Eine Influenza-Impfung schützt Herzpatienten ähnlich gut vor Herzinfarkten und Co wie Statine oder Blutdrucksenker. Bei Patienten und dem medizinischen Personal ist das jedoch oft nicht im Bewusstsein. Was Kardiologen daran ändern können, wurde bei der DGK-Jahrestagung/Herztagen diskutiert.
Die Influenza-Impfung gehört zu einer erfolgreichen Sekundärprävention bei KHK-Patienten dazu, darauf verwies Prof. Ralf Dechend bei einer Session der DGK-Jahrestagung/Herztage.
„Bitte reden Sie mit Ihren Patienten über die Wichtigkeit der Influenza-Impfung und empfehlen Sie diese im Arztbrief an den Hausarzt“, riet der in Berlin tätige Kardiologe seinen Kollegen. In diesem Jahr sei das mit der gleichzeitig vorherrschenden COVID-19-Pandemie besonders wichtig, einmal, um die Patienten vor einer Doppelinfektion zu schützen, zum anderen auch, um das Gesundheitssystem zu entlasten.
Von der empfohlenen Impfquote ist Deutschland weit entfernt
Schon seit mehreren Jahren empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) eine Grippeschutzimpfung für Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen, zum Einsatz kommen sollte der quadrivalente Impfstoff. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert eine Impfquote von 75% bei chronisch Kranken. „Davon sind wir in Deutschland weit entfernt“, bemerkte Dechend, je nach Bundesland liegen die Raten hierzulande zwischen 20% (in Baden-Württemberg) bis 54% (in den neueren Bundesländern).
Woran das liegen könnte, lässt sich an dem Ergebnis von Umfrageerhebungen in Deutschland erahnen: Mehr als die Hälfte der chronisch kranken Patienten hatte im Jahr 2018 angegeben, dass sie eine Grippeschutzimpfung „für weniger wichtig“ erachtet. Selbst das medizinische Personal hat sich häufig entsprechend geäußert. Dechend glaubt, dass die Auswirkungen einer Influenza-Infektion häufig unterschätzt werden. Viele würden denken, dass die Infektion nur ein vorübergehendes Ärgernis darstellt und die Impfung es deshalb nicht wert sei.
Übersterblichkeit der Spanischen Grippe kardiovaskulär bedingt
Dass die Infektion nicht selten kardiovaskuläre Folgen mit sich ziehen kann, wird Dechend zufolge bereits an den Auswirkungen der Spanischen Grippe von 1918 deutlich. Die Übersterblichkeit sei damals tatsächlich vor allem auf die Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse zurückzuführen, sieben bis zehn Tage nach der Infektion stieg das Risiko deutlich an. Und schon 1932 stand in der Presse, dass bis zu 46% der Übersterblichkeit bei Influenza-Epidemien auf das Konto „organischer Herzerkrankungen“ gehen.
Herzinfarkt-Risiko nach Influenza erhöht
Was ebenfalls schon länger bekannt ist, dass ähnlich wie bei einer SARS-CoV-2-Infektion auch bei der Influenza vor allem ältere Menschen von Komplikationen betroffen sind. Dechend bezeichnet sie deshalb als „verletzliche Population“. Das liegt u.a. daran, dass ältere Menschen häufig an kardiovaskulären Erkrankungen leiden.
Ein Zusammenhang besteht quasi in doppelter Hinsicht: Menschen mit kardiovaskulären Erkrankungen haben zum einen ein erhöhtes Risiko, sich mit dem Influenzavirus zu infizieren. Die Infektion selbst geht wiederum mit einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko einher. Metaanalysen zufolge ist das Risiko in den ersten drei Tagen nach der Infektion um das 5,8-Fache erhöht.
Doch ist der Zusammenhang kausal?
Die Frage, die sich dabei allerdings stellt: Ist der Zusammenhang kausal? Eine Antwort darauf ist auch deshalb wichtig, weil im Falle einer Kausalität die Impfung nicht nur vor der Infektion schützt, sondern nachweislich auch einen Herzschutz bietet. Dechend hält die in einer Cochrane-Metanalyse von 2013 gezeigte Assoziation für „sehr überzeugend“: Durch die Grippeschutzimpfung konnte die kardiovaskuläre Sterblichkeit bei Risikopatienten um 55% gesenkt werden. Für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ließ sich in einer Metaanalyse eine 17%ige Reduktion der Gesamtsterblichkeit durch die Influenza-Impfung nachweisen.
Die Frage nach der Kausalität endgültig klären, können allerdings nur randomisierte Studien. Drei Outcome-Studien laufen derzeit. Eingeschlossen werden kardiovaskulär vorerkrankte Patienten, die entweder eine Impfung oder eine Shame-Prozedur erhalten. Die Ergebnisse seien, so Dechend, in zwei bis drei Jahren zu erwarten.
Was man mit dem Patienten besprechen sollte
Trotz dieser verbleibenden Unsicherheit soll es die Ärzte nicht abhalten, mit ihren Patienten über die Bedeutung der Influenza-Impfung zu sprechen. Ein weiterer Grund, der für die Impfung spricht: Nach einer Influenza-Infektion kann es zu einer Exazerbation chronischer Grunderkrankungen kommen, das gilt z.B. auch für Patienten mit Diabetes, COPD und Asthma.
In dem Gespräch rät der Kardiologe seinen Kollegen dazu, folgende Punkte aufzugreifen und den Patienten bewusst zu machen:
- Aufgrund der Wandelbarkeit der Influenzaviren ist eine Impfung niemals optimal, und bietet deshalb keinen 100%igen Schutz,
- dennoch verhindert die Impfung aufgrund der Häufigkeit der Influenza viele Erkrankungen bzw. oder diese verlaufen milder,
- viele „grippe-ähnliche“ Erkrankungen im Winter kommen nicht durch die Influenza, sondern durch andere Erreger,
- die Impfung ist gut verträglich, der Totimpfstoff kann weder eine Erkrankung auslösen noch können Impfviren an Dritte weitergegeben werden, leichte fieberhafte Reaktionen sind allerdings möglich, die Teil der gewünschten Immunantwort sind,
- für eine Impfung ist es selbst bei bereits anlaufender Grippewelle nicht zu spät.
Schlussendlich sollten Ärzte und das Pflegepersonal laut Dechend eine Vorbildfunktion einnehmen und sich impfen lassen, zum Eigenschutz und Schutz ihrer Patienten. In Deutschland liege die Impfrate bei Ärzten um die 75%, das Praxisteam sei zu ca. 50% geimpft, so Dechend. Speziell für Herzpatienten sei die Meinung ihres Kardiologen sehr wichtig.
Info |
Alle Vorträge von der DGK-Jahrestagung/Herztagen können Sie unter folgendem Link weiterhin on demand anschauen: https://dgk.meta-dcr.com/jtht2020/ |