Eine Schubtherapie wird von einer remissionserhaltenden Therapie unterschieden. Ziel der Schubtherapie ist die Induktion einer Remission mit mukosaler Heilung, d. h. unauffällige klinische Parameter (inkl. Stuhlfrequenz <4/Tag, ohne Blut) sowie eine endoskopisch normale Schleimhaut (Neurath und Travis
2012). Mit zusätzlichen Therapieoptionen werden perspektivisch möglicherweise weitergehende Behandlungsziele angestrebt: z. B. die Wiedererlangung der histologischen Integrität oder sogar ein funktionell unbeeinträchtigter Befund. Die remissionserhaltende Therapie dient der Aufrechterhaltung des Erfolgs der Schubtherapie.
Therapie des akuten Schubs
Bei distaler Kolitis (Proktitis) leichter bis mäßiger Ausprägung wird eine Therapie
mit topischer 5-Aminosalicylsäure (5-ASA), z. B. als Zäpfchen, Schaum oder Klysma, empfohlen (z. B. 1× 1 g/Tag) (Dignass et al.
2012b). Bei Linksseitenkolitis bzw. ausgeprägter Kolitis jeweils leichten bis mäßigen Schweregrads wird eine kombinierte Therapie aus topischer 5-ASA (z. B. 1× 1 g/Tag) und 5-ASA p.o. (>2 g/Tag) empfohlen, ggf. ergänzt um topisch appliziertes Kortikosteroid. Bei unzureichendem Therapieansprechen, insbesondere bei Fortbestehen blutiger Stuhlgänge über mehr als 10–14 Tage, ist eine Therapieeskalation, im Regelfall mit
Kortikosteroiden p.o. (z. B. Prednisolon 1 mg/kg KG/Tag) indiziert.
In Abhängigkeit des klinischen Verlaufs ist eine remissionserhaltende Therapie oder ein Therapiewechsel anzustreben. Bei steroidabhängiger Colitis ulcerosa wird eine Behandlung mit Azathioprin (2–2,5 mg/kg KG/Tag) bzw. 6-Mercaptopurin (1–1,5 mg/kg KG/Tag) empfohlen. Bei steroidrefraktärer Colitis ulcerosa sollte ein Therapiewechsel auf Anti-TNF-α-Antikörper (Infliximab: 5 mg/kg KG alle 8 Wochen nach initialer Aufdosierung; Adalimumab: 40 mg alle 4 Wochen nach initialer Aufdosierung) oder Calcineurininhibitor (
Ciclosporin: Zieltalspiegel 150–250 ng/ml mit Start 2 mg/kg KG/Tag);
Tacrolimus: Zieltalspiegel 5–10 ng/ml mit Start 0,01 mg/kg KG/Tag) erfolgen.
Patienten mit schwerer Colitis ulcerosa, d. h. blutiger Diarrhoe >5×/Tag und Zeichen einer systemischen Krankheitsaktivität (z. B. Tachykardie >90/min, Temperatur >37,8 °C,
Hämoglobin <10,5 g/dl, deutliche laborchemische Entzündungszeichen), sollten unabhängig von der Längenausdehnung stationär aufgenommen werden. Alternative Ursachen der Beschwerden, insbesondere das Vorliegen einer Darminfektion (v. a. Cytomegalievirus,
C. difficile), sollten ausgeschlossen werden. Die intensivierte Behandlung erfolgt konventionell mit intravenöser Kortikosteroidstoßtherapie (z. B. Methylprednisolon 60 mg/Tag). Sofern bis Tag 3 kein hinreichendes therapeutisches Ansprechen erkennbar ist, sollte ein Wechsel auf intravenösen Calcineurininhibitor (z. B.
Ciclosporin, initial 2 mg/kg KG/Tag) oder TNF-Antikörper (Infliximab, 5 mg/kg KG zunächst einmalig) erfolgen. Zudem sollte spätestens ab diesem Zeitpunkt interdisziplinär eine Kolektomie diskutiert werden. Falls auch die Zweitlinientherapie innerhalb von vier bis sieben Tagen unzureichend anspricht, sollte eine chirurgische Therapie erfolgen bzw. an spezialisierten Zentren eine medikamentöse Drittlinientherapie erwogen werden.
Remissionserhaltende Therapie
Die remissionserhaltende Therapie
dient der Aufrechterhaltung des Erfolgs der Schubtherapie. Auf
Kortikosteroide sollte hierbei unter Berücksichtigung des ungünstigen Nutzennebenwirkungsprofils verzichtet werden. Für Patienten mit leichter bis mäßiger Aktivität, die auf 5-ASA oder Kortikosteroide angesprochen haben, erfolgt die remissionserhaltende Therapie mit 5-ASA (z. B. 1,2 g/Tag p.o. oder 3 g/Woche topisch). Bei Unverträglichkeit gegenüber 5-ASA kann zum Remissionserhalt der
E.-coli-Stamm Nissle 1917 eingesetzt werden.
Für Patienten, die ein frühes Rezidiv oder wiederholte Rückfälle trotz optimaler Anwendung von 5-ASA verzeichnen, wird eine Therapie mit Azathioprin/6-Mercaptopurin empfohlen. Das Gleiche gilt bei Unverträglichkeit gegenüber 5-ASA, steroidabhängigem Verlauf oder Personen, bei denen ein Calcineurininhibitor zur Remissionsinduktion benötigt wurde. Bei Patienten, bei denen Anti-TNF-α-Antikörper zur Remissionsinduktion erfolgreich eingesetzt wurden, können eine remissionserhaltende Therapie mit Azathioprin/6-Mercaptopurin erhalten oder die Anwendung von Anti-TNF-α-Antikörper zum Remissionserhalt fortsetzen.
Bei Patienten mit initial starker Aktivität sollte unabhängig von der Schubtherapie eine remissionserhaltende Medikation mit Azathioprin/6-Mercaptopurin empfohlen werden. Bei Personen, die in der Schubtherapie auf Anti-TNF-α-Antikörper angesprochen haben, kann die Medikation mit Anti-TNF-α-Antikörper zum Remissionserhalt fortgesetzt werden, ggf. in Kombination mit Azathioprin/6-Mercaptopurin. Eine kombinierte Anwendung von Azathioprin und Anti-TNF-α-Antikörper über einen Zeitraum von länger als sechs Monaten sollte möglichst vermieden werden.
Für 5-ASA wird bei guter Verträglichkeit allgemein eine langfristige Anwendung empfohlen, zumal es das Darmkrebsrisiko möglicherweise senkt. Hingegen ist die optimale Dauer einer Remissionstherapie mit Azathioprin oder Anti-TNF-α-Antikörper unklar. Eine längerfristige, d. h. über mehrere Jahre hinausgehende Anwendung kann unter Berücksichtigung von Vorgeschichte und Gesamtsituation erwogen werden. Zahlreiche neue Medikamente, vor allem zur zielgerichteten Therapie, sind in Entwicklung und Erprobung, sodass in den kommenden Jahren voraussichtlich zusätzliche Therapieoptionen verfügbar sein werden. Zwischenzeitlich ist der humanisierte monoklonale
Antikörper Vedolizumab, gerichtet gegen α4β7-Integrin, verfügbar. Er ist von der Europäischen Kommission („European Medicines Agency“, EMA) seit 2014 zugelassen. Sein Einsatzbereich umfasst die medikamentöse Therapie von moderaten oder schweren Formen des
Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa.
Eine chirurgische Therapie, zumeist als Proktokolektomie, ist bei Nachweis einer kolitisassoziierten Neoplasie geboten. Des Weiteren kann unter Berücksichtigung des Patientenwunsches bei unzureichendem Erfolg der medikamentösen Therapie eine chirurgische Sanierung in Betracht gezogen werden.
Für Patienten mit Zustand nach Proktokolektomie
können Antidiarrhoika zur Reduktion der Stuhlgangfrequenz eingesetzt werden. Bei akuter
Pouchitis wird eine antibiotische Therapie, z. B. mit Ciprofloxacin (2× 500 mg/Tag) oder Metronidazol (3× 250 mg/Tag), empfohlen. Bei chronischer Pouchitis kann eine kombinierte Antibiotikatherapie erfolgen. Die Therapie mit Budesonid p.o. bzw. Anti-TNF-α-Antikörper stellen Alternativen dar. Eine probiotische Therapie mit VSL#3 kann zum Remissionserhalt einer Pouchitis
eingesetzt werden. Bei einer Cuffitis wird eine
topische Therapie mit 5-ASA empfohlen.
Schubassoziierte Haut- oder Gelenkbeschwerden werden primär mit der Colitis-ulcerosa-Schubtherapie behandelt. Bei chronischen Arthralgien kann eine Physiotherapie hilfreich sein. Beim Einsatz von Schmerzmitteln sollte auf NSAR möglichst verzichtet werden. Bei peripheren Arthritiden soll zunächst Sulfasalazin eingesetzt werden,
Methotrexat als Reservemedikament bei schweren peripheren Arthritiden. Bei schweren, therapierefraktären Polyarthritiden bzw. schwerer, therapierefraktärer Spondylarthropathie können Anti-TNF-α-Antikörper zu einem Therapieerfolg führen.
Bei Pyoderma gangraenosum kann neben einer systemischen Therapie mit Steroiden, Calcineurininhibitor oder Anti-TNF-α-Antikörper auch die topische Applikation eines Calcineurininhibitors versucht werden.
Bei Augenmanifestationen können topische Steroide indiziert sein, es sollte eine augenärztliche Mitbeurteilung erfolgen.
Der Einsatz von Ursodeoxycholsäure bei primär sklerosierender
Cholangitis ist nicht endgültig geklärt. Derzeit kann zur Reduktion des Darmkrebsrisikos bei Patienten mit primär sklerosierender Cholangitis eine Therapie mit höchstens 20 mg/kg KG/Tag empfohlen werden. Eine Dauertherapie mit 5-ASA senkt möglicherweise das Darmkrebsrisiko und kann bei allen Patienten mit Colitis ulcerosa erwogen werden.