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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 12.03.2015

Fibromuskuläre Dysplasie

Verfasst von: Peter Klein-Weigel
Bei der fibromuskulären Dysplasie (FMD) handelt es sich um eine nicht arteriosklerotische, nicht inflammatorische Arterienwanderkrankung mit bevorzugter Lokalisation im Bereich der Nierenarterien und der Karotiden, die zu Stenosen, Aneurysmen und Dissektionen, seltener auch zu Gefäßverschlüssen führt. Die Atiologie der fibromuskulären Dysplasie ist unbekannt. Die klinischen Erscheinungen sind durch Organischämien, Embolisationen und Aneurysmakomplikationen bedingt und hängen vom betroffenen Gefäß- bzw. Organgebiet ab. Die fibromuskuläre Dysplasie lässt sich mittels Duplexsonographie, Magnetresonanzangiographie und computertomographischer Angiographie sowie – als Goldstandarddigitaler Subtraktionsangiographie identifizieren. Die Behandlungsoptionen hängen von der Lokalisation, der Art und der Schwere der klinischen Erscheinungen ab und können rein konservativ sein oder interventionelle und operative Revaskularisationsmaßnahmen und Aneurysmaausschaltungen umfassen.

Definition

Bei der fibromuskulären Dysplasie (FMD) handelt es sich um eine nicht arteriosklerotische, nicht inflammatorische Arterienwanderkrankung mit bevorzugter Lokalisation im Bereich der Nierenarterien und der Karotiden, die zu Stenosen, Aneurysmen und Dissektionen, seltener auch zu Gefäßverschlüssen führt. Bei der Mehrzahl der Fälle sind mehrere Gefäßgebiete gleichzeitig betroffen (Fligelstone 2005; Slovut und Olin 2013).

Ätiologie

Die Atiologie der fibromuskulären Dysplasie ist unbekannt. Diskutiert werden genetische Faktoren (familiär gehäuftes Auftreten bei einem Teil der Fälle), hormonale Einflüsse (gehäuftes Auftreten bei Frauen), mechanische Alterationen und eine Arterienwandischämie (Verlegung der Vasa vasorum) (Fligelstone 2005).

Pathophysiologie und Pathoanatomie

Pathologisch-anatomisch lässt sich die fibromuskuläre Dysplasie in Abhängigkeit von der betroffenen Wandstruktur (entsprechend der Häufigkeit des Auftretens) einteilen in Mediafibroplasie, intimale Fibroplasie, perimediale Fibroplasie, mediale Hyperplasie und periarterielle Hyperplasie (Fligelstone 2005; Slovut und Olin 2013).

Epidemiologie

Genaue Zahlen über die Häufigkeit der fibromuskulären Dysplasie in der Bevölkerung fehlen. Während im Kindesalter keine eindeutige Geschlechtsdominanz beschrieben wurde, wird die Erkrankung im Erwachsenenalter überwiegend bei jüngeren Frauen diagnostiziert. Grundsätzlich aber ist eine Manifestation in jedem Lebensalter möglich (Fligelstone 2005; Slovut und Olin 2013).

Klinik

Die klinischen Erscheinungen sind durch Organischämien, Embolisationen und Aneurysmakomplikationen bedingt und hängen vom betroffenen Gefäß- bzw. Organgebiet ab (Fligelstone 2005; Slovut und Olin 2013). Häufige klinische Erscheinungen sind neu auftretende, schwere und/oder schwer einstellbare arterielle Hypertonie, Schwindel, Sehstörungen, Kopfschmerzen, Horner-Syndrom, zerebrale Ischämiesymptome, abdominelle Beschwerden, Claudicatio intermittens und (pulsatiler) Tinnitus (Fligelstone 2005; Slovut und Olin 2013; Geavlete et al. 2012).
Die beiden wichtigsten Manifestationsorte bedingen vorrangig
  • eine renovaskuläre Hypertonie bei ca. 30–50 % der kindlichen Fälle und 5–10 % unter den Erwachsenen und
  • transiente oder permanente zerebrale und retinale Ischämiesyndrome.

Diagnostik

Die fibromuskuläre Dysplasie lässt sich mittels Duplexsonographie, Magnetresonanzangiographie und computertomographischer Angiographie sowie – als Goldstandarddigitaler Subtraktionsangiographie identifizieren. Die Läsionen zeigen eine typische perlschnurartige Konfiguration. Daneben kommen gelegentlich glatte konzentrische bis bandartige fokale Stenosen und tubuläre segmentale Einengungen vor (Fligelstone 2005; Slovut und Olin 2013).
Unabhängig von der Primärmanifestation müssen aufgrund des häufigen multivaskulären Befallsmusters nicht invasive Screeninguntersuchungen der übrigen Gefäßgebiete durchgeführt werden. Am häufigsten ist die Kombination einer fibromuskulären Dysplasie der Nierenarterien und der extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße (Fligelstone 2005; Slovut und Olin 2013).

Differenzialdiagnostik

Vorrangig müssen eine (Früh-)Arteriosklerose und Vaskulitiden ausgeschlossen werden.

Therapie

Die Behandlungsoptionen hängen von der Lokalisation, der Art und der Schwere der klinischen Erscheinungen ab und können rein konservativ sein oder interventionelle und operative Revaskularisationsmaßnahmen und Aneurysmaausschaltungen umfassen.
Eine renovaskuläre Hypertonie sollte zunächst medikamentös behandelt werden. „Angiotensin-converting-enzyme“-Hemmer und Angiotensinrezeptorblocker sind nicht kontraindiziert, müssen jedoch wegen der potenziellen Gefahr stärkerer Blutdruckabfälle zu Therapiebeginn und einer Verschlechterung der Nierenfunktion insbesondere bei bilateralen Stenosen vorsichtig und unter engmaschigem Monitoring eingesetzt werden (Fligelstone 2005; Slovut und Olin 2013; Geavlete et al. 2012).
Revaskularisationen sollten bevorzugt bei jüngeren Patienten mit rezenter renovaskulärer arterieller Hypertonie erwogen werden, wenn diese medikamentös nicht ausreichend einzustellen oder nur unter Einsatz einer Mehrfachmedikation behandelbar ist oder wenn unerwünschte Arzneimittelreaktionen auftreten. Wegen der niedrigeren Morbidität und Mortalität im Vergleich zur offenen Operation wird heute der interventionelle Behandlungsansatz mittels Ballondilatation (regelhaft ohne begleitende Stentimplantation) bevorzugt. Einem systematischen Review zufolge liegt die Besserungsrate dabei bei ca. 50 %, dauerhafte Blutdruckwerte <140/90 mmHg werden aber nur bei etwa einem Drittel der Behandelten erzielt (Trinquart et al. 2010). Die Komplikationsrate der Prozedur ist nicht unerheblich und liegt nach dem Ergebnis einer großen Metaanalyse bei 11 %, die Hälfte der Ereignisse wurde von den Autoren als Majorkomplikation klassifiziert (Trinquart et al. 2010).
Obwohl der Nutzen einer Thrombozytenfunktionshemmung bei fibromuskulärer Dysplasie nicht belegt ist, wird sie häufig eingesetzt. Im Gegensatz zu asymptomatischen Fällen werden bei transitorisch-ischämischen Attacken und Schlaganfällen auch bei einem Befall der Karotiden oder Vertebralarterien Revaskularisationsmaßnahmen empfohlen (Fligelstone 2005; Slovut und Olin 2013). Eine Aneurymsaausschaltung kann in Abhängigkeit von der Lokalisation und Ausdehnung in einer interdisziplinären Einzelfallentscheidung operativ oder interventionell vorgenommen werden.
Literatur
Fligelstone L (2005) Fibromuscular dysplasia. In: Earnsharn JJ (Hrsg) Rare Vascular disorders – a practical guide for the vascular specialist. Tfm Publishing Lim./Harley, Castle Hill Barns/Shrewsbury, S 53–57
Geavlete O, Călin C, Croitoru M, Lupescu I, Ginghină C (2012) Fibromuscular dysplasia – a rare cause of renovascular hypertension. Case study and overview of the literature data. J Med Life 5:316–320PubMedCentralPubMed
Slovut DP, Olin JW (2013) Clinical manifestations and diagnosis of fibromuscular dysplasia and Treatment of fibromuscular dysplasia of the renal arteries. UpToDateR
Trinquart L, Mounier-Vehier C, Sapoval M, Gagnon N, Plouin PF (2010) Efficacy of revascularization for renal artery stenosis caused by fibromuscular dysplasia: a systematic review and meta-analysis. Hypertension 56:525–532CrossRefPubMed