Allgemeine Behandlungsrichtlinien
Die Behandlung einer
Herzinsuffizienz oder ventrikulärer Rhythmusstörungen erfolgt – unabhängig von der auslösenden Ursache – immer symptomatisch nach allgemeinen evidenzbasierten Richtlinien (Hunt et al.
2009).
Bei fulminanten Erkrankungsverläufen ist eine konsequente intensivmedizinische Behandlung und Überwachung erforderlich (McCarthy et al.
2000). Konservativ nicht stabilisierbare Patienten mit rasch progredienter
Herzinsuffizienz oder medikamentös bzw. katheterinterventionell nicht beherrschbaren Arrhythmien müssen frühzeitig in ein kardiochirurgisches Zentrum (Assist-Anlage, ggf.
Herztransplantation) verlegt werden.
Stabile Patienten mit aktiver Myokarditis sollten engmaschig überwacht werden, solange akute myokardiale Schädigungszeichen (fluktuierende ST-Streckenveränderungen oder erhöhte CK-MB-/Troponinwerte) vorliegen. Nach deren Normalisierung ist während des stationären Aufenthaltes eine Monitorüberwachung sinnvoll. Werden Patienten mit myokardbioptisch ausgeprägter Entzündung (aktive oder Borderline-Myokarditis, >50–100
Lymphozyten/mm
2) und höhergradig eingeschränkter systolischer LV-Funktionsstörung (LV-EF <30–35 %) mit der Maßgabe einer absoluten körperlichen Schonung nach Hause entlassen, ist eine vorübergehende antiarrhythmische Absicherung mittels LifeVest über drei Monate anzuraten. Permanente ICD-Implantationen sollten wegen der hohen Spontanverbesserungsrate zunächst zurückhaltend eingesetzt werden (McCarthy et al.
2000). Fundierte oder gar evidenzbasierte Daten liegen für diese Vorsichtsmaßnahmen nicht vor; allerdings treten immer wieder fatale Rhythmusereignisse auf, ohne dass diese aus den Befundkonstellationen absehbar gewesen wären.
Therapieschemata
(Therapieschemata für nachfolgende Erkrankungen siehe Tab.
2)
Riesenzellmyokarditis: Wegen der sehr ernsten kurz- und langfristigen Prognose mit rasch progredienter Myokardschädigung ist eine sofortige Immunsuppression unmittelbar nach Diagnosestelleng durch Myokardbiopsie erforderlich (Schultheiss et al.
2011; Cooper et al.
2008). Bei Rezidiven ist eine lebenslange niedrigdosierte Immunsuppression notwendig.
Eosinophile Myokarditis und granulomatöse Entzündungen (z.B.
Sarkoidose): Aufgrund oft rascher Progression der
Herzinsuffizienz ist eine schnelle Immunsuppression innerhalb weniger Tage nach Diagnosestellung notwendig. In der Regel besteht gutes Ansprechen auf die Behandlung, in Einzelfällen ist eine Dauertherapie erforderlich.
Akute lymphozytäre Myokarditis: Es ist bisher nicht bekannt, ob Patienten mit aktiver lymphozytärer Myokarditis von einer frühen Behandlung profitieren (Schultheiss et al.
2011). Aufgrund fehlender Daten gibt es bisher keine spezifischen Behandlungsempfehlungen (Mason et al.
1995; Stanton et al.
2008).
Chronisch subakute Myokarditis und entzündliche Kardiomyopathie: Eine chronische Entzündung sollte nur antientzündlich behandelt werden, wenn eine Viruspersistenz myokardbioptisch sicher ausgeschlossen wurde (Frustaci et al.
2003). Virusnegative chronisch postinfektiös und autoimmun getriggerte Entzündungsprozesse sprechen, wie auch die Begleitentzündungen bei Systemerkrankungen, gut auf eine sechsmonatige Immunsuppression mit Kortison und Azathioprin an, wobei die erreichbaren Verbesserungen von der myokardialen Vorschädigung abhängen (Frustaci et al.
2009). Die TMIC-Studie belegt nicht nur den günstigen Therapieeffekt, sondern auch den myokardschädigenden Einfluss der unbehandelten chronischen Entzündung (Frustaci et al.
2009). Da nicht alle Patienten innerhalb von sechs Monaten auf die Behandlung ansprechen, sollte zur Beurteilung des Behandlungserfolges eine Biopsiekontrolle erfolgen.
Immunadsorption: Durch Entfernung kardiodepressiver
Autoantikörper kann der Verlauf einer antikörperassoziierten autoimmunen Entzündung günstig beeinflusst werden. Zur Vermeidung von Infekten werden nach Behandlungsende die adsorbierten
Immunglobuline durch Gabe von 0,5 mg/kg KG polyklonales IgG ersetzt. Eine Verbesserung der LV-Funktion wird bei ca. 60 % der behandelten Patienten erreicht. Durch Genexpressionsanalysen aus dem Myokardgewebe ist es möglich, bereits vor Behandlung Responder und Non-Responder zu unterscheiden (Ameling et al.
2013). Aktuell läuft eine europaweite randomisierte Behandlungsstudie mit der Frage, welche Patientengruppen von dieser neuen Behandlungsstrategie am ehesten profitieren.
Akute Virusinfektionen: Antivirale Medikamente, die in der frühen Infektionsphase die primäre rezeptorvermittelte Infektion kardialer Zellen inhibieren (z. B. Pleconaril, WIN 54954) sind zum Biopsiezeitpunkt mit manifester Gewebeinfektion nicht mehr effektiv. Daten zur antiviralen Behandlung akuter Myokardinfektionen liegen nicht vor.
Chronische Virusinfektionen: Ziel der Behandlung einer chronischen Myokardinfektion ist es, Virusreplikation und Virusausbreitung zu verhindern und durch eine rasche Viruselimination Myokardschäden gering zu halten.
Entero- und Adenovirusinfektionen des Myokards: Eine sechsmonatige Interferon-β-Behandlung führt bei chronisch viralen
Kardiomyopathien zur Viruselimination mit klinischer Verbesserung bei ca. 65 % der behandelten Patienten (Kuehl et al.
2012; Kühl et al.
2003). Die Langzeitprognose und die 10-Jahres-Mortalitätsrate werden durch die frühzeitige Therapie signifikant verbessert (Kuehl et al.
2012).
Erythrovirus-/Parvovirus-B19: Vaskulotrope Erythroviren werden durch Typ-1-Interferone (IFN-α/β) nur inkomplett eliminiert, profitieren klinisch aber von der Replikationshemmung mit konsekutiver Verbesserung der Endothelfunktion (Schmidt-Lucke et al.
2010). Erste Daten einer Pilotstudie zeigen, dass dies auch mit anderen Replikationshemmern (z. B. Thymidinanaloga) erreicht werden kann.
HHV6A/B: Medikamente, die zu einer effektiven Elimination von Herpesvirus Typ 6 (HHV6) aus befallenen Endothelzellen, Kardiomyozyten oder interstitiellen Zellen führen, stehen in der Klinik nicht zur Verfügung. Bei symptomatischen reaktivierten HHV6-Infektionen, insbesondere bei ciHHV6-Infektionen, beobachtet man, ähnlich wie bei reaktivierten Erythroviren, einen Rückgang der kardialen Beschwerdesymptomatik durch eine Replikationshemmung mit Ganciclovir (Pellet et al.
2012; Kuehl
2015).
Immunglobuline: Abgesehen von akuten Parvovirusinfektionen bei Kindern liegen bisher keine validen Daten für einen positiven Effekt bei der Behandlung akuter oder chronischer Myokarditiden vor.