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Die Urologie
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Publiziert am: 03.09.2022

Extrakorporale Stoßwellentherapie der Urolithiasis

Verfasst von: Jens Rassweiler, Marcel Fiedler und Marie-Claire Rassweiler-Seyfried
Die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) ist seit 1985 ein etabliertes Therapieverfahren der Urolithiasis. Ausgehend vom Dornier HM3 hat die Entwicklung neuer Lithotriptoren mehrere Phasen durchlaufen, wobei zunächst auf alternative Stoßwellenquellen und die Integration in multifunktionelle urologische Röntgenarbeitsplätze Wert gelegt wurde. In jüngster Zeit bestehen zunehmend Zweifel an der Effektivität des Verfahrens im Vergleich zu endoskopischen Techniken. Dieser Trend wird auch dadurch unterstützt, dass Harnleitersteine, die meist notfallmäßig mit endourologischen Techniken (Stent, Ureteroskopie) behandelt werden können, deutlich zunehmen. Die Patienten wünschen bevorzugt die komplette Steinsanierung in einer Sitzung, statt nach mehreren ESWL-Sitzungen auf das Abgehen der Steinfragmente warten zu müssen. In Deutschland kommt hinzu, dass nur noch eine ESWL-Sitzung pro Jahr ambulant abgerechnet werden kann. Die deutliche Abnahme der ESWL im Vergleich zu anderen Verfahren betrifft vor allem Nierensteine größer 1 cm und Harnleitersteine. Jüngere Studien zum Mechanismus der Steindesintegration und der Applikationstechniken der Stoßwelle haben allerdings ein erneutes Umdenken bezüglich des Stellenwerts der ESWL angestoßen.

Einleitung

Die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) ist seit 1985 ein etabliertes Therapieverfahren der Urolithiasis (Chaussy et al. 1980; Fuchs et al. 1985). Ausgehend vom Dornier HM3 hat die Entwicklung neuer Lithotriptoren mehrere Phasen durchlaufen, wobei zunächst auf alternative Stoßwellenquellen und die Integration in multifunktionelle urologische Röntgenarbeitsplätze Wert gelegt wurde (Rassweiler et al. 2005). In jüngster Zeit bestehen zunehmend Zweifel an der Effektivität des Verfahrens im Vergleich zu endoskopischen Techniken (Miernik et al. 2012). Dieser Trend wird auch dadurch unterstützt, dass Harnleitersteine, die meist notfallmäßig mit endourologischen Techniken (Stent, Ureteroskopie) behandelt werden (Knoll et al. 2011), deutlich zunehmen. Die Patienten wünschen bevorzugt die komplette Steinsanierung in einer Sitzung, statt nach mehreren ESWL-Sitzungen auf das Abgehen der Steinfragmente zu warten. In Deutschland kommt hinzu, dass nur noch eine ESWL-Sitzung pro Jahr ambulant abgerechnet werden kann (Knoll et al. 2011). Die deutliche Abnahme der ESWL im Vergleich zu anderen Verfahren betrifft vor allem Nierensteine größer 1 cm und Harnleitersteine (Abb. 1). Jüngere Studien zum Mechanismus der Steindesintegration und der Applikationstechniken der Stoßwelle haben allerdings ein erneutes Umdenken bezüglich des Stellenwerts der ESWL angestoßen (Rassweiler et al. 2011; Tab. 1).
Tab. 1
Faktoren des Erfolgs der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (ESWL; mod. nach Rassweiler et al. 2013)
Erfolgsfaktor
Optionen
Spezifische Modifikationen
Vorteile
Problematik
Stoßwellenerzeugung
Elektrohydraulisch mit Ellipsoidreflektor
Funkenstrecke (Elektrode)
Großer Fokus
Inkonstanz der Pulse (Jitter-Effekt)
1 Elektrode pro Behandlung
Zwillingsköpfe
Geringere Energiedichte
Ankopplung von 2 Seiten schwierig
Elektrokonduktiv
Hohe Konstanz der Pulse
40.000 SW pro System
 
Elektromagnetisch
Spulenmembran mit akustischer Linse
Vergrößerung des Fokus durch längere Pulsbreite
Vorteile des größeren Fokus klinisch noch nicht erwiesen
 
Zylinder mit Paraboloidreflektor
Dualer Fokus realisiert (z. B. größer für Nierensteine und kleiner für Uretersteine)
Vorteile des dualen Fokus klinisch noch nicht erwiesen
 
Sphärische Element
Sehr großer Fokus mit niedrigem Spitzendruck
Nur mit Ultraschallortung verfügbar
Piezoelektrisch
Sphärische Anordnung in 2 Lagen
3 Fokusgrößen realisierbar
Vorteile des Triple-Fokus klinisch noch nicht erwiesen
Kleiner Fokus mit hohen Wiederbehandlungsraten
Ankopplung
Wasserbad
Komplett (Dornier HM3)
Partiell (Sonolith 2000, Piezolith 2200)
Ideale Ankopplung
Nicht in Multifunktionstischen integrierbar
Wird nicht mehr hergestellt
Wasserkissen
Kopplungsgel
Kopplungsöl (Modulith)
Gel-pad (nicht mehr eingesetzt)
In Multifunktionstische integrierbar
20 % Abschwächung der SW-Energie
Optimale Ankopplung:
- warmes US-Gel aus dem Container
- ausreichend Gel auftragen
- Rasur der Haut im Kopplungsbereich
- Kontrolle der Ankopplung in Real-time durch In-line-Sonografie oder Kamerasystem (Dornier)
Steinortung
Fluoroskopie-C-arm, In-line-Fluoroskopie
Automatische Feinortung
Reduktion der Strahlenbelastung
Röntgendurchleuchtung weltweit 1. Wahl
Optisches Tracking (Navigation)
Reduktion der Strahlenbelastung
Kamera kontrolliert die Position der SW-Quelle
Akustisches Tracking (Navigation)
Adaptation an externen C-arm und Sonografiegerät möglich
6 Piezoelemente senden die Position der SW-Quelle an 4 Empfänger montiert am Ortungssystem
In-line-Ultraschall
 
Real-time SW-Applikation
Kontrolle der Ankopplung
Schwierig bei adipösen Patienten und mittleren Harnleitersteinen
Lateraler Ultraschall
Tri-mode-Ortungssystem
Parallele US- und Röntgenortung (Kontrolle der Ankopplung mit Kamera)
5(3–9) mm Toleranz des lateralen US zum In-line-Ultraschall
SW Schallwellen, US Ultraschall

Stoßwellenphysik

Die ESWL, als technisch leicht zu erlernendes Verfahren, wird in der Klinik häufig vom jüngsten Assistenten ohne vorherige Vermittlung theoretischer Kenntnisse der Stoßwellenphysik durchgeführt. Aus diesem Grunde folgen zunächst Ausführungen zu den physikalischen Grundlagen.
Stoßwellen stellen eine akustische Druckwelle mit kurzer Dauer (<10 μs), steilem Anstieg und hohem Spitzendruck (30–100 MPa) gefolgt von einer Unterdruckwelle dar (Abb. 2). Aus der 3-dimensionalen Verteilung der Druckwelle lassen sich physikalische Parameter wie akustische Energie oder Energiedichte berechnen. Dabei hängt die Steindesintegration von der Stoßwellenenergie ab, während die Gewebeschädigung mit der Energiedichte korreliert.

Mechanismen und Theorien zur Steindesintegration

Prinzipiell muss zunächst zwischen der initialen (binären) Fragmentation des Steins und der darauffolgenden Steindesintegration unterschieden werden (Rassweiler et al. 2011). Die initiale Fragmentation, vergleichbar der Fraktur eines zerbrechlichen Objektes kann als Prozess beschrieben werden, bei dem Bruchlinien auf Grund interner stoßwelleninduzierter Stressfelder entstehen. Die Lokalisation dieser Bruchlinien hängt davon ab, wo im Stein maximale Stresszonen entstehen, die über dem kritischen Berstungswert liegen. Die weitere Desintegration des Konkrements erfolgt durch Wachsen und Zusammenfließen (Koaleszenz) der Bruchlinien unter kontinuierlicher Stoßwellenapplikation, was auch als dynamische Ermüdung bezeichnet wird.
Jüngste Studien zur Steindesintegration belegen die Bedeutung der Fokusgröße: Dadurch werden alle Mechanismen der Steinfragmentation (Druck- und Scherkräfte, quasi-statisches Quetschen, Bersten durch Druckerhöhung im Inneren, Kavitation) im Sinne eines dynamischen Quetschens optimal genutzt (Rassweiler et al. 2013). So ermöglicht nur ein ausreichend großer Fokus das mit dem Nussknacker vergleichbare Quetschen (Abb. 3; Tab. 2).
Tab. 2
Übersicht der Theorien zur Steindesintegration (mod. nach Rassweiler et al. 2013)
Hypothese
Mechanismus
Voraussetzungen
Fragmentationstyp
Kommentar
Druck- und Zugkräfte
Druckgradient wegen Impedanzsprung an Steinvorder- und Steinrückseite mit Druckumkehr/Phasensprung
Stoßwellenfokus kleiner als Stein
Kraterbildung an Vorder-und Rückfront des Steins (wie mit Hammer)
Nur relevant für kleineren Fokus
Berstung
Am distalen Steinende reflektierte Druckwelle führt zu maximalem inneren Berstungsdruck im hinteren Steindrittel
Stoßwellenfokus kleiner als Stein
Aufbrechen des Steins von innen (wie in Flasche oder Stein gefrierendes Wasser)
Nur relevant für kleineren Fokus, keine Erklärung für Fragmentation an Steinvorderfläche
Quasi-statische Kompression (Quetschen)
Druckgradient zwischen umhüllenden und im Stein laufenden Wellenanteilen führt zum Quetschen des Steins
Stoßwellenfokus größer als Stein, SW-Ausbreitungsgeschwindigkeit im Stein höher als in umgebender Flüssigkeit
Nussknackerartige Steindesintegration mit zentralen orthogonalen Bruchlinien
Nur relevant für großen Fokus
Kavitation
Negative Druckwellen induzieren Kollaps von Kavitationsblasen an der Steinoberfläche
Niedrige Viskosität der umgebenden Flüssigkeit
Mikroexplosive Erosion am proximalen und distalen Steinende (ggf. im gesamten Fokus)
Wichtig bei der fortschreitenden Desintegration, nützlich um SW-Quelleneffektivität zu verbessern
Dynamische Kompression (Quetschen)
Druckwellen im Innern des Steins werden verstärkt durch Quetschen von den Rändern aus
Parallele Ausbreitung der longitudinalen Wellen, SW-Geschwindigkeit im Stein höher als in Wasser/Urin
Kombination von nussknackerartiger Steindesintegration und Aufbrechen des Steins von innen
Beste Theorie zur Steindesintegration mit Übereinstimmung im numerischen Modell
SW: Schallwellen

Druck- und Zugkräfte

Die Theorie der Druck- und Zugkräfte basiert auf der Tatsache, dass die Rückfläche des Steins eine akustisch weiche Grenzfläche darstellt, die daher eine reflektierte Unterdruckwelle im Stein erzeugt, ausgehend von der stoßwelleninduzierten Überdruckwelle, die den Stein passiert hat. Das Ausmaß der Reflektion hängt von dem akustischen Widerstand und der Oberflächenbeschaffenheit des Steins ab. In diesem Sinne führt die sphärische Stoßwellenfront zu überdruckbedingten Zugspannungen im Stein. Ursprünglich ging man davon aus, dass dies an der Steinoberfläche zu Fragmentabsprengungen führt (Abb. 3a). Es konnte jedoch gezeigt werden, dass das Druckmaximum abhängig von der Stoßwellenlänge und der konkrementabhängigen Stoßwellengeschwindigkeit im hinteren Drittel des Steins liegt, was im Modellversuch dort zur 1. Bruchlinie führt (Abb. 3b). Es erfolgt also eine Berstung des Steins von innen.

Quasi-statische Kompression (Quetschen)

Diese Theorie basiert auf der Beobachtung, dass wenn die Stoßwellenfront größer ist als der Stein und dementsprechend entlang der Steinoberfläche wandert, ein den Stein umschließendes Druckfeld entsteht. Der Überdruckanteil wirkt somit wie ein Nussknacker auf den Stein, was zu einer Fragmentation des Steins im Zentrum mit entweder parallel oder orthogonal zur Stoßwellenfront verlaufenden Frakturlinien (Abb. 3c) führt. Man geht dabei davon aus, dass die Geschwindigkeit der Stoßwelle in der umgebenden Flüssigkeit viel geringer als innerhalb des Stein ist, wodurch ein Unterdruck im Stein entsteht, der den komprimierenden Effekt des den Stein umschließenden Stoßwellenanteils gewissermaßen statisch erhöht.
Wichtig
Wichtig dabei ist, dass hierfür deutlich geringere Maximaldrucke (20–30 MPa) erforderlich sind, aber andererseits Stoßwellenquellen mit großem Fokus benötigt werden.

Dynamische Kompression (Quetschen)

Diese Theorie verknüpft und erweitert die beiden anderen Fragmentationshypothesen. Sie geht davon aus, dass der Stein durch intern erzeugte Zugwellen fragmentiert wird, die verstärkt werden durch eine externe Kompression ausgehend von der Steinoberfläche. Basierend auf zahlreichen Experimenten gehen die Autoren (Rassweiler et al. 2011) davon aus, dass hierbei die extern von der Steinoberfläche induzierten Druckwellen die größte Bedeutung besitzen im Vergleich zur reflexionsinduzierten Unterdruckwelle (Abb. 3d). Nur das Modell der dynamischen Kompression konnte experimentell als auch im mathematischen Kalkulationsmodell sämtliche Beobachtungen erklären. Demnach muss von parallelen Stoßwellenfronten, die einerseits den Stein durchlaufen und anderseits entlang der Oberfläche wandern ausgegangen werden. Dies führt auf Grund der unterschiedlichen Laufgeschwindigkeiten zu Kompressionsfeldern um den Stein, aber auch zu Zugspannungen innerhalb des Steins auf Grund von Reflektion und Beugung des durch den Stein laufenden Stoßwellenanteils.

Kavitation

Zusätzlich zur direkten Druck- und Zugspannung auf den Stein, kann auch eine sekundär durch Stoßwellen induzierte Kavitation zur Fragmentation an der Oberfläche, aber innerhalb der Frakturlinien führen. Dies ist bedingt durch den Unterdruck beim Kollaps ein Kavitationsblase (Abb. 3e). Kavitation spielt keine Rolle bei der initialen Fragmentation. Umgibt man den Stein mit hochvisköser Flüssigkeit kann man Kavitation unterdrücken. Dies führt im Versuch auch zu einer schlechteren Steindesintegration. Dies lässt sich allerdings auch mit der Theorie der dynamischen Kompression erklären.

Dynamische Ermüdung

Damit wird die Theorie zur vollständigen Steindesintegration bezeichnet. Sie basiert auf der Beobachtung, dass der Desintegrationsprozess im Verlauf der Stoßwellenapplikation zunimmt und meist zur kompletten Zerstörung der Steinkonfiguration (z. B. Kristallgitter) führt. Somit kann die Fragmentation eines Konkrements als ein fortschreitender Prozess definiert werden, bestehend aus 3 Phasen:
  • Initiation (basierend auf dynamischer Kompression),
  • Propagation (mit zusätzlicher Kavitation),
  • Desintegration (durch Zerstörung der Kristallgitter).
Werden die molekularen Strukturen des Steins zerstört, führt dies zu einem Aufbrechen des Konkrements.

Stoßwellenquellen

Drei Verfahren der Stoßwellenerzeugung haben sich klinisch bewährt. Sie unterscheiden sich aber wesentlich in ihren physikalischen Daten (Tab. 3).
Tab. 3
Vergleich der technischen Details moderner Lithotriptoren (mod. nach Rassweiler et al. 2013)
Lithotriptor
SW-Erzeugung
Fokusgröße(−6 dB) lateral (mm)
Fokustiefe (mm)
Max. Druck (MPa)
Ortungssystem
Spezielle Eigenschaften
Siemens Lithoskop
Elektromagnetisch (Spule; Pulso)
12
160
75*
Isozentrischer fluoroskopischer C-arm, In-line-Ultraschall
SW-Quelle parallel auf isozentrischem C-arm, multifunktionaler Arbeitsplatz
Dornier DoLi-S II
Elektromagnetisch (Spule, EMSE 220F-XXP)
5,4
150
110
Isozentrischer fluoroskopischer C-arm, In-line-Ultraschall, lateraler Ultraschall
Drei simultane Ortungsmodalitäten (Tri-mode)
Dornier Gemini
Elektromagnetisch (Spule, EMSE 220F-XXP)
6
170
110
Isozentrischer fluoroskopischer C-arm, lateraler isozentrischer Ultraschall
Duale simultane Bildgebung, Autopositionierung, Kamera zur Kontrolle der Ankopplung
Storz Modulith SLX-F2
Elektromagnetisch (Zylinder)
F1: 6, F2: 9
180
90–150
In-line-Fluoroskopie, In-line-Ultraschall
Zwei Fokusgrößen, multifunktionaler Arbeitsplatz
Xinin XX-ES
Elektromagnetisch (Spule, selbstfokussierend)
18
180
30
Lateraler Ultraschall
Niederdruck-ESWL, sehr großer Fokus
EDAP/TMS Sonolith i-sys
Elektrokonduktiv (Diatron IV)
14
170 (155–210)
k. A.
Isozentrischer fluoroskopischer C-arm, isozentrischer Ultraschall
Kein Jitter-Effekt (Abschn. 4.1; Abb. 4) automatische Druckreguation, Autopositionierung
LithoGold 380
Elektrohydraulisch (Smarttrode)
16
165
40
Adaptierbar an Röntgen-C-arm
Niederdruck-ESWL, sehr großer Fokus
AST LithoSpace
Elektrohydraulisch
17
140
38
Adaptierbar an Röntgen-C-arm und Ultraschall
Navigation mit akkustischem Tracking (SuperVision TM)
Wolf Piezolith 3000
Piezoelektrisch, (2 Lagen, selbstfokussierend)
F1: 2, F2: 4, F3: 8
165
126, 119, 48
Isozentrischer fluoroskopischer C-arm, In-line-Ultraschall
Drei verschiedene Fokusgrößen;
simultan In-line- und Off-line-Ultraschallortung möglich
SW: Schallwellen, ESWL: extrakorkorale Stoßwellenlithotripsie, EMSE: elektromagnetisches Spulenelement, * E 12mm 8–117 mJ per Impuls, k. A.: keine Angaben

Elektrohydraulische Stoßwellenquellen

Elektrohydraulische Stoßwellenquellen wurden 1980 klinisch zuerst im Dornier HM3 weltweit eingesetzt (Chaussy et al. 1980; Fuchs et al. 1985). Die Stoßwellenerzeugung erfolgt hier durch die Zündung einer Unterwasserelektrode. Zur Fokussierung der punktförmig erzeugten Welle dient ein Halbellipsoid (Abb. 4a). Auf Grund des Elektrodenabbrands kommt es zu relativ stark variierenden Druckwerten (Jitter-Effekt). Dementsprechend können mit einer Elektrode maximal 3000–4000 Impulse erzeugt werden. Das elektrokonduktive System (EDAP-TMS) stellt eine technische Weiterentwicklung der elektrohydraulischen Stoßwellenerzeugung dar (Abb. 4b): Hier werden die Elektrodenenden nach jedem Schuss adaptiert und von einer stark leitenden Flüssigkeit umgeben. Damit wird der Jitter-Effekt minimiert und die Lebensdauer einer Elektrode auf 40.000 Impulse gesteigert.

Elektromagnetische Stoßwellenquellen

Elektromagnetische Stoßwellenquellen werden seit 1985 klinisch im Siemens Lithostar weltweit verwendet. Sie sind heute das am häufigsten eingesetzte Verfahren der Lithotripsie. Das Prinzip basiert auf der Abstoßung von Elektrospulen mit entgegengesetzter Wicklung. So entsteht eine flächige Welle in einem Stoßwellenrohr, die je nach Konfiguration des elektromagnetischen Generators (Flachspule, Zylinder, Halbkugel) durch eine akustische Linse oder einen Paraboloidreflektor (Abb. 5) fokussiert werden, respektive im Fall des sphärischen Elements selbstfokussierend sind.
Wichtig
Der entscheidende Vorteil der elektromagnetischen Stoßwellenerzeugung liegt in überwiegend stabilen Druckwerten und langer Lebensdauer (ca. 1 Mio. Impulse).

Piezoelektrische Stoßwellenquellen

Die piezoelektrische Stoßwellenerzeugung basiert auf der simultanen Schwingung sphärisch angeordneter piezokeramischer Elemente. Die Systeme sind somit selbstfokussierend. Von ursprünglich 4 Systemen, ist heute nur noch eines in modifizierter Form im Einsatz. Um eine ausreichende Stoßwellenenergie im Fokus zu bündeln, war ursprünglich eine relativ große Apertur (50 cm) des Systems notwendig. Dies hatte zwar den Vorteil der fast schmerzfreien Behandlung, war aber nicht in multifunktionelle Tische zu integrieren. In Folge wurde ein 2-schichtiger Stoßwellengenerator entwickelt, der nur noch eine Apertur von 30 cm benötigt (Abb. 6). Neben der geringen Schmerzbelastung liegen die Vorteile des piezoelektrischen Systems in der hohen Lebensdauer (>1 Mio. Impulse). Problematisch ist der sehr kleine Fokus mit entsprechend hoher Wiederbehandlungsrate (Tab. 1).

Vergrößerung oder Anpassung des Stoßwellenfokus

Fokusgröße und Stoßwellenmaximaldruck eines Lithotriptors hängt primär von der Apertur des Stoßwellensystems und der abgegebenen Energie ab. Die klassische Definition der Fokusgröße gibt den Durchmesser bis zur Hälfte des Maximaldrucks(−6 dB) an (Rassweiler et al. 2013). Auf Grund der unterschiedlichen Theorien zur Steindesintegration ist allerdings unklar, welche direkte Bedeutung des Maximaldruck hat. Auch wenn der Trend prinzipiell wieder zu einem größeren Fokus geht, könnte theoretisch eine steinspezifische Adaptation der Fokusgröße sinnvoll sein (Abb. 7a): Ein 1 cm impaktierter Harnleiterstein benötigt einen relativen kleinen Fokus im Gegensatz zu dem 1,5 cm großen Nierenbeckenstein. Dieser wird technisch auf unterschiedliche Weise realisiert. Beim Storz Modulith SLX-F2 ermöglicht eine zeitliche Streckung des Stoßwellenimpulses die Fokusvergrößerung (Abb. 7b). Der Piezolith 3000 erreicht dies durch eine zeitverzögerte Aktivierung der beiden Lagen der piezokeramischen Elemente (Abb. 6a). Allerdings konnte die Überlegenheit dieses Konzepts bisher in keiner klinischen Studie belegt werden (Zehnder et al. 2011).
In jüngster Zeit hat das Interesse an Lithotriptoren mit großem Fokus und relativ niedrigem Stoßwellendruck zugenommen (AST Lithospace, LithoGold 380, Xinin XX-ES). Dies basiert zum einen auf den Theorien zur Steindesintegration, aber auch auf In-vitro-Untersuchungen, die eine gute desintegrative Effektivität dieser Systeme im Steinmodell bei minimalen Läsionen der Niere im Tiermodell gezeigt haben (Rassweiler et al. 2013; Tab. 3). Theoretisch bietet der große Fokus den Vorteil der Applikation ausreichender Stoßwellenenergien mit relativ geringer Energiedichte. Allerdings fehlen auch hier klinische Vergleichsstudien.

Applikationsparameter

Der Erfolg der ESWL hängt ganz entscheidend von der Qualität der Applikation ab (Bhojani und Lingeman 2013). Anders als bei der relativ einfachen Handhabung des Dornier HM3 mit komplettem Wasserbad und aufwändigem, aber komfortablem doppeltem Bildwandlersystem, sind Ankopplung mittels Wasserkissen und Steinortung durch drehenden, meist isozentrischen Röntgen-C-Bogen komplizierter geworden.

Ankopplung

Bei Verwendung von Wasserkissen ist deren Ankopplung auf die Haut entscheidend. Es besteht die Gefahr, dass sich Luftblasen im Kopplungsgel befinden, die im Steinmodel eine bis zu 43 %ige Schwächung der Stoßwellenwirkung zur Folge haben (Rassweiler et al. 2013). Unter Verwendung einer Spezialkamera im Stoßwellenkopf (Abb. 8) konnte gezeigt werden, dass in 67 % der Fälle die Ankopplung insuffizient war. Für eine sachgemäße blasenfreie Ankopplung sollte das Koppelgel am besten aus dem Container verwendet werden und angewärmt sein, um dessen Viskosität zu senken. Außerdem muss beachtet werden, dass das Koppelgel/-öl unter Umständen die Membran des Wasserkissens beschädigen kann.
Anwendungsrichtlinien zur Optimierung der Stoßwellenapplikation
Steinortung :
  • Beachtung des Verlaufs des Stoßwellenfokus auf dem Bildschirm der jeweiligen Ortungsmodalität
  • Dokumentation des Ausgangsbefunds
  • Bei starker Atemverschieblichkeit der Niere, ggf. Nierengurt
Ankopplung:
  • Rasieren der Haut im Bereich der Ankopplung
  • Gewärmtes Ultraschallgel (niedrigere Viskosität)
  • Applikation des Gels aus Container (nicht schütteln)
  • Ausreichende Menge gut auf Koppelkissen verteilen, ggf. Kontrolle der Ankopplungsqualität (Ultraschall, Kamera)
Stoßwellenapplikation
  • Langsames Ansteigen der Generatorspannung (Ramping)
  • Gute Analgesie (geringe Atemexkursionen)
  • Bei Problemsteinen niedrige Stoßwellenfrequenz (1 Hz)

Ortung und Therapiekontrolle

Stein e müssen während der Stoßwellenapplikation zuverlässig geortet werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass etwa 30 % der Stoßwelle den Nierenstein gar nicht trifft (Sorensen et al. 2012). Dies liegt an der Atembeweglichkeit der Niere. Anästhesiologische Verfahren wie die „high frequency ventilation (HFV)“ haben sich klinisch wegen des Aufwandes nicht durchgesetzt, ebenso wenig wie über einen Brustgürtel gesteuerte Verfahren der Atemtriggerung (Rassweiler et al. 2013). Die Atembeweglichkeit kann durch einen im Rahmen des Ausscheidungsurogramms eingesetzten Kompressionsgürtel reduziert werden (Abb. 9a). Entscheidend ist auch eine gute Sedierung des Patienten, beziehungsweise eine schmerzfreie Behandlung mit entsprechend minimalen Atemexkursionen (Abschn. 5.1). Hier hilft auch der große Fokus nur bedingt, da die laterale Ausdehnung auch nur maximal 10–12 mm beträgt (Tab. 3). Ist der Stein mit Ultraschall zu orten, kann die Duplex-Sonografie sehr gut die Trefferquote darstellen (Abb. 9b).
Wichtig
Ohne Zweifel stellt die Röntgenortung die 1. Wahl dar, insbesondere da sie weitgehend untersucherunabhängig ist.
Hier werden von den Herstellern unterschiedliche halb automatische Ortungssysteme angeboten, die heute meist auf einem isozentrischen Röntgen-C-Bogen basieren (Abb. 10). Der Patient muss auf der Liege vorpositioniert werden und dann erfolgt die Feinortung nur durch Anklicken des Steins auf dem Durchleuchtungsbild (Abb. 11a). Hierbei bietet die In-line-Ortung durch den Stoßwellenkopf den Vorteil der geringsten Strahlenbelastung für den Patienten (Abschn. 5.1). Weitere Methoden zur Reduktion der Strahlenbelastung stellt der Einsatz von optischer und akustischer Navigation (Storz-Medical, EDAP-Technomed, AST) dar (Abb. 11b, c).
Ultraschallortung hat den Vorteil der fehlenden Strahlenbelastung im Real-time-Modus, wobei theoretisch der In-line-Ultraschall am besten ist, da beide Schallwellen denselben Weg beschreiben (Abb. 12a). Mit Ultraschall können die Qualität der Ortung, Trefferquote und Fortschritt der Desintegration bestimmt werden. Im Fall der lateralen Ultraschallortung kann die Abweichung bis zu 5 mm betragen (Abb. 12b).

Stoßwellenfrequenz und Wahl der Stoßwellenergie

Am Dornier HM3 erfolgte die Stoßwellenapplikation EKG-getriggert teilweise mit Doppelpulsstrategie, um Extrasystolen zu vermieden (Fuchs et al. 1985). Dies ist bei der Ankopplung über Wasserkissen nicht mehr erforderlich, sodass meist eine Frequenz von 90–120 Hz eingesetzt wird. Vor allem beim Problemstein (z. B. kleiner Unterkelchstein) konnte jedoch gezeigt werden, dass eine Reduktion der Frequenz auf 60–80 Hz bessere Ergebnisse zeigte. Dies beruht einerseits darauf, dass bei hohen Frequenzen kavitationsinduzierte Luftblasen entstehen, die nicht mehr ausreichend Zeit haben, sich zu verteilen und damit die ankommende nächste Stoßwelle abschwächen. Andererseits steigt mit der Frequenz der Anteil der Fehltreffer.
Sowohl experimentell als auch klinisch konnte gezeigt werden, dass ein langsamer Anstieg der gewählten Generatorspannung (Stoßwellenenergie), das sog. Ramping eine bessere Fragmentation bei geringerem Nierentrauma bewirkt (Lambert et al. 2010; Abschn. 5.1). Dies liegt in erster Linie daran, dass die niederenergetische Stoßwellenapplikation (100 SW bei 12 kV) zu geringeren Schmerzen (bessere Analgesie mit geringeren Atemexkursionen) und einer renoprotektiven Vasokonstriktion der Nierengefäße führt. Außerdem reicht für die initiale Fragmentierung ein geringerer Stoßwellendruck, während im Rahmen des Aufbrechens des Steines (dynamische Ermüdung) höhere Energien günstig sein können. Anders ist dies beim Harnleiterstein, welcher sofort mit hohen Energien behandelt werden kann (Tab. 4).
Tab. 4
Vergleich der klinischen Ergebnisse der verschiedenen Lithotriptorengenerationen (mod. nach Rassweiler et al. 2013)
Lithotriptor
Harnleitersteine (%)
Steine >2 cm (%)
Re-ESWL (%)
Auxilläre Maßnahmen (%)
Steinfreiheitsrate (%)
Effektivitätsquotient (EQ)
Pre
Post
Kurativ
1. Generation
Dronier HM3
        
- USA-Studie
13
14
16
 
8
5
66
0.53
- Stuttgart
17
13
14
10
14
3
73
0.57
- Berne (mod HM3)
32
k. A.
6
2
1
4
75
0.67
2. Generation
Dornier HM3+
31
15
16
22
5
1
75
0,61
Dornier HM4
25
k. A.
18
23
2
3
85
0,65
Piezolith 2000
23
17
45
15
14
3
72
0,45
3. Generation
Lithostar Plus
37
9
27
33
9
6
85
0,63
Modulith SL 20
34
6
28
31
7
3
84
0,62
Dornier MPL 9000X
31
k. A.
21
14
4
5
89
0,69
Dornier Compact
26
k. A.
18
9
7
1
86
0,69
Compact Delta
23
5
49
20
3
6
70
0,44
Aktuelle Lithotriptoren
Dornier Litho S
30
9
13
2
8
2
87
0,71
Siemens multiline
34
9
25
8
6
2
78
0,56
Siemens Lithoskop
41
k. A.
36
18
2
2
83
0,59
Modulith SLX-F2
33
k. A.
11
2
3
3
64
0,55
Modulith SLX-F2
27
k. A.
12
2
6
4
76
0,63
Sonolith Vision
k. A.
3
17
19
5
2
78
0,63
Piezolith 3000
42
k. A.
20
27
7
12
84
0,60
Piezolith 3000
18
k. A.
2
9
2
9
64
0,57
k. A.: keine Angaben

Adjuvante Maßnahmen

Die Rolle der ESWL ändert sich, was auch einen Einfluss auf die möglichen auxiliären Maßnahmen hat (Tab. 4). So ist die retrograde Mobilisation von Harnleitersteinen praktisch aufgegeben worden, da man in solchen Fällen nun entweder eine Harnleiterschiene legt oder den Stein ureteroskopisch behandelt (Miernik et al. 2012). In diesem Zusammenhang bestehen zwar erste positive Erfahrungen mit der sog. Notfall-ESWL (z. B. ESWL eines akuten Harnleitersteins), sie konnte sich aber bisher nicht breit durchsetzen. Demgegenüber hat sich vor allem die Gabe von Tamsulosin zur Förderung der Fragmentabgangs und verbesserter Steinfreiheitsraten (15–20 %) auch in randomisierten Studien bewährt (Zheng et al. 2010).

Komplikationen und Nebenwirkungen

Im Wesentlichen muss man zwischen intra-, peri- und postoperativen Komplikationen bzw. Nebenwirkungen unterscheiden. Bezüglich der direkt mit der Stoßwellenapplikation verbundenen Nebenwirkungen sind neben Hautläsionen (Ekchymosen), die je nach Stoßwellenquelle und Qualität der Ankopplung in 5–35 % auftreten können, natürlich das stoßwelleninduzierte Nierentrauma zu nennen (Skolarikos et al. 2006). Selten kann es auch zu einem Milz- oder Leberhämatom kommen (Abb. 13).

Experimentelle Grundlagen des stoßwelleninduzierten Nierentraumas

Hierzu sind zahlreiche experimentelle Studien erfolgt, die gezeigt haben, dass folgende Nierenläsionen dosisabhängig (Energiefluxdichte ) differenziert werden können (Rassweiler et al. 1993): Das Nierenparenchym wird zunächst im Bereich der Gefäße und Tubuli geschädigt, beginnend mit Läsionen der medullären Venolen (Grad-I-Läsion). Danach kommt es zu einer Ruptur der kortikalen Arteriolen (Grad-II/III-Läsion). Der Traumamechanismus ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass hierbei vor allem kavitationsbedingte Zugkräfte im Parenchym und Gefäßen eine Rolle spielen (Rassweiler et al. 2013).

Intraoperative Komplikationen

Eine Nierenblutung bis hin zum subkapsulären Hämatom kommt in bis zu 4 % der Behandlungen vor. Allerdings erfordert dies nur selten eine chirurgische Intervention (Skolarikos et al. 2006). Ursprünglich galt die Antikoagulationstherapie eines möglichen Patienten als Kontraindikation einer ESWL. Jüngere Studien konnten allerdings zumindest für eine Behandlung unter Acetylsalicylsäure keine statistisch signifikant erhöhte Hämatomrate nachweisen. Dennoch sind vor allem kleine Unterkelchsteine mit einem erhöhten Blutungsrisiko behaftet. Andere stoßwelleninduzierte Komplikationen sind selten: So wurden gastrointestinale Blutungen bis hin zur Kolonperforation und Duodenalerosion in 1,8 % beobachtet.

Postoperative Komplikationen

Frühkomplikationen nach ESWL beruhen meist auf Problemen des Fragmentabgangs – im Extremfall mit der Formation einer Steinstraße. Die kann meist mit Spasmoanalgetika behandelt werden. In 2–8 % muss eine Harnleiterschiene oder eine perkutane Nephrostomie gelegt werden. In 2–10 % ist sogar eine ureteroskopische Fragmententfernung erforderlich. Eine Bakteriämie findet sich in weniger als 14 %, wobei das Risiko einer Urosepsis unter 1 % liegt.
Cave
Der unbehandelte Harnwegsinfekt stellt dementsprechend eine Kontraindikation dar.

Langzeitkomplikationen

Jeglicher kausale Zusammenhang zwischen der ESWL und der Entwicklung einer Hypertonie oder eines Diabetes mellitus konnte letztendlich nicht belegt werden (Krambeck et al. 2011). Auch die Reduktion der Spermiendichte nach Stoßwellenbehandlung von distalen Harnleitersteinen erwies sich nur als reversibel.

Klinische Ergebnisse und Vergleich

Betrachtet man die gerade überarbeiten Leitlinien der EAU (Türk et al. 2012), so ist die ESWL in erster Linie bei folgenden Situationen indiziert:
  • Elektive ESWL von Nierensteinen bis 1,5 cm, vor allem auch bei Kindern. Größer Steine sollten mittels PCNL (perkutane Nephrolithotomie) therapiert werden.
  • (Notfall)-ESWL von gut einstellbaren Harnleitersteinen bei Patienten ohne Entzündungszeichen, alle anderen Harnleitersteine sollten mit URS (mit oder ohne Harneiterschiene) therapiert werden.
  • ESWL von Reststeinen nach PCNL.
Hierbei kann die computertomografische Messung der Steindichte hilfreich zur Beurteilung der Erfolgsaussichten der ESWL sein: Zwar ist mit der Steindichtemessung außer im Falle von Zystin- und Harnsäuresteinen keine sichere Diagnose der Steinzusammensetzung möglich, aber bei HU (Hounsfield-Unit) kleiner als 970 liegt die Steinfreiheitsrate bei 96 % versus nur 38 % bei HU über 970 (Ouzaid et al. 2012). Wichtig ist aber auch, die Ergebnisse unterschiedlicher Lithotriptoren zu vergleichen.

Methoden des Vergleichs

Der sog. Effektivitätsquotient (EQ) ermöglicht einen relativ einfachen Vergleich der Leistungsfähigkeit eines Lithotriptors bzw. der ESWL im Allgemeinen. Dabei wird davon ausgegangen, dass alle Patienten idealerweise in einer Sitzung ohne Auxiliärmaßnahmen steinfrei werden sollten (EQ =1,0).
$$ \mathrm{EQ}=\frac{steinfreie\ Patienten\ \left(\%\right)}{100\%+\mathit{\operatorname{Re}}- SWL\;\left(\%\right)+ Auxili\ddot{a} rma\mathrm{\ss} nahmen\ \left(\%\right)} $$
Dabei sollten sowohl Auxiliärmaßnahmen vor als auch danach berechnet werden (Rassweiler et al. 1992).

Aktueller Vergleich der Ergebnisse unterschiedlicher Lithotriptoren

Vergleicht man frühe Serien mit neueren Studien, sieht man deutlich, dass sich die Anzahl der Harnleitersteine erhöht hat bei gleichzeitiger Abnahme größerer Steine (Tab. 4). Es existieren nur wenige randomisierte Studien. Die Berner Klinik (Zehnder et al. 2011) verglich den größeren Fokus des Modulith SLX-F2 mit einem modifizierten Dornier HM3, wobei die Steinfreiheitsrate (81 % vs. 90 %) zu Gunsten des Dornier HM3 war, was sich auch im EQ niederschlug. Andererseits konnte mit dem kleineren Fokus des Modulith SL20 schon Steinfreiheitsraten von 85 % erzielt werden und es wurden sogar Steinfreiheitsraten von über 97 % mit dem Modulith SLX-F2 ohne Unterschied der beiden Fokusgrößen berichtet.
Betrachtet man unter all diesen Gesichtspunkten die vorliegenden Resultate (Tab. 4), so kann man folgenden Trend beobachten (Lorber et al. 2010; Knoll et al. 2011; Rassweiler et al. 2013):
  • Die Anzahl von Auxiliärmaßnahmen vor ESWL hat abgenommen, wohl zugunsten der primären endourologischen Behandlung (URS, PCNL).
  • Der Anteil an Harnleitersteinen ist aber immer noch hoch (18–41 %).
  • Die Wiederbehandlungsraten schwanken erheblich (6–49 %), wobei diese sich zwischen elektrohydraulischer (6–21 %) und elektromagnetischer (11–49 %) bzw. piezoelektrischen (20–45 %) Stoßwellenquellen unterscheiden. Dies mag aber auch von Behandlungskonzepten und verwendeten Applikationsparametern (Frequenz) abhängen.
  • Steinfreiheitsraten nach 3 Monaten liegen zwischen 64 % und 89 %.
Man sieht aber auch, welchen entscheidenden Einfluss die Qualität und Erfahrung des Operateurs hat: Der beste EQ von 0,69 wurde mit einem elektromagnetischen Gerät von einem sehr erfahrenen Zentrum berichtet, welcher sonst zwischen 0,49 und 0,60 liegt. Nimmt man einen EQ von 0,50 als Benchmark (Dornier HM3), sieht man, dass dies mit allen Gerätetypen realisiert werden kann. Das bedeutet aber auch, dass 50–60 % der Patienten erfolgreich mit einer Sitzung ESWL behandelt werden können.

Perspektiven der ESWL

Jüngste Studien zur Steindesintegration belegen die Bedeutung der Fokusgröße, um alle Mechanismen der primären Fragmentation (Druck- und Scherkräfte, quasi-statische Kompression [Quetschen, Squeezing], Bersten durch Druckerhöhung im Inneren [Spalling], Kavitation) im Sinne einer dynamischen Kompression (Quetschen, Dynamic Squeezing) optimal auszunutzen. So ermöglicht nur ein ausreichend großer Fokus das mit dem Nussknacker vergleichbare Quetschen. Hier könnten die bisher nur in China im klinischen Einsatz befindliche selbstfokussierende elektromagnetische Stoßwellenquelle (Xinin XX-ES), aber auch neuere elektrohydraulische Lithotriptoren (Lithogold 380) interessant werden:
  • Sie haben eine axiale Fokusgröße von 18–20 cm.
  • Sie arbeiten mit deutlich niedrigeren Stoßwellendrucken (20–30 MPa).
  • Im Steinmodell sind sie zumindest gleichwertig zu Dornier HM3 und Lithoskop.
  • Im Tiermodell fanden sich praktisch keine Nierenläsionen.
  • Klinisch ist die Applikation in über 90 % ohne Anästhesie möglich.
  • Erste Studien in Europa haben aber schon die Probleme der Handhabung, insbesondere was das Ortungssystem anbelangt gezeigt. Ein weiteres Potenzial könnte in der Steigerung der Effektivität von existierenden Stoßwellenquellen liegen (Abb. 14):
  • durch Kombination von elektrohydraulischer Stoßwellenquelle (Unterwasserelektrode) mit piezoelektrischen oder hochenergetischen Schallwellen (Rassweiler et al. 2013),
  • durch Modifikation des Linsensystems elektromagnetischer Stoßwellenquellen (Rassweiler et al. 2013).
Ein vielversprechender Ansatz für die Zukunft der ESWL stellt die „BURST“ Stoßwelle da. Es handelt sich hierbei um drei piezoelektrisch fokussierte Ultraschallwandler, welche mit Frequenzen von 10–100 Hz sinusoidale Pulswellen erzeugen können und so in kürzester Zeit eine verbesserte Steinfragmentierung erreicht werden kann. In einem Schweinemodell konnte bereits eine Fragmentierung der Steine ohne relevante Nierenparenchymläsionen gezeigt werden. Erste klinische Versuche zeigen eine erfolgreiche Steinfragmentierung in einer Sitzung unter 10 Minuten (Harper et al. 2020).
Ein ähnlicher Ansatz verfolgt die elektrohydraulische Hochfrequenz-Stoßwelle, welche durch eine Modifikation des Ladegenerators (Zündkerze) eine schnelle Pulsfolge erzeugt und so Frequenzen von bis zu 100 Hz erreichen kann. Der Unterschied zur BURST Stoßwelle ist vor allem, dass die gleiche Pulsamplitude in schnellerer Abfolge dazu führt, dass die Gesamtdosis schneller appliziert werden kann. Keine sinusoidale Wellen wie bei der BURST. Erste Modellversuche zur Steinfragmentierung zeigen kleinste Fragmente in kürzester Zeit. Ebenso konnte in einem Modell mit der perfundierten Schweineniere keiner relevanten Nierenparenchymläsionen dargestellt werden (Rassweiler et al. 2020).
Es bleibt abzuwarten, ob sich eine dieser neuen Techniken durchsetzt.
Schließlich muss sich die ESWL auch dem veränderten Anforderungsprofil anpassen (Lorber et al. 2010). Hier ist es keinesfalls gegeben, dass die Therapie des Harnleitersteins eine Domäne der Endourologie (DJ-Anlage [Doppel-J-Anlage] und URS) darstellt. Es sind schon erste Ansätze einer Notfall-ESWL publiziert worden. Hier ist der diensthabende Arzt zwar vielleicht etwas länger am Patienten gebunden als bei der DJ-Anlage. Der Aufwand ist aber deutlich geringer (kein Anästhesist, kein Instrumentarium etc.). Somit sollte die Harnleiterschienung nur für Fälle mit möglichen septischen Komplikationen verbleiben.
In diesem Zusammenhang sollte man aber auch betonen, dass die Hersteller sicherlich die multifunktionellen Einsatzmöglichkeit des Lithotriptors, z. B. Lithoskop technisch gut gelöst haben.
Allerdings konnte selbst nach 30 Jahren Entwicklungsarbeit der ideale Lithotriptor noch nicht entwickelt werden. Eigentlich sollte es klar sein, dass ein solches Gerät eine hohe desintegrative Effektivität mit minimalen Nebenwirkungen verbinden sollte. Wichtig ist, dass die ESWL keinesfalls von Assistenzpersonal durchgeführt werden sollte.
Wichtig
Es handelt sich bei der ESWL um ein hoch technisiertes Verfahren, das physikalisches Basiswissen erfordert und damit integraler Bestandteil des urologischen Curriculums bleiben muss!

Zusammenfassung

Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) mit Dornier HM3 sehr erfolgreich, basierend auf:
  • elektrohydraulischer Stoßwellenquelle mit relativ großem Fokus (16 × 100 mm),
  • Ankopplung über komplettes Wasserbad,
  • Behandlung in Periduralanästhesie oder Vollnarkose.
Weiterentwicklung der Lithotriptoren fokussiert folgende Aspekte:
  • einfache Ortung, auch mit Ultraschall,
  • Behandlung in i.v.-Analgesie,
  • multifunktioneller Arbeitsplatz,
  • langlebige, meist elektromagnetische Stoßwellenquellen,
  • Ankoppelung über Wasserkissen.
Vergrößerung der Apertur des Stoßwellensystems ermöglichte schmerzarme Applikation, führte aber zwangsläufig zur deutlich kleineren Fokusgröße bei deutlich erhöhten Stoßwellendrucken. Nachteilige Entwicklung für die ESWL:
  • Zahl der Harnleitersteine mit Notfallsituation (Kolik) hat sich verdoppelt,
  • Interesse an ESWL stark gesunken, sowohl was Engagement und Wissen der Ärzte, als auch die Patienten anbelangt
Qualität der endoskopischen Instrumente entscheidend verbessert. Für jungen Assistenzarzt attraktiver, URS durchzuführen als ESWL. ESWL trotzdem verantwortungsvolle Behandlungsalternative für Patienten, wenn instrumentelle Therapie erspart werden soll.
Applikationsparameter von Bedeutung:
  • Steinortung: Beachtung des Verlaufs des Stoßwellenfokus auf Bildschirm, bei starker Atemverschieblichkeit der Niere ggf. Nierengurt.
  • Ankopplung: Rasieren der Haut im Bereich der Ankopplung, gewärmtes Ultraschallgel (niedrigere Viskosität), Applikation des Gels aus Container (nicht schütteln), ausreichende Menge gut auf Koppelkissen verteilen, Kontrolle der Ankopplungsqualität (Ultraschall, Kamera).
  • SW-Applikation: langsames Ansteigen der Generatorspannung (Ramping), gute Analgesie (geringe Atemexkursionen), bei Problemsteinen niedrige Stoßwellenfrequenz (1 Hz).
Häufig behauptet, dass Desintegrations- und Steinfreiheitsrate des Dornier HM3 unübertroffen ist; tatsächlich durch Einsatz des Wasserkissens etwa 15 % der Stoßwellenenergie absorbiert, aber entscheidender korrekte Ankopplung. Bei exakter Ausführung, können mit elektromagnetischen Stoßwellenquellen praktisch identische Ergebnisse gemessen am Effizienzquotienten EQ zum HM3 erzielt werden. Patienten kann mit >90 %iger Sicherheit garantiert werden, dass Fragmente komplikationslos, ohne Koliken abgehen.
Zahl der Wiederbehandlungen hat trotz „verbesserter“ Stoßwellenquellen zu genommen (von 6–14 % auf 11–36 %). Kleine Fokusgrößen mit entsprechend hohen Stoßwellendrucken sind problematisch:
  • Fehlerrate an Treffern auf Grund der Atembeweglichkeit der Niere und des oberen Harnleiters höher.
  • Mindestdruck zur Desintegration von Harnsteinen bei etwa 20 MPa, hohe Drucke (100 MPa) allenfalls bei impaktierten Steinen sinnvoll.
  • Hohe Drucke erhöhen das Risiko von Nierenhämatomen.
Jüngste Studien zur Steindesintegration belegen Bedeutung der Fokusgröße, um alle Mechanismen der primären Fragmentation (Druck- und Scherkräfte, quasi-statisches Quetschen, Bersten durch Druckerhöhung im Inneren, Kavitation) im Sinne eines dynamischen Quetschens optimal auszunutzen. Nur ausreichend großer Fokus ermöglicht das mit dem Nussknacker vergleichbare Quetschen.
Perspektiven der ESWL:
  • Da Hersteller Problem der multifunktionellen Einsatzmöglichkeit des Lithotriptors (z. B. Lithoskop) sehr gut technisch gelöst haben, ist Vision der ESWL-lastigen Steinbehandlung vorstellbar:
  • elektive ESWL von Nierensteinen bis 1,5 cm, größer Steine sollten mittels PCNL therapiert werden,
  • Notfall-ESWL von gut einstellbaren Harnleitersteinen bei Patienten ohne Entzündungszeichen, alle anderen Harnleitersteine sollten mit DJ und URS therapiert werden.
  • ESWL von Reststeinen nach PCNL.
ESWL sollte keinesfalls von Assistenzpersonal durchgeführt werden: hoch technisiertes Verfahren, das physikalisches Basiswissen erfordert und integraler Bestandteil des urologischen Curriculums bleiben muss!
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