fehlt jedoch theoretisches Hintergrundwissen und eine entsprechende therapeutische Grundhaltung und -ausbildung (vgl. Längle und Kriz 2012). So wird Gestalttherapie allzu oft reduziert auf ihre sog. Techniken, wie etwa die Arbeit mit dem leeren Stuhl, die sich oberflächlich gesehen leicht erlernen und anwenden lässt. Dabei liefert aber gerade die Gestalttherapie, ebenso die Gesprächspsychotherapie, ergiebige theoretische Hintergründe zum Begreifen und zur Behandlung psychischer Störungen, wie nachfolgend dargestellt wird.

Angststörungen – ein Vergleich von Gestalttherapie und personzentrierter Psychotherapie

Panik und Angst aus gestalttherapeutischer Sicht

Fritz Perls sieht Angst als ein Grundsymptom, das dem Therapeuten bei fast allen Patienten begegnet (Perls et al. 1993). Alle Formen der Angst haben für ihn einen gemeinsamen Ursprung – „Angst ist das Erlebnis der Atemnot bei jeder blockierten Erregung“ (Perls et al. 1993, S. 148). Aus der Art der blockierten Erregung (z. B. Blockierung von Aggression oder Blockierung von Sexualität), die immer nur im Zusammenhang mit einem Gegenüber gedacht werden kann, resultiert für ihn die Qualität der Angst. Laura Perls führt aus, dass Angst immer auch etwas mit fehlender Stütze zu tun hat. Fehlende Unterstützung führt zu einer Unsicherheit des Kontaktgeschehens an der Grenze zwischen dem Inneren und dem Äußeren; dies löst massive Ängste aus.
Ich-Grenze und Selbstunterstützung
Die von Gestalttherapeuten angenommene Ich-Grenze als der Ort, an dem Begegnung stattfindet, setzt sich zusammen aus den Kontaktmöglichkeiten eines Menschen (Polster und Polster 1993). „Die Grenzen des menschlichen Wesens, die Ich-Grenzen, sind durch seine sämtlichen Lebenserfahrungen und seine eingebauten Fähigkeiten bestimmt, neue und intensivierte Erfahrungen zu assimilieren“ (Polster und Polster 1993, S. 110). Wird diese Ich-Grenze durch Aktionen der Umwelt oder eigene Impulse bedroht, reagiert der Mensch mit dem Versuch, seine Grenzen zu sichern, um im Kontaktgeschehen sein Selbst zu schützen.
Je geringer nun das Vertrauen eines Menschen in seine Möglichkeiten der Selbstunterstützung ist, desto mehr wird der Versuch unternommen, diese fehlende Unterstützung durch schützende und wenig bedrohliche Beziehungsstrukturen zu kompensieren (Staemmler und Bock 1991).
Zwischen Autonomie und Sicherheit
Die gestalttherapeutische Perspektive der Angststörungen geht davon aus, dass die Patienten zwischen ihren Wünschen nach Autonomie („Freiheit“) und Sicherheit durch Zugehörigkeit („Unfreiheit“) verharren (Butollo et al. 1999, 2002). Sie können gleichsam weder vor noch zurück. In der Gestalttherapie wird zwischen diesen beiden Polen extremer Beziehung, der Isolation und der Konfluenz, die Fähigkeit zur Gestaltung der Kontakte gefördert. Damit soll sich der pathologisch gewordene Appell der Klienten nach Hilfe erübrigen.
Rolle der Selbstprozesse
Das Selbst des Menschen gestaltet und reguliert das Kontaktgeschehen im weitesten Sinne.
Bei Angstproblemen sind die Prozesse des Herstellens und Lösens von Kontakt beeinträchtigt. Angststörung wird somit als Selbststörung gesehen, vom Klienten jedoch durch die Fixierung auf das Angstproblem nicht als solche wahrgenommen.
Gestalttherapie arbeitet primär an diesen vom Selbst organisierten Kontaktprozessen, und zwar direkt im Kontaktgeschehen. Menschen, die unter Ängsten leiden, vermeiden mehr als andere belastende Situationen und Begegnungen. Das gilt nicht nur für Situationen, in denen diese Ängste ausgelöst werden. Menschen mit Angststörungen vermeiden ganz allgemein Kontakt mit ihrer Wahrnehmung, ihren Gefühlen, und natürlich auch mit ihrem Angstgefühl. Sie nehmen sich damit die Möglichkeit, neue Erfahrungen in solchen Situationen zu machen. Es bleibt alles bei den alten Grenzen – und damit auch bei den alten Überzeugungen von sich selbst.
Kontakt setzt voraus, dass man sich selbst als getrennt von dem Wahrnehmungsinhalt erlebt, mit dem Kontakt aufgenommen wird. Das klingt trivial, ist jedoch bei Personen mit Angststörungen nicht selbstverständlich. Die erweiterte Theorie der angstbedingten Kontaktstörung besagt, dass Reduktion von Angsterregung mit Hilfe einer Art Selbstaufgabe angestrebt wird: Konfluenz oder Identifikation mit dem als fremd erlebten Wahrnehmungsinhalt.

Gestalttherapeutisches Vorgehen bei der Therapie von Angststörungen

Angststörungen dominieren die Gesamtpersönlichkeit des Patienten in vielfältiger Weise. Die Konzentration auf Angstverhalten in Diagnose und Therapie verhindert gleichsam die Wahrnehmung anderer Störungsbereiche, etwa in der Beziehungsgestaltung.
Wer sich dem Patienten derart mit einer auf Angstabläufe fixierten diagnostischen Fragestellung nähert, übersieht leicht, welche Defizite im Bereich der psychischen Struktur, im Bereich der Palette der Gefühle, der Selbstwahrnehmung, in der Beziehungsfähigkeit und im Übertragungsprozess vorliegen (Butollo et al. 1997).
Angst als Deckemotion
In gewisser Weise dient die Angststörung als Deckemotion für andere Problembereiche. Gelingt es nicht, diese Problembereiche zu identifizieren und durch therapeutische Arbeit einer Veränderung zuzuführen, besteht die Gefahr, dass selbst bei erfolgreicher Angstreduktion neue Problemfelder gefunden werden müssen, um diese Deckfunktion zu übernehmen. Bedingt durch die bei Angststörungen typische Struktur der Patient-Therapeut-Beziehung wird das volle Ausmaß der Störung eher kaschiert.
Wie eingangs erwähnt, hat Angst im weitesten Sinne etwas zu tun mit der Unterdrückung von Lebendigkeit. Die Wurzeln der Angst sind im mangelnden Vertrauen gegenüber dieser Lebenskraft und den daraus resultierenden Folgen begründet. Gestalttherapeutische Arbeit konzentriert sich, insgesamt gesehen, auf eine Unterstützung des Klienten dahingehend, seine Lebendigkeit wiederzuentdecken und sie im zwischenmenschlichen Kontakt zu riskieren.
Gefühlsdifferenzierung
Butollo et al. (1997) zeigten, dass sich diese Arbeit statistisch bedeutsam auch im Bereich der Angstreduktion auswirkt. Die gestalttherapeutische Arbeit führt in der Regel zu einer Angstdifferenzierung und zwar derart, dass andere Gefühle stärker in den Vordergrund treten. Dadurch erhält der Klient mehr Gefühlssicherheit. Dies bedeutet, er kennt sich auch in diesen Gefühlen besser aus, weiß, dass diese Gefühle, auch wenn sie schwierig sind, ertragen und ausgedrückt werden können. Ergebnis ist ein insgesamt differenzierteres Selbst.
Lebendige dialogische Beziehung
Die Plattform, auf der sich diese therapeutische Arbeit abspielt, ist die lebendige dialogische Beziehung. „Lebendige dialogische Beziehung“ heißt, dass auch der Therapeut es riskiert, in eine echte Begegnung mit dem Klienten einzutreten, er seine „professionellen Schemata“ etwas in den Hintergrund treten lässt, wirklich auch als Person und nicht nur als Fachmann dem Klienten begegnet. Für die Klienten verschiebt das die Ebene des Lernprozesses vom Lernen durch „gesagt und doziert bekommen“, mehr in Richtung auf ein Lernen durch Erfahrung, durch „gezeigt bekommen“. Lernen durch „sagen“ ist eine Seite der Wirklichkeit in der Therapie, lernen durch „sich zeigen lassen“ (erfahren) eine andere.
Phobie vor dem Selbstverlust
In die Leere der Gegenwart einzutreten, scheint ein ganz besonderes Risiko für phobische Patienten zu sein, die häufig sehr stark aus Klischees heraus agieren und mit Hilfe dieser Klischees die Zukunft vorzustrukturieren versuchen. Ob dafür eine strukturelle Schwäche verantwortlich ist, etwa im Sinne einer gestörten Entwicklung von Sicherheit in Beziehungen, darüber kann vorläufig nur spekuliert werden. Dieser Hypothese zufolge wäre die Mobilisierung des Selbst in der Gegenwart erschwert. Das wiederum würde ein geringes Vertrauen gegenüber den in der Gegenwart entstehenden Bedürfnissen zur Folge haben. Damit einher geht die Angst des „Selbstverlustes“ in unstrukturierten Situationen. Wenn nicht die Phobie als Gesprächsthema vorgegeben wird, kann nichts Substanzielles im Kontakt „geboten“ werden, das Situationserleben läuft Gefahr zu entgleisen.
Die Therapie versucht, diese „Phobie vor dem Selbstverlust“ auch dadurch zu lösen, dass neue Erfahrungen in Kontaktmöglichkeiten gemacht werden, die aber erst dadurch entstehen, dass man das Risiko eingeht, in die Leere des noch nicht gestalteten Kontaktes einzutreten. Es ist ein Risiko, ins Leere hinauszutreten und dem Leben zu vertrauen. Denn das, was kommt, erhält seinen Sinn und seine Bedeutung durch die Entscheidung des Erlebenden. Das ist schließlich auch eine der wesentlichen Botschaften, die im gestalttherapeutischen Ansatz zwar nicht gelehrt, aber gezeigt und damit erfahrbar gemacht wird.

Panik und Angst aus personzentrierter Sicht

1947 beschreibt Rogers in 19 Hypothesen seine Theorie der Persönlichkeit und des Verhaltens (Rogers 1978, S. 418–451); diese ist heute durch Erkenntnisse aus systemischer und konstruktivistischer Forschung aktueller denn je. Angst beschreibt er darin als Spannung, die das organisierte Konzept des Selbst entfaltet, wenn vorbewusste Hinweise bestehen, dass eine Symbolisierung bestimmter Erfahrungen für die Organisation gefährlich und schädlich wäre. Rogers geht davon aus, „daß das Individuum Erfahrungen vor dem Bewußtsein leugnen kann, ohne daß es sich ihrer je bewußt gewesen ist“ (Rogers 1978, S. 437).
Nach Rogers (1987) ist die Emotion Angst als eine Abwehrreaktion des Organismus vor einer Beschädigung der Selbststruktur zu sehen.
Wahrnehmungen, die den Organismus, das Selbst bedrohen, sind diejenigen Erfahrungen, die mit dem Selbstkonzept nicht übereinstimmen, also die Inkongruenzen. Da die Wahrnehmung der tatsächlichen Bedrohung, die nicht bewusst sein muss, nicht vollständig abgewehrt werden kann, kommt es zu massiven Gefühlen der Angst oder einer ersten Panikattacke. Das Ausmaß der Angst steht im Zusammenhang mit dem Ausmaß der Bedrohung. Rogers geht davon aus, dass die Angst den Organismus vor einem drohenden Zusammenbruch schützt, da er sich mit den unerklärlichen Angstgefühlen und nicht mit den Gefühlen, die mit inkongruenten Erfahrungen in Verbindung stehen, auseinandersetzen muss.
Spezifische Inkongruenzen
Klientenzentrierte Theoretiker der zweiten Generation spezifizieren für die verschiedenen Störungen idealtypische Muster, die dem fundamentalen Krankheitskonzept der Gesprächspsychotherapie entsprechen (Speierer 1994; vgl. Teusch 2014). Es werden spezifische Inkongruenzen identifiziert, in deren Gefolge spezifische wachstumsblockierende Emotionen und Störungen entstehen. Für den Bereich der Angststörungen wird angenommen, dass eine unzureichende Selbstentwicklung zu einer Inkongruenz zwischen Selbstbild (mangelndes Vertrauen in die eigenen Kräfte) und Selbstideal (Wünsche nach Unabhängigkeit und Kontrolle) führt (Speierer 1994).
Charakteristisch für Klienten mit Angststörungen ist die stark ausgeprägte Außenorientierung und die Abhängigkeit von anderen Meinungen, auch wenn diese anderen keine wichtigen Bezugspersonen sind. Gleichzeitig findet eine innere oder auch verbalisierte Abwertung dieser Abhängigkeit statt (Walkobinger 1996).
Widersprüche auflösen
Der Widerspruch zwischen dem Wunsch nach Ungebundenheit und dem Bedürfnis nach Sicherheit kann dann, im Zusammenhang mit intra- und interpersonellen Konflikten, die dem Selbst oft nicht zugänglich sind, zum Ausbruch einer Angststörung führen (Teusch und Finke 1995).
In der Gesprächspsychotherapie geht es nun darum, diesen Widerspruch im Selbst aufzulösen. Teusch u. Finke wie auch Walkobinger entwickelten – aufbauend auf die grundlegenden klientenzentrierten Therapieprinzipien – Behandlungstechniken, die ein störungsspezifisches Vorgehen ermöglichen.

Personzentriertes Vorgehen bei der Therapie von Angststörungen

Rogers entwickelte die Merkmale des therapeutischen Prozesses störungsunabhängig. Für ihn galt, dass die Therapieprinzipien Kongruenz, empathisches Verstehen und bedingungsfreies Akzeptieren hinreichende Voraussetzungen zur konstruktiven Veränderung darstellen.
Die Annahme der Störungsspezifität und das Entwickeln von differenziellen therapeutischen Handlungsanweisungen stellt nun eine Weiterentwicklung der ursprünglichen Annahmen Rogers’ dar. Teusch u. Finke stellten 1995 ein Behandlungsmanual vor, das störungsbezogene Handlungsregeln in der Therapie von Angststörungen beschreibt. Die gesprächspsychotherapeutische Behandlung von Panik und Agoraphobie ist grundsätzlich, den theoretischen Annahmen entsprechend, „nicht primär auf Symptomreduktion gerichtet, sondern auf Förderung von Autonomie und angemessener Realisierung von Abhängigkeitswünschen“ (Teusch und Finke 1995, S. 90).
Therapeutischer Prozess
Angst entsteht, wenn ein Inkongruenzerleben den Gesamtorganismus überfordern würde und abgewehrt werden muss. Im Therapieprozess geht es um die Aufhebung des Selbstwiderspruchs, der der Inkongruenz zugrunde liegt, und damit um verbesserte zwischenmenschliche Fähigkeiten. Die ebenfalls intendierte verbesserte Selbstregulation dient der Bewältigung und Abnahme von Leitsymptomen und soll eine aktive Angstbewältigung fördern.
Der therapeutische Prozess kann nach Swildens (1991) in 4 Phasen eingeteilt werden.
1.
In der Präphase geht es um Informationsaustausch, Vereinbarungen über den Ablauf der Therapie und auch um eine erste Klärung des ätiopathogenetischen Prozesses des Klienten.
 
2.
In der Symptomphase werden eine Entkatastrophierung funktioneller Beschwerden sowie die Hinwendung zu aktiver Angstbewältigung angestrebt.
 
3.
Die Beziehungs- und Konfliktphase dient dem Prozess der Überprüfung rigider Erfahrungsmuster. Es werden die psychodynamischen Zusammenhänge und die aktuell bedeutsamen Aspekte der therapeutischen Beziehung aufgegriffen und thematisiert. Es geht bei der Therapie von Angststörungen um zwei zentrale, miteinander in Beziehung stehende Aspekte, den konkurrierenden Wünschen nach Autonomie und Abhängigkeit.
 
4.
In der Abschiedsphase wird die bevorstehende Trennung antizipiert und bearbeitet, da das bekannte Aufflackern der Symptome eine Form von nicht verarbeiteter Angst vor Trennungen darstellen kann.
 
Teusch (2014) ergänzt diesen Prozess vor der Abschiedsphase noch jeweils mit einer „existenziellen Phase“, in der neue Sinnkonzepte und Entwürfe für die Zukunft im Mittelpunkt stehen.
Basismerkmale der personzentrierten Therapie
Die konkreten therapeutischen Interventionen basieren in allen beschriebenen Phasen auf den 3 Basismerkmalen der personzentrierten Therapie, dem bedingungsfreien Akzeptieren, dem einfühlenden Verstehen und der Echtheit des Therapeuten. Aus diesen Therapieprinzipen werden Behandlungstechniken abgeleitet, die, anders als ursprünglich von Rogers intendiert, bei unterschiedlichen Störungsbildern unterschiedlich akzentuiert werden (Abb. 1).
Theoriegeleitete Konkretisierung
Teusch und Finke (1995) definieren in ihrem Manual die verwendeten therapeutischen Techniken möglichst explizit, Sie kommen zu dem Schluss, dass die moderne, zielorientierte, prozess- und störungsbezogene Gesprächspsychotherapie das therapeutische Vorgehen identifizierbar, überprüfbar und lehrbar gestalten muss, nicht zuletzt, um den wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Teusch et al. (2001) konnten in einer kontrollierten Vergleichsstudie an 68 stationären Patienten mit Agoraphobie und Panikstörung zeigen, dass ihr rein gesprächstherapeutisches Setting in der Symptomreduktion genauso effektiv und anhaltend war wie eine kombinierte Therapie (verhaltenstherapeutische Reinkonfrontation plus Gesprächspsychotherapie) und darüber hinaus zu einer Abnahme der subjektiven Stressbelastung führte.

Gestalttherapie bei somatischen Krankheitsbildern

Die Konzepte der Psychosomatik sind als Alternative zum Krankheitsmodell der klassischen Medizin zu verstehen. Dabei lässt sich die Psychosomatik nicht auf bestimmte Krankheitsbilder einengen (z. B. Asthma bronchiale, Colitis ulcerosa oder die koronare Herzkrankheit), sondern sich eher als eine ganzheitliche, Körper und Geist verbindende, Sichtweise von Gesundheit und Krankheit verstehen (Leitner 1994). Den Vertretern der Psychosomatik ging es von Anfang an um eine „Wiedergewinnung des beseelten Körpers“ (Uexküll 1991, S. 484), also um eine Überwindung des Dogmas der modernen Medizin, dass nämlich Krankheiten allein als Folge stofflicher, physikalisch-chemischer Strukturveränderungen im Körper zu verstehen sind.
Natürlich lässt sich argumentieren, dass psychologische Vorgänge auf einer viel feineren Ebene auch wieder als rein physikalisch-chemische Vorgänge begreifbar sind. Trotzdem reichen die linearen Kausalmodelle der klassischen Medizin nicht aus, um die Entstehung und Aufrechterhaltung von Gesundheit und Krankheit zu erklären.
Unter diesem Aspekt ist die Tatsache aufschlussreich, dass die ‚moderne Medizin‘ immer wieder und mit Nachdruck ihre ‚naturwissenschaftlichen Grundlagen‘ betont, ohne zu bemerken, dass sie sich damit auf eine Naturwissenschaft des 19. Jahrhunderts beruft (Thure von Uexküll 1992, S. 25).

Krankheit als Folge gestörter Kommunikation

Neuere Arbeiten begreifen den menschlichen Organismus als komplexes, sich selbst regulierendes Kommunikationssystem, das in ein größeres System, nämlich die Umwelt, integriert ist, mit der ein reger Informationsaustausch stattfindet (Weiner und Mayer 1990). Komplexe Systeme lassen sich nun nicht allein durch ihre physische Zusammensetzung begreifen, sondern wesentliches Charakteristikum sind die Wechselbeziehungen und gegenseitigen Verknüpfungen zwischen den Subsystemen; mit anderen Worten: Das Ganze ist verschieden von der Summe seiner Teile.
Krankheit ist dann die Manifestation einer Regulationsstörung auf den verschiedenen Organisationsebenen des Systems, als Folge einer gestörten Kommunikation im System. Gesundheit dagegen lässt sich nach Weiner und Mayer als die Fähigkeit betrachten, „Handlungen und Körperfunktionen angesichts einer sich unaufhörlich verändernden (…) Umwelt zu regulieren“ (Weiner und Mayer 1990, S. 97).
Die Sprache, die in der psychosomatischen Theoriebildung gewählt wird, zeigt bereits, welche Beiträge die Gestalttherapie für die Psychosomatik bereithält. Deren Konzepte von Krankheit und Gesundheit decken sich mit der psychosomatischen Sichtweise.

Krankheit nach dem Verständnis der Gestalttherapie

Wie oben beschrieben, ist Krankheit im theoretischen Rahmen der Gestalttherapie die Folge der andauernden Störung der organismischen Selbstregulation. Solche Störungen sind z. B. das Leugnen von Bedürfnissen, die Einengung der eigenen Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten und die Vermeidung von Kontakt zu sich und/oder zur Umwelt (Krisch 1992).
Der Kontakt zu sich selbst und das Gewahrwerden der eigenen Bedürfnisse und Zustände spielen dabei eine grundlegende Rolle für die Aufrechterhaltung einer funktionierenden Selbstregulation des Organismus und somit für dessen psychische und physische Gesundheit.
Ganzheitliche Störung
Der gestalttherapeutische Ansatz begreift Krankheit also immer – ebenso wie die Psychosomatik – als ganzheitliche Störung einer Person, bei der die genetische Disposition (z. B. die Neigung zur Hypersekrektion des Magens) und augenblickliche Strukturveränderungen (z. B. ein Ulcus duodeni) nur einen Teilaspekt der Störung darstellen. Entscheidend ist auch, wie die Person mit ihren körperlichen Gegebenheiten umgeht, ob sie ihre Bedürfnisse wahrnimmt und ihnen folgt. Kann sie beispielsweise unter der Einwirkung von Stress den Kontakt zu sich selbst aufrechterhalten? Stress ist letztendlich als Konflikt zwischen unterschiedlichen Bedürfnissen zu begreifen, z. B. dem Bedürfnis nach Rückzug und Sicherheit und dem Bedürfnis, ein Ziel zu erreichen. Meist sind es zunächst Konflikte zwischen äußeren Erfordernissen der Umwelt und inneren Bedürfnissen des Organismus. Die Frage ist dann, ob es der Person gelingt, den Konflikt auszutragen oder ob sie ihn vermeidet, was ihn zu einem inneren Konflikt werden lässt – nun zwischen dem Bedürfnis, Anforderungen gerecht zu werden (z. B. aus Angst vor Ablehnung), und dem Bedürfnis nach Ruhe und Erholung. Innere ungelöste Konflikte führen zur inneren Blockierung und Kontaktvermeidung, zum Nichthinspüren, was wiederum den freien Fluss der Selbstregulation behindert (Krisch 1992).
Selbstwahrnehmung steigern
Innerhalb der Psychosomatik ist es fast ein Gemeinplatz, dass emotionale Konflikte (meist psychoanalytisch erklärt) und äußere Stressoren bei der Ulkusbildung eine Rolle spielen. Aus der gestalttherapeutischen Sicht ist darüber hinaus die Vermeidung des Kontakts und das Übersehen und Übergehen der inneren Zustände entscheidend (z. B. das Übergehen des Bedürfnisses nach Erholung, aber auch konkret der Alarmzeichen in Form von Magenschmerzen).
Ziel in der gestalttherapeutischen Intervention ist also zunächst eine Steigerung der Selbstwahrnehmung und des In-Kontakt-Tretens mit sich selbst:
  • Was tue ich? Wie und wo?
  • Was vermeide ich?
  • Und wozu ist es gut?
Awareness für die eigenen Zustände bildet so die Grundlage für angemessenes – gesundheitsförderndes – Handeln. Eine Möglichkeit, die Awareness zu vergrößern, ist – im Sinne einer Leeren-Stuhl-Arbeit – in einen Dialog mit der Störung zu treten, wie es Teegen et al. (1981) 24 Personen mit unterschiedlichen Hauterkrankungen tun ließen. In fast allen Fällen hatte „die Haut“ auch einiges zu sagen und aus „ihren“ Äußerungen ließen sich Funktionen der Symptomatik (des Grenzensetzens, des Gefühlsausdrucks und der Kontaktvermeidung) schließen.
Funktion von Symptomen
Funktion und Bedeutung von Symptomen spielen also im Verständnis der Gestalttherapie eine ebenso große Rolle wie allgemein in der Psychosomatik. Allerdings werden keine bestimmten Persönlichkeitsmerkmale angenommen, die zu einer bestimmten Organwahl prädisponieren (wie v. a. aus psychoanalytischer Theorie heraus zunächst angenommen wurde), sondern es geht darum, spezifisch für die einzelne Person zu klären, welche Prozesse für die Symptombildung eine Rolle spielen.
Die oben beschriebene Dialogübung kann helfen, solche Prozesse zu identifizieren.
Bestimmte körperliche Reaktionen weisen aber bereits auf bestimmte Kontaktvermeidungsstrategien hin und umgekehrt: Konfluentes Verhalten erschwert es, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen, ebenso wie Deflexion. Nach Krisch (1992, S. 217) können Muskelverspannungen (z. B. zusammengebissene Zähne, hochgezogene Schultern, Verspannung im Brustraum) vielfach als „somatisches Korrelat“ der Retroflexion verstanden werden. Ein verstärkter Ausdruck dieser „Korrelate“ („Wie ist das, wenn du die Schultern ganz hochziehst, was kommt dir da?“) kann helfen, die dahinterliegenden Gefühle und Bedürfnisse (z. B. Wut, Angst und Trauer) zu spüren, um sie dann adäquater auszudrücken.
Verantwortung für sich selbst
Eine erweiterte Selbstwahrnehmung wiederum geht mit einer verstärkten Übernahme der Verantwortung einher, und zwar für die Symptombildung selbst, aber auch für alternative Handlungsmöglichkeiten: „Mein Magen verkrampft sich – Ich verkrampfe meinen Magen – Welche anderen Reaktionen wären denkbar“ (R. Rogers 1983b)?
Verantwortung ist einer der zentralen Begriffe der humanistischen Psychologie.
Die existenzielle Verantwortung für sich selbst und die eigenen Strategien der Kontaktvermeidung kann bedeuten, sich dem eigenen Krankheitsgeschehen und psychischen Anteilen daran überhaupt erst zu stellen (wie es Röttger 1982 für die Rehabilitation von Infarktkranken darstellt), oder ebenso, Maßnahmen der Früherkennung zu nutzen (wie Küchler 1985 im Rahmen der Krebsprävention anmerkt).
Leiden im Lebenszusammenhang
Hassert-Caselli (1995) beschreibt, wie es auch in der allgemeinärztlichen Praxis immer wieder darum geht, zusammen mit den Patienten deren eigenes Getrenntsein von sich selbst und damit die erfolgte Selbstvernachlässigung zu erkennen und die Chance zur Selbsterfahrung und -erweiterung anzunehmen. Dabei kann das Leiden eines kranken Menschen nie isoliert, sondern immer nur im ganzen Lebenszusammenhang begriffen und somit behandelt werden (Leitner 1994, 1995).
Wird das Leiden einer Person im Kontext ihres gesamten Lebensumfeldes gesehen, wie es auch Gerunde und Kampmann (1996) vorschlagen („disease as a biographical pattern of suffering“, S. 88), wird die (gestalt-)therapeutische Aufgabe deutlich: auf allen Lebensebenen die organismische Selbstregulation der Person zu unterstützen – also den flexiblen fortwährenden Rhythmus zwischen Kontakt und Rückzug, um so das Leiden an der Störung zu verringern. Praktischer gesagt geht es darum, die Patienten dabei zu unterstützen, ihr Dasein auf der körperlichen, sozialen, materiellen und der spirituellen Ebene, also in ihrer Ganzheitlichkeit, zu explorieren und Möglichkeiten zu finden, den eigenen Bedürfnissen besser gerecht zu werden, sei es im Kontakt mit sich selbst oder in der Begegnung mit anderen.
Gerade für eine an einer lebensbedrohlichen Krankheit erkrankte Person wird die Konzentration auf den freien Fluss der organismischen Selbstregulation entscheidend, denn unerledigte Geschäfte, unterdrückte Gefühle und unbefriedigte Bedürfnisse binden Energie. Für Klepner (1992) bedeutet dieses „emotional house cleaning“ die Möglichkeit, ein „heiles“ Leben zu führen, und – wenn es dazu kommt – einen ebensolchen Tod (S. 9).
Selbstgewahrsein des Therapeuten
In der Arbeit mit schwer erkrankten Menschen muss sich der Therapeut in besonderem Maße selbst gewahr sein, wo seine Grenzen liegen oder wo er Kontakt vermeidet. Vermeidungstendenzen seinerseits könnten z. B. dazu führen, dass ein Klient die Therapie „rechtzeitig“ abbricht, oder dass der Therapeut selbstschädigende Verhaltensweisen, wie Alkoholmissbrauch, übersieht, wie es Klepner (1992) für die Arbeit mit an AIDS erkrankten Menschen ausführt. Der Therapeut ist dabei mit seiner ganzen Person gefordert, was allerdings nicht bedeutet, konfluent mit den Bedürfnissen seiner Klienten zu sein, sich z. B. von deren subjektivem Zeitdruck anstecken zu lassen (Strümpfel 1992). Ebenso darf er nicht einem „Sendungsbewusstsein“ verfallen, z. B. in Sachen richtiger Lebensführung bei HIV-Infektion (Zippel 1990; Strümpfel 1992), denn letztendlich gibt es kein Richtig oder Falsch außerhalb der Selbstverantwortung des Klienten.

Personzentrierte Gesprächspsychotherapie in der Psychiatrie

Indikation bei schizophrenen Erkrankungen

Das Indikationskriterium für die Anwendung der klientenzentrierten Therapie ist i. Allg. das innere Erleben von Inkongruenz und das damit verbundene Leiden. Daher stellt sich zunächst die Frage, ob bei schizophrenen Erkrankungen eine derartige Inkongruenz vorliegt, die Störung also als behandelbar im Sinne der Gesprächspsychotherapie gilt. Nach dem differenziellen Inkongruenzmodell von Speierer (1994) handelt es sich bei psychotischen Erkrankungen im Grunde um dispositionelle Inkongruenz, die sich auf sozialkommunikativem Wege (also durch eine Psychotherapie) nicht heilen lässt.
Gleichwohl ergeben sich aus der dispositionellen Störung der Informationsverarbeitung und der Kommunikation sozialkommunikative Inkongruenzen, in dem Sinne, dass das kommunikative Verhalten der Betroffenen – und als Reaktion darauf das ihrer Bezugspersonen – eine Quelle negativer, kongruenzbedrohender Erfahrungen ist.
Während sich also die dispositionelle Inkongruenz bei psychotischen Erkrankungen gemäß Speierer nur mit anderen Mittel bekämpfen lässt (z. B. mit antipsychotischer Medikation), ist es durchaus sinnvoll, im Rahmen eines multimodalen Behandlungsansatzes nach Abklingen der akuten Symptomatik personzentriert zu arbeiten.
Wisconsin-Studie: Realisierung der Basisvariablen
Rogers (1976) selbst begann in den 1960er-Jahren, sich mit der Behandlung von Menschen mit psychotischen Störungen zu befassen, aus dem Wunsch heraus, die Wirkung der therapeutischen Basisvariablen bei dieser Personengruppe zu testen. Dies wurde in der sog. „Wisconsin-Studie“ verwirklicht, bei der u. a. auch Eugene Gendlin maßgeblich beteiligt war. Die Ergebnisse der Wisconsin-Studie waren einerseits enttäuschend, weil der Grad der Verwirklichung der therapeutischen Basisvariablen Empathie, Wertschätzung und Kongruenz zwar eine Rolle beim Therapieergebnis der als schizophren diagnostizierten Klienten spielte, aber die Erfolge insgesamt bescheiden waren. Zugleich war diese Studie richtungsweisend, weil sie zeigen konnte, dass Klienten mit schizophrenen Erkrankungen die Realisierung der Basisvariablen, unabhängig vom Grad ihrer tatsächlichen Ausprägung, in geringerem Ausmaß wahrnahmen, als dies bei sog. neurotischen Klienten der Fall ist. Grundsätzlich schien ihnen der Zugang zum personzentrierten Angebot weniger offen zu stehen. Gleichzeitig schienen sich die als schizophren diagnostizierten Klienten der Wisconsin-Studie stärker auf das therapeutische Beziehungsangebot zu konzentrieren, wie es sich durch die unbedingte Wertschätzung und Kongruenz des Therapeuten zeigte, im Gegensatz zum bisher untersuchten Klientel der klientenzentrierten Psychotherapie, die vorwiegend auf die empathische Einfühlung des Therapeuten ansprachen und darauf mit verstärkter Selbstexploration reagierten. Insgesamt zeigten die Klienten der Wisconsin-Studie ein recht geringes Ausmaß an Selbstexploration. Immerhin waren es trotzdem jene Klienten, die am meisten Empathie in ihren Therapiesitzungen erfahren hatten, die auch die stärkste Besserung ihrer Symptome zeigten.
Kommunikative Defizite
Im deutschen Sprachraum sind es v. a. Binder und Binder (1994) und die Arbeitsgruppe um Teusch (1986, 1988, 1994), die sich speziell mit der gesprächspsychotherapeutischen Behandlung von schizophrenen Erkrankungen befassen. Der Schwerpunkt liegt dabei unverändert auf der Aktualisierung der therapeutischen Basisvariablen, insofern Menschen mit Schizophrenie „keine anderen Wachstums- und Entwicklungsbedingungen brauchen, als andere Menschen auch“ (Binder 1994, S. 188). Gleichzeitig müssen die spezifischen Defizite von Menschen mit schizophrenen Störungen in der Therapie berücksichtigt werden, um zu gewährleisten, dass diese die personzentrierte Haltung des Therapeuten und somit dessen Beziehungsangebot wahrnehmen und nutzen können. Für die Psychotherapie, die in der Regel nach Abklingen der psychotischen Akutsymptomatik einsetzt, sind v. a. die kommunikativen Defizite schizophren erkrankter Menschen bedeutsam. Nach Gaebel (1994) sind dies Dekodierungsstörungen, die es Patienten mit Schizophrenie erschweren, den emotionalen Ausdruck im Gesicht ihres Gegenübers zu deuten, woraus sich deren Schwierigkeiten, die therapeutische Haltung der Akzeptanz und Empathie wahrzunehmen, unmittelbar erklären lässt. Zusätzlich zeigen die Patienten ein reduziertes und auch qualitativ verändertes Ausdrucksverhalten hinsichtlich ihrer eigenen Emotionalität und erschweren es so dem Therapeuten, empathisch auf die innere Gestimmheit ihres Klienten zu antworten.
Klares und möglichst eindeutiges Therapeutenverhalten ist also erforderlich, um die Zahl der Missverständnisse gering zu halten.
Hier zeigt sich die Bedeutsamkeit einer diagnostischen Einordnung, weil sie dem Therapeuten eine sensibilisierende Orientierungshilfe gibt, die es ihm ermöglicht, die spezifischen Defizite und Bedürfnisse seines Klienten zu berücksichtigen und die Verwirklichung der konstruktiven Therapiebedingungen entsprechend zu gestalten (Binder und Binder 1994). Welche Modifikationen erfordern die speziellen Bedürfnisse von an Schizophrenie erkrankten Personen?

Klientenzentrierte Basisvariablen in der Behandlung schizophrener Störungen

Empathie
Das Bemühen um störungsspezifisches Wissen ist schon deshalb von Bedeutung, weil es sich bei manchen schizophrenen Erlebnisweisen um qualitativ andere Erfahrungen handelt, als sie durchschnittliche – gesunde – Psychotherapeuten selbst machen, eine Kenntnis der Psychopathologie ihnen also helfen kann, sich in die Erlebniswelt ihrer Klienten einzufühlen, besonders wenn diesen die Ausdrucksmöglichkeiten fehlen (Lange 1988; Binder und Binder 1994). Dabei hilft die phänomenologische Haltung der Gesprächspsychotherapie, eine diagnostische Festschreibung zu vermeiden; es geht nicht darum, schizophrene Erlebnisweisen zu inventarisieren (ob man Schizophrenie hat), sondern nachzuvollziehen, wie es sich anfühlt, solche Erlebnisse zu haben (Binder 1994, S. 191).
„Hierdurch ist es möglich, auf wahnhafte, auf der inhaltlichen Ebene schwer verständliche Äußerungen ohne Näheverlust einzugehen, indem nicht der wahnhafte Inhalt empathisch verstanden wird, sondern die stets einfühlbaren, ihn begleitenden Gefühle“ (Binder und Binder 1994, S. 105).
In diesem Sinne ist schizophrenes Erleben und Verhalten grundsätzlich verstehbar (Teusch 1994), und es gilt die jeweils angemessene Antwort (verbal oder interaktional) durch Einfühlung zu finden;
… durch eine verstehende Grundhaltung erscheinen weniger Verhaltensweisen ‚verrückt‘, und ‚verrückte‘ Verhaltensweisen nehmen ab, wenn sie verstanden werden, – es ist überflüssig, eine Kommunikation endlos fortzusetzen, wenn Inhalt und Absicht angekommen sind (Binder und Binder 1994, S. 27).
Akzeptanz und Kongruenz
Die Verwirklichung unbedingter Wertschätzung und Echtheit durch den Therapeuten ist eng an seine Empathiefähigkeit geknüpft: Schizophrene Verhaltens- und Erlebnisweisen können befremdend, verwirrend oder scheinbar unberechenbar sein, mit anderen Worten „unnormal“. Abweichungen von der Norm erzeugen schnell Angst und Abwehr. Auch hier hilft eine Kenntnis der störungsspezifischen „Normen“: „Wenn wir als Therapeuten mit Personen arbeiten, die sich oft gravierend von allgemein üblichen normativen Verhaltenserwartungen unterscheiden, müssen wir das Spektrum unserer normativen Erwartungen generell verbreitern bzw. speziell die ‚normalen‘ Abweichungen dieser Personen kennenlernen und in unsere vertrauten Erwartungen einbeziehen“ (Binder und Binder 1994, S. 99).
Gelingt es dem Therapeuten, seinen Klienten angstfrei und offen zu begegnen und sie als die Personen zu akzeptieren, die sie nun einmal sind (Gerwood 1993), liefert er damit jene Wachstumsbedingungen, die vermutlich gerade Menschen mit Schizophrenie schmerzlich vermisst haben. Ablehnung hingegen kann zu einer diffusen Verstärkung der Symptomatik führen, mangelnde Kongruenz zu einer zusätzlichen Verwirrung der ohnehin gestörten Kommunikation (Binder und Binder 1994).
Transparenz
Ein wichtiger Aspekt der Kongruenz ist die Transparenz des Therapeuten im Hinblick auf Diagnosestellung und Therapieplanung. Alles andere wäre schwerlich mit einer Förderung von Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung der Patienten vereinbar – und ebenso wenig mit Kongruenz und Offenheit des Therapeuten.
Luderer et al. (Luderer 1995; Luderer et al. 1994) beschreiben die Durchführung klientenzentrierter Informationsgruppen für Patienten mit Schizophrenie und Gruppen für Angehörige. In diesen Gruppen vermitteln sie einerseits sachliche Informationen aus ihrem Fachwissen heraus, die den Betroffenen helfen sollen, einen realistischen Umgang mit der Erkrankung zu entwickeln (Transparenz). Gleichzeitig gehen sie auf die damit verbundenen Gefühle und Erlebnisinhalte (Empathie) und die Bemühungen um die Auseinandersetzung mit der Krankheit ein (Wertschätzung).
Nondirektives Vorgehen
Alle Autoren betonen die Notwendigkeit eines strukturierteren Vorgehens, als es i. Allg. im personzentrierten Setting üblich ist, ebenso die Einbettung der Gesprächspsychotherapie in ein umfassenderes Behandlungsprogramm (wenn nötig Medikamente, sozialpsychiatrische Maßnahmen; z. B. Binder und Binder 1994; Finke 1992; Maisel 1986; Teusch 1994). Dies steht nicht unbedingt im Widerspruch zur humanistischen Forderung nach Selbstbestimmung, sondern ergibt sich aus den besonderen Bedürfnissen der Klienten, denen es Rechnung zu tragen gilt. Letztendlich geht es darum, jeweils auf die realen Erfordernisse der Beziehung zu antworten, im Bedarfsfall kann das auch bedeuten, einen Klienten gegen seinen Willen zu ernähren oder in eine geschlossene Station einzuweisen (Binder und Binder 1994). Entscheidend ist eine „Orientierung an der Person“ (Teusch 1988, S. 32), nicht das Diktum der Nondirektivität. Gleichzeitig bildet der Schwerpunkt der personzentrierten Psychotherapie auf der Subjektivität und Autonomie der Klienten ein nötiges Gegengewicht zum manchmal bevormundenden und regressionsfördernden Verhalten gegenüber Patienten mit Schizophrenie (Finke 1992) und gibt Anlass zur ständigen Prüfung der professionellen Haltung, um keinem „Besserwissen“ zu verfallen.

Prätherapie nach Garry Prouty

Eine Vorbedingung für Psychotherapie ist Kontakt. Die Therapeuten der Wisconsin-Studie ließen sich einiges einfallen, um Kontakt zu knüpfen zu den z. T. völlig verstummten oder zurückweisenden Klienten (Gendlin 1976). Prouty (1990) kommt in seiner Rezeption der Wisconsin-Studie zum Schluss, dass gerade chronisch schizophren Erkrankte unter Defiziten im Kontaktverhalten leiden, die zunächst bearbeitet werden müssen, um damit die Vorbedingungen für eine Psychotherapie zu erfüllen. Auf der Basis des klientenzentrierten Ansatzes entwickelte er das Konzept der Prätherapie und damit zugleich eine Theorie des psychologischen Kontakts.
Es gilt, den auf 3 Ebenen eingeschränkten Kontakt schizophren erkrankter Personen wiederherzustellen, nämlich auf den Ebenen des Kontaktes zur Realität, zu sich selbst und zu anderen.
Dies geschieht über die Methode sog. Kontaktreflexionen, in denen der Therapeut durch seine verbale und nonverbale Reaktion auf den Klienten und die Situation, in der sie sich gemeinsam befinden, antwortet, um dem Klienten das stattfindende Hier und Jetzt erfahrbar zu machen. Diese Reflexionen (aus Prouty 1990, S. 650 f.) nehmen Bezug
  • auf situative Gegebenheiten (um den Kontakt zur Realität zu fördern, z. B. „We have been quite a long time in this little room“),
  • auf die Mimik des Klienten (um seine affektiven Kontakte zu sich selbst zu stärken, z. B. „Your face looks scared“),
  • auf die verbalen Äußerungen des Klienten, die z. T. Wort für Wort wiederholt werden (um den kommunikativen Kontakt zu stärken und dem Klienten zu helfen, sich als Kommunizierender wahrzunehmen),
  • auf die z. T. bizarren Körperbewegungen des Klienten, indem sie verbalisiert oder nonverbal gespiegelt werden (um sein Gefühl für das eigene Körper-Selbst zu stärken), und schließlich
  • auf bereits erfolgte erfolgreiche Kontaktreflexionen.
Mit seinem Ansatz öffnet Prouty den Zugang zu Klienten, die oft als nicht therapierbar gelten, wie langjährig hospitalisierte Patienten mit schwerer geistiger und/oder psychischer Behinderung oder solche, die sich akut in der Psychose befinden (vgl. Beschreibung mit Fallbeispielen bei Van Werde 2014). Interessant ist hier auch die (nicht immer einfache) Übertragung des Konzeptes auf den Umgang mit schwer dementen Person in der Pflege (Dodds 2009). Die Evaluation der Wirksamkeit ist allerdings noch spärlich, wie die Übersicht von Dekeyser et al. (2008) zeigt.

Behandlungsziele bei der Psychotherapie von schizophrenen Störungen

Die Ziele einer personzentrierten Psychotherapie mit schizophren erkrankten Menschen lassen sich nach Binder (1994, S. 192f.) so beschreiben: Neben dem hochgesteckten Bemühen, Wachstum und Entfaltung anzuregen, geht es auch um Katastrophenvermeidung, und zwar in dem Sinne, dass der Klient lernt, einen realitätsgerechten Umgang mit der Krankheit zu finden, der es ihm ermöglicht, weitere destruktive Lebenserfahrungen zu vermeiden. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Aufgabe, die krankheitsbedingte Vulnerabilität ins Selbstbild zu integrieren. Für Binder u. Binder ist der personzentrierte Ansatz gerade bei Menschen mit schizophrenen Störungen lohnend, „die eben in ihrem Personensein defizitär sind“ (1994, S. 338).
Teusch (1986, 1994) fand bei eigenen Untersuchungen im stationären Setting, dass die Patienten durchaus von der Behandlung profitierten, was sich u. a. in gehobenem Selbstwertgefühl und verminderter Depression, einer Reduktion der Symptomatik im Fremdrating und einer Reduktion der neuroleptischen Medikation zeigen ließ. Gleichzeitig zeigte eine hohe Abbruchquote, dass nicht alle Patienten das gesprächspsychotherapeutische Angebot annehmen konnten, und zwar besonders jene nicht, die eine besonders ausgeprägte Symptomatik aufwiesen.
Unseres Ermessens stellt der gesprächspsychotherapeutische Ansatz eine fruchtbare Herangehensweise an die Behandlung schizophrener Störungen dar, dessen ausreichende empirische Absicherung aber noch aussteht (vgl. Elliott et al. 2013). Gerade weil Schizophrenie zu den sog. schweren psychischen Störungen gehört, ist dies eine lohnende Aufgabe.

Fazit

Eine Untersuchung von Butollo et al. (1996) zeigt die Bedeutung der humanistischen Psychologie in der BRD vor dem 1999 in Kraft getretenen Psychotherapeutengesetz (PsychThG): Mittels Fragebogen wurden der theoretische Hintergrund, die praktische Arbeitsweise und die Ausbildung der Mitglieder des Bundesverbandes Deutscher Psychologen (Landesgruppe Bayern) erhoben. Humanistische Konzepte standen in allen 3 Bereichen an der Spitze, was die absolute Häufigkeit der Nennungen betraf. Da Mehrfachnennungen möglich waren, zeigte die Untersuchung darüber hinaus, dass humanistische Ansätze oft mit anderen Verfahren kombiniert wurden, und zwar v. a. mit lerntheoretischen Ansätzen. Fast 10 Jahre später und damit gut 5 Jahre nach Inkrafttreten des PsychThG befragten Schindler und von Schlippe (2006) deutschlandweit die zugelassenen/ermächtigten Psychologischen Psychotherapeuten bzw. Kinder- und Jugendlichentherapeuten und -therapeutinnen, also eine mit der obigen Studie nicht ohne weiteres vergleichbare Stichprobe. Gerade deshalb ist interessant, dass von diesen offiziell in einem der Richtlinienverfahren arbeitenden Therapeuten nur rund ein Fünftel hinsichtlich ihrer praktischen Tätigkeit dem Satz „Ich tue, wofür ich eine Zulassung habe“ zustimmte. Gut mehr als die Hälfte bejahten: „Ich habe meine Qualifikationen in ein integratives Konzept vereinigt.“ Gefragt, in welchem Maße die verschiedenen Therapieschulen zur eigenen therapeutischen Identität beitragen, stehen die 3 Richtlinienverfahren (in denen die Befragten ihren Fachkundenachweis haben) vorne, mit 64 % für die tiefenpsychologische Therapie, 54 % für Verhaltenstherapie und 45 % für die Psychoanalyse; gefolgt von 43 % für Gesprächspsychotherapie, 41 % für systemische Therapie und 27 % für Gestalttherapie. Die humanistischen Verfahren prägen also immer noch mit.
Es ist schwierig, die weitere Entwicklung einzuschätzen, wenn die Gesetzeslage in Deutschland so bleiben sollte, und damit Qualifikationen in den humanistischen Verfahren immer nur ergänzend zur Fachkunde in einem der derzeitigen Richtlinienverfahren erworben werden. Aber offensichtlich besteht Bedarf; die humanistischen Psychotherapieverfahren bleiben ein wichtiger Baustein in der Patientenversorgung, trotz der in Deutschland widrigen Umstände bzgl. ihrer sozialrechtlichen Anerkennung. Und während sie kaum mehr an den klinischen Lehrstühlen gelehrt werden, verzeichnen humanistische Verfahren laut Längle und Kriz (2012) einen Zuwachs in den entsprechenden Abteilungen der Fachhochschulen. Und in Österreich und der Schweiz werden sie gleichberechtigt mit den anderen Verfahren unterrichtet und praktiziert.
Die Integration der humanistischen Verfahren v. a. in den behavioralen Verfahren, sehen wir ganz ähnlich wie Längle und Kriz (2012) mit gemischten Gefühlen. Es ist natürlich begrüßenswert, wie sehr der humanistische Fokus auf die (therapeutische) Beziehung auch in der modernen KVT Berücksichtigung findet, ebenso die Integration der höchst effektiven Methoden. Aber auch das zugrunde liegende Menschenbild muss integriert bleiben, sonst handelt es sich nur um eine mechanistische Anwendung von Techniken und im schlimmsten Fall um „partial dilettantism“ (Längle und Kriz 2012, S. 433). Denn die scheinbar so simple gesprächspsychotherapeutische Technik des empathischen Verbalisierens ist alles andere als einfach, wie jeder weiß, der schon einmal mit „unreflektiertem“ Spiegeln beim Patienten aufgelaufen ist; und die gestalttherapeutische Stuhlarbeit ist eine mächtige, emotionsfokussierende Methode, deren gekonnte Durchführung mindestens so viel Ausbildung und Erfahrung erfordert wie das erfolgreiche Durchführen einer Exposition in der Verhaltenstherapie. Die „Rogers-Variablen“ sind keine Parameter, die sich durch Techniken herstellen lassen, sondern werden in der Ausbildung, Selbsterfahrung und supervidierten Praxis erarbeitet und letztlich nur in der echten menschlichen Begegnung mit dem Klienten immer aufs Neue realisiert. Das heißt, ein entscheidender Beitrag der humanistischen Psychotherapie liegt in der Ausbildung der therapeutischen Persönlichkeit (vgl. Angus et al. 2015; Elkins 2012) und auch dafür wird sie gebraucht.
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