Zusammenfassung
Pathologische Ängste treten bei Menschen mit Diabetes etwa 20 % häufiger auf als bei stoffwechselgesunden Menschen und weisen eine hohe Komorbidität mit weiteren psychischen Störungen auf. Angststörungen können im direkten Zusammenhang mit dem Diabetes oder auch diabetesunabhängig entstehen. Sie sind per se belastend, führen jedoch oft zusätzlich zu einer erhöhten Belastung im Umgang mit dem Diabetes. Die häufigsten diabetesbezogenen Ängste beziehen sich auf übertriebene Ängste vor Hypoglykämien, Diabeteskomplikationen und vor einer notwendigen Insulinbehandlung. Angststörungen oder auch leichtere Ängste können die Ursache für eine schlechte Stoffwechseleinstellung sein, die Datenlage ist hierzu allerdings widersprüchlich.
Ein Screening auf Angststörung kann im primärärztlichen Anamnesegespräch und/oder durch psychometrische Fragebögen (z. B. dem „Gesundheitsfragebogen für Patienten, PHQ‑D“, Löwe et al. 2002) erfolgen. Bei einem positiven Screening ist es unerlässlich, den diagnostischen Prozess so weit fortzuführen, bis die Diagnose entweder bestätigt oder widerlegt ist. Im Zweifelsfall sollte eine konsiliarische Untersuchung bei einem ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten bzw. oder einem entsprechenden Facharzt durchgeführt werden.
Eindeutige Aussagen zur Wirksamkeit diabetesspezifischer Angstbehandlungen sind aufgrund einer unzureichenden Datenlage derzeit nicht zu treffen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Therapien von Angststörungen, die in der Behandlung von Menschen ohne Diabetes evaluiert wurden, bei einer Komorbidität mit Diabetes weniger wirksam sind. Daher leiten sich Empfehlungen zur Therapie komorbider Angststörungen bei Diabetes in weiten Teilen aus dem allgemeinen Forschungsstand zur Angstbehandlung ab. Aktuelle evidenzbasierte Leitlinien zur Therapie komorbider Angststörungen bei Diabetes legen, je nach Schweregrad der Störung, ein gestuftes Behandlungskonzept nahe. Empfohlen werden psychoedukative Interventionen, Verhaltenstherapie (gegebenenfalls in Kombination mit einer psychopharmakologischen Behandlung) bis hin zu einer stationären Therapie. Dabei ist stets der individuelle diabetologische und psychologische Kontext zu beachten. Wann immer möglich, sollte die Behandlung interdisziplinär erfolgen, damit die in der Versorgung Beteiligten ihre Interventionen zum Wohle der Betroffenen aufeinander abstimmen.