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Yersinia enterocolitica

Verfasst von: W. Stöcker
Yersinia enterocolitica
Englischer Begriff
Yersinia enterocolitica
Beschreibung des Erregers
Familie: Enterobacteriaceae; Gattung: Yersinia (Y.).
Die zur Familie der Enterobacteriaceae gehörende Gattung Yersinia umfasst derzeit 14 Spezies. Obligat humanpathogen sind Y. pestis, Y. pseudotuberculosis und Y. enterocolitica. Die Spezies Y. enterocolitica bildet eine heterogene Gruppe von pathogenen und apathogenen Stämmen, die in über 60 verschiedene Serovare subdifferenziert werden können.
Mikroskopisch stellen sich die Bakterien als gramnegative, kokkoide bis pleomorphe, meist alkalistabile, psychrophile (kälteliebende) Kurzstäbchen mit mono- bis peritricher Begeißelung dar.
Erkrankungen
Y. enterocolitica ist weltweit in den gemäßigten und subtropischen Klimazonen verbreitet. Das Bakterium kommt bei vielen warmblütigen Wild-, Heim-, und Nutztieren im Darm (selten Rachen), in ihren Ausscheidungen sowie in der Umwelt vor. Schweine stellen das wichtigste Reservoir für die menschliche Infektion dar. Die Infektion erfolgt über nicht ausreichend erhitzte tierische Produkte, hauptsächlich rohes Schweinefleisch und Milch. Auch kontaminierte Blutkonserven sowie der direkte Umgang mit Schweinen oder Haustieren stellen ein Infektionsrisiko dar.
Die durch pathogene Y.-enterocolitica-Stämme hervorgerufene enterale Yersiniose des Menschen stellt in Deutschland eine der häufigsten bakteriell bedingten Magen-Darm-Infektionen dar (3364 Fälle im Jahr 2010). Sekundär können extraintestinale, immunologisch bedingte Reaktionen, wie Erythema nodosum, Uveitis, reaktive Arthritis (Morbus Reiter), Glomerulonephritis, Thyreoiditis oder Myokarditis auftreten.
Zur Prophylaxe einer Infektion sind in erster Linie die Einhaltung hygienischer Standards bei der Lebensmittelherstellung und -zubereitung zu nennen. Die Behandlung einer akuten Infektion beschränkt sich in der Regel auf symptomatische Maßnahmen wie den Ersatz der Flüssigkeits- und Salzverluste, die durch das Erbrechen und den Durchfall entstehen. Als unterstützende Maßnahmen können Medikamente eingesetzt werden, die das Erbrechen hemmen oder die Darmtätigkeit beeinflussen. In schweren Fällen kann bei positivem Erregernachweis eine Antibiotikatherapie erfolgen (Breitspektrum-Cephalosporin plus Aminoglykosid).
Analytik
Der Erregernachweis erfolgt durch die Anzucht aus Stuhl und nicht fäkalen Proben wie Blut oder Biopsien auf selektiven Nährmedien. Bei einer zu geringen Anzahl an Bakterien in der Probe wird zunächst eine Kälteanreicherung (4 °C, 1–3 Wochen) durchgeführt. Aufgrund der Heterogenität innerhalb der Spezies sind die biochemische Bestätigung und Biotypisierung sowie die serologische Pathogenitätsbestimmung der Isolate zur Identifikation virulenter Stämme wichtig. Der direkte Erregernachweis mit molekularbiologischen Methoden (Polymerase-Kettenreaktion) gewinnt zunehmend an Bedeutung, insbesondere weil die Pathogenitätsgene auf diesem Wege mit identifiziert werden können. Allerdings ist auch hier wegen der Begleitflora zunächst eine selektive Anzucht von Vorteil.
Eine Yersinien-Infektion induziert die Bildung spezifischer Serumantikörper der Immunglobulinklassen IgA, IgG und IgM (s. Immunglobuline), für deren Nachweis ein auf Virulenzfaktoren (Yop D, E, H, M) basierender Immunblot, Immunfluoreszenztest (Immunfluoreszenz, indirekte) und Enzymimmunoassay eingesetzt werden. Weitere Nachweisverfahren sind Komplementbindungsreaktion und Widal-Reaktion. Yersiniosen sind nach § 7 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz meldepflichtig.
Untersuchungsmaterial – Probenstabilität
Kultur und PCR: Stuhl, Blut, Biopsie, Lymphknotenabstrich.
Serologie: Serum oder Plasma für den Nachweis der Antikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg. Zur Tiefkühlkonservierung des IgM kann man den Proben 80 % gepuffertes Glyzerin beifügen.
Diagnostische Wertigkeit
Für die Diagnose einer akuten Infektion mit Yersinia enterocolitica ist der direkte Erregernachweis im Stuhl die Methode der Wahl. Der Antikörpernachweis wird hauptsächlich zur Abklärung von Yersinien-assoziierten Folgeerkrankungen, vor allem der reaktiven Arthritis, eingesetzt.
Literatur
Robert-Koch-Institut Berlin, Epidemiologisches Bulletin, 13. Februar 2012 / Nr. 6. Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health. Yersiniose-Risikofaktoren in Deutschland
Tschäpe H, Reissbrodt R, Prager R (2009) Yersinia ssp. In: Neumeister B, Geiss HK, Braun RW, Kimmig P (Hrsg) Mikrobiologische Diagnostik, 2. Aufl. Thieme, Stuttgart/New York, S 454–457