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Endotoxin-Reaktivität

Verfasst von: T. Stief
Endotoxin-Reaktivität
Synonym(e)
Lipopolysaccharid; LPS
Englischer Begriff
lipopolysaccharide; LPS
Definition
LPS (Fragmente der äußeren Membran gramnegativer Bakterien) oder β(1 → 3)-D-Glukan (β-Glukan; Fragmente der Membran von Pilzen) sind Toxine für die Monozyten des menschlichen Blutes. Pathologische Konzentrationen an freiem Endotoxin zerstören Monozyten, die Zelltrümmer (freie DNA, Phospholipide, Tissue Factor) aktivieren die Gerinnung („first hit“). Pathologische Thrombinaktivität in Plasma entsteht („second hit“), die systemisch zirkulierende Mikrothrombi erzeugt, was zum Organversagen führen kann.
Untersuchungsmaterial
EDTA-Plasma (gegebenenfalls Citratplasma).
Präanalytik
Proben sollten frisch sein (<2 h alt, gelagert bei Raumtemperatur) oder eingefroren.
Analytik
Methode der Wahl ist die funktionelle Bestimmung der Endotoxin-Reaktivität mit einem chromogenen Limulus-Test. Die Limulus-Krabbe hat ein kaskadenartiges Proteinasensystem, das dem menschlichen Gerinnungssystem ähnelt. Freies LPS aktiviert Limulus-Faktor-C (FC) zu FCa. FCa aktiviert Limulus-Faktor-B zu FBa, FBa aktiviert Limulus-FA zu FAa. FAa ist vergleichbar dem menschlichen Thrombin und wandelt Limulus-Coagulogen in Cogulin um, vergleichbar der Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin. β-Glukan aktiviert Limulus-Faktor-G zu FGa, der (wie FBa) FAa generiert. Im chromogenen Limulus-Test wird Coagulogen durch ein niedermolekulares pNA-Substrat für FAa (z. B. Ile-Glu-Gly-Arg-pNA) ersetzt. Der Test kann als hyperboler Einstufentest oder vorzugsweise als linearer Zweistufentest durchgeführt werden. Wird der Limulus-Test in Anwesenheit von Polymixin B durchgeführt, so werden bis zu 1000 ng/ml LPS-Reaktivität inhibiert (Schwerstkranke wie z. B. Patienten mit Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom haben bis zu ca. 100 ng/ml LPS-Reaktivität), und diese Testversion wird spezifisch für β-Glukan.
Antithrombin-3 ist ein bedeutender Störfaktor bei der Messung der Endotoxin-Limulus-Kaskade (Faktor Ca, Faktor Ba, Faktor Ga, Faktor Aa): um die Lipopolysaccharid- oder β(1 → 3)D-Glukan Reaktivität im EDTA-Plasma zu quantifizieren, muss AT-3 durch starke (Singlet-Oxygen-freisetzende) Oxidation mittels Chloramin zerstört werden.
Referenzbereich
0,8 ± 0,2 ng/ml LPS-Reaktivität; <0,1 μg/ml β-Glukan-Reaktivität.
Reaktivität ist diejenige Aktivität von LPS oder β-Glukan, die entsteht, wenn ein LPS-/β-Glukan-freies Plasma mit dieser Menge an reinem LPS oder β-Glukan supplementiert wurde (Additionskalibration).
Indikation
  • Sepsisdiagnostik (schnell, in weniger als 1 h)
  • Quantifizieren des Ausmaßes der Erregerinvasion
  • Erfolgskontrolle einer antimikrobiellen Therapie
Interpretation
Intensivpflichtige Patienten mit schwerer Sepsis haben meist >5 ng/ml LPS-Reaktivität oder >0,5 μg/ml β-Glukan-Reaktivität; ca. ein Drittel dieser Patienten haben eine gramnegative Sepsis, ein Drittel eine Pilzsepsis und ein Drittel eine Kombination aus gramnegativer und fungaler Sepsis.
Diagnostische Wertigkeit
Endotoxin-Reaktivität ist ein sehr wichtiger Parameter zur Beurteilung eines systemischen Infektes mit gramnegativen oder fungalen Erregern. Der Test kann auch mit Liquor durchgeführt werden, allerdings muss Liquor 1:10 mit Normalplasma verdünnt werden, damit die Testmatrix Plasma ist (Test ist standardisiert auf EDTA-Plasma; im Limulus-Reagenz befinden sich Magnesiumionen im Überschuss, um das EDTA zu neutralisieren).
Literatur
Stief TW (2006) Thrombin generation by exposure of blood to endotoxin – a simple model to study DIC. Clin Appl Thromb Hemost 12:137–161CrossRefPubMed
Stief TW (2008) Determination of active endotoxin in plasma. Hemost Lab 1:41–52
Stief TW, Max M (2008) Active endotoxin in sepsis. Hemost Lab 1:53–60