Stellenwert der Diagnostik
Unter dem Begriff Plasmaproteine werden die Proteine des Blutplasmas und der interstitiellen Flüssigkeit verstanden, die unter physiologischen Bedingungen eine konstante Verteilung in beiden Flüssigkeitsräumen haben. Nicht dazu gezählt werden z. B.
Enzyme, Hormone oder
Gerinnungsfaktoren. Bis auf wenige Ausnahmen (vgl. Tab.
1) werden die Plasmaproteine überwiegend in den Hepatozyten synthetisiert, modifiziert (häufig zu Glyko-, teilweise zu
Lipoproteinen) in Vesikeln des Golgi-Apparates gespeichert und durch Exozytose in den extrazellulären Raum geleitet. Durch verschiedene Prozesse (
Diffusion, Pinozytose, interzelluläre Brücken) verteilen sich die Plasmaproteine kontinuierlich von der interstitiellen Flüssigkeit (40 % der Plasmaproteine in ca. 8 l Extrazellulärwasser) in die Blutbahn (60 % der Plasmaproteine in ca. 3 l Blutplasma) und umgekehrt, wobei die Verteilung u. a. vom Molekulargewicht der Proteine abhängig ist.
Tab. 1
Diagnostisch relevante Plasmaproteine (Notfalldiagnostik fett markiert)
Protein, total (Gesamtprotein) | | Dysproteinämie, Verlauf |
Albumin | Leber | Abklärung von Ödemen und Dysproteinämien, Verlaufsbeurteilung bei Lebererkrankungen Hyperalbuminämien kommen nicht vor, klinisch bedeutsam sind Hypoalbuminämien Viele Medikamente binden an Albumin, Hypoalbuminämien können hier zu einer Erhöhung der pharmakologischen Wirkung führen |
| | Verdacht auf Mangelernährung |
Alpha-1-Antitrypsin (α1-AT) | Leber (aber auch von Monozyten und Granulozyten) | Verdacht auf hereditären Mangel (z. B. bei Lungenemphysem Erwachsener) Genetische Varianten mit Punktmutationen verursachen Mangel an α1-AT |
| Leber | Kupfer-(Cu-)oxidierendes Enzym Funktion: Bindung von Cu und Transport ins Gewebe Verminderung von Cp bei M. Wilson, Menkes-Erkrankung oder Cu-Mangelernährung Akute-Phase-Protein (CRP [C-reaktives Protein] mitbestimmen!) |
Haptoglobin (HP), Hemopexin (HX) | Leber | HP: Diagnostik und Verlaufsbeurteilung von hämolytischen Erkrankungen Akute-Phase-Protein HX: Abschätzung des Ausmaßes der Hämolyse, wenn HP unter den Messbereich gesunken ist |
Transferrin (Trf) | Leber | Marker des Eisenstoffwechsels Eisentransportprotein Negatives Akute-Phase-Protein Bestimmung bei Verdacht auf Funktionseisenmangel und zur Ermittlung der Transferrinsättigung (Fe und CRP mitbestimmen) |
| Leber | Alkoholmarker (chronisch) CDT besteht aus Disialo- und Asialotransferrin Erhöhte Werte bei 50–80 g Alkohol/Tag an mindestens 7 aufeinanderfolgenden Tagen Diagnostische Spezifität >90 % |
| | Antikörpermangel, Allergie |
| Plasmazellen | U. a. Subklassenmangel |
C-reaktives Protein (CRP) | Leber | Entzündungsmarker Klassisches Akute-Phase-Protein zur Diagnostik einer Inflammation (Maximalwert nach 48 Stunden, Abfall mit einer Halbwertszeit von 48 Stunden) Daneben Marker einer „low grade inflammation“ (hs-CRP) zur Risikostratifizierung der koronaren Herzkrankheit |
| Plasmazellen | Verdacht auf Kryoglobulinämie im Zusammenhang mit einer bei Kälteexposition auftretenden Symptomatik Kryoglobuline sind Immunglobuline, die bei <37 °C Komplexe bilden und präzipitieren Blutentnahme muss im vorgewärmten (37 °C) Röhrchen erfolgen, Probentransport ebenso |
| | Protein des Komplementsystems Mangel an C1-INH führt zur unkontrollierten Aktivierung des klassischen Wegs |
Plasmaproteine haben einerseits wichtige unspezifische Aufgaben (Erhaltung des kolloidosmotischen Druckes, Transport anderer Substanzen), anderseits haben einzelne Plasmaproteine sehr spezifische Funktionen (z. B. in der Infektabwehr,
Akute-Phase-Proteine, das Komplementsystem,
Antikörper).
Die größte Fraktion der Plasmaproteine stellt mit 50–60 % des Gesamtproteins im Blutplasma das
Albumin dar. Veränderungen der Albuminkonzentration bzw. der Immunglobulinkonzentration gehen immer mit Veränderungen der Gesamtproteinkonzentration einher, die bereits in einer Serumelektrophorese sichtbar sind. Hingegen verursachen Veränderungen anderer Plasmaproteine (sofern isoliert auftretend) keine messbaren Abweichungen in der Gesamtproteinkonzentration.
Die Proteinanalytik ermöglicht es, Dysproteinämien, d. h. Störungen der unter physiologischen Bedingungen sehr gleichmäßigen Plasmaproteinzusammensetzung, zu erkennen sowie gezielt einzelne Plasmaproteinkonzentrationen zu bestimmen. Eine Rolle spielt die Proteinanalytik somit bei Verdacht auf Störungen des Proteinstoffwechsels (angeborenen oder erworbene Defekte der Proteinbiosynthese bzw. des Proteinabbaus, Verteilungsstörungen in der Zelle oder im Organismus, Proteinverluste über Darm oder Niere). Des Weiteren kommen Proteinbestimmungen zum Einsatz bei Entzündungen (Entzündungsmarker bzw.
Akute-Phase-Proteine), Lebererkrankungen (z. B. Leberinsuffizienz bei
Leberzirrhose), Zuständen mit Proteinverlust (z. B.
nephrotisches Syndrom), Erkrankungen des lymphoplasmozytären Systems (z. B. Plasmozytom), Autoimmunerkrankungen, Störungen des
Wasserhaushalts, Proteinmangelzuständen oder Schwangerschaft.
Material und Präanalytik
Die Analyse von Plasmaproteinen kann in
Serum und
Plasma erfolgen. Die
Serumelektrophorese wird wiederum, wie der Name schon sagt, ausschließlich mit Serum (Cave: Störfaktor Hämolyse) durchgeführt, da
Fibrinogen bei dieser Methode Schwierigkeiten in der Interpretation verursachen würde (Vortäuschung eines Extragradienten in der Elektrophorese, Gefahr einer Verwechslung mit dem sog. M-Gradienten beim Plasmozytom). Bedingt durch die Molekülgröße und die Häufigkeit des Fibrinogens sind die
Gesamtproteinwerte (TP) im Serum niedriger als im Plasma. Die
Probennahme sollte im Liegen erfolgen, da bis zu 10 % höhere Werte bei
Blutentnahme in aufrechter Körperhaltung gemessen werden. Bei Patienten mit
Ödemen zeigt sich derselbe Effekt aufgrund einer Verringerung des Intravasalvolumens. Aktive Muskelarbeit (vor der Blutentnahme) sowie eine Stauung >3 Minuten verursachen ebenso höhere Proteinwerte (TP).
Albumin und Gesamtprotein sind sehr stabil in der Blutprobe, bei Lagerung des
Serums/Plasmas bei 4 °C bis zu 1 Monat. Andere Plasmaproteine sollten möglichst am Abnahmetag bestimmt werden. Ist dies nicht möglich, ist die Lagerung bei 4 °C bzw. ein Einfrieren bei −80 °C empfohlen (nicht bei −20 °C). Bei Infusionstherapien ist zu beachten, dass proteinartige Infusionsbestandteile (z. B. Polydextrane und Zuckerlösungen) bei der Bestimmung von Gesamtprotein zu falsch hohen
Messwerten (10–25 % höher) führen können.