Infarktverdacht entpuppt sich als neurogenes Stunning

Neurologische Störungen können eine Dysfunktion des linken Ventrikels verursachen, bezeichnet als neurogenes myokardiales Stunning. Die korrekte Diagnose kann erhebliche Probleme bereiten, wie eine Kasuistik verdeutlicht. Über den außergewöhnlichen Fall einer zuvor gesunden 71-jährigen Patientin, die nach einem Kollaps mit Brustschmerzen und Taubheitsgefühl im linken Arm in das Notfallzentrum von Takatsuko eingeliefert wird, berichten Hitoshi Kobata und Akira Sugie, Ärzte des Zentrums, im „American Journal of Emergency Medicine“. Das EKG deutet auf ein akutes Koronarsyndrom hin, und tatsächlich lindert Nitroglyzerin die Schmerzen der Patientin. ST-Hebungen sind in den Ableitungen I, aVL und V2–3, ST-Senkungen in II, III und aVF zu sehen. Kurz darauf klagt die Frau über Kopfschmerzen und fällt ins Koma. Die Computertomografie des Schädels zeigt indessen keine intrakraniellen Läsionen, dafür ist in der Echokardiografie eine anteroseptale Hypokinesie des linken Ventrikels zu erkennen. Trotz forcierter Ventilation liegt die Sauerstoffsättigung bei 93%, der Blutdruck ist nicht messbar. Unter der Diagnose eines kardiogenen Schocks wird nun eine Koronarangiografie vorgenommen, wo aber keine signifikanten Stenosen zu finden sind. Die linksventrikuläre Hypokinesie besteht weiter, die Ejektionsfraktion erreicht 40,7%. Tetraplegie nach dem Erwachen aus dem Koma Am folgenden Tag erwacht die Patientin aus dem Koma – mit einer Tetraplegie. Die folgende spinale Computertomografie, ergänzt um eine Magnetresonanztomografie, ergibt den Befund einer intramedullären Blutung im Rückenmark, die sich von der Medulla bis zum Konus über das gesamte Mark erstreckt. Eine Blutungsursache, etwa eine vaskuläre Anomalie, ist auch in der Spinalangiografie nicht auszumachen. Die Herzfunktion erholt sich im Lauf mehrerer Tage. Die Patientin freilich ist nun zwar wach, doch die Tetraplegie besteht fort. Zudem ist die Spontanatmung schwach, sodass die Frau beim Atmen unterstützt werden muss. Ob auch emotionale Faktoren für das Geschehen eine Rolle gespielt haben, ist unsicher. Die abschließende Diagnose lautet auf neurogenes myokardiales Stunning aufgrund einer Hämatomyelie. Wie andere neurologische Störungen auf Rückenmarksebene – Blutungen aus arteriovenösen Malformationen, subdurale Hämatome, Traumata und idiopathische Ursachen – kann auch eine Hämatomyelie ein myokardiales Stunning nach sich ziehen. Dabei kommt es zu intramedullären Hämorrhagien, bevorzugt in die graue Substanz und mit einer Tendenz, sich longitudinal auszubreiten. Prädisponierend wirken vaskuläre Anomalien, Tumoren, Syringomyelie und Störungen der Blutgerinnung. Außergewöhnlich an dem geschilderten Fall, so Kobata und Sugie, sei die über die gesamte Rückenmarkslänge ausgedehnte Blutung und der Umstand, dass sich keine Ursache habe feststellen lassen. Zur spinalen Ausdehnung könne das für die Koronarangiografie gegebene Heparin beigetragen haben.

Live-Webinar: "Diabetes in der Praxis: was man zu Subtypen und Therapie jetzt wissen muss"

Springer Medizin

Infarktverdacht entpuppt sich als neurogenes Stunning

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

Ein Tag geballtes Wissen zum chronischen Koronarsyndrom

Live-Webinar: "Diabetes in der Praxis: was man zu Subtypen und Therapie jetzt wissen muss"

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen

Ein Tag geballtes Wissen zum chronischen Koronarsyndrom