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Die Geburtshilfe
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Publiziert am: 03.09.2022

Erkrankungen in der Schwangerschaft

Schwangere mit pulmonaler Hypertonie
Verfasst von: Marius M. Hoeper, Karen M. Olsson, Jan-Christopher Kamp und Constantin S. von Kaisenberg
Patientinnen mit einer pulmonal-arteriellen Hypertonie unterliegen einem hohen Risiko für kardiale Dekompensationen im Rahmen einer Schwangerschaft sowie unmittelbar nach der Geburt. Aus diesem Grund sind eine intensive und dezidierte Beratung betroffener Frauen mit Kinderwunsch sowie eine engmaschige interdisziplinäre Betreuung in einem Schwerpunktzentrum während der gesamten Schwangerschaft unerlässlich.

Schwangerschaft und pulmonale Hypertonie

Die pulmonale Hypertonie kommt in verschiedenen Formen vor. Bei dem Thema Schwangere mit pulmonalem Hypertonus denkt man vornehmlich an die pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH), eine Erkrankung, die – anders als die meisten anderen Formen des Lungenhochdrucks – oftmals junge Frauen betrifft. Dies gilt vor allem für die idiopathische Form der Erkrankung (IPAH), aber auch für einige angeborene Herzfehler, die in einem anderen Kapitel beschrieben werden und auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen wird.
Die IPAH ist eine lebensbedrohliche Erkrankung meist unklarer Ätiologie, bei der es durch pulmonal-vaskuläre Umbauprozesse zu einem Anstieg des Lungengefäßwiderstands kommt, der wiederum zu einer progredienten Rechtsherzbelastung führt (Galiè et al. 2015). Eine Schwangerschaft kann den Krankheitsprozess beschleunigen und gelegentlich manifestiert sich die Erkrankung erstmalig im Rahmen einer Schwangerschaft (Jaïs et al. 2012).
In der Geburtshilfe ist die PAH seit langem durch ihr gravierendes Schwangerschaftsrisiko bekannt. Noch in den 1990er-Jahren lag die mütterliche Sterblichkeit schwangerer Patientinnen mit PAH bei 30 % (Weiss et al. 1998); hinzu kam eine Neugeborenensterblichkeit von etwa 10 %. Seinerzeit gab es für die PAH noch keine medikamentösen Therapieoptionen. Hier gab es in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte, jedoch bleibt die PAH nach wie vor eine schwere und unheilbare Erkrankung.
In den bisherigen Leitlinien wurde darauf hingewiesen, dass Patientinnen mit PAH grundsätzlich nicht schwanger werden sollten (Galiè et al. 2015). Diese Empfehlung basierte auf Mortalitätsdaten aus verschiedenen Fallserien, in welchen die mütterliche Sterblichkeit zwischen 10 und 25 % lag (Jaïs et al. 2012; Duarte et al. 2013; Luo et al. 2020). In aktuelleren Fallserien konnte jedoch gezeigt werden, dass bei Patientinnen mit sehr stabilem Verlauf sowie insbesondere bei solchen, die gut auf eine Therapie mit Kalziumantagonisten ansprechen, Schwangerschaften problemlos verlaufen können, sofern wesentliche Voraussetzungen eingehalten werden (Kamp et al. 2021; Corbach et al. 2021).
Jenseits geplanter Schwangerschaften kam und kommt es jedoch auch immer wieder vor, dass Patientinnen mit PAH schwanger werden, sei es unabsichtlich oder willentlich. Hinzu kommen Patientinnen, bei denen sich die PAH im Laufe einer Schwangerschaft erstmalig manifestiert.

Peripartales Management

Werden Patientinnen mit PAH schwanger, können sie zu jedem Zeitpunkt kardial dekompensieren. Besonders hoch ist das Dekompensationsrisiko in den Stunden nach der Entbindung, ohne dass die Gründe dafür vollständig verstanden wären. Die Betreuung dieser Patientinnen erfordert besondere Expertise, sodass die Einbindung von spezialisierten Zentren dringend empfohlen wird. Das Vorgehen bei schwangeren Patientinnen muss im Einzelfall eng zwischen den betreuenden Ärzten und der Patientin abgestimmt werden. Bei schlecht kontrollierter PAH wird in der Regel ein Schwangerschaftsabbruch zu empfehlen sein, auch in diesem Fall ist eine sorgfältige Überwachung der Mutter in Hinblick auf kardiorespiratorische Komplikationen notwendig. Insbesondere bei Spätabbrüchen gilt es, das Risiko und die psychischen Folgen gegenüber einer Lebendgeburt abzuwägen.
Bei gut eingestellten Patientinnen kann es möglich und angebracht sein, die Schwangerschaft fortzusetzen. Als wesentliche Entscheidungshilfen haben sich hierfür ein niedriges Risikoprofil sowie die dauerhafte Unterschreitung definierter Grenzwerte von Schlüsselparametern der hämodynamischen Diagnostik bewährt (Kamp et al. 2021). Darüber hinaus sind engmaschige Kontrollen am Zentrum erforderlich.
Bei den üblicherweise in der Therapie der PAH eingesetzten Medikamenten (Galiè et al. 2009; Humbert et al. 2010) handelt es sich um Phosphodiesterase-5(PDE-5)-Inhibitoren (Wilkins et al. 2008), Endothelinrezeptorantagonisten (ERA) (Dupuis und Hoeper 2008); Prostazyklinanaloga (Gomberg-Maitland und Olschewski 2008) und Stimulatoren der löslichen Guanylatzyklase (sGC). Während PDE-5-Inhibitoren und Prostazyklinanaloga nach allgemeiner Auffassung während der Schwangerschaft weitergegeben werden können, haben ERA im Tiermodell teratogenes Potenzial gezeigt und sollten daher nach Bekanntwerden der Schwangerschaft abgesetzt werden (Duarte et al. 2013). Zu sGC-Stimulatoren und Schwangerschaft liegen keine Daten vor, allerdings haben tierexperimentelle Studien eine Reproduktionstoxizität und Plazentagängigkeit gezeigt, weshalb die Therapie nach Feststellung einer Schwangerschaft nicht fortgeführt werden sollte (Coats et al. 2021). Hier empfiehlt sich alternativ eine Umstellung auf einen PDE-5-Inhibitor.
Die Kontrollen auf dem Weg zur Entbindung umfassen neben den geburtshilflichen Untersuchungen vor allem das Monitoring der Rechtsherzfunktion, für die zunächst die Echokardiografie und die Bestimmungen des N-terminalen pro-brain natriuretischen Peptids (NT-proBNP) ausreichend sind. Bei Patientinnen mit hohem Risiko sollte außerdem eine Transplantationsevaluation erfolgen, um gegebenenfalls auf diese Option zurückgreifen zu können.
Angesichts der komplexen peripartalen Versorgung von Patientinnen mit PAH sollten kontrollierte und elektive Rahmenbedingungen für die Entbindung geschaffen werden. In den großen Pulmonale-Hypertonie(PH)-Zentren hat es sich mittlerweile durchgesetzt, in diesen Fällen eine geplante Schnittentbindung zu Beginn der 38. Schwangerschaftswoche (37 + 1) vorzunehmen (Kamp et al. 2021; Kiely et al. 2010). Das hämodynamische Monitoring erfordert in den meisten Fällen keinen Rechtsherzkatheter, aber einen zentralen Venenkatheter zum Monitoring von zentral-venösem Druck (ZVD, Marker der rechtsventrikulären Vorlast) und zentral-venöser Sauerstoffsättigung (ZVS, indirekter Marker des Herzzeitvolumens). Eine intraoperative Gabe von Uterotonika ist prinzipiell möglich und sinnvoll. Bei Hochrisikopatientinnen wird empfohlen, eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) in Bereitschaft zu haben, um im Falle einer kardialen Dekompensation unverzüglich eingreifen zu können. Die Entbindung wird üblicherweise nicht in Intubationsnarkose, sondern in Spinal- oder Periduralanästhesie durchgeführt.
Nach der Entbindung sind vonseiten des Kindes in der Regel keine besonderen Probleme zu erwarten (Duarte et al. 2013). Die Mutter hingegen ist in dieser Phase hochgradig gefährdet und sollte intensiv-medizinisch überwacht werden. Dabei ist es besonders wichtig, ein beginnendes Rechtsherzversagen frühzeitig zu erkennen (ZVD, ZVS, Urinproduktion, Laktat, Echokardiografie) und zu behandeln, u. a. durch Optimierung der PAH-Therapie und je nach Situation auch mit Inotropika, z. B. Dobutamin und/oder Vasopressoren, z. B. Norepinephrin. Bei therapierefraktärem Rechtsherzversagen kann der venoarterielle Einsatz einer ECMO eine lebensrettende Option sein (McLaughlin et al. 2015). Postoperativ sollte eine Thromboembolieprophylaxe mit niedermolekularem Heparin erfolgen. In der Regel wird den Patientinnen vom Stillen abgeraten, um postpartal alle PH-Therapien wieder einsetzen zu können.

Zusammenfassung

Insgesamt bleibt die PAH eine Erkrankung, bei der eine Schwangerschaft grundsätzlich mit einem immensen Risiko einhergeht. Dennoch zeigen jüngere Arbeiten aus Zentren der Maximalversorgung, dass es unter Einhaltung der oben beschriebenen Standards (Checkliste s. Tab. 1) zunehmend gelingt, Patientinnen mit PAH erfolgreich durch eine Schwangerschaft zu begleiten. Eine entsprechende Expertise ist hierfür wahrscheinlich die wichtigste Voraussetzung. Gerade weil das Risiko hoch bleibt, gleichzeitig aber günstige Verläufe heutzutage möglich sind, sollten junge Frauen mit PAH und Kinderwunsch sich an einem spezialisierten Zentrum vorstellen, um eine gemeinsame, individualisierte Entscheidungsfindung zu ermöglichen.
Tab. 1
Checkliste pulmonale Hypertonie und Schwangerschaft
Vorbereitung einer Schwangerschaft
- Offene Aufklärung über bestehende Risiken und die mögliche Notwendigkeit eines induzierten Aborts im Falle einer rapiden hämodynamischen Verschlechterung
- Bei bekannten Mutationsträgern von z. B. BMPR2 ggf. humangenetische Beratung empfehlen
Entscheidungshilfen für die Planung/Fortsetzung einer Schwangerschaft
- Stabiler klinischer Verlauf über Jahre
- Niedriges ermitteltes Risikoprofil
- PVR <500 dyn*s*cm−5
- CCB-Responder
Infrastrukturelle Voraussetzungen für die Betreuung während und nach einer Schwangerschaft
- Betreuung an einem PH-Zentrum durch ein multidisziplinäres Team*
- ECMO-Verfügbarkeit
- Enge Kooperation mit Transplantationsteam
Während der Schwangerschaft zu berücksichtigen
- ERA-Therapie und sGC-Stimulatoren müssen pausiert werden
- Engmaschiges Monitoring der Rechtsherzfunktion inklusive TTE und NT-pro-BNP-Bestimmung
Peripartales Management
- Elektive Sectio caesarea an 37 + 1 in ECMO-Bereitschaft; Uterotonikagaben möglich
- Postoperative Thromboembolieprophylaxe mit niedermolekularem Heparin
- Empfehlung zur sofortigen postpartalen Ablaktation
BMPR2 „bone morphogenetic protein receptor type II“, mit familiärer pulmonal-arterieller Hypertonie assoziiertes Gen; PVR pulmonal-vaskulärer Widerstand; CCB Kalziumkanalblocker; PH pulmonale Hypertonie, ERA Endothelinrezeptorantagonist; sGC lösliche Guanylatzyklase; SSW Schwangerschaftswoche; TTE transthorakale Echokardiografie; NT-pro-BNP N-terminales pro-brain natriuretisches Peptid, Marker der Rechtsherzfunktion; ECMO extrakorporale Membranoxygenierung; * bestehend aus Pneumolog*innen/Kardiolog*innen, Anästhesist*innen, Gynäkolog*innen/Geburtsmediziner*innen und Kinderärzt*innen.
Literatur
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