Das Körperlängenwachstum ist ein sehr komplexer Prozess. Von der Konzeption bis zum Schluss der Wachstumsfugen, d. h. bis zum Erreichen der Endgröße, müssen sehr verschiedene Faktoren zusammenwirken, damit das Kind sein Wachstumspotenzial möglichst optimal ausschöpft und eine Endgröße im genetischen Zielgrößenbereich erreicht.
Das Körperlängenwachstum ist ein sehr komplexer Prozess. Von der Konzeption bis zum Schluss der Wachstumsfugen, d. h. bis zum Erreichen der Endgröße, müssen sehr verschiedene Faktoren zusammenwirken, damit das Kind sein Wachstumspotenzial möglichst optimal ausschöpft und eine Endgröße im genetischen Zielgrößenbereich erreicht.
Wichtigste Faktoren für das Wachstum sind die Erbanlagen der Eltern. Sie bestimmen zu etwa 70 % die Endlänge eines Kindes. Des Weiteren sind erforderlich: Eine ausreichende und ausgewogene Ernährung, ein ausgeglichener Stoffwechsel, psychische Stabilität und das Vorhandensein wachstumsstimulierender Hormone wie Schilddrüsenhormon, Östrogene und Testosteron in der Pubertät sowie Wachstumshormon (somatotropes Hormon, STH; Kap. „Krankheiten von Hypophyse und Hypothalamus bei Kindern und Jugendlichen“).
Im Mittel dauert der Wachstumsprozess heute für Mädchen etwa 16 und für Jungen etwa 18(±2) Jahre. Der positive säkulare Wachstumstrend ist bis zum Epiphysenschluss gekennzeichnet durch eine höhere Wachstumsgeschwindigkeit (siehe unten) in jedem Lebensalter. Auf nutritive, vor allem wohl auf eine hochwertigere Proteinversorgung, aber auch auf soziokulturelle und andere Umweltfaktoren ist es zurückzuführen, dass seit 1900 die mittlere Erwachsenengröße bei Männern um etwa 15 cm von damals 165 cm auf nunmehr 180 cm zugenommen hat. In den letzten Jahren hat sich allerdings der säkulare Trend deutlich verlangsamt bzw. ist er, wohl aufgrund limitierender biophysikalischer und genetischer Faktoren, zum Stillstand gekommen.
Definitionen und Methoden
Die Verwendung präziser Messgeräte ist eine Voraussetzung für die Untersuchung kindlichen Wachstums. Die Körperlänge/-höhe wird bis zum 2. Lebensjahr im Liegen (Messschale), danach im Stehen gemessen (Stadiometer).
Der Gebrauch von angemessenen Somatogrammen/Perzentilenkurven erlaubt die grafische Dokumentation der Körpergröße/-länge. In Deutschland werden vorwiegend die Perzentilenkurven von Prader, Hesse und Kromeyer-Hauschild verwendet. Für eine Reihe ossärer und syndromaler Wachstumsstörungen gibt es krankheitsspezifische Wachstumskurven, z. B. für Ullrich-Turner-Syndrom, Noonan-Syndrom, Prader-Willi-Syndrom, chronische Niereninsuffizienz, Down-Syndrom und Marfan-Syndrom.
Die voraussichtliche mittlere Erwachsenengröße eines Kindes lässt sich gemäß der folgenden Übersicht berechnen.
Berechnung der voraussichtlichen Erwachsenengröße (Zielgröße) und des standard deviation score (SDS)
Eine Größenabweichung lässt sich mit dem SDS (standard deviation score) ausdrücken. Der Bereich von ±2 SDS entspricht definitionsgemäß dem Normbereich (3.–97. Perzentile). Dieses Rechenverfahren erlaubt eine exakte Definition der Größenabweichungen auch außerhalb der Perzentilen und den Vergleich unabhängig vom Alter.
Die Dynamik des Wachstums kann durch die Ermittlung der Wachstumsgeschwindigkeit – ausgedrückt in Zentimeter pro Jahr oder in SDS – beschrieben werden. Die Bestimmung der Wachstumsgeschwindigkeit setzt 2 präzise Messungen der Größe (Länge) in zeitlichem Abstand voraus. Je größer die Wachstumsgeschwindigkeit und je präziser die Größenmessung, umso kürzer können die Abstände zwischen 2 Messungen sein. Üblicherweise sollte der zeitliche Abstand in der Praxis aber 6 Monate überschreiten. Die normale Wachstumsgeschwindigkeit liegt zwischen der 3. und 97. Perzentile, jedoch führt eine konstante Wachstumsgeschwindigkeit unterhalb der 25. Perzentile zum Kleinwuchs, während eine anhaltende Wachstumsgeschwindigkeit oberhalb der 75. Perzentile zum Hochwuchs führt (Abb. 1).
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Die Erfassung der Körperproportionen ist ein wichtiges Kriterium, insbesondere bei der Beurteilung von Wachstumsstörungen. Es stehen dafür verschiedene Methoden zur Verfügung (u. a. Sitzhöhe, Verhältnis Oberlänge zu Unterlänge). Als orientierende Methode kann die Messung der Armspannweite verwendet werden. Der Verdacht auf Disproportionierung liegt dann vor, wenn die Armspannweite deutlich (>5 cm) von der Körperhöhe differiert.
Die Beurteilung des Wachstums muss auch immer die Pubertätsentwicklung berücksichtigen, entweder klinisch (Stadien nach Tanner, Kap. „Krankheiten der Keimdrüsen bei Kindern und Jugendlichen“) oder durch sonografische Größenbestimmungen (z. B. Hoden-, Uterusvolumen). Basale Hormonmessungen im Blut (z. B. Testosteron, Östradiol, Gonadotropine) sind insbesondere zur Beurteilung des Pubertätsbeginns weniger hilfreich.
Wachstum und Pubertätsentwicklung sind eng mit der Skelettreifung, dem sog. Knochenalter korreliert. Dieses Maß für die biologische Reife des Organismus wird durch eine standardisierte Röntgenaufnahme, zumeist der gesamten linken Hand einschließlich distaler Anteile von Radius und Ulna, ermittelt. Die Beurteilung erfolgt mittels eines alterstypischen Standards nach Greulich und Pyle, während zur prognostischen Endgrößenbestimmung die Methode nach Bailey und Pinneau verwendet wird. Die Größenprognose ist dabei eine lineare Funktion von Körpergröße und Knochenalter. Alternativ wird auch die recht aufwendige Methode nach Tanner und Whitehouse genutzt, dabei ist die Größenprognose eine Funktion aus Alter, Knochenalter und Körperhöhe.
Kleinwuchs
Definition
Ein Kleinwuchs liegt vor, wenn Größe (Länge) eines Kindes bezogen auf Alter und Geschlecht unter der 3. Perzentile liegt. Für Frauen ist das aktuell eine Endgröße unterhalb von 153 cm, für Männer unterhalb von 167 cm.
Diagnose und Differenzialdiagnose
Kleinwuchs ist zunächst nur ein Symptom. Die Zuordnung zu einem pathologischen Geschehen hängt in erster Linie von den elterlichen Genen ab. Häufigste Ursachen des Kleinwuchses sind der familiäre Kleinwuchs (permanent) und die konstitutionelle Entwicklungsverzögerung von Pubertät und Wachstum (KEV). Bei dieser transitorischen Wachstumsstörung verläuft die Körperlängenentwicklung bereits in der Präpubertät verlangsamt und unterhalb der elterlichen Zielgrößenperzentile. Der Pubertätswachstumsschub tritt verspätet ein, aber die betroffenen Kinder erreichen in der Regel ohne eine hormonelle Intervention eine Endlänge im Elternzielgrößenbereich. Häufig sind ein oder beide Elternteile ebenfalls „Spätentwickler“ gewesen.
Die Kleinwuchsdiagnostik erfordert neben einer ausführlichen Anamnese (inklusive Geburtsanamnese, Geburtsmaße, Endgrößen und Pubertätsverlauf beider Eltern), dem Erstellen einer individuellen Wachstumskurve und anthropometrischen Messungen (Körperhöhe/-länge, Armspannweite, Gewicht, Kopfumfang) immer eine komplette klinische Untersuchung. Dabei ist insbesondere auf kleinere morphologische Besonderheiten zu achten. Den Pubertätsmerkmalen ist eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen (siehe oben).
Allgemeine klinisch-chemische Untersuchungen decken okkulte organische oder systemische Störungen auf. Der Umfang der Untersuchungen kann sich im Vorfeld der Diagnostik in der Regel auf ein begrenztes Arsenal beschränken (BSG, rotes und weißes Blutbild, Gesamteiweiß, Elektrolyte, Kreatinin, Transaminasen, alkalische Phosphatase) und dann entsprechend der eingegrenzten Diagnose vertieft werden (Tab. 1). Chromosomenanalyse und molekulargenetische Techniken sind bei Verdacht auf genetisch bedingte, syndromale Kleinwuchsformen indiziert.
Tab. 1
Laboruntersuchungen zum Ausschluss chronischer Krankheiten
Eine Hypothyreose kann mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, wenn Thyroxin (T4) und TSH im Serum normal sind. Ebenso ist ein Wachstumshormonmangel unwahrscheinlich, wenn IGF-1 und IGFBP-3 im Serum völlig normal sind. Erhöhte basale Gonadotropine im Blut deuten auf Störungen mit primärem Hypogonadismus hin.
Während die konventionelle Röntgendiagnostik des Skeletts bei der Diagnostik der Wachstumsstörung mit Dysproportionierung eine zentrale Rolle spielt, beschränkt sie sich beim proportionierten Kleinwuchs in der Regel zunächst auf eine Röntgenaufnahme der (ganzen) linken Hand. Diese Untersuchung gibt Einblicke in die Knochenstruktur und in die Knochenreife, die in das sog. Knochenalter transformiert wird. Andere bildgebende Verfahren (Sonografie, MRT) ergänzen die Diagnostik, stehen aber für die Diagnosestellung nicht immer im Vordergrund.
Das Flussschema zum diagnostischen Vorgehen bei Kleinwuchs erleichtert die systematische Abklärung (Abb. 2). Primäre und sekundäre Ursachen des Kleinwuchses sind in der Übersicht dargestellt.
Die Therapie des Kleinwuchses hat die Normalisierung der Körpergröße und das Erreichen einer Endgröße im genetischen Zielgrößenbereich zum Ziel. Bei chronischen Organerkrankungen und Hormonstörungen wird die Wachstumsstörung mit der Beseitigung der Grunderkrankung behandelt. Ob in diesen Situationen ein vollständiges Aufholwachstum möglich ist, hängt vom Ausmaß, der Dauer und vom Alter des Patienten sowie von den zur Behandlung der chronischen Organerkrankung erforderlichen Medikamenten ab. Bei schweren anhaltenden Erkrankungen, die junge Kinder betreffen, ist die Prognose schlechter. Bei Skelettdysplasien mit stark ausgeprägtem Kleinwuchs kann gelegentlich eine operative Verlängerung der langen Röhrenknochen in Frage kommen. Mittlerweile gibt es auch für verschiedene Kleinwuchsformen, die nicht durch einen Wachstumshormon-Mangel bedingt sind, die zugelassene Indikation zur Wachstumshormon-Behandlung. Die Endgrößenverbesserung nach langjähriger Therapie bis zum Schluss der Epiphysenfugen ist je nach Grunderkrankung sehr unterschiedlich: Ullrich-Turner-Syndrom +1,1 SDS, SHOX-Defizienz +1,3 SDS, chronische Niereninsuffizienz +1,5 SDS, Kinder mit intrauterinem Kleinwuchs (SGA) ohne Aufholwachstum +1,9 SDS. Da Wachstumshormon u. a. potenziell die Glukosehomöostase beeinflusst, sollte eine gute Langzeitnachbeobachtung bei diesen Patientengruppen erfolgen.
Intrauteriner Kleinwuchs
Der Begriff intrauteriner Kleinwuchs wird im engeren Sinn deskriptiv für eine Gruppe von Kindern benutzt, die bei Geburt zu klein (zu leicht und/oder zu klein) für das Gestationsalter sind (small for gestational age, SGA). Wenn man die Ätiologie des pränatal beginnenden Kleinwuchses nicht kennt, wird man den Terminus deskriptiv verwenden. Mit Hilfe molekulargenetischer Methoden ist es jedoch zunehmend häufiger möglich, die Ursache des Kleinwuchses zu finden. Der zunächst nur beschreibende Terminus weicht dann einer exakten Diagnose. Es gibt eine Vielzahl von Bedingungen, die zu einer pränatalen Wachstumsstörung führen (Abb. 3).
Die Pathogenese der intrauterinen Wachstumsstörung ist in den meisten Fällen unbekannt. Die Mehrheit der bei Geburt untermaßigen Kinder – insbesondere die durch mütterliche, plazentare und exogene Faktoren beeinträchtigten Kinder – holt das Wachstumsdefizit in der Regel bis zum 4. Lebensjahr auf. Ist dies nicht der Fall, liegt eine Form des primordialen Kleinwuchses vor. Kinder mit primordialem Kleinwuchs sind bei der Geburt zu klein und bleiben klein. Der Kleinwuchs ist proportioniert. Röhrenknochen sind und bleiben auffällig schlank, sind aber wohl geformt. Verschiedene morphologische Stigmata erlauben häufig eine spezifischere Diagnose (Kap. „Angeborene körperliche Anomalien: Epidemiologie“).
Ullrich-Turner-Syndrom
Bei kleinwüchsigen Mädchen muss immer an ein Ullrich-Turner-Syndrom gedacht werden. Die Häufigkeit liegt bei etwa 1:2.500 weiblichen Geburten. Ursache der Erkrankung ist das vollständige oder teilweise Fehlen eines X-Chromosoms. Das Syndrom wird in Kap. „Chromosomale Diagnostik, chromosomale Aberrationen“ dargestellt (Abb. 4 und 5).
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Kleinwuchs durch hormonelle Störungen
Die Hypothyreose kann in Abhängigkeit von ihrem Schweregrad nicht nur zu vermehrter Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Gewichtszunahme, sondern auch zu einer Wachstumsstörung führen (Kap. „Krankheiten der Schilddrüse bei Kindern und Jugendlichen“). Allerdings wird diese erst oft nach monatelanger hypothyreoter Stoffwechsellage manifest. Eine überschießende, nicht mehr regulierte Kortisolsekretion führt zunächst zu einer massiven Gewichtszunahme und im Verlauf auch zu einer Wachstumsstörung.
Als wachstumsbeeinflussende Ursachen werden dabei die Hemmung der STH-Sekretion auf hypothalamisch-hypophysärer Ebene sowie eine Blockierung der STH-Wirkung an der Knorpelzelle angenommen. Als weitere hormonelle Störung muss immer dann ein STH-Mangel ausgeschlossen werden, wenn eine pathologische Wachstumsgeschwindigkeit das Leitsymptom ist. Im Kindesalter variiert das klinische Bild bei STH-Mangel in seiner Ausprägung in Abhängigkeit vom Alter und von dem individuellen Ausmaß der STH-Sekretionsstörung. Beim Neugeborenen können Hypoglykämie, cholestatischer Ikterus und – bei Jungen – Mikrophallus Hinweise auf das Vorliegen eines STH-Mangels sein. Im Kindesalter ist das klinische Bild charakterisiert durch normale Körperproportionen, prominente Stirn mit eingesunkenem Mittelgesicht, Akromikrie, Stammfettsucht, dünne, durchscheinende Haut, helle Stimme und verminderte Schweißbildung (Kap. „Krankheiten von Hypophyse und Hypothalamus bei Kindern und Jugendlichen“, Abb. 6). Die Dentition ist ebenso wie die Skelettreifung gegenüber der Norm retardiert. Beim isolierten STH-Mangel tritt die Pubertät verzögert ein. Der Kleinwuchs ist progredient. Die Größe der Kinder liegt in der Regel unter der 3. Perzentile, und die Wachstumsrate liegt unter der 25. Perzentile für das Alter. Unbehandelt erreichen die Patienten im Erwachsenalter eine erheblich verminderte Körperhöhe (<150 cm).
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Psychosozialer Kleinwuchs
Emotionale Deprivation kann insbesondere bei Kleinkindern eine profunde Wachstumsstörung verursachen. Sie entspricht pathophysiologisch dem Wachstumshormonmangel auf organischer Grundlage (Hirntumor, fehlende Sekretion von Wachstumshormon, IGF-1-Erniedrigung). Hintergrund ist eine Störung in der Eltern-Kind-Beziehung. Begleitet wird die Wachstumsstörung häufig durch Störungen im Essverhalten, Schlafstörungen, Enuresis, Enkopresis und emotionalen Auffälligkeiten (Zurückgezogenheit, Weinen, Schulprobleme). Allerdings stellen sich die Probleme in der Praxis oft nicht immer offenkundig dar und/oder werden verschleiert. Aus diesen Gründen empfiehlt es sich bei unklaren Wachstumsstörungen auch Informationen über das familiäre Umfeld und fachpsychologischen Rat einzuholen. Zur Lösung des Konflikts ist eine Familientherapie, manchmal sogar ein vorübergehender Milieuwechsel (z. B. Pflegefamilie) für den Patienten erforderlich. Nach psychischer Stabilisierung zeigen die Kinder zumeist ein dramatisches Aufholwachstum. Da diese Form der Wachstumsstörung zunimmt, kommt dem Kinderarzt eine besondere integrative Aufgabe zu.
Hochwuchs
Definition
Hochwuchs liegt vor, wenn die Körperhöhe/-länge oberhalb der 97. Perzentile bzw. der 2-fachen Standardabweichung liegt. Frauen mit einer Endgröße oberhalb von 180 cm bzw. Männer oberhalb von 194 cm sind hochwüchsig.
Ätiologie
Die häufigste Ursache des Hochwuchses ist sind Normvarianten des Wachstums, der familiäre Hochwuchs und die konstitutionelle Entwicklungsbeschleunigung von Pubertät und Wachstum. Die Eltern dieser Kinder sind zumeist ebenfalls hochwüchsig bzw. haben einen frühnormalen Pubertätsbeginn erlebt.
Die wichtigsten pathologischen Hochwuchsformen sind in folgender Übersicht zusammengestellt.
Diagnostisch sind neben der Anamnese das Erstellen einer individuellen Wachstumskurve, anthropometrischen Messungen, insbesondere des Kopfumfangs (Hochwuchssyndrome sind häufig mit einem Makrozephalus assoziiert), die Beurteilung des Pubertätsstatus (siehe oben) und eine Röntgenaufnahme der Hand (links) zur Beurteilung der Skelettreifung und Berechnung der prognostischen Endgröße ausreichend. In den Fällen, in denen das Wachstum nicht in Richtung der Elternzielgröße verläuft, die Wachstumsgeschwindigkeit anhaltend oberhalb der 75. Perzentile liegt, die prognostische Endgröße sich deutlich von der Elternzielgröße unterscheidet, sich eine vorzeitige Pubertätsentwicklung (Pubertätszeichen bei Mädchen vor dem 8., bei Jungen vor dem 9. Geburtstag) zeigt und/oder klinische Stigmata auf das Vorliegen einer syndromalen Erkrankung hinweisen, sollte eine weiterführende Diagnostik in Abhängigkeit von den im Vordergrund stehenden pathologischen Auffälligkeiten erfolgen. Dies könnten u. a. Hormonuntersuchungen (17-Hydroxyprogesteron, Testosteron, Östradiol, basale und stimulierte Gonadotropine, T4 und TSH, IGF-1, Prolaktin) oder genetische Untersuchungen (Chromosomenanalyse, Molekulargenetik) sein.
Als Leitfaden zum diagnostischen Vorgehen bei Hochwuchs dient das Flussschema in Abb. 7.
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Therapie
Hormonelle Ursachen des krankhaften Hochwuchses können kausal erfolgreich behandelt werden, so z. B. der STH-Exzess operativ und medikamentös, die Hyperthyreose thyreostatisch, die Pubertas praecox vera mit einem LHRH-Agonisten und die Pseudopubertas praecox medikamentös (z. B. adrenogenitales Syndrom mit einem Glukokortikoid und evtl. zusätzlich einem Mineralokortikoid) oder operativ (z. B. Resektion eines Ovarial- oder Hodentumors). Bei den anderen Hochwuchsformen besteht grundsätzlich die Möglichkeit durch die hoch dosierte Kombinationstherapie von Östrogenen/Gestagen (Mädchen) bzw. Testosteron (Jungen) eine symptomatische wachstumsbegrenzende Behandlung durchzuführen. Die Sexualsteroide führen zu einem vorzeitigen Schluss der Epiphysen und vermindern dadurch das Wachstumspotenzial. Für die wachstumsbegrenzende medikamentöse Therapie des konstitutionellen Hochwuchses gibt es keine medizinischen Gründe. Diese Therapieoption sollte nur bei Patienten mit schweren psychosozialen Problemen im Umgang mit der zu erwartenden Endlänge bzw. zur möglichen Verhinderung der Progression biomechanischer Probleme (z. B. Kyphose und Skoliose beim Marfan-Syndrom) in Betracht gezogen werden sollte. Dass der Beginn einer hoch dosierten Östrogentherapie kritisch geprüft werden sollte, zeigen zum einen Langzeitnachbeobachtungen von ehemals behandelten hochwüchsigen weiblichen Jugendlichen, bei denen sich eine Beeinträchtigung ihrer Konzeptionsfähigkeit fand, aber auch die Untersuchungen von sexualhormonbehandelten Frauen, die ein erhöhtes Risiko hatten, an Brust-, Ovarial- oder Uteruskarzinom zu erkranken. Bei Männern nach Hochwuchstherapie fand man eine um etwa 50 % verminderte Spermienanzahl pro Ejakulat.
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