Erschienen in:
13.02.2018 | Originalarbeit
Moral Enhancement durch Neurochirurgie? Machbarkeit und ethische Vertretbarkeit
verfasst von:
PD Dr. phil. Dipl.-Phys. Sabine Müller
Erschienen in:
Ethik in der Medizin
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Ausgabe 1/2018
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Zusammenfassung
Moral Enhancement wird von einer Reihe einflussreicher Bioethiker propagiert, zum Teil mit dem Anspruch, dass nur dadurch die Menschheit vor ihrem selbstverschuldeten Untergang zu retten sei. Nachdem begründete Zweifel an der Eignung der zum Moral Enhancement vorgeschlagenen Psychopharmaka aufgekommen sind, wurden neurochirurgische Interventionen, insbesondere die Tiefe Hirnstimulation, vorgeschlagen. Diese Ad-hoc-Vorschläge stützen sich auf eine Handvoll neurochirurgischer Eingriffe an geistig schwer behinderten Menschen sowie die Psychochirurgie des letzten Jahrhunderts. In diesem Aufsatz geht es erstens um die Frage, ob Moral Enhancement durch neurochirurgische Methoden überhaupt möglich ist und, wenn ja, inwiefern, und zweitens um die Frage nach dessen ethischer Vertretbarkeit, sofern es möglich ist. Mit den bisher vorgeschlagenen Methoden des neurochirurgischen Moral Enhancement könnte man zwar Aggressionen oder den Sexualtrieb reduzieren, sodass weniger Selbstkontrolle erforderlich wäre, um moralisch angemessen zu handeln. Theoretisch denkbar, aber bisher nicht durch empirische Evidenz gestützt, ist, dass neurochirurgische Eingriffe die Selbstkontrolle verbessern könnten. Nach dem Modell der moralischen Intelligenz von Carmen Tanner und Markus Christen lässt sich zeigen, dass dadurch allenfalls eine Komponente der moralischen Intelligenz verbessert werden könnte, nämlich die moralische Standhaftigkeit. Keiner der bisherigen Vorschläge zielt dagegen auf die Verbesserung der anderen vier Komponenten, also des moralischen Kompasses, der moralischen Sensibilität, der moralischen Urteilsfähigkeit und der moralischen Motivation. Ein umfassendes Moral Enhancement durch neurochirurgische Eingriffe ist mit den gegenwärtig verfügbaren oder vorgeschlagenen Methoden also nicht möglich. Allenfalls lässt sich in Zukunft durch Closed-Loop-Systeme, die bestimmte Impulse automatisch herunter regeln, ein moralkonformeres Verhalten erreichen. Eine nur technisch induzierte Verhaltensverbesserung wäre allerdings höchstens unter Zugrundelegung eines utilitaristischen Moralverständnisses als moralische Verbesserung anzuerkennen.