Myasthenia gravis: Erhöhtes Risiko bei jungen Müttern

Die Zeit nach der Geburt ist eine Risikophase für die klinische Manifestation einer Myasthenia gravis (MG), vor allem bei Erstgebärenden. Die „Early onset“-Myasthenia gravis (EOMG) beginnt typischerweise zwischen 20. und 40. Lebensjahr und tritt im Verhältnis 3 : 1 bei Frauen auf. Schon länger stehen Schwangerschaft und Post-partum-Periode im Verdacht, dass sie das Risiko für den Krankheitsausbruch erhöhen. Hinweise, dass es sich hierbei nicht nur um eine Koinzidenz handelt, sondern tatsächlich ein Zusammenhang besteht, liefert auch eine aktuelle Studie aus Norwegen. Danach ist das EOMG-Risiko in den sechs Monaten nach der Entbindung fünfmal so hoch wie vor der Schwangerschaft. Die Studienautoren um Marion I. Boldingh von der Universität Oslo hatten zunächst zwei bevölkerungsbasierte MG-Kohorten aus Norwegen und den Niederlanden unter die Lupe genommen, wobei sie sich auf Frauen im Alter zwischen 15 und 45 beschränkten. Bei 37 (15 %) der 246 Patientinnen fielen die ersten Symptome der MG in die Zeit von der Konzeption bis sechs Monate nach der Entbindung. In den meisten Fällen (n = 28) war die Post-partum-Periode betroffen. Bei 28 der Frauen brach die Krankheit in zeitlichem Zusammenhang mit der ersten Schwangerschaft aus. Bei Folgeschwangerschaften war das Risiko nur ein Drittel so hoch. Fünffach erhöhtes Risiko post partum In der größeren norwegischen Kohorte wurde außerdem untersucht, wie sich das Risiko einer MG-Manifestation während und nach einer Schwangerschaft im Vergleich zu der Zeit davor verhielt. Dafür konnten 79 Mütter berücksichtigt werden, die mindestens bis zum 45. Lebensjahr beobachtet worden waren. Zur Risikoberechnung wurde die Verteilung der Personenjahre mit der in einer altersgleichen Kohorte der norwegischen Allgemeinbevölkerung abgeglichen. Das Ergebnis: Während der Schwangerschaft war das Risiko nicht höher als vor der Schwangerschaft (relatives Risiko, RR 0,96). In den ersten sechs Monaten nach der Geburt kletterte es dann auf über das Fünffache (RR 5,5), ging aber in den Monaten sechs bis zwölf wieder auf das Ausgangsniveau zurück. Analogie zu anderen Autoimmunerkrankungen „Die Post-partum-Periode war mit einem signifikanten Anstieg des Risikos für den Beginn der klinischen Symptome assoziiert“, fassen die Autoren das Ergebnis zusammen. Dass dieses Risiko nach der ersten Geburt am höchsten war, deuten sie so, dass bei Frauen mit entsprechendem genetischem Profil eine einzige Schwangerschaft ausreicht, damit sich eine klinisch manifeste MG entwickelt. Ob es sich dabei tatsächlich um eine kausale Beziehung handelt, kann aufgrund des Studiendesigns nicht entschieden werden. Boldingh und ihre Kollegen erinnern aber daran, dass nach einer Geburt auch das Risiko für Autoimmunthyreoiditis und rheumotide Arthritis erhöht ist. Möglicherweise handele es sich hier um eine universelle Eigenschaft von Autoimmunerkrankungen. Mögliche Mechanismen Als Bindeglieder zwischen Geburt und MG-Ausbruch werden verschiedene Veränderungen diskutiert: Ein Anstieg des Östrogenspiegels führt bei MG-Patientinnen nachweislich zur vermehrten Produktion von Zytokinen und Immunglobulinen. Auch der postpartale Rückgang des Alpha-Fetoproteins könnte eine Rolle spielen; das Protein unterdrückt die Bindung von Autoantikörpern an den Acetylcholinrezeptor. Der immunologische Rebound nach der Entbindung und die Immunisierung durch fetales Antigen ebenso wie Stress und Schlafmangel könnten ebenfalls zu einem erhöhten Risiko beitragen.

Springer Medizin

Myasthenia gravis: Erhöhtes Risiko bei jungen Müttern

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