Erschienen in:
01.10.2006 | Originalien
Das posturale System in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht
verfasst von:
PD Dr. phil. habil. R. Schwesig, A. Lauenroth, S. Becker, K. Hottenrott
Erschienen in:
Manuelle Medizin
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Ausgabe 5/2006
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Zusammenfassung
Hintergrund
Um die Anpassungsfähigkeit und Trainierbarkeit des posturalen Systems sicher beurteilen zu können, sind alters- und geschlechtsspezifische Referenzwerte unabdingbar. Diesbezügliche systematische Untersuchungen, aus denen sich Aussagen zur Plastizität des posturalen Systems in der Lebensspanne ableiten lassen, liegen bislang nicht vor. Ursache hierfür ist ein eklatanter Mangel an geeigneten Assessments, da diese in der Regel alters- oder/und zielgruppenlimitiert sowie „trainierbar“ sind.
Methodik
Das IBS ermöglicht die frequenzanalytische Parametrisierung der posturalen Subsysteme (visuell, peripher-vestibulär, somatosensorisch, nigrostriatal, zerebellär) sowie die Beurteilung der posturalen Stabilität (Stabilitätsindikator). Die erhobenen posturografischen Daten (n=1894) wurden unter Verwendung definierter Ausschlusskriterien selektiert. Die alters- und geschlechtsspezifische Auswertung erfolgte stratifiziert auf der Basis von neun Altersgruppen.
Ergebnisse und Diskussion
Die größte posturale Stabilität (Parameter ST) fand sich im Altersbereich 20,1–30,0 Lebensjahre. Erst ab dem 50. Lebensjahr war ein signifikanter (p=0,036) posturaler Leistungsrückgang zu beobachten. Die Entwicklungsverläufe der posturografischen Parameter zeigten zudem ein deutliches Leistungsminimum im frühen und mittleren Kindesalter. Der ab dem mittleren Erwachsenenalter beginnende stetige Leistungsabfall manifestierte sich im Bereich der posturalen Subsysteme, vor allem im somatosensorischen (F 5–6) und zerebellären System (F 7–8). Die deutlichen Anstiege in diesen Frequenzbereichen sind vermutlich als kompensatorische Gegenreaktion auf die altersbedingt reduzierte visuelle und nigrostriatale Aktivität/Leistungsfähigkeit (F 1) zu interpretieren. Geschlechtsspezifisch ist zu konstatieren, dass die Frauen den Männern über die gesamte Lebensspanne hinsichtlich der Haltungsregulation überlegen sind, wobei diese Überlegenheit im Kindes- und Jugendalter signifikant ist.
Schlussfolgerung
Allein die Tatsache, dass es mit dem IBS möglich ist, die Haltungsregulation über die gesamte Lebensspanne zu erfassen, unterscheidet dieses Messsystem von fast allen Assessments in diesem Anwendungsfeld und qualifiziert das IBS für Screeninguntersuchungen. Die erhobenen alters- und geschlechtsspezifischen Referenzdaten stellen gewissermaßen das Fundament für zukünftige Untersuchungen mit dem IBS dar und verleihen dem posturografischen Befund noch mehr Zuverlässigkeit und Aussagekraft. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass das posturale System in allen Altersbereichen ein hohes Maß an Plastizität besitzt, woraus sich zugleich ein erhebliches präventives und rehabilitatives Potenzial ableiten lässt.