Sind Plättchenhemmer schlimmer als ihr Ruf?

Intrazerebrale Hämorrhagien sind eine gefürchtete Komplikation der antithrombotischen Therapie. Plättchenhemmer haben hier zwar ein besseres Image als Vitamin-K-Antagonisten. Wie eine Studie zeigt, sind sie aber womöglich gefährlicher als angenommen. Allgemein gilt die antithrombotische Behandlung mit Thrombozytenaggregationshemmern mit Blick auf die Gefahr von Hirnblutungen als relativ sicher. Viele der Belege für diese These stammen jedoch aus retrospektiven Studien, in denen die Ergebnisse von besonders früh verstorbenen Patienten nicht berücksichtigt worden waren. Darauf hat nun ein Forscherteam um den Neurologen Jaume Roquer von der Autonomen Universität Barcelona hingewiesen und neue Resultate aus einer prospektiven Beobachtungsstudie vorgelegt. Die spanischen Mediziner hatten darin die Krankheitsverläufe aller 529 Patienten analysiert, die zwischen Mai 2005 und Dezember 2015 mit einer primären intrazerebralen Blutung in das IMIM-Hospital, das zur Universität Barcelona gehört, eingeliefert und deren Daten vollständig dokumentiert worden waren. Hohe Frühsterblichkeit 44,6% der Patienten waren antithrombotisch behandelt worden: 27,8% hatten einen Plättchenhemmer (meist Acetylsalicylsäure), 16,8% ein Cumarinderivat eingenommen. Ein früher Tod – definitionsgemäß binnen 24 Stunden – ereilte 19,0% der Patienten mit Plättchenhemmer- und 27,0% der Patienten mit Cumarintherapie. Bei den nicht antithrombotisch Behandelten Patienten lag die Rate bei 6,5%. Die Differenzen zwischen Behandelten und nicht Behandelten waren signifikant, der Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen aber nicht. Nach drei Monaten waren 40,8% aller Patienten mit intrazerebraler Hämorrhagie tot. Je nachdem, ob die Patienten Plättchenhemmer, ein Cumarin oder kein Antithrombotikum eingenommen hatten, lag diese Quote bei 49,7%, 58,4% oder 31,1%. Zu beachten ist hierbei, dass die signifikante Differenz in der Drei-Monats-Mortalität zwischen Vorbehandelten und Unbehandelten auf die Frühsterblichkeit der Ersteren zurückzuführen war. Antithrombotisch unbehandelte Patienten verstarben hingegen meist zwischen dem zweiten und siebten Tag nach der Hirnblutung. Nach drei Monaten hatten 28,5% der Patienten nach intrazerebraler Hämorrhagie einen Wert von höchstes 2 auf der modifizierten Rankin-Skala. Sie waren also noch in der Lage, ihren Alltag – wenn auch eingeschränkt – selbständig zu meistern. Für die mit Plättchenhemmer vorbehandelte Patientengruppe betrug dieser Anteil 22,4%, für die Cumarinpatienten 15,7% und für die Unbehandelten 35,5%. Fragliche Kausalität Eine Aussage zur Kausalität erlaubt die spanische Studie trotz dieser Ergebnisse nur eingeschränkt. Denn die klinischen Differenzen zwischen den untersuchten Gruppen sind nicht zu vernachlässigen. So waren die vorbehandelten Patienten im Mittel rund 80 Jahre alt und damit signifikant älter als die nicht behandelten mit 74 Jahren. Außerdem hatten sie ein höheres vaskuläres Risiko; beispielsweise lag der Anteil von Patienten mit vorangegangenen Schlaganfällen bei den Behandelten erheblich höher als bei den Unbehandelten, auch wiesen deutlich mehr Patienten eine Hypertonie auf. Andererseits war das mittlere Blutungsvolumen nach antithrombotischer Vorbehandlung signifikant größer (34,0 cm3 nach Cumarintherapie, 24,0 cm3 nach Plättchenhemmung, 15,3 cm3 ohne antithrombotische Vorbehandlung), was durchaus auf einen Effekt der eingenommenen Substanzen deuten könnte. Es war eine Tendenz festzustellen, wonach kränkere – hier: demente – Patienten keine Vitamin-K-Antagonisten, sondern Plättchenhemmer verordnet bekamen. „Diese verständliche Vorsicht in der präventiven Versorgung sollte im Licht der vorliegenden Ergebnisse überdacht werden“, schreiben Roquer und Kollegen. Denn die Sicherheitsbedenken, zerebrale Blutungskomplikationen betreffend, seien hinsichtlich der Plättchenhemmer ähnlich wie mit Blick auf Vitamin-K-Antagonisten.

Springer Medizin

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