Einleitung
Infolge zahlreicher Entwicklungen im Bereich der Operationstechnik, der Anästhesie sowie bei den unterstützenden Maßnahmen in der präoperativen Phase und bei der postoperativen Nachbetreuung stellt die Sectio heute im Vergleich zu früheren Jahren eine sowohl für die Schwangere wie auch für den Fetus sehr sichere Entbindungsalternative dar. Dadurch ist es zu einer erheblichen Ausweitung der Indikationsstellung gekommen, und der seit den 1970er-Jahren zu beobachtende kontinuierliche Anstieg der Sectiorate setzt sich weiter fort. Veränderungen in der Gesellschaft wie insbesondere das Recht auf Mitbestimmung der Schwangeren bei der Wahl des Entbindungsmodus spielen bei dieser Entwicklung eine wichtige Rolle.
Die Komplikationsrate für Mutter und Kind ist v. a. bei der primären oder elektiven Sectio nach einer problemlosen Schwangerschaft sehr gering. Wie weit das Entbindungsrisiko bei der elektiven Sectio mit dem bei einer unkomplizierten Geburt auf natürlichem Wege vergleichbar ist, wird allerdings kontrovers diskutiert. Die kürzlich publizierten an umfangreichen Kollektiven erhobenen Daten zeigen, dass sehr seltene, aber für Mutter oder Kind durchaus folgenschwere Komplikationen bei der elektiven Sectio wahrscheinlich häufiger als nach problemloser Spontangeburt auftreten. Die Entscheidung einer Schwangeren für die Entbindung durch eine elektive und damit medizinisch nicht eindeutig indizierte Sectio setzt eine sorgfältige und umfassende Aufklärung voraus, zu der auch die Information über die Auswirkungen auf Folgeschwangerschaften gehört. Neben der Aufklärung über Risiken muss auch der Vergleich des Nutzens zwischen einer natürlichen Geburt und der Entbindung durch eine elektive Sectio thematisiert werden. Eine frühzeitige Vermittlung von Informationen bezüglich des Geburtsmodus fördert eine informierte Entscheidung der Schwangeren. Sollte eine Geburtsangst angegeben werden, ist eine Mitbetreuung von Psychologen sinnvoll.
Die bei einer sekundären Sectio gegenüber dem elektiven Eingriff zu erwartende höhere Komplikationsrate ist in der Regel durch eine medizinische Indikation gerechtfertigt. Spezielle Beachtung muss dem Risiko bei einer Resectio beigemessen werden, wobei die im Zusammenhang mit einer pathologischen
Plazentation auftretenden Komplikationen besonders bedrohlich sein können. Eine detaillierte präoperative Ultraschalldiagnostik ermöglicht eine sorgfältige Planung der Sectio, sodass intraoperativ entstehende Hochrisikosituationen etwa im Zusammenhang mit einer pathologischen Plazentation keine Überraschung darstellen.
Die Operationstechnik muss verschiedenen Aspekten wie Gestationsalter, Lage und Größe des Fetus, sowie dem Vorliegen einer Einlings- oder
Mehrlingsschwangerschaft Rechnung tragen. Durch eine gewebeschonende Operationstechnik ist ein Eingriff von möglichst kurzer Dauer mit geringem Blutverlust gewährleistet.
Begriffsbestimmung
Die Entbindung durch Sectio caesarea oder Kaiserschnitt ist definiert als die Entwicklung des Babys durch eine Öffnung im mütterlichen Abdomen, die durch die chirurgische Durchtrennung der verschiedenen Schichten der Bauchdecken und des Uterus angelegt wird. Dabei unterscheidet man zwischen einem vor Geburtsbeginn geplanten primären oder auch elektiven Eingriff und einer Operation, die sekundär wegen einer während des Geburtsgeschehens bei der Mutter oder dem Kind auftretenden Komplikation notwendig wird. Ein plötzlich auftretender Zwischenfall, der für Mutter oder Kind lebensbedrohlich sein kann, erfordert ein möglichst rasches Vorgehen im Sinne einer Notfallsectio.
Epidemiologische Aspekte
Der kontinuierliche Anstieg der Sectiorate ist ein hervorstechendes Merkmal der modernen Geburtshilfe. Während der Anteil der Geburten durch Kaiserschnitt Anfang der 1970er-Jahre noch weniger als 5 % betrug und eine möglichst niedrige Sectiorate
als wichtigstes Qualitäskriterium der Geburtshilfe galt, liegt sie heute weltweit bei 21 % (WHO
2021). In 11 von 21 Industriestaaten betrug die Sectiorate bereits im Jahr 2007 mehr als 25 % (Declercq et al.
2011). In den Ländern Italien, Portugal, den USA und der Schweiz lag die Zahl über 30 %. In 14 der untersuchten Länder erfolgte die Zunahme im Zeitabschnitt 1998–2002 deutlich rascher als zwischen 1993 und 1997. Andererseits konnte in 18 Ländern für die Jahre 2003–2007 eine Verlangsamung der Zuwachsrate im Vergleich zu den Jahren 1998–2002 festgestellt werden. In der Schweiz wurde die 30 %-Schwelle für Entbindungen durch eine Sectio erstmals im Jahr 2007 und in Deutschland 2008 überschritten (Schweizerisches Bundesamt für Statistik
2008; Bundesgeschäftsstelle für
Qualitätssicherung 2008). In Österreich lag die Rate im Jahr 2007 mit 27,1 % noch deutlich niedriger (Bundesanstalt für Statistik für Österreich
2008).
In Lateinamerika und der Karibik beträgt die Sectiorate mittlerweile 43 % (WHO
2021). In 5 Ländern (Dominikanische Republik, Brasilien, Zypern, Ägypten und Türkei) liegt die Sectiorate über 50 % nach Angaben der WHO aus dem Jahr 2021 (WHO
2021).
Die Zunahme der Sectiofrequenz ist v. a. durch Eingriffe aus relativer Indikation bedingt.
Operationstechnik
Zur Vermeidung einer Kompression der V. cava wird eine leichte Schräglage (10–15°) der Patientin mit Dislozierung des Uterus nach links durch Platzierung eines Kissens unter die rechte Gesäßhälfte bewirkt. Eine Magnetresonanztomografie(MRT)-Studie an Schwangeren im Jahr 2019 zeigte, dass eine Schräglage erst ab 30° den gewünschten Effekt erbringt (Fujita et al.
2019). Das Kurzschneiden der Schambehaarung mit einer Schere scheint mit einem geringeren Infektionsrisiko im Bereich der Operationswunde verbunden zu sein als die herkömmliche Rasur.
Die intravenöse Applikation einer präoperativen Single-shot-Antibiotikagabe (z. B. Ampicillin, Cefazolin, Clindamycin) bringt eine deutliche Reduktion der infektiösen postoperativen Morbidität mit sich (Bratzler et al.
2004; Smaill und Gyte
2010; Witt et al.
2011). Die verzögerte intravenöse Gabe nach dem Abnabeln ist nicht mehr erforderlich.
Die Haut wird im Operationsgebiet großzügig mit alkoholischer Hautdesinfektions- oder Jodlösung gewaschen. Bezüglich der routinemäßigen vaginalen Desinfektion mit Povidon-Jod zur Verminderung des postpartalen Endometritisrisikos gibt es keine einheitliche Empfehlung: Sie könnte jedoch bei einer sekundären Sectio nach Blasensprung eine bedeutende Rolle spielen (Starr et al.
2005; Haas et al.
2013). Die Verwendung einer selbstklebenden Folie zur Hautabdeckung scheint bei einer Sectio ein erhöhtes Infektionsrisiko im Bereich der Operationswunde mit sich zu bringen (Berghella et al.
2005).
Die
Regionalanästhesie gilt heute als Standard. Besonderheiten der Anästhesie bei einer Sectio werden in Kap. 42 („Anästhesie und Analgesie in der Geburtshilfe“) ausführlich besprochen.
Hautschnitt mit Präparation der Bauchdecken
Die Universitätsfrauenklinik Wien hat sich über viele Jahre intensiv mit verschiedenen Aspekten der Operationstechnik der Sectio befasst. Die wichtigsten Ergebnisse wurden in einer Empfehlung der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe zusammengefasst (Hohlagschwandtner et al.
2004). Diese stimmen in den meisten Punkten mit den in der Übersichtsarbeit von Berghella unter Berücksichtigung des jeweiligen Evidenzgrades zusammengestellten Empfehlungen überein (Berghella et al.
2005). Die aktuelle S3-Leitlinie Sectio caesarea bestätigte die Empfehlung zum Unterbauchquerschnitt erneut (DGGG, OEGG, SGGG
2020).
Die Querinzision der Haut wird mit einem herkömmlichen Skalpell 2–3 cm oberhalb der Symphyse über eine Länge von 15 cm angelegt, um eine problemlose Entwicklung eines Fetus am Termin zu gewährleisten. Ein Wechsel der Klinge nach dem Hautschnitt ist nicht erforderlich, und der Gebrauch eines Elektrokauters bietet gegenüber dem Skalpell keine Vorteile. Bei der von Joel-Cohen erstmals beschriebenen Modifikation der Eröffnung nach Pfannenstiel, die auch bei dem Misgav-Ladach
-Vorgehen verwendet wird, liegt der quer verlaufende Hautschnitt deutlich höher, d. h. 3 cm unterhalb der Verbindungslinie zwischen beiden Spinae iliacae anteriores superiores (Joel-Cohen
1977). Bei der Teilung des subkutanen Fettgewebes hat sich die stumpfe Durchtrennung durch Zug in entgegengesetzte Richtung mit den hakenförmig gekrümmten Zeigefingern am besten bewährt, da dadurch die Operationszeit verkürzt wird und unnötige
Gefäßverletzungen vermieden werden (Holmgren et al.
1999).
Die Faszie wird in der Mittellinie mit dem Skalpell inzidiert, und die Öffnung wird nach beidseits lateral mit einer Präparierschere unter Sicht erweitert. In der Misgav-Ladach-Technik wird nach stumpfer Teilung des subkutanen Fettgewebes und Inzision der Faszie in der Mittellinie die Öffnung beider Schichten stumpf durch Einbringen von Zeige- und Mittelfinger oben und unten zwischen Faszie und Rektusmuskulatur und Zug in zephalokaudaler Richtung erweitert.
Die beiden Rektusmuskeln werden stumpf in der Mittellinie getrennt, eine zusätzliche Abpräparation der Faszie vom Rektusmuskel ist in der Regel nicht erforderlich. Die scharfe Eröffnung des Peritoneums mittels Skalpell erfolgt nach Fassen desselben mit 2 Pinzetten möglichst weit oberhalb des Blasendachs unter Beachtung von eventuell innen anliegenden Dünndarmschlingen. Die Wiener Klinik bevorzugt jedoch eine stumpfe Eröffnung des Peritoneums, um das Risiko von Blasen- und Darmläsionen zu minimieren. In einer großen randomisierten Studie konnte kein signifikanter Unterschied zwischen diesen beiden Zugangswegen hinsichtlich infektiöser Morbiditäten, nachfolgender Operationen oder
Bluttransfusionen gefunden werden (CORONIS Collaborative Group
2013).
Die Misgav-Ladach-Technik ist wegen der deutlich kürzeren Operationszeit und eines geringeren Blutverlustes mittlerweile
Goldstandard (Stark und Finkel
1994; Joura und Husslein
2000).
Uterotomie
Durch den Verzicht auf eine Abpräparation der Blase vom unteren Uterinsegment wird das Intervall zwischen Schnitt und Kindsentwicklung deutlich verkürzt, der Blutverlust ist geringer, und postoperativ werden weniger Analgetika benötigt (Hohlagschwandtner et al.
2001). In besonderen Situationen mit erhöhtem Risiko eines Weiterreißens der Uterotomie infolge erschwerter Entwicklung des vorangehenden Kindsteils wegen Tiefstand im kleinen Becken empfiehlt es sich allerdings, die Blase abzupräparieren, da dadurch die chirurgische Versorgung einer weitergerissenen Uterotomie erleichtert wird.
Bei der Wahl der Hysterotomie
hat eine möglichst atraumatischen Kindsentwicklung bei geringem Blutverlust oberste Priorität. Ferner sollte vor Durchführung der Hysterotomie Klarheit über die Kindslage sowie auch die Lokalisation der Plazenta bestehen. In der großen Mehrzahl der Sectiones (>90 %) ist die tiefe quer verlaufende Inzision im unteren Uterinsegment am besten geeignet (Depp
1991; Berghella et al.
2005). Diese hat verglichen mit einer vertikalen Schnittführung auch den Vorteil eines niedrigeren Blutverlustes, eines leichteren Verschlusses sowie eines deutlich geringeren Risikos einer
Uterusruptur in einer Folgeschwangerschaft.
Die Durchtrennung des Myometriums und der Dezidua erfolgt vorsichtig schichtweise mit dem Skalpell in der Mittelinie. Durch ein stumpfes Ablösen des uterinen Gewebes von den Eihäuten sollte die Fruchtblase, insbesondere bei kleinen
Frühgeburten, bis zur Vollendung der Eröffnung des Myometriums erhalten bleiben (Morrison et al.
1995). Dadurch wird eine vorzeitige Kontraktion des Myometriums vermieden, und die Kindsentwicklung gestaltet sich sehr viel schonender (Abschn. 15.7: „Entbindung des kleinen Frühgeborenen“).
Die Erweiterung der Öffnung im Myometrium und in der Dezidua kann stumpf durch Zug mit den hakenförmig gekrümmten Zeigefingern nach beidseits lateral oder scharf mit einer chirurgischen Schere vorgenommen werden. In einer diese beiden Techniken vergleichenden
Metaanalyse zeigten sich keine signifikanten Unterschiede. Allerdings war der postpartale
Hämatokrit bei dem stumpfen Vorgehen höher und die Inzidenz unbeabsichtigter Erweiterungen der Uterotomie geringer (Xu et al.
2013). Die Erweiterung nach beidseits lateral kann auch stumpf mit Zug der beiden Finger in vertikaler Richtung in der Mittellinie vorgenommen werden, wodurch das Risiko für eine unbeabsichtigte Ausweitung der Öffnung mit einer starken Blutung vermindert wird (Cromi et al.
2008).
Der Nachteil des tiefen Querschnittes besteht darin, dass eine Erweiterung der Öffnung für zusätzlichen Platzgewinn nur durch eine vertikale Schnittführung in der Mittellinie nach oben im Sinne eines umgekehrten T oder durch eine Weiterführung des Schnittes ein- oder beidseits lateral nach oben möglich ist. Bei sehr kleinen
Frühgeburten und einem ungenügend entwickelten unteren Uterinsegment mit besonders dickem Myometrium ist für eine möglichst atraumatische Entwicklung des Kindes eine derartige Erweiterung der Öffnung unvermeidlich.
Bei einem unzureichend entwickelten unteren Uterinsegment und klinischen Situationen wie einer Steißlage oder einer dorsoinferioren
Querlage, bei denen besondere intrauterine Manipulationen zur Kindesentwicklung
erforderlich sind, kann auch primär eine vertikale Inzision des Myometriums angezeigt sein. Darüber hinaus muss eine vertikale Schnittführung auch bei Pathologien im Bereich des unteren Uterinsegmentes wie einem großen Myom oder einer
Placenta praevia mit Beteiligung der Vorderwand insbesondere bei Verdacht auf Placenta accreta primär in Betracht gezogen werden. Dabei unterscheidet man zwischen einem tiefen vertikalen Schnitt und der sog. klassischen Inzision, die bis in den Fundus des Uterus reicht. Letztere sollte allerdings nur noch in Ausnahmesituationen zur Anwendung kommen, da bei weiteren Schwangerschaften in 4–9 % der Fälle mit einer
Uterusruptur gerechnet werden muss im Vergleich zu 1–7 % bei einem tiefen vertikalen und 0,2–1,5 % beim tiefen Querschnitt (Patterson et al.
2002; Magann et al.
2002). Nach der Untersuchung von Shipp et al. (
1999) soll der tiefe vertikale Schnitt bezüglich Resistenz der Narbe mit dem Querschnitt im unteren Uterinsegment vergleichbar sein.
Dies entspricht allerdings nicht der persönlichen Erfahrung eines der Autoren (P. H.). Da trotz dieser durchaus fundierten Studie gewisse Zweifel bestehen bleiben, dass der tiefe Längsschnitt zur Eröffnung des Uterus im Hinblick auf das Rupturrisiko bei dem Versuch einer vaginalen Entbindung in einer Folgeschwangerschaft mit dem tiefen Querschnitt gleichwertig ist, sollte der tiefe Längsschnitt Ausnahmesituationen vorbehalten bleiben. Die Staplertechnik für die Erweiterung der Öffnung der Uterotomie sowie deren Verschluss hat sich wegen der leicht verzögerten Kindsentwicklung bei fehlendem Nutzen für Mutter und Kind und deutlich erhöhten Kosten nicht bewährt (Wilkinson und Enkin
2005).
Ein weitgehend ungelöstes Problem stellt die gelegentlich bei der Uterotomie
ausgelöste starke Blutung und die damit verbundene Beeinträchtigung der Sicht im Operationsfeld dar. Als Folge davon kann es zu Verletzungen des Fetus kommen. Eine stumpfe Präparationstechnik mit den Fingern verringert das fetale Verletzungsrisiko. Alternativ kann auch mit Hilfe einer speziellen Absaugvorrichtung eine deutliche Verbesserung erreicht werden (Schmid et al.
2008).
Entwicklung des Fetus und der Plazenta
Auch durch eine prospektive Geburtsleitung mit großzügiger Indikationsstellung für eine Schnittentbindung bei pathologischen Verläufen lässt sich die sekundäre Sectio nach protrahierter Austreibungsphase nicht vollständig vermeiden. Dabei ist das untere Uterinsegment nicht selten dünn ausgezogen, und bei der Entwicklung des Kopfes aus der Tiefe des kleinen Beckens sowie bei der Geburt der Schultern kann es zu Rissverletzungen kommen (Sung et al.
2007).
Nach Eingehen der Hand durch die Uterotomie wird der Kopf gebeugt und in die Öffnung im unteren Uterinsegment gebracht. Durch Druck auf den Fundus wird die Entwicklung des Kindes unterstützt. Eine Vakuumglocke sollte für schwierige Entwicklungen bereit liegen, aber der routinemäßige Einsatz dieser
Hilfsmittel ist wegen erhöhter Morbidität nicht angezeigt (Clark et al.
2008b).
Gelingt es auch mit diesen Hilfen nicht, den festsitzenden Kopf (“impacted fetal head
“) aus dem kleinen Becken zu „luxieren“, gibt es verschiedene Methoden zur Lösung des Problems.
-
Mütterliche Trendelenburg-Lagerung
-
Anheben der fetalen Schultern
-
„Stoßmethode“: Der Kopf kann durch eine weitere Person von vaginal mit der Hand nach oben geschoben werden
-
Patwardhan-Manöver
: Das Kind wird im Endeffekt umgekehrt aus
Beckenendlage entwickelt. Nach Lösung der Beine im Fundus wird das Kind durch Zug im Sinne einer ganzen
Extraktion über den Bauchschnitt geboren (Keepanasseril et al.
2019; Saha et al.
2014)
Die „Extraktion
“ scheint gegenüber der „Stoßmethode“ mit geringerer Morbidität für Mutter und Kind verbunden zu sein (Levy et al.
2005; Jeve et al.
2016). Die bereits beschriebene chirurgische Erweiterung der Uterotomie im Sinne eines umgekehrten T oder einer fischmaulartigen Ausdehnung der Inzision beidseits lateral nach oben sollte nur in seltenen Ausnahmen erforderlich sein.
Eine verzögerte Abnabelung ergibt erhöhte Hämoglobinwerte beim Neugeborenen und wird sowohl bei
Frühgeburten als auch bei Kindern am Termin empfohlen (Abschn. 29.1: „Normale Geburt“).
Ein Ausstreichen der Nabelschnur
zwischen 23+0 bis 27+0 Schwangerschaftswochen (SSW) sollte nicht erfolgen, da dies das Risiko einer ICH (Intrazerebrale Hämorrhagie) zu erhöhen scheint (Katheria et al.
2019).
Bewährt hat sich die intravenöse Gabe von 50–100 μg Nitroglycerin unmittelbar vor Legen der Uterotomie. Nitroglycerin hat gegenüber β-Mimetika den Vorteil eines rascheren Wirkungseintritts (Altabef et al.
1992). An der Wiener Klinik ist die sublinguale Gabe von 0,8 mg Nitroglycerin bzw. in letzter Zeit auch die Verabreichung von 2–3 Hüben eines Nitrolingual-Pumpsprays 0,4 mg gebräuchlich. Wegen einer gegenüber β-Mimetika deutlich kürzeren
Halbwertszeit von nur 2 min ist die Gefahr der atonischen Nachblutung äußerst gering.
Die Plazenta wird nach spontaner Lösung durch sanften Zug an der Nabelschnur entwickelt. Die Expression durch die Uterotomie wird durch die Kontraktion des Myometriums unterstützt, die durch eine Carbetocin- oder Oxytocininfusion beginnend mit der Abnabelung des Kindes angeregt wird. Die primäre manuelle Lösung der Plazenta sollte wegen einer erhöhten Rate von postoperativer Endometritis und vermehrten Blutverlustes vermieden werden (Anorlu et al.
2008).
Ein Handschuhwechsel vor Entwicklung der Plazenta erscheint nicht notwendig (Atkinson et al.
1996).
Im Anschluss an die Plazentaentwicklung wird üblicherweise mittels Stieltupfer oder der ins Uteruskavum eingebrachten Hand nachgetastet, ob die Plazenta vollständig extrahiert wurde. Dies fördert zudem die weitere Uteruskontraktion. Zum Schutz vor Perforation und zur Erlangung einer besseren Stabilität fixiert die 2. Hand den Uterus von außen am Fundus.
Die intervenöse Gabe von 100 μg Carbetocin unmittelbar nach der Entwicklung des Kindes und vorzugsweise vor der Entfernung der Plazenta wirkt vorbeugend gegen eine Atonie des Uterus und unterstützt die physiologische Involution. Gegenüber der Bolusapplikation innerhalb von 10–20 s wird die Applikation einer verdünnten Lösung auf 10 ml Natriumchlorid (NaCl) über einen Zeitraum von ca. 1 min bevorzugt, weil dadurch Nebenwirkungen wie Übelkeit und Flush-Symptome nahezu ausnahmslos vermieden werden können (Heesen et al.
2019).
Grundsätzlich wird Carbetozin
als synthetisches Derivat von Oxytocin wegen seiner deutlich längeren
Halbwertszeit gegenüber Oxytocin
bevorzugt. In 2 prospektiv randomisierten Studien wurden in der Gruppe mit Carbetozin weniger zusätzliche Uterotonika benötigt (Boucher et al.
1998; Dansereau et al.
1999). Dies wurde auch durch eine
Metaanalyse der Cochrane-Datenbank bestätigt. Zudem zeigte sich bei gleichwertigem kardiovaskulärem Risikoprofil eine deutliche Reduktion des postoperativen Analgetikabedarfs (Su et al.
2012; De Bonis et al.
2012; Rosseland et al.
2013).
Verwendet werden sollte Carbetocin nur bei rückenmarknahen Anästhesien, nicht aber bei Vollnarkosen, da es für Letztere nicht zugelassen ist. Weitere Kontraindikationen sind Präeklampsie, schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Epilepsie und Nieren- oder Lebererkrankungen.
Als Alternative dazu können 5 IE Oxytocin als Kurzinfusion appliziert werden, wobei diese wegen des möglichen Blutdruckabfalls in einem Zeitraum von 5 min gegeben werden sollte. Im Anschluss daran hat sich bei einer klinischen Situation mit besonderem Risiko zur Entwicklung einer Atonie die Infusion von Oxytocin in einer Dosierung von ca. 10 IE in 1 l Kochsalzlösung über 1 h bewährt. Gegebenenfalls kann die gleiche Lösung auch noch über eine längere Zeit – dann allerdings in einer deutlich geringeren Geschwindigkeit – verabreicht werden.
Bei der alleinigen Bolusapplikation zeigte eine randomisierte Studie keinen Vorteil einer höher dosierten Gabe als 5 IE Oxytocin. Verglichen wurden 5, 10, 15 und 20 IE mit einer Infusionsrate von 1 IE/min. Der intra- und postoperative Blutverlust sowie der postpartale
Hämatokrit unterschieden sich nicht signifikant (Sarna et al.
1997).
Bezüglich des Blutverlustes scheint Misoprostol dem Oxytocin gleichwertig zu sein, allerdings ist die Datenlage hierzu limitiert (Hua et al.
2013).
Methergin
sollte wegen der Gefahr einer peripheren Vasokonstriktion nicht mehr eingesetzt werden (insbesondere was die intravenöse Applikation anbelangt), da es in Deutschland nicht mehr zugelassen ist. Zu den Nebenwirkungen, wegen denen Methergin mittlerweile obsolet ist, zählen maternale
Herzrhythmusstörungen, Koronarspasmen,
Myokardinfarkte und Angiopathie.
Bei der Sectio besteht diesbezüglich keine Notwendigkeit, weil Carbetocin bei der Sectio zugelassen ist und als Mittel der Wahl angesehen werden kann.
Verschluss der Uterotomie und der Bauchdecken
Der in einer
Metaanalyse beschriebene Vergleich zwischen einem Verschluss der Uterotomie an dem aus dem Bauchraum vorverlagerten mit einem in situ belassenen Uterus ergab keine eindeutigen oder klinisch relevanten Unterschiede (Zaphiratos et al.
2015). Auch eine in vorausgehenden randomisierten Studien beschriebene vermehrte Übelkeit bei dem vorverlagerten Uterus (Nafisi
2007; Siddiqui et al.
2007; Coutinho et al.
2008) konnte durch die Autoren der Metaanalyse nicht bestätigt werden.
Im Rahmen einer elektiven Sectio bringt eine digitale Eröffnung des inneren Muttermundes vor Verschluss der Uterotomie keine Vorteile (Liabsuetrakul und Peeyananjarassri
2011).
Für den Verschluss durch eine fortlaufende Naht oder Einzelknopfnähte bzw. einschichtig oder doppelt gibt es trotz einer Vielzahl an Studien keine verbindlichen Empfehlungen (Di Spiezio et al.
2017; Roberge et al.
2014; Chapman et al.
1997; Hohlagschwandtner et al.
2003). Ein prospektiv randomisierter Vergleich der einschichtigen mit einer doppelschichtigen Naht ergab für die bei erneuter Sectio in einer Folgeschwangerschaft festgestellte Rupturrate keinen signifikanten Unterschied. Allerdings kann aufgrund der Fallzahl ein geringer, aber signifikanter Unterschied nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden (Chapman et al.
1997; Joura et al.
2003). Ein systematischer Review gibt Hinweise darauf, dass die Technik des einschichtigen Uterotomieverschlusses
ein wesentlicher Faktor sein könnte: Es zeigte sich nach einer überwendlichen fortlaufenden Naht im Vergleich zur 2-schichtigen Naht ein deutlich höheres Rupturrisiko. Dieser Unterschied konnte bei einer nicht überwendlichen fortlaufenden Naht nicht beobachtet werden (Roberge et al.
2011).
Der Verzicht auf den Verschluss des viszeralen Peritoneums wurde bereits 1996 berichtet (Nagele et al.
1996). Inzwischen haben eine Reihe von Studien gezeigt, dass die Naht des viszeralen sowie des parietalen Peritoneums mit einer Verlängerung der Operationsdauer, vermehrt postoperativ febrilen Verläufen sowie einer Verlängerung des stationären Aufenthaltes assoziiert ist (Bamigboye und Hofmeyr
2014; Malomo et al.
2006; Huchon et al.
2005).
Eine chirurgische Readaptation der Rektusmuskulatur ist unnötig und mit vermehrten postoperativen Schmerzen verbunden. Die Faszie wird mit einer fortlaufenden nicht überwendlichen Naht unter Verwendung von verzögert absorbierbarem Material readaptiert (Berghella et al.
2005). Bei adipösen Patientinnen jedoch wird empfohlen, einen Faszienverschluss mittels Smead-Jones-Naht (oder modifiziert) durchzuführen. Vor allem nach medianer Laparotomie wird bei dieser Stichtechnik etwas subkutanes Fettgewebe, Rektusmuskel und -scheide, die Fascia transversalis und das Peritoneum (optional) mitgestochen und dadurch das Risiko einer Hernie oder Dehiszenz reduziert (Gross
1983; Derzie et al.
2000).
Durch Spülen der Bauchhöhle konnte im Vergleich zur alleinigen prophylaktischen intravenösen Antibiotikagabe keine zusätzliche Reduktion der mütterlichen Morbidität gezeigt werden (Harrigill et al.
2003).
Über den Nutzen des abschließenden Spülens des subkutanen Fettgewebes gibt es keine randomisierte Studie, und es ist bei routinemäßiger Antibiotikaprophylaxe wahrscheinlich nicht notwendig. Der Verschluss mit Einzelknopfnähten wird nur bei einer Dicke des subkutanen Fettgewebes ≥ 2 cm empfohlen (Chelmow et al.
2004; Anderson und Gates
2004).
Die Ansammlung von Blut und seröser Flüssigkeit mit Bildung eines Wundseroms ist eine häufige Ursache von Morbidität und mit beträchtlichen zusätzlichen Kosten durch Verlängerung des stationären Aufenthaltes oder eine ambulante Nachbehandlung verbunden. Die Serombildung in der Wunde wird auch durch die Einlage einer Drainage selbst bei adipösen Frauen nicht verhindert (Ramsey et al.
2005). Es gibt Daten, die für eine primäre Versorgung mit Negativdruckverbänden (Vakuumverband) nach Sectio bei Frauen mit einem BMI (Body Mass Index) von über 35 kg/m
2 sprechen (Huang et al.
2021).
Der Hautschnitt wird durch eine fortlaufende Intrakutannaht, Einzelknopfnähte oder Postage-Klammern verschlossen (Alderdice et al.
2003; Mackeen et al.
2012).
Wesentliche Merkmale einer „zeitgerechten“ Operationstechnik beim Kaiserschnitt:
Bauchdeckeneröffnung-
Faszienquerschnitt mit kleinstmöglicher Eröffnung und stumpfer Erweiterung
-
Minimale Ablösung der Faszie
-
Geringes oder gar kein Abschieben der Harnblase
-
Keine Bauchtücher
-
Keine Blutstillung (natürliche Hyperkoagulation)
Uterotomie und Verschluss-
Flache Eröffnung auf 2 cm und u. U. Präparation der Fruchtblase
-
Stumpfe Erweiterung der Inzision
-
Verschluss der Uterotomie: einschichtig mit 7–10 Einzelknopfnähten oder evtl. Situationsmatratzennaht (4 Stiche)
-
Kein Verschluss des Peritoneum viscerale
-
Kein Verschluss des Peritoneum parietale
-
Verschluss der Faszie fortlaufend
-
Subkutan einige Situationsnähte setzen
-
Haut mit Klammern oder fortlaufender Naht schließen
Intraoperative Komplikationen
Schwere Blutungen können Folge einer Uterusatonie sein oder treten im Zusammenhang mit
Plazentationsstörungen wie Placent
a praevia, accreta, increta oder percreta auf. Die Placenta
praevia oder accreta werden vermehrt bei vorausgegangener Sectio mit Implantation der Folgeschwangerschaft im Narbenbereich des unteren Uterinsegmentes beobachtet. Das Risiko einer
Placenta praevia nach einer Sectio wird mit 10/1000 beschrieben. Bei einer Anzahl von ≥ 3 Sectiones erhöht sich das Risiko auf 28/1000 (Marshall et al.
2011).
Die erschwerte Lösung der Plazenta kann Ursache von lebensbedrohlichen Blutungen sein (Getahun et al.
2006). Auch unabhängig vom Status und der Lokalisation der
Plazentation ist eine deutlich erhöhte maternale Morbidität mit steigender Anzahl vorausgegangener Sectiones zu beobachten. Mit der Anzahl der Sectiones steigt nicht nur die Rate an
Bluttransfusionen, Adhäsionen und intraoperativen Verletzungen, sondern auch das Risiko für eine Hysterektomie (Marshall et al.
2011).
In den 1970er- und 1980er-Jahren hat die Häufigkeit der Placenta accreta um den Faktor 4–5 zugenommen. Diese Entwicklung verläuft mit dem Anstieg der Sectiorate parallel (Wu et al.
2005).
Das Hysterektomierisiko
verdoppelt sich nach einer vorausgegangenen Sectio, und bei 2 oder mehr Sectiones steigt das Risiko auf das 18-Fache (Knight et al.
2008). Bei der 6. Sectio musste in 4 % der Fälle eine Hysterektomie durchgeführt werden, wobei in 20 %
Bluttransfusionen erforderlich waren und die mittlere Hospitalisationsdauer über 2 Wochen lag (Mahoka et al.
2004).
Die symptomatische
Uterusruptur ist eine weitere schwere Komplikation in einer Folgeschwangerschaft nach Sectio. Allerdings kommt es dazu v. a. nach dem Versuch einer vaginalen Geburt (Harer Jr
2002). In einer multizentrischen Studie in der Schweiz war das Rupturrisiko bei Entbindung nach vorausgegangener Sectio um den Faktor 42 gegenüber dem Kontrollkollektiv ohne Sectio in der Anamnese erhöht (Rageth et al.
1999). Bemerkenswert ist allerdings, dass 24 % der Rupturen nicht im Zusammenhang mit einer geplanten vaginalen Geburt standen. Auf die Bedeutung der Schnittführung am Uterus für das Rupturrisiko wurde bereits hingewiesen. In der S3-Leitlinie Sectio caesarea gilt aufgrund neuer Studien, die das Uterusrupturrisiko
auf unter 1 % einstufen keine Sectioindikation für die Schwangere im Zustand nach Sectio. Es wird jedoch die kontinuierliche CTG-Überwachung bei der Schwangeren und die Geburt an einem Zentrum mit der Möglichkeit eines Notkaiserschnitts empfohlen (DGGG, OEGG, SGGG
2020).
Die Besonderheiten der Geburtsleitung nach Entbindung durch Sectio in einer vorausgegangenen Schwangerschaft werden in Abschn. 34.1.4 („Geburtsleitung bei Status nach Sectio“) ausführlich behandelt.
Medikamentöse Maßnahmen sowie spezielle chirurgische Techniken zur Beherrschung von schweren Blutungen werden in Kap. 40 („Pathologie der Plazentarperiode“) besprochen.
Die
Plazentationsstörungen sollten bei entsprechend belasteter Anamnese bereits während der Schwangerschaft diagnostiziert werden. Durch einen sorgfältig geplanten Eingriff in einer Zentrumsklinik mit Einsatz von erfahrenen Operateuren und auch Anästhesisten wird das Operationsrisiko kalkulierbar.
Infektionsprophylaxe des Personals
Angesichts der zunehmenden Anzahl Schwangerer mit
HIV stellt nicht nur die vertikale Übertragung auf das Kind, sondern die mögliche Infektion des Personals bei der vaginalen Geburt und insbesondere bei der Sectio ein erhebliches Problem dar. Bei jedem chirurgischen Eingriff kann es zu akzidentellen Verletzungen kommen. Die Infektion kann auch durch Blutspritzer übertragen werden. Das Risiko einer Serokonversion nach
Nadelstichverletzung beträgt für HIV zwischen 0,23 und 0,36 % (Tokars et al.
1993; Baggaley et al.
2006).
Neben den allgemeinen chirurgischen Maßnahmen zur Vermeidung von Verletzungen sind
Masken zur Abdeckung des gesamten Gesichtes und doppelte Handschuhe wichtige Maßnahmen (Kesson und Sorrell
1993).
Die bei Kontamination mit möglicherweise infektiösem Material empfohlenen Sofortmaßnahmen sind in Tab.
2 zusammengestellt.
Meldung | Sofort, möglichst innerhalb von 1–2 h Risikobeurteilung (Schweregrad der Exposition, Risikosituation der Quellenpatientin aufgrund der zu diesem Zeitpunkt erhältlichen – meist spärlichen – Angaben) |
Risikofaktoren | Tiefe Verletzung, Nadelstich Sichtbares Blut am Gegenstand Nadel mit Gefäßkontakt |
Durchführung | Sofortige Reinigung der kontaminierten (Haut-)Stelle mit Wasser, Seife und alkoholbasierten Desinfektionslösungen; bei Kontakt mit der Schleimhaut wird eine ausgiebige Reinigung mit Wasser, ggf. mit PVP-Jodlösung empfohlen Beginn einer prophylaktischen Behandlung bei gegebener Indikation (auch in Unkenntnis des Serostatus der Quellenpatientin) so rasch wie möglich (innerhalb 1–2 h, maximal bis 36 (72) h nach Exposition) |
Weiterführung | Entscheidung über weiteres Procedere in Abhängigkeit vom Testresultat |
Medikation | Derzeitige Standardkombinationsprophylaxe (DAIG + ÖAG 2022) – Einnahme über 4 Wochen: - Tenofovir/Emtricitabin (Truvada®) Tbl. 1-mal täglich plus Darunavir (Prezista®) 800 mg 1-mal täglich plus Ritonavir (Norvir®) 100 mg Tbl. 1-mal täglich - Prezista und Norvir ersetzen durch Raltegravir (Isentress®) 400 mg Tbl. 1-0-1 |
Probleme | Daten über die effektivste Therapiemodalität und Kombinationen sowie die Toxizität bei Nicht-HIV-Infizierten fehlen noch |
Die Infektion des Kindes kann durch eine virustatische Prophylaxe in Verbindung mit einer elektiven Sectio weitgehend vermieden werden (Kap. 25: „Infektionen in der Schwangerschaft und bei der Geburt“).
Geburt auf natürlichem Weg oder primäre Sectio?
Die Entbindung durch eine primäre Sectio darf heute bei einer risikoarmen Ausgangssituation im Vergleich zu früheren Jahren generell für die Schwangere und den Fetus als sehr sicher bezeichnet werden. Wieweit sich daraus ein Trend hin zu mehr „Wunschsectiones
“ ableiten lässt, ist nicht belegt. Auf den statistischen Erhebungsbögen ist der „Wunsch der Patientin“ als Indikation für eine Sectio aus forensischen Gründen nicht vorgesehen, und aufgrund fehlender Angaben wird geschätzt, dass bei etwa 10 % aller Schnittentbindungen keine medizinische Indikation vorliegt (Dudenhausen
2009). Wie bereits erwähnt, kommt einer möglichst objektiven und gut dokumentierten Information des Paares beim Fehlen einer anerkannten medizinischen Indikation besondere Bedeutung zu.
Bei der Aufklärung ist ein Abwägen der Vor- und Nachteile eines geplanten Kaiserschnitts mit dem Versuch einer vaginalen Geburt aus den verschiedensten Perspektiven ausführlich mit der Schwangeren (und gegebenenfalls ihrem Partner) zu besprechen (Husslein
2001). Besondere Bedeutung kommt hier der Anpassung allgemeiner Überlegungen auf die besondere Situation der jeweiligen Schwangeren zu.
Beispielsweise ist das Risiko einer nachfolgenden Schwangerschaft bei einer jungen Erstgebärenden anders zu bewerten als z. B. bei einer älteren Kinderwunschpatientin nach mehreren IVF (
In-Vitro-Fertilisation)-Versuchen, die vor ihrer wahrscheinlich einzigen Geburt steht. Da es keinen direkten Vergleich zwischen der elektiven Sectio und einer natürlichen Geburt bei problemlosen Schwangerschaften am Termin im Sinne einer prospektiv randomisierten Untersuchung gibt, muss die Frage, wieweit die Risiken dieser beiden Geburtsformen tatsächlich vergleichbar sind, offen bleiben. Prospektiv randomisierte Vergleichsstudien existieren nur für Risikokollektive wie Frauen mit
Beckenendlage oder mit einem Kaiserschnitt in einer vorausgegangenen Schwangerschaft (Hannah et al.
2000; McMahon et al.
1996). Wegen der höheren Rate sekundärer Sectiones, die mit einem deutlich schlechteren Ergebnis für Mutter und Kind verbunden sind, können die Ergebnisse nicht auf Entbindungen bei Feten in Kopflage ohne anamnestische Belastung einer vorausgegangenen Sectio übertragen werden.
Im Jahr 2006 wurde vom NIH (National Institute of Health) in den USA eine State-of-the-Science Conference zum Thema „Cesarean Section on Maternal Request“ durchgeführt, die zu dem Schluss kommt, dass bei risikoarmen Schwangerschaften am Termin keine Aussage darüber gemacht werden kann, ob eine vaginale Geburt oder eine primäre Sectio ein besseres Gesamt-Outcome für Mutter und Kind liefert. Für die Mehrzahl der diversen Outcome-Parameter fand sich bei einer umfangreichen Literaturrecherche keine überzeugende Evidenz zugunsten der einen oder der anderen Geburtsform.
Bei risikoarmen Schwangerschaften sollte nach wie vor der Geburt auf natürlichem Wege der Vorzug gegeben werden (National Institut of Health
2006; Society of Obstetricians and Gynecologists of Canada
2004). Neuere umfangreiche retrospektive Untersuchungen zeigen, dass nach einer primären Sectio das Risiko für schwere Komplikationen wie eine postpartale Hysterektomie, eine schwere Wochenbettinfektion oder thromboembolische Ereignisse deutlich höher als nach Spontangeburten ist (Liu et al.
2007; Villar et al.
2007). Dabei wurden auch schwere Komplikationen bei der Geburt bei Folgeschwangerschaften berücksichtigt. Diese an umfangreichen Populationen vorgenommenen retrospektiven Erhebungen lassen eine zuverlässige Quantifizierung auch von seltenen schweren Komplikationen zu (Knight et al.
2008).
Als Gründe für die Entscheidung für eine elektive Sectio werden neben Angst vor Schädigungen des Kindes v. a. Verletzungen des Beckenbodens mit funktionellen Spätfolgen und eine Beeinträchtigung der Sexualität genannt. Auch neuere Untersuchungen über Risiken und Nutzen einer elektiven Sectio im Vergleich mit einer natürlichen Geburt bei Terminschwangerschaften basieren nicht auf wissenschaftlich gesicherten Daten, die eine objektive Beratung insbesondere auch im Hinblick auf eine Beeinträchtigung der Funktion des Beckenbodens erlauben würden (Franz et al.
2012). In retrospektiven Studien wird zwar der elektiven Sectio eine schonende Wirkung auf den Beckenboden zugeschrieben. Dennoch kann in Anbetracht zahlreicher Kofaktoren wie Genetik, Alter, BMI, berufliche Belastung u. a., die bei der Entstehung dieser Pathologie von Bedeutung sind, der Einfluss auf die Beckenbodenfunktion kein Entscheidungskriterium bei der Wahl des Geburtsmodus sein. Wie durch neuere bildgebende Verfahren mit Erfassung von morphologischen Veränderungen der Strukturen des Beckenbodens die Auswirkung der Geburt auf die Funktion besser erfasst werden kann, muss durch weitere Studien erst noch belegt werden (Hübner et al.
2010). Die einzige prospektiv randomisierte Vergleichsstudie stammt von Entbindungen bei
Beckenendlage und zeigt, dass 3 Monate nach einer elektiven Sectio deutlich weniger Frauen über eine Harninkontinenz als nach vaginaler Geburt klagten (Hannah et al.
2000), und bei erneuter Befragung 2 Jahre später konnte kein Unterschied mehr festgestellt werden (Hannah et al.
2004).
In zahlreichen Untersuchungen ist belegt, dass nach einer vaginalen Geburt die kindlichen Stresshormonspiegel im Vergleich mit Kindern nach einer geplanten Sectio erhöht sind (Vogl et al.
2006). Bei der Nutzen-Risiko-Abwägung einer Geburt auf natürlichem Wege liegt die Betonung auf den mit dem Geburtsstress verbundenen Risiken. Es erscheint biologisch jedoch durchaus plausibel, dass der von der Natur vorgesehene Geburtsstress
für den Fetus grundsätzlich vorteilhaft ist, und bereits vor 30 Jahren haben Lagercrantz und Slotkin in einer bemerkenswerten Publikation mit dem Titel „The ‚stress‘ of being born“ darauf hingewiesen (Lagercrantz und Slotkin
1986).
Die durch den abrupten Übertritt aus dem vertrauten intrauterinen Milieu in die extrauterine Umgebung erforderlich werdenden Umstellungen betreffen verschiedene Funktionen wie Mechanismen zur Regulation der Körpertemperatur, Anpassung der Respiration und die Nahrungsaufnahme. Die abschließende Reifung der betroffenen Organsysteme wie etwa der Lungen wird durch den Geburtsstress positiv beeinflusst, und es gilt als erwiesen, dass Kinder, die auf natürlichem Wege am Termin geboren wurden, besser abschneiden als die Vergleichsgruppe nach Entbindung durch eine primäre Sectio (Bailit et al.
2002; Morrison et al.
1995; McDorman et al.
2006; Hansenn et al.
2008). Dies wurde durch eine neuere Untersuchung aus dem deutschsprachigen Raum bestätigt (Reinhard et al.
2013).
Die Anpassung an die bakterienhaltige Umgebung außerhalb der Gebärmutter und die damit verbundene Stimulation des Immunsystems des Fetus ist in den letzten Jahren zunehmend Gegenstand der Forschung geworden (Cho und Norman
2013). Von besonderem Interesse sind Langzeiteffekte, und das Risiko für die spätere Entwicklung von
Diabetes mellitus, Asthma,
Allergien und Störungen des Gastrointestinaltraktes scheint bei Kindern nach einer Geburt durch eine elektive Sectio deutlich höher zu sein als nach einer Geburt auf natürlichem Wege (Romero und Korzeniewski
2013).
Andererseits gibt es Hinweise dafür, dass Kinder insbesondere nach schweren Zangengeburten bis zu 8 Wochen nach der Geburt empfindlicher auf äußeren Stress wie eine Impfung reagieren, was den Schluss nahelegt, dass ein erhöhter Geburtsstress sich auch negativ auswirken kann (Taylor et al.
2000).
Der ärztliche Berater steht vor der schwierigen Aufgabe, prospektiv für den Einzelfall die Geburtsmethode zu empfehlen, bei der mit einem optimalen Ergebnis gerechnet werden kann.
Bei der primären oder elektiven Sectio können Komplikationen v. a. im Zusammenhang mit dem chirurgischen Eingriff oder der Anästhesie auftreten. Das entsprechende Risiko ist in verschiedenen Studien zahlenmäßig gut belegt, sodass unter Berücksichtigung des Phänotyps der Schwangeren die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der häufigsten Komplikationen mit einiger Verbindlichkeit vorhergesagt werden kann. Auch für Geburten auf natürlichem Wege kann nach einer problemlosen Schwangerschaft der Verlauf sowie der Ausgang der Geburt vorausgesagt werden, wenn auch die verbleibende Ungewissheit der Vorhersage deutlich höher ist. Bei Mehrgebärenden können aus anamnestischen Angaben zu vorausgegangenen Geburten wichtige Informationen abgeleitet werden.
Die Definition des optimalen Ergebnisses umfasst kindliche und mütterliche Kriterien, wobei neben den herkömmlichen Parametern Mortalität und Morbidität auch den Aspekten Wohlbefinden und Zufriedenheit von Mutter und Kind große Bedeutung beigemessen wird. Eine Auswertung verschiedener psychologischer Parameter hat gezeigt, dass nach einer elektiven Sectio ein positives Geburtserlebnis
in gleichem Maße wie nach einer unkomplizierten vaginalen Geburt gegeben ist. Dagegen waren die Ergebnisse nach einer sekundären Intervention in Form einer Akutsectio oder einer Entbindung durch Vakuum deutlich schlechter (Schindl et al.
2003).
Angesichts der wenig gesicherten Daten zu medizinischen Kriterien sollte bei der Entscheidung für oder gegen eine natürliche Geburt bei risikoarmen Situationen den Vorstellungen und Wünschen des Paares besondere Beachtung geschenkt werden. Eine erst vor Kurzem in Deutschland durchgeführte Befragung von 534 Schwangeren ergab, dass eine vaginale Geburt allgemein bevorzugt wird (Hainer und Kowalcek
2011). Neben der Anwesenheit einer Begleitperson wurden die Natürlichkeit des Geschehens und das aktive Geburtserlebnis besonders gewichtet.
Diese Erkenntnisse sollten bei der Beratung besondere Beachtung finden, und die Vorzüge der natürlichen Geburt sollten dem Paar bewusst gemacht werden bzw. im Bewusstsein verstärkt werden. Gleichzeitig müssen die wenig gesicherten Vorteile einer elektiven Sectio relativiert werden. Der Abbau von Ängsten vor der vaginalen Geburt kann aktiv angegangen werden (Halvorsen et al.
2010). Bei der Beratung sollte die Meinung des Geburtshelfers wie auch einer Hebamme einfließen, und je nach Situation sollten auch Zweitmeinungen eingeholt werden.
Diese Daten unterscheiden sich von den Ergebnissen anderer Untersuchungen, nach denen eine steigende Zahl von Schwangeren eine positive Einstellung gegenüber einer Entbindung durch einen primären Kaiserschnitt hat. Die Bedeutung von „Lifestyle-Überlegungen“ und die Vorbildrolle von „Prominentengeburten“ für die Präferenz des Entbindungsmodus scheint in Abhängigkeit der untersuchten Population sehr unterschiedlich zu sein (Green und Baston
2007). Auch die Berücksichtigung der Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen bei der Wahl des Geburtsmodus variiert in unterschiedlichen Kulturen erheblich und korreliert am ehesten mit der Beachtung demokratischer Grundwerte.
Wenn eine medizinische Indikation fehlt und eine Entbindung durch eine Sectio von der Schwangeren nachdrücklich gewünscht wird, besteht sowohl in ethischer wie auch forensischer Hinsicht eine schwierige Konfliktsituation. Das Recht der Schwangeren auf Selbstbestimmung und der Anspruch des Fetus auf eine möglichst risikoarme Form der Geburt können sich als unvereinbar erweisen (Kalish et al.
2006).
Die rechtliche Situation einer Sectio ohne medizinische Indikation ist nach wie vor nicht geklärt (Wacker
2010).
Diverse von deutschen Gerichten zu Fragen der Wunschsectio getroffene Entscheidungen basieren auf dem Rechtsgrundsatz, dass eine medizinische Handlung bei Fehlen einer ärztlich-medizinischen Rechtfertigung auch auf nachhaltigen Patientenwunsch nicht vorgenommen werden darf, und der Arzt, der einem Patientenwunsch Folge leistet, kann zu Schadensersatz verpflichtet werden. Wenn jedoch eine auch „noch so weit hergeholte“ medizinisch vertretbare Indikation für den Kaiserschnitt im Interesse von Mutter und/oder Kind dokumentiert ist, wie etwa eine besondere Angst vor der Geburt, bestehen keine juristischen Bedenken (Schlund
2008).
Wenn die Entscheidung einer Schwangeren für eine elektive Sectio nicht beeinflusst werden kann, sollte dies akzeptiert werden, und für die Zusicherung, dass die Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis nach einer elektiven Sectio gleich hoch sein kann wie nach einer vaginalen Spontangeburt, sind diese Frauen besonders dankbar (Schindl et al.
2003; DGGG, OEGG, SGGG
2020)
Ausführliche Hinweise für eine zeitgemäße Aufklärung mit Daten zum Risikovergleich zwischen der primären Sectio und der vaginalen Entbindung finden sich bei Maternity Center Association (
2004); NICE (
2004); McFarlin (
2004); Leslie (
2004), ACOG (Ethics in obstetrics and gynecology
2004) und Schneider (
2008).
Angesichts des anhaltenden Anstiegs der Sectiorate
muss die Frage nach dem voraussichtlichen Endpunkt dieser Entwicklung gestellt werden. In einer groß angelegten Studie der WHO wurden an 120 zufällig ausgewählten Institutionen in Lateinamerika alle Geburten im Hinblick auf mütterliches und kindliches Outcome analysiert (Villar und Wojdylaa
2006). Bei einer Gesamtsectiorate von 33 % und von 68 % bei Erstgebärenden zeigte sich für die verschiedenen Abteilungen ein positiver Zusammenhang zwischen der Sectiorate und schwerer mütterlicher sowie kindlicher Morbidität und Mortalität, der auch nach Korrektur für zahlreiche Einflussfaktoren wie soziodemografische Unterschiede, Frühgeburtenrate u. a. bestehen blieb. In Lateinamerika hat die Sectiorate den theoretischen Endpunkt, an dem ein Optimum für das Ergebnis für Mutter und Kind gegeben ist, offenbar bereits heute überschritten. Kompetenzverlust bei der vaginalen Geburt und Verlagerung von Ressourcen zugunsten der Sectio wurden als Erklärung für eine Abnahme der Betreuungsqualität genannt. Ob diese Ergebnisse auf die Situation in Nordamerika bzw. in Europa übertragbar sind, muss allerdings hinterfragt werden.
Diese Ergebnisse sowie die möglichen negativen Langzeitauswirkungen des fehlenden Geburtsstresses auf die spätere Gesundheit der Kinder unterstreichen die Bedeutung einer sorgfältigen Beobachtung der weiteren Entwicklung der Sectiorate auch in unseren Breitengraden.
Neben einer Vielzahl von Einflussfaktoren erfordern ökonomische Faktoren offensichtlich besondere Beachtung. Ein Vergleich zwischen den tatsächlich entstehenden Kosten und den von den Krankenkassen erstatteten Vergütungen zeigt für die Bundesrepublik Deutschland, dass eine primäre Sectio für die Klinik gewinnbringend ist, während Spontangeburten als Verlust zu Buche schlagen (Hornemann et al.
2008). Der Korrektur falscher finanzieller Anreize muss bei der Kontrolle der zukünftigen Entwicklung der Sectiorate besondere Priorität eingeräumt werden.