Plasmaaustausch bremst Alzheimer

Ein Plasmaaustausch scheint den kognitiven und funktionellen Abbau bei Alzheimerkranken etwas zu bremsen, Sprache und Verarbeitungsgeschwindigkeit bleiben länger erhalten. Das wirkt sich auch auf die Lebensqualität aus. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Nach unzähligen Fehlschlägen in der Entwicklung wirksamer Alzheimertherapeutika sind neue Ansätze gefragt. Forschern aus Spanien ist es nun gelungen, in einer kontrollierten vierarmigen Studie per Plasmaaustausch mit Albuminersatz eine bestehende Alzheimerdemenz zu bremsen. Der recht unspezifische und aufwendige Ansatz wird sich zwar kaum zur breiten Anwendung bei Alzheimerpatienten eignen, könnte aber neue Wege in der Behandlung weisen. Die Idee dahinter: Das Plasma von Alzheimerkranken enthält relativ viel Beta-Amyloid, welches an Albumin gebunden ist, und zudem viel oxidiertes und glykiertes Albumin mit verminderten antioxidativen Eigenschaften. Ein Plasmaaustausch mit Albuminersatz soll zum einen über das Gleichgewicht zwischen Plasma-Amyloid und Liquor-Amyloid vermehrt Beta-Amyloid aus dem Hirn lösen, zum anderen die Amyloid-Aufnahme im Plasma durch frisches und höher konzentriertes Albumin verbessern. Die Methode hat den Charme, dass sie nicht nur gegen die Amyloidklumpen im Gehirn wirken könnte, deren klinische Bedeutung bei einer bestehenden Alzheimerdemenz umstritten ist, sondern auch andere pathologisch aggregierte Proteine entfernen sollte. Vorteile bei Kognition und Alltagsfunktion Für ihre Phase-2b/3-Studie AMBAR konnten Ärzte um Dr. Mercè Boada von der Universität in Barcelona sowie Forscher des spanischen Blutprodukteherstellers Grifols 347 Alzheimerpatienten gewinnen. Die eine Hälfte hatte eine moderate Demenz (MMST-Wert 18─21), die andere eine leichte (MMST-Wert 22–26). Das Team um Boada verteilte die Patienten nach dem Zufallsprinzip auf vier ähnlich große Gruppen: In der einen wurde lediglich eine invasive Prozedur vorgetäuscht, aber kein Plasma ausgetauscht. Eine weitere bekam die Plasmapherese plus Ersatzlösung mit 20 g Albumin, eine erhielt zur Plasmapherese und Albumin auch 10 g IVIG 5% – die Immunglobuline sollen ebenfalls helfen, Amyloid aus dem Gehirn zu lösen. Die vierte Gruppe erhielt zum Plasmaaustausch hochdosiertes Albumin (40 g) und hochdosiertes IVIG (20 g 5%). Der Plasmaaustausch erfolgte einmal im Monat über ein Jahr hinweg, in den sechs Wochen vor Beginn der gruppenspezifischen Behandlung erhielten alle Patienten bis auf jene mit Scheintherapie eine konventionelle wöchentliche Plasmapherese. Die Hauptergebnisse wurden bereits im vergangenen Jahr veröffentlicht: Nach insgesamt 14 Monaten Therapie gab es auf der ADCS-ADL Skala für die Alltagsfunktionen einen signifikanten Unterschied von 3,5 Punkten zugunsten der drei Plasmapheresegruppen, dies entsprach einem um die Hälfte geringeren Abbau im Vergleich zur Scheintherapie. Auf der ADAS-Cog-Skala waren die Werte in den gepoolten Gruppen mit Plasmaaustausch um 2,1 Punkte besser, die Differenz war jedoch nicht statistisch signifikant. Zumeist signifikante Vorteile deuteten sich auf weiteren Skalen zur Kognition und zum klinischen Gesamteindruck an, zwischen den einzelnen Plasmapheresegruppen waren aber keine belastbaren Unterschiede erkennbar. Subgruppenanalysen deuteten auf Vorteile des Plasmaaustauschs auf die Kognition vor allem bei Patienten mit moderater Demenz. Stabilisierung von Beta-Amyloid und Tau im Liquor Biomarkeranalysen zeigten zudem eine Stabilisierung von Amyloid- und Tau-Werten im Liquor. In einer aktuellen Auswertung der Studie haben die Forscher um Boada nach den Auswirkungen der Behandlung auf die einzelnen kognitiven Domänen sowie die neuropsychiatrischen Symptome geschaut. Danach schnitten die Patienten mit Plasmapherese in Tests zum Gedächtnis und verbalen Lernen tendenziell besser ab als unter der Scheintherapie, das Signifikanzniveau wurde aber knapp verfehlt. Hochsignifikante Unterschiede gab es jedoch bei der Sprachflüssigkeit: Hier zeigten die Patienten in den Plasmapheresegruppen eine bessere Leistung als unter der Scheintherapie, zudem deutete sich ein stärkerer Vorteil für die Hochdosisgruppe an. Knapp signifikant fiel das Ergebnis bei der Verarbeitungsgeschwindigkeit aus: Diese hatte sich unter der Scheintherapie leicht verschlechtert und mit dem Plasmaaustausch verbessert, auch hier profitierten vor allem Patienten in der Hochdosisgruppe. Schließlich wiesen die Patienten mit Plasmaaustauch zum Studienende eine signifikant bessere Lebensqualität auf, größere Unterschiede bei den neuropsychiatrischen Symptomen waren hingegen nicht erkennbar. Unterm Strich scheint ein Plasmaaustausch den Abbau von Kognition, Alltagsfunktionen und neuropsychologischen Fähigkeiten leicht zu bremsen, wobei sich bei einigen, aber nicht allen untersuchten Parametern ein Dosiseffekt bezogen auf Albumin und IVIG andeutete. Produktbezogene Nebenwirkungen von Albumin oder IVIG wurden kaum beobachtet, aber etwa jedem zehnten Patienten machte die Prozedur zu schaffen, zudem brach rund ein Drittel der Patienten die Studie vorzeitig ab. Die Studienautoren um Boada schließen aus ihren Resultaten, dass der Plasmaaustausch das Potenzial für eine neue Alzheimertherapie haben könnte, was nun in weiteren Studien zu belegen sei. Abkürzungen: ADCS-ADL: Alzheimer’s Disease Cooperative Study Group – Activities of Daily Living (ADCS-ADL) and ADAS-Cog: Alzheimer’s Disease Assessment Scale – Cognitive AMBAR: Alzheimer’s Management by Albumin Replacement IVIG: Intravenöse Immunglobuline MMST: Mini-Mental-Status-Test Das Wichtigste in Kürze Frage: Hilft ein Plasmaaustausch mit Albuminersatz Alzheimerkranken? Antwort: In einer kontrollierten Studie mit über 300 Patienten deuteten sich Vorteile bei der Kognition, der Alltagsfunktion sowie Sprachflüssigkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit und Lebensqualität an. Bedeutung: Ein Plasmaaustausch mit Albuminersatz kann eine Alzheimerdemenz möglicherweise bremsen Einschränkung: Klinische Relevanz ungewiss.

Springer Medizin

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