17.09.2008 | Geschichte der Medizin | Originalien
Zwangssterilisation bei erblicher Taubheit im Dritten Reich
Auswirkung auf die wissenschaftliche Diskussion innerhalb der HNO-Ärzteschaft
verfasst von:
Dr. V. Weichbold, P. Zorowka
Erschienen in:
HNO
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Zusammenfassung
Hintergrund
Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (Deutschland: 1934; Österreich: 1940) verfügte die Zwangssterilisation u. a. bei erblicher Taubheit. Die Ärzte waren verpflichtet, bekannte Fälle zu melden und an der Feststellung der Erbbedingtheit mitzuwirken.
Methode
Anhand der Durchsicht von 3 deutschsprachigen HNO-Journalen der Jahrgänge 1934–1944 wurde die fachliche Diskussion zu Fragen des Nachweises der Erbtaubheit analysiert.
Ergebnis und Diskussion
Das Ergebnis zeigt eine intensive, nicht unkritische Behandlung des Themas. Einige HNO-Ärzte treten als „Protagonisten“ des eugenischen Programms bei Hörgestörten in Erscheinung, indem sie es durch Publikationen und Vorträge unterstützen. Ihnen stehen „Skeptiker“ gegenüber, die – ohne die Zwangssterilisierung explizit abzulehnen – vor einer leichtfertigen Vollzugspraxis warnen. Es scheint, dass die „Skeptiker“ durch die Betonung der Unsicherheit des Erblichkeitsnachweises erreichen konnten, dass die Diagnose der erblichen Taubheit zurückhaltend gestellt wurde. Die ärztliche Verpflichtung, zum Wohl des Patienten zu handeln, wurde aber preisgegeben zugunsten der politischen, zum Wohl des „Volks“ zu handeln.