Lernziele
- können Sie die wichtigsten genetischen Ursachen der verminderten Fertilität benennen.
- können Sie auffällige Spermiogrammbefunde möglichen genetischen Störungen zuordnen.
- verstehen Sie die Bedeutung von balancierten Chromosomenumbauten für spätere Schwangerschaften.
- wissen Sie, wie die gestörte Ovarialfunktion im Zusammenhang mit dem Fragiles-X-Syndrom zu beurteilen ist.
- können Sie genetisch-diagnostische Algorithmen bei ungewollter Kinderlosigkeit nach klinischen Vorbefunden ableiten.
Einleitung
- Konsequenzen für den Erfolg einer ART-Behandlung,
- spezifische ärztliche Vorsorge- bzw. Behandlungsmaßnahmen oder
- Risiken in Bezug auf schwere Erkrankungen, Entwicklungsstörungen oder Behinderungen bei künftigen Kindern
Genetische Ursachen von verminderter Fertilität
Genetische Ursachen für Fertilitätsstörungen beim Mann
Nichtobstruktive Spermatogenesestörungen
Mikrodeletionen des Y-Chromosoms
Chromosomenveränderungen
Spermiogrammbefund | Anteil der Patienten mit Chromosomenveränderungen in % (Konfidenzintervall) |
---|---|
Azoospermie (n = 1599) | 15,4 (13,6–17,2 %) |
Oligozoospermie <1 Mio./ml (n = 539) | 3,0 (1,5–4,4 %) |
Oligozoospermie >1–5 Mio./ml (n = 475) | 2,1 (0,8–3,4 %) |
Oligozoospermie >5–10 Mio./ml (n = 879) | 3,5 (2,3–4,7 %) |
Oligozoospermie >10–20 Mio./ml (n = 808) | 1,1 (0,4–1,8 %) |
Normozoospermie >20 Mio./ml (n = 729) | 2,9 (1,7–4,1 %) |
Normalbevölkerung | 0,3–0,5 % |
Monogene Spermatogenesestörungen
Obstruktive Azoospermie und zystische Fibrose
Endokrine Störungen
Klinefelter-Syndrom und hypergonadotroper Hypogonadismus
Hypogonadotroper Hypogonadismus
Genetische Ursachen für Fertilitätsstörungen bei der Frau
Ovulatorische Dysfunktion
Endokrine Funktionsstörungen
Hypergonadotroper Hypogonadismus/Turner-Syndrom
Fragiles-X-Syndrom, FMR1-Prämutationen
Hypogonadotroper Hypogonadismus
Hyperandrogenämie/adrenogenitales Syndrom
Balancierte Chromosomenveränderungen bei der Frau
Therapieoptionen im Falle eines balancierten Chromosomenumbaus bei einem Partner
Empfehlungen anderer Fachgesellschaften
Foresta et al. 2002 (Italien; [32]) | ACOG 2005/2015 (USA; [33]) | RCOG 2013 (England; [34]) | SOGC 2014 (Kanada; [35]) | ASRM 2015 (USA; [36]) | |
---|---|---|---|---|---|
Untersuchungen beim Mann | |||||
Karyotypisierung | Empfohlen | Nicht empfohlen | Empfohlen | Empfohlen bei nichtobstruktiver Azoospermie, Oligozoospermie <5 Mio./ml | Keine Angaben |
Y‑Mikrodeletions-Analyse | Empfohlen bei Oligozoospermie <10 Mio./ml | Empfohlen bei Oligozoospermie <5 Mio./ml | Nicht empfohlen | Empfohlen bei nichtobstruktiver Azoospermie, Oligozoospermie <5 Mio./ml | Empfohlen bei nichtobstruktiver Azoospermie, Oligozoospermie <5 Mio./ml |
CFTR-Analyse | Empfohlen bei CBAVD | Empfohlen bei CBAVD | Empfohlen bei CBAVD | Empfohlen bei obstruktiver Azoospermie | Empfohlen bei CBAVD/CUAVD/bilateraler Nebenhodenobstruktiona |
KAL1-Analyse | Empfohlen bei Azoospermie mit nHH/KS | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. |
Untersuchungen bei der Frau | |||||
Karyotypisierung | Empfohlen | k. A. | Empfohlen | k. A. | k. A. |
FMR1-Prämutation | Empfohlen bei Verdacht auf POI und „poor responder“ | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. |
KAL1-Analyse | Empfohlen bei nHH/KS | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. |
CFTR-Analyse | Empfohlen | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. |
Fazit für die Praxis
-
Genetische Ursachen sind für 10–20 % der männlichen und 5–10 % der weiblichen Infertilität verantwortlich.
-
Der wichtigste genetische Risikofaktor für den Erfolg einer assistierten Reproduktion ist das mütterliche Alter.
-
Bei 10–15 % der Männer mit nichtobstruktiver Spermiogenesestörung liegen Störungen der Geschlechtschromosomen und balancierte Chromosomenumbauten vor.
-
Mikrodeletionen des Y‑Chromosoms werden bei etwa 2 % der Männer mit Azoospermie nachgewiesen.
-
CFTR-Mutationen führen zur obstruktiven Azoospermie und zystischen Fibrose.
-
Häufigste genetische Ursache des hypergonadotropen Hypogonadismus beim Mann ist das Klinefelter-Syndrom, bei der Frau ist es das Turner-Syndrom.
-
Frauen mit primärer Ovarialinsuffizienz weisen zu etwa 2 % bei Fällen ohne familiäre Häufung und zu 10–15 % bei familiärer Häufung eine Prämutation im FMR1-Gen auf.
-
Beim seltenen kongenitalen hypogonadotropen Hypogonadismus (CHH) sind Mutationen in zahlreichen CHH-Genen ursächlich.
-
Bei ungeklärter Infertilität eines Paars ist eine Chromosomenanalyse sinnvoll, um eine balancierte Chromosomenstörung eines Partners aufzudecken, aus der sich für die pränatale Diagnostik Konsequenzen ergeben.