Erschienen in:
01.12.2011 | Distale Unterschenkelfrakturen | Operative Techniken
Marknagelung distaler Unterschenkelfrakturen am Beispiel des ExpertTM Tibianagels
verfasst von:
Dr. R. El Attal, M. Hansen, R. Rosenberger, V. Smekal, P.M. Rommens, M. Blauth
Erschienen in:
Operative Orthopädie und Traumatologie
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Ausgabe 5/2011
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Zusammenfassung
Operationsziel
Wiederherstellung von Achse, Länge und Rotation des Unterschenkels. Übungsstabilität der Osteosynthese. Frühfunktionelle Übungsbehandlung mit Erhalt der Gelenkbeweglichkeit. Zuverlässige Knochenbruchheilung bei offenen und geschlossenen Frakturen.
Indikationen
Geschlossene und offene isolierten Tibia- und Unterschenkelschaftfrakturen distal des Isthmus (AO 42), extraartikuläre Frakturen der distalen Tibia (AO 43 A1/A2/A3), Segmentfrakturen der Tibia mit Fraktur im Bereich der distalen Tibia sowie intraartikulär einfache Frakturen der distalen Tibia (AO 43 C1) ohne Impression der Gelenkfläche in Verbindung mit weiteren Implantaten.
Kontraindikationen
Patienten in schlechtem Allgemeinzustand, Kniebeugefähigkeit von weniger als 90°, Patienten mit ipsilateraler Knietotalendoprothese, Weichteilinfekt im Bereich des prätibialen Nageleintritts, Markraumphlegmone der Tibia und komplexe Frakturen der distalen Gelenkfläche mit Impression (AO 43 C1/C2/C3).
Operationstechnik
Primär geschlossene Reposition der Tibiafraktur vorzugsweise auf dem Extensionstisch oder mit Distraktor oder Fixateur externe Rahmen. Einsatz von Repositionshilfen wie sterile Tücher oder über Stichinzisionen gesetzte große Weberzangen. Nur im Einzelfall muss in offener Technik reponiert werden. Im Bedarfsfall Einsatz von additiven Osteosynthesen wie perkutan eingebrachte Kleinfragmentschrauben, Pollerschrauben oder Kirschner-Drähte. Eröffnen der proximalen Tibia in Verlängerung des Markraums. Einbringen des ExpertTM Tibianagels (ETN; Synthes GmbH, Oberdorf, Schweiz) in kanülierter oder Frei-Hand-Technik mit Aufbohren des Markraums. Kontrolle der Achse, Länge und Rotation der Extremität. Distales Verriegeln mit dem röntgendurchlässigen Winkelgetriebe und proximale Verriegelung über den Zielbügel.
Weiterbehandlung
Freigabe der Gelenkbeweglichkeit von oberem Sprunggelenk und Kniegelenk unmittelbar postoperativ. Mobilisation unter Teilbelastung des Beins mit bis zu 20 kg Sohlenkontakt an Unterarmgehstützen. Nach 6 Wochen radiologische Verlaufskontrolle und schrittweise Belastungssteigerung. Bei einfachen Frakturen mit guter knöcherner Abstützung ist vollbelastende Mobilisierung nach Maßgabe des Schmerzes bis zum Ende der 6. Woche anzustreben.
Ergebnisse
Zwischen Juli 2004 und Mai 2005 wurden 180 Patienten in eine multizentrische Studie bei einer Nachuntersuchungsrate von 81% nach einem Jahr eingeschlossen. Davon lagen 91 Frakturen (50,6%) im distalen Drittel. In diesem Segment lag die Rate an verzögerten Heilverläufen bei 10,6%. Achsenfehlstellungen von > 5° wurden in 5,4% beobachtet. Eine sekundäre Achsenabweichung nach initial gutem Repositionsergebnis trat lediglich in 1,1% der Fälle auf. Das Implantat-spezifische Risiko für Bolzenbrüche lag bei 3,2%. Eine tiefe Infektion trat in einem Fall auf. Wurde die zusätzlich eine Fibulaverplattung durchgeführt, ergab sich ein 8-fach erhöhtes Risiko für eine verzögerte Knochenbruchheilung (95%-KI: 2,9–21,2, p< 0,001). Lag die Fibulafraktur auf gleicher Höhe mit der Tibiafraktur erhöhte sich das Risiko durch die Verplattung sogar auf das 14-fache (95%-KI: 3,4–62,5, p< 0,001). Aus biomechanischer Sicht bringt bei Unterschenkelfrakturen mit suprasyndesmaler Fibulafraktur eine zusätzliche Verplattung der Fibula keine erhöhte Stabilität. Bei Verwendung des ETN kann aufgrund der verbesserten Verriegelungsmöglichkeiten auf die Fibulaverplattung verzichtet werden, Weichteilprobleme und potentiell verzögerte Knochenbruchheilung können vermieden werden.