Erschienen in:
01.03.2011 | Leitthema
Versorgungsforschung am Beispiel Neurodermitis
verfasst von:
PD Dr. J. Schmitt, MPH
Erschienen in:
Die Dermatologie
|
Ausgabe 3/2011
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Zusammenfassung
Durch Studien der Versorgungsforschung wurde in den vergangenen Jahren die Relevanz und das Management der Neurodermitis in der Routineversorgung analysiert, der Nutzen der Therapie der schweren Neurodermitis quantifiziert und eine Standardisierung der Beurteilungsinstrumente für die Schwere der Neurodermitis eingeleitet. Trotz der niedrigeren Prävalenz im Erwachsenenalter sind 60% aller Patienten mit Neurodermitis Erwachsene. Es besteht eine signifikante versorgungsrelevante Komorbidität der Neurodermitis mit psychiatrischen Erkrankungen. Topische Glukokortikosteroide dominieren altersunabhängig und unabhängig von der betreuenden Fachdisziplin die ambulante Therapie der Neurodermitis. Es besteht jedoch eine ausgeprägte Heterogenität im Management der Neurodermitis durch die behandelnden Ärzte. In der Routineversorgung der schweren Neurodermitis sind systemische Glukokortikosteroide trotz fehlender klinischer Studien am weitesten verbreitet, während Ciclosporin trotz guter Studienevidenz nur selten zum Einsatz kommt. Eine aufgrund dieses Widerspruchs eingeleitete randomisierte Head-to-head-Studie zeigt eine Überlegenheit von Ciclosporin gegenüber Prednisolon in der Therapie der schweren Neurodermitis. Die medizinische Kontrolle der schweren Neurodermitis ist aus Sicht der Allgemeinbevölkerung und aus Patientenperspektive von hohem Nutzen. Ärztliche Fachkompetenz, Erkrankungsschwere und Selbstbehandlungskompetenz sind Hauptdeterminanten der Patientenzufriedenheit. Mit dem Ziel einer besseren Vergleichbarkeit von Studien und der besseren Übertragbarkeit von Studienergebnissen in die Routineversorgung wurde eine Delphi-Konsensus-Studie durchgeführt, an der klinische Experten aus 11 Ländern, Herausgeber internationaler dermatologischer Fachzeitschriften, Zulassungsbehörden und Patientenvertreter teilnahmen. Es wurde ein Konsens erzielt, demzufolge in Therapiestudien zur Neurodermitis international einheitlich Symptome, objektive klinische Zeichen und Langzeitverlauf gemessen werden und in der Routineversorgung Symptome wie Juckreiz dokumentiert werden sollen. Das Beispiel Neurodermitis zeigt exemplarisch auf, dass Versorgungsforschung nicht nur die Effektivität der medizinischen Versorgung beschreiben und kritisch bewerten, sondern im Sinne der Translationsforschung randomisierte klinische Studien implizieren und neue, klinisch relevante Hypothesen für experimentelle Studien generieren kann.