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Thrombozytenaggregation und -aktivierung

Verfasst von: T. Stief
Thrombozytenaggregation und -aktivierung
Synonym(e)
Plättchenaggregation und -aktivierung; Thrombozytenfunktionstest
Englischer Begriff
platelet aggregation
Definition
Aggregation ist die Verklumpung von aktivierten Thrombozyten über die Ausbildung von Fibrinogenbrücken, die durch die Bindung von Fibrinogen an den aktivierten Thrombozyten-Rezeptor GPIIb-IIIa (αIIbβ3) entstehen.
Beschreibung
Die Thrombozytenaggregate bilden sich durch Aktivierung von GPIb-IX-V, insbesondere aber von GPIIa-IIIa (αIIbβ3). αIIbβ3 bindet nicht nur Fibrinogen, Fibrin (Heparin und Heparinoide), sondern auch Von-Willebrand-Faktor (VWF), Fibronektin, Vitronektin und Thrombospondin. Aktivierte Thrombozyten ändern ihre Konformation („shape change“) von diskoid glatt („Rugby-Ball“) zu Pseudopodien-ausbildend.
Agonisten wie ADP (Adenosin-5’-Diphosphat) und Thrombin etc. bewirken ein sogenanntes Inside-out-Signaling oder Integrinaktivierung, die zu einer Konformationsänderung des αIIbβ3-Heterodimers führen, sodass die Fibrinogenbindungsdomäne exponiert wird und der aktivierte Rezeptor nun auch Fibrinogen binden kann. Inside-out-Signaling kann durch eine Vielzahl von Agonisten, die an ihre Rezeptoren in der Plättchenmembran binden, ausgelöst werden. Weitere Agonisten-Beispiele Adrenalin (Epinephrin), Thromboxan A2, Bindung von Kollagen an GPVI oder GPIa-IIa und die Bindung von VWF an GPIb-V-IX unter hohem Scherstress. Die Serin-Threoninkinase Proteinkinase C (PKC) und die Phosphatidylinosid-3OH-Kinase (PI3K) sind wesentliche Second Messenger in der Aktivierung des αIIbβ3-Integrins.
Thrombin ist der potenteste Aktivator der Thrombozyten in vivo. Der „proteinase-activated receptor 1“ (PAR1) ist aufgrund seines Expressionslevels (ca. 2000 Kopien pro Plättchen) und Sensitivität für Thrombin der primäre thrombozytäre Rezeptor für Thrombin. Thrombin spaltet den Rezeptor zwischen den Aminosäureresten Arg41 und Ser42, wodurch ein neuer N-Terminus entsteht, der Ligandenfunktion hat. Ein Peptid aus den ersten 5 Aminosäureresten des neuen N-Terminus („thrombin receptor activator peptide“ = TRAP) imitiert die gleiche Aktivierung des Rezeptors wie die Spaltung durch Thrombin.
Die Signaltransduktion erfolgt über heterotrimere G-Proteine (Gi). Stimulation von Plättchen mit Thrombin (<10 IE/ml) in vitro bewirkt Phosphoinositol-Hydrolyse durch Phospholipase C (PLC), Thromboxan-A2-(TXA2-)Bildung, Erhöhung des freien zytosolischen Ca2+ und Hemmung der Adenylatzyklase, wodurch die Bildung von cAMP unterdrückt wird.
Thrombozyten haben α2-adrenerge Rezeptoren, die die Adenylatzyklase hemmen und die Thrombozytenaggregation verstärken können. Die PLC – Aktivierung ist von der Bildung von TXA2 abhängig und kann durch Aspirin unterdrückt werden.
ADP wird in den dichten Granula („dense granules“) zusammen mit Serotonin (5-HAT) und ATP gespeichert. Bei der Aktivierung der Thrombozyten wird der Inhalt der Speicherpools freigesetzt. ADP bindet an 2 Rezeptortypen: P2X (Kationenkanal-gekoppelt; Ca2+ abhängig) und P2Y (G-Protein-gekoppelt).
Drei verschiedene Rezeptoren können direkt an Kollagen binden: α2β1 (GPIa-IIa), GPVI und GPIV (CD36). GPVI scheint der wichtigste signaltransduzierende Kollagenrezeptor zu sein. Kollagen aktiviert Thrombozyten über PLC (Phosphoinositol-Hydrolyse), TXA2-Bildung und Erhöhung des freien zytosolischen Ca2+. Zyklooxygenase-Inhibitoren verzögern die Antwort der Thrombozyten auf Kollagen.
Nach der Aktivierung der Thrombozyten durch TXA2 steigt die zytosolische Konzentration an Ca2+ als Kombination aus Freisetzung von Ca2+ aus dem dichten Tubularsystem („dense tubular system“) und durch Einstrom durch die Plasmamembran an. Letzterer wird nach Bindung von ADP an den PX2-ADP-Rezeptor (einem ligandengesteuerten Kationenkanal) reguliert. Die Freisetzung von Ca2+ aus dem dichten Tubularsystem hingegen ist von der Aktivierung von Inositol-1,4,5-Triphosphat-Rezeptoren abhängig. Durch die Mobilisierung von freiem Ca2+ wird die Phospholipase A2 aktiviert, die die Freisetzung von Arachidonsäure aus den Phospholipiden der Plättchenmembran (Phosphatidylcholin, Phosphatidylserin, Phosphatidylinositol) katalysiert. Die Zyklooxygenase (COX-1) oxidiert Arachidonsäure zu den Zwischenprodukten Prostaglandin (PG) PGG2 und PGH2. Aus den Zwischenprodukten bildet die Thromboxansynthase Thromboxan A2. Aspirin hemmt COX-1 irreversibel durch Acetylierung eines Serinrestes am C-Terminus. Indomethacin und andere nicht steroidale Antiphlogistika hemmen COX-1 ohne kovalente Modifizierung des Enzyms.
Seit seiner Einführung durch Gustav Born im Jahr 1962 ist die In-vitro-Thrombozytenaggregation ein wichtiger Test zur Quantifizierung von Funktionsstörungen der Thrombozyten. Thrombozyten-angereichertes Plasma (Citratblut zentrifugiert für 15 min bei 150 g) wird in einer Küvette zwischen eine Lichtquelle und eine Photozelle platziert und definierte Mengen an Aggreganzien werden zugesetzt (Born-Test). Wenn die Thrombozyten aggregieren, steigt die Lichtdurchlässigkeit an und wird mit einem angeschlossen Schreiber erfasst. Das Probenmaterial sollte nicht älter als 2 h sein. Die wichtigsten Aggreganzien sind: ADP, Kollagen, Arachidonsäure, Adrenalin, Thrombin, Ristocetin. Wichtiges Antiaggregans ist „singlet (spin state) molecular oxygen“ (wird von dem Neutrophilenprodukt Taurin-Chloramin generiert).
Die Inaktivierung der Thrombozytenaggregation durch Singulett-Sauerstoff-generierendes Chloramin T ist in der nachfolgenden Abbildung dargestellt. 400 μl Plättchen-reiches Plasma (PRP; 15 min Zentrifugation bei 150 g) wurden mit 50 μl Chloramin T (0–2 mM finale Konzentration) für 10 min bei 37 °C inkubiert. Dann wurden 50 μl ADP (20 mM finale Konzentration) zugesetzt, und die Thrombozytenaggregation nach 3 min wurde durch einen PAP-4-Analyzer (BioData) gemessen (VK <5 %). Die ungefähre IC50 (50 % „inhibitory concentration“) beträgt 0,9 mM Chloramin. Außer der optischen Erfassung der Thrombozytenaggretation kann diese auch über eine Änderung der Impedanz sogar im Vollblut gemessen werden.
Literatur
Kehrel BE (2003) Blutplättchen: Biochemie und Physiologie. Hamostaseologie 4:149–158
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