Skip to main content

Agarosegelelektrophorese

Verfasst von: R. Westermeier
Agarosegelelektrophorese
Synonym(e)
Agarose-Elektrophorese
Englischer Begriff
agarose gel electrophoresis; agarose electrophoresis
Definition
Verfahren zur Auftrennung von geladenen Substanzen, z. B. Proteinen oder Nukleinsäuren, im elektrischen Feld. Dabei verwendet man Agarosegel als stabilisierendes Medium. Wegen der unterschiedlichen Ladungen und/oder Molekülgrößen ergeben sich unterschiedliche Wanderungsgeschwindigkeiten der Probenbestandteile; es bilden sich Zonen der Einzelsubstanzen aus.
Physikalisch-chemisches Prinzip
Das Polysaccharid Agarose wird aus roten Meeresalgen gewonnen, wobei geladene Agaropektinanteile so weit wie möglich entfernt werden. Mit abnehmendem Anteil an Sulfat- und Carboxylgruppen steigt die Trennqualität. Die Porengrößen der Gele werden durch den prozentualen Anteil an Agarose in der Gießlösung definiert. Die entsprechende Menge an Agarosepulver (je nachdem 0,5–1 %) wird mit dem – meist basischen – Elektrophoresepuffer aufgekocht und vermischt. Das heiße Sol wird in eine Glaskassette pipettiert oder auf einer Glasplatte ausgegossen. Beim Abkühlen entsteht eine Gelschicht mit guter mechanischer Stabilität.
Normalerweise wird ein basischer Puffer um pH 8 verwendet, die Moleküle sind dann negativ geladen und wandern zur Anode. Proteine, deren isoelektrische Punkte (s. isoelektrischer Punkt) höher sind als der pH-Wert des Puffers, wandern in Richtung Kathode. Zur Beobachtung der Elektrophorese werden geladene Farbmarker zur Probe hinzugemischt: Bromphenolblau für Proteine, Xylencyanol für Nukleinsäuren.
Agarosegele üben auf Proteine fast keine, auf Nukleinsäurefragmente aber hohe Siebwirkung aus. Bei der elektrophoretischen Wanderung von Proteinen ist die Mobilität daher abhängig vom Ladungszustand, bei der Trennung von Nukleinsäuren von der Molekülgröße.
Im Allgemeinen werden Agarosegele in Horizontalapparaturen verwendet. Fertige Agarosegele für Proteine sind meist auf eine Trägerfolie aufpolymerisiert und lassen sich auf einfache Weise in die Trennkammer einlegen (Abb. 1). Die Proteinproben werden entweder über Lochmasken appliziert, oder man erzeugt beim Gießen der Gele Probenschlitze mithilfe eines „Kammes“. Nukleinsäuren werden über Probenschlitze aufgetragen.
Die Trennzeiten für Proteine sind aufgrund der nichtrestriktiven Wanderung relativ kurz, meist weniger als eine Stunde. Bei Nukleinsäuren hingegen ergeben sich häufig Trennzeiten von mehreren Stunden. Weil Agarosegele stets noch Reste von geladenen Sulfat- und Carboxylgruppen enthalten, werden Agarosegele für Nukleinsäurentrennungen mit einer Pufferschicht bedeckt (Abb. 1). Dies verhindert das partielle Austrocknen des Gels wegen Elektroendosmose.
Der Nachweis von Proteinzonen erfolgt über Amidoschwarz-, Coomassieblau- oder Silberfärbung. Für Lipoproteine gibt es spezielle Farbstoffe wie Sudanschwarz. Nukleinsäuren werden mit Ethidiumbromid oder SYBRGreen nachgewiesen. Die gefärbten Proteinzonen werden mit einem Densitometer optisch vermessen. Damit kann man die Zonen quantifizieren und Rückschlüsse auf bestimmte Erkrankungen ziehen.
Einsatzgebiet
Mit der differenziellen Elektrophorese von Liquor und Serumproteinen werden oligoklonale IgGs detektiert (Liquor-Agarosegelelektrophorese). Mit der Hämoglobinelektrophorese werden abnorme Hämoglobinvarianten detektiert. Bei der Urinproteinelektrophorese werden aufgrund der Proteinmuster Proteinurien in tubuläre, glomeruläre und gemischte klassifiziert.
Die Isoenzyme der Kreatinkinase, Laktatdehydrogenase und der alkalischen Phosphatase (Phosphatase, alkalische) aus Serum werden in Agarosegelen aufgetrennt und mit spezifischen aktiven Färbungen detektiert. Die Nukleinsäurenelektrophorese wird weniger im Routinelabor, aber vermehrt in Zentrallaboratorien von Kliniken zur DNA-Fragmentanalyse, z. B. zur Typisierung von Mikroorganismen, Genetik, Forensik, durchgeführt.
Untersuchungsmaterial
Seren, konzentrierte Liquores und konzentrierte Sammelurine.
Für Agarosegelelektrophoresen von Nukleinsäuren werden mit PCR amplifizierte DNA-Fragmente appliziert.
Instrumentierung
Proteinelektrophorese:
  • Elektrophoresekammer
  • Stromversorger
  • Färbeschalen
Nukleinsäurenelektrophorese:
  • Elektrophoresekammer
  • Stromversorger
  • Färbeschalen
  • UV-Leuchttisch
  • Polaroid, Digitalkamera oder Videoimager
Spezifität
Die mit allgemeinen Proteinfärbetechniken detektierten Banden werden durch ihre Position im typischen Elektrophoresemuster im Elektropherogramm und Densitogramm identifiziert. Dies basiert auf Erfahrungswerten. Höhere Spezifität erreicht man durch immunologische Nachweise oder Enzymnachweise mit Substratlösungen im Gel.
Sensitivität
Im Agarosegel liegt die Empfindlichkeit der Amidoschwarz-Färbung bei ca. 1 μg, der Coomassie-Färbung bei ca. 100 ng und der Silberfärbung bei ca. 1 ng pro Bande. Mit Ethidiumbromid kann man ca. 5 ng DNA nachweisen, SYBRGreen hat etwa die zehnfache Empfindlichkeit.
Fehlermöglichkeit
Bei der Selbstherstellung von Agarosegelen bestehen viele Fehlerquellen, wie z. B. falsches Einwiegen von Agarosepulver, Verwenden von Agarose mit falscher Elektroendosmose oder zu hohem Wasseranteil, zu kurzes Aufkochen, mechanische Belastung der Agarosemoleküle durch Mischer, ungleichmäßige Gelschicht, falsche Pufferzusammensetzung. Die Elektrophoreseergebnisse können dadurch erheblich in ihrer Qualität eingeschränkt bzw. sogar völlig unbrauchbar sein. Dies kann weitestgehend durch Verwendung von kommerziellen Systemen aus Fertiggelen und Pufferlösungen vermieden werden.
Praktikabilität – Automatisierung – Kosten
Fertiggele, Färbekits und automatisierte Elektrophoresesysteme für die klinisch-chemischen Anwendungen erleichtern den Aufwand bei der Durchführung von Elektrophoresen erheblich. Auch die Densitometersteuerungs- und -auswertungsprogramme führen zu einer höheren Qualität und Arbeitsentlastung bei der Gelauswertung.
Literatur
Le Carrer D (1994) Elektrophorese & Immunfixation von Proteinen. Die Interpretation von Versuchsergebnissen mit zahlreichen Trennbeispielen. SA Sebia, Paris
Martin R (1996) Elektrophorese von Nucleinsäuren. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg