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Surfaktantfaktor

Verfasst von: H. Fiedler
Surfaktantfaktor
Synonym(e)
Antiatelektasefaktor; Surfaktantproteine (SP)
Englischer Begriff
pulmonary surfactant factor
Definition
Surfaktant ist ein Oberflächen-aktiver Lipoproteinkomplex, der in den Pneumozyten II aus Phospholipiden und Proteinen im Verhältnis 10:1 gebildet, zunächst in Lamellarkörperchen gespeichert und dann in den Alveolarraum sezerniert wird. Dort wird das sezernierte Surfaktant in das tubuläre Myelin und schließlich in eine Surfaktantschicht umgewandelt.
Beschreibung
Surfaktant besteht zu ca. 90 % aus Lipiden, davon zur Hälfte aus Dipalmitoylphosphatidylcholin (Lecithin) und zu ca. 40 % aus weiteren Phospholipiden und Sphingomyelin. Die Proteine (total ca. 10 %) setzen sich zusammen aus Plasmaproteinen (ca. 50 %), den hydrophoben Surfaktantproteinen B (SP B, 9 kDa) und C (SP C) sowie den hydrophilen Surfaktantproteinen A (SP A) und D (SP D), die zur Collectinfamilie gehören und auch immunologische und regulatorische Funktionen besitzen. Surfaktant senkt die Oberflächenspannung und den Eröffnungsdruck kleiner Alveolen, erhöht die Lungencompliance und verhindert den Alveolenkollaps am Ende der Ausatmung sowie die Bildung hyaliner Membranen. Da sich die Oberfläche der Alveolen bei Ein- und Ausatmung vergrößert bzw. verkleinert, ändert sich auch die Belegung der Oberfläche mit Surfaktant und verhindert dadurch Atelektasen oder Gewebsschädigung.
Die Surfaktantbildung beginnt ab der 28. Schwangerschaftswoche (SSW) und ist erst in der 34./35. SSW für die Beatmung des Neugeborenen ausreichend. Durch fetale Atembewegungen gelangt Surfaktant ins Fruchtwasser und kann durch deren Punktion für Messungen gewonnen werden. Ohne oder bei zu wenig Surfaktant fallen bei Frühgeburten die Alveolen zusammen, es kommt zum „newborn respiratory distress syndrome“ (Prävalenz ca. 50 % bei Frühgeburten in der 28.–33. SSW). Schädigung oder erhöhten Verbrauch von Surfaktant findet man bei Diabetes der Mutter, bei Infektionen und Sepsis (auch bei Erwachsenen) und Langzeitanwendung hoher Sauerstoffkonzentrationen (Lorrain-Smith-Effekt bei Tauchern und hyperbarer Sauerstofftherapie). Beim adulten Atemnotsyndrom (ARDS) wird außerdem Surfaktant durch Proteine im Alveolarraum inaktiviert bzw. in Fibrin und hyaline Membranen eingeschlossen. Mutationen können zu einer intrazellulären SP-B-Defizienz führen, wodurch die Reifung von SP C verhindert wird und aberrante SP-Formen in den Alveolen abgelagert werden.
Die Lungenreife der Feten kann durch Messung von Surfaktant im zentrifugierten (2 Minuten bei 400 g) Fruchtwasser (s. Amnionflüssigkeit) geprüft werden:
  • Schaumtest (obsolet).
  • FLM-II-Test: Der FLM-II-Test (FLM = „fetal lung maturity“) prüft die Bindung eines synthetischen Fluoreszenzfarbstoffs an Albumin und Surfaktant mittels der Fluoreszenzpolarisation (Albumin hohe, Surfaktant niedrige Bindung). Berechnet wird die Surfaktant-Albumin-Ratio. Ausreichende Lungenreife ist wahrscheinlich bei >50 mg Surfaktant/g Albumin.
  • Amniostat-FLM prüft das Vorkommen von Phosphatidylglyzerin.
  • Zählung der Lamellarkörperchen.
Bei drohender Frühgeburt kann die Surfaktantproduktion durch Glukokortikoidgabe angeregt bzw. extrahiertes oder künstlich hergestelltes Surfaktant zugeführt werden. Künstliches Surfaktant ist in der WHO Model List of Essential Medicines (2015) enthalten.
Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz haben einen erhöhten pulmonalen mikrovaskulären Druck, der die alveolokapilläre Schranke schädigt und den Übertritt von SP B ins Blut ermöglicht. Die erhöhten Plasmakonzentrationen geben Hinweise auf den Schweregrad und korrelieren weitgehend mit den Pro-NT-Brain natriuretic peptide Konzentrationen und den NYHA-Stadien der Herzinsuffizienz. SP A und D werden wegen ihrer Bedeutung für die Bakterienabwehr und die Entwicklung von interstitiellen und chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) intensiv untersucht. Bei der pulmonalen alveolären Proteinose kommt es zur Akkumulation von Surfaktant in den Alveolen mit Dyspnoe, Husten und Gewichtsverlust. Als Ursache konnten Autoantikörper gegen „granulocyte macrophage colony-stimulating factor“ nachgewiesen werden.
Literatur
Akiki Z, Fakih D, Jounblat R et al (2016) Surfactant D, a clinical biomarker for chronic obstructive pulmonary disease with excellent discriminant values. Exp Ther Med 11:723–730CrossRef
DePasquale CG, Anolda LF, Doyle IR et al (2004) Plasma surfactant protein B. A novel biomarker in chronic heart failure. Circulation 110:1091–1096CrossRef
Sorensen GL, Husby S, Holmskov U (2007) Surfactant protein A and surfactant protein D variation in pulmonary disease. Immunbiology 212:381–416CrossRef
Waner RR (2005) Surfactanttherapie. Grundlage, Diagnostik, Therapie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart